Drogenökonomie und Gewalt in Kolumbien

Drogenökonomie und Gewalt in Kolumbien

von Peter Seidel

„Möchtest du auch eine Boden-Luft-Rakete haben? Die kannst du brauchen, wenn der Ami-Hubschrauber mit dem Gift kommt!“ Welcher Koka-Bauer in der kolumbianischen Grenzregion zu Ekuador würde da Nein sagen, denn es geht schließlich nicht nur um die Gesundheit, sondern um die nächste Ernte und damit das Einkommen für seine Familie. „Macht kaputt, was euch kaputt macht – Runter mit den Giftspritzern“ ist das Motto der Guerilla, die in letzter Zeit verstärkt solche Hubschrauberabwehrraketen in den Koka-Anbauregionen an ausgewählte Bauern verteilt und natürlich entsprechende Kurse zur Handhabung anbietet. Bezahlt werden die Raketenwerfer aus den Abgaben des Drogenhandels. Drogen und Krieg sind in Kolumbien zwei Seiten der selben Medaille. Die Offenheit, mit der diese von Bürgerkrieg geprägte Drogenökonomie funktioniert, klingt für mitteleuropäische Ohren so anekdotenhaft übertrieben, skurril und phantastisch wie die Geschichten von García Márquez. Doch auch der ist weniger fabulierender Literat denn Chronist einer grotesken Realität.
Nach Llorente, eines der Dörfer, in dem die Guerilla Ende letzen Jahres Abwehrraketen verteilte, kamen im April diese Jahres die Schergen der Paramilitärs, luden 30 der Bauern in einen Bus und ließen sie verschwinden. Die knapp 60 Kilometer entfernt stationierten Militärs sahen keinen Grund, bei diesem seit langem öffentlich vorbereiteten Massaker einzugreifen. Ziel dieser »Säuberungen« ist nicht die Bekämpfung des Drogenhandels. Ziel ist die Machtübernahme der Paramilitärs in den Drogenanbauregionen und der Wechsel der Kontrolle über den Transport illegaler Waren und die entsprechenden Gewinne.

Kolumbien ist nicht nur weltweit führend in der Drogenproduktion und dem -export, auch was Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeht, liegt Kolumbien an der Weltspitze. Guerilleros, die mit den Köpfen ihrer enthaupteten Gegner Fußball spielten, Paramilitärs, die nach dem Motorsägen-Massaker an der Bevölkerung eines Dorfes die Köpfe der Männer auf Pfähle aufspießten und dann mit Champagner auf ihren Sieg anstießen. Ohne Drogen ist dieses Verhalten schwer zu erklären, denn fanatisch sind diese Kämpfer schon lange nicht mehr, sofern sie es denn je gewesen sind. Je nachdem wie hoch der Sold ist, werden da auch schon mal die Fronten zwischen ganz weit links und ganz weit rechts mit einem kurzen Sprint gewechselt. Die Paramilitärs zahlen einem ihrer gemeinen Söldner ca. 700 DM monatlich. Die Guerilla zahlt 100 DM weniger, allerdings sind im Dschungel Kost und Logis in der Hängematte frei. Doch auch diese 600 Mark sind noch mehr als das doppelte eines kolumbianischen Mindestlohns, von dem wiederum mehr als die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung Kolumbiens nur träumen kann. Es ist daher finanziell durchaus verlockend, bei einer dieser Truppen mitzumachen.

Ohne Drogengelder läuft im Bürgerkrieg nichts

Die Finanzierung dieser Armeen verschlingt erhebliche Summen. Allein an Sold sind das für die geschätzten 15.000 Mitglieder der FARC-Guerilla jährlich mehr als 100 Millionen DM. Medizinische Versorgung, Verwaltung und vor allem Bewaffnung der Truppe kosten noch einmal mindestens die gleiche Summe. Die Fixkosten der Paramilitärs dürften bei den offiziell angegebenen 12.000 Mann Truppenstärke eher noch höher liegen. Durch Schutz- und Lösegelder von Großgrundbesitzern oder Spenden von nationalen und internationalen Unternehmen allein sind diese Summen nicht aufzubringen. Ohne die Zusatzeinnahmen von den Drogenhändlern liefe daher im Krieg der rechten Todesschwadrone gegen die Guerilla nur wenig. Der offizielle Oberbefehlshaber der Paramilitärs, Carlos Castaño, gibt die Finanzierung seiner Truppe durch Drogengelder sogar in Zeitungs- und Fernsehinterviews öffentlich zu: Der »patriotische« Zweck heiligt die Mittel.

Die Korrumpierbarkeit rechter Söldner durch Mafiagelder liegt in der Natur der Truppe: Söldner sind käuflich. Der Niedergang einer einst von Revolutionsidealen beeinflussten Guerilla zu zwielichtigen Geschäftspartnern der Drogenmafia ist da eher erstaunlich. So fällt es der Guerilla auch etwas schwerer, zu ihrer offenkundigen Zusammenarbeit mit den Drogenhändlern eine international überzeugende ideologische Erklärung zu finden.1 Die Guerilla sieht sich gern als Verteidigerin der legitimen ökonomischen Interessen des ausgebeuteten kolumbianischen Bauernstandes, als »alternativer« bewaffneter Bauernverband sozusagen. Seit der neoliberalen Öffnung Kolumbiens und der Globalisierung der Märkte für landwirtschaftliche Produkte importiert dieses Stammland der Maisbauern und Viehzüchter nun nordamerikanisches Hormonfleisch und Gen-Mais zu Dumpingpreisen. Viele Bauern, die weder ihr Handwerk aufgeben wollen, um in die Bürgerkriegsarmeen einzutreten, noch vollständig verarmen möchten, steigen daher auf die einzigen noch lukrativen und international konkurrenzfähigen landwirtschaftlichen Produkte um: Koka und Mohn. Welcher Apostel des Neoliberalismus wollte ihnen dieses rationale Marktverhalten verübeln? Zumal auch mit Kaffee und Kakao, die Kolumbien bis Mitte des letzten Jahrhunderts einen bescheidenen Wohlstand verschafft hatten, kein lohnendes Geschäft mehr zu machen ist. Die Guerilla schützt diese ökonomischen Interessen ihrer landwirtschaftlichen Klientel und erschließt sich durch taktisch motivierte Zusammenarbeit mit den Zwischenhändlern des Drogengeschäfts gleichzeitig eine sichere Finanzierungsquelle. So wird sie auch von den Launen politisch motivierter Spender unabhängig. Während der mehr als 40-jährigen Geschichte der kolumbianischen Guerilla hat der Glaube an Ideologien oder einen schnellen Sieg der Revolution sehr gelitten. Im Gegensatz zu Kuba oder Nikaragua ist Guerillero in Kolumbien kaum mehr eine Form des politischen Widerstands, sondern vielmehr ein Beruf bzw. eine Lebensform. Da die meisten bisherigen Reintegrationsprogramme für Ex-Guerilleros genauso wie die politischen Friedensprozesse gescheitert sind, gibt es auch kaum individuelle Auswege aus der Guerilla. Die kolumbianische Guerilla aber einfach als eigenes Drogenkartell zu bezeichnen, wie dies in den USA immer wieder getan wird, ist daher nicht nur ein viel zu simpler Erklärungsansatz, sondern schlichtweg falsch.

Militärische Institutionen sind korrumpierbar

Die Stärke von militärischen Organisationen liegt nicht in der Fähigkeit, Handel zu betreiben oder internationale Vertriebskanäle zu erschließen. Die Stärke von Armeen ist das Dienstleistungsangebot militärischer Repression. Darin besteht ja genau die Arbeitsteilung zwischen Drogenhändlern und den verschiedenen linken oder rechten, kolumbianischen oder nordamerikanischen Militärverbänden. Der Schutz der Drogenhändler durch die Guerilleros oder Todesschwadrone ist genauso käuflich wie ihre Tolerierung durch kolumbianisches und US-amerikanisches Militär. Entsprechend traurig sind die offiziellen Resultate von Jahrzehnten Drogenkrieg.

Die Größe der mit Koka und Mohn bepflanzten Fläche hat trotz massiver Aufbringung von Glyphosat und anderen Chemikalien zur Kokainbekämpfung zugenommen. Es liegt der Verdacht nahe, dass es beim Drogenkrieg letztlich auch nicht einfach um die Verringerung der Produktionsmenge an sich geht, sondern um die Kontrolle darüber, wer den Handel abwickelt und wie viel er daran verdient.

Die Rolle von kolumbianischem Militär und Polizei

Die kolumbianische Polizei wurde unter der letzten Regierung und der Leitung des Generals Rosso Serrano einer massiven Säuberung unterzogen. Transparenz und Bürgernähe waren dabei die Schlagworte. Erfolge in der Bekämpfung des Calikartells schienen der Strategie Recht zu geben. Weil die kolumbianische Polizei Mitte der 90er Jahre die Capos des Calikartells hinter Gitter brachte, muss sie nun permanent mit Terroranschlägen rechnen. Während dessen sitzen die Drogenbosse gemütlich im Gefängnis von Itagui ihre lächerlichen Haftstrafen ab, kümmern sich in Ruhe um ihre Geschäfte und genießen das gute Essen, das von örtlichen Luxushotels geliefert wird. Viele Polizisten grübeln daher über den Sinn ihrer Arbeit: Das schlimmste ist nicht einmal der schlechte Lohn, sondern die Einsicht, den Kopf für einen korrupten Staat hin zu halten.Genauso wie die allermeisten Politiker und Richter vermeiden die Militärs eine direkte Auseinandersetzung mit der Mafia, so gut das eben geht, ohne sich vor der Weltöffentlichkeit vollständig lächerlich zu machen.

Auch aus dem Krieg gegen die Guerilla haben sich die Militärs immer mehr zurückgezogen. Diese schmutzige Arbeit machen seit langem die Paramilitärs. So vermeiden die Generäle die lästigen juristischen Verwicklungen in Menschenrechtsverletzungen. Ihr Verbrechen reduziert sich dann auf die offene Tolerierung und heimliche Unterstützung der Todesschwadrone. Lohnerhöhungen und großzügige Waffenlieferungen allein reichen sicher nicht, um diese demotivierte und korrupte Armee dazu zu bringen, gleichzeitig gegen Drogenmafia, organisierte Kriminalität, Guerilla und Todesschwadrone zu kämpfen.

Drogenhandel, Waffenschmuggel, Geldwäsche – verschiedene Formen des Freihandels

Kolumbien ist aber keineswegs bloß eine abgelegene Bananenrepublik mit undurchdringlichen Kokaindschungeln, sondern ein beispielhafter Teil des neoliberal deregulierten Weltmarkts, in dem der freie, politisch unkontrollierte Warenaustausch auf die Spitze getrieben wird: Ein attraktiver rechtsfreier Raum ohne ökologische und soziale Kontrollen. Idealer Tummelplatz also für nordamerikanische Erdölmultis genauso wie für europäische Chemiekonzerne – und für Waffenhändler aus den Industrieländern sowieso.

Wo es Drogenhandel gibt, blüht als Folge die Geldwäsche im Süden – beim Waffenhandel ebenfalls, aber im Norden. Wenn eine Hand die andere wäscht, lässt sich Seife sparen und so ist es am besten, gleich illegale Güter gegen einander auszutauschen. Drogenimport und Waffenexport gehören daher für Schwarzhändler in USA und Deutschland genauso zusammen wie Drogenexport und Waffenimport in Kolumbien. Eine der geographischen Hauptschienen des Austauschs der beiden beliebtesten, weil gewinnträchtigsten illegalen Güter von und nach Kolumbien ist die Grenzregion zu Panama. So kann die Maultierkarawane der Drogenhändler auf dem Rückweg aus dem Hinterhof der nordamerikanischen Freihandelszone gleich den Nachschub für die Waffenträger mitbringen. Es wundert nicht, dass jeder Quadratmeter dieser Grenzregion und die dortigen Trampelpfade des Schwarzhandels heiß umkämpft sind.

Deutscher Superagent im Drogendschungel

Der Fall Mauss zeigt exemplarisch auf, dass im Bereich des Schwarzhandels komplexe Kreisläufe und vielfältige Kombinationsmöglichkeiten von Wa-ren-, Geld- und Dienstleistungstransfers jeder Art existieren. Kolumbianisches Kokain gegen deutsche G3 oder Boden-Luft-Raketen ist dabei nur eine entsprechend simple Variante. Der Einstieg von Mauss in die kolumbianische Welt des freien schwarzen Marktes begann in den 80er Jahren mit der Lieferung von Waffen an die ELN-Guerilla als variierte Schutzgeldzahlung, um die komplikationslose, d.h. sprengungsfreie Fertigstellung einer von Mannesmann gebauten Erdölpipeline zu ermöglichen. Die Aktion förderte freien Export gleich in zweifacher Art: Das Öl konnte durch diese vom kolumbianischen Staat subventionierte Pipeline billig nach USA geschafft werden und der Abtransport des Kokains in die USA war durch die neuen Waffen der Guerilla besser gesichert. Das letzte Mal als Mauss in Kolumbien für Aufsehen sorgte, war er zusammen mit seiner Frau in die Freilassung einer von der Guerilla entführten deutschen Chemiemanager-Gattin verwickelt. Es ist nicht bekannt, ob das Lösegeld in bar, als Waffen oder in Form von chemischen Vorprodukten für die Kokainproduktion geliefert wurde. Die Staatsanwaltschaft in Medellin beschuldigte das Duo Mauss nicht nur diese illegale Lösegeldzahlung organisiert zu haben, sondern auch der Guerilla den Vorschlag zur Entführung gemacht zu haben. Die Wahrheit wird wahrscheinlich im Nebel des kolumbianischen Regenwaldes bleiben.

Der Nord-Süd-Konflikt der Kartelle

Im Gegensatz zum Öl, dessen Handel und Gewinne ein Kartell von wenigen, vor allem nordamerikanischen Multis unter sich aufteilt, traten im Falle des Kokains Kartelle aus Medellin und Cali auf den Plan. Anders als ihre bolivianischen und peruanischen Kollegen beschränkten sich diese Banden nicht nur auf die Organisation des Anbaus und der Produktion des Kokains, sondern organisierten den kompletten Produktions- und Verkaufsweg: vom Bauern im kolumbianischen Urwald bis zum Junkie im Großstadtdschungel von New York.

Grund genug für internationalen Konfliktstoff.

In den 70er Jahren gab es den ersten Drogenkrieg in Kolumbien. Damals richtete er sich gegen die Marihuanakartelle an der kolumbianischen Karibikküste. Durch massive Besprühungen der Anbauregionen in der Sierra Nevada von Santa Marta mit chemischen Entlaubungsmitteln vom Stile des Agent Orange wurden weite Regionen verseucht, was bis heute zu massiven Erbschäden und Fehlbildungen bei der dortigen Indianerbevölkerung führt. Dieser Krieg hörte auf, als in Kalifornien genug Marihuana produziert werden konnte, um die nordamerikanische Mafia von Importen unabhängig zu machen. Das Glück der Enkel Al Capones dauerte jedoch nicht lange. Mit dem Boom der Schickeria- und Managerdroge Kokain traten wieder unliebsame kolumbianische Wettbewerber auf den Markt. Da im Falle des Kokains für die US-amerikanische Mafia anders als bei Marihuana kein Ausweichen auf nationale kalifornische Anbauregionen gibt und die Herstellung im Labor immer noch nicht zufrieden stellend funktioniert, bleibt gegen die südamerikanische Konkurrenz nur der frontale Kampf: die Neuauflage des Drogenkriegs als Plan Colombia – Lösung des Kokainproblems durch militärische Angebotskontrolle in Kolumbien. Dazu gehören Flächenbombardierungen von Dörfern, in denen Kommandozentralen der Guerilla vermutet werden genauso wie der Einsatz chemischer und biologischer Waffen zur Bekämpfung der Kokasträucher. Der letzte Schrei auf diesem Experimentierfeld sind genetisch manipulierte Pilzsporen, die angeblich gezielt die Kokapflanzen befallen und schädigen sollen. Die Auswirkungen auf Menschen und das komplexe Ökosystem des Amazonasurwaldes sind dabei völlig unerforscht. Weit reichende Schädigungen werden billigend in Kauf genommen.

Die Verschärfung des Krieges in Kolumbien ist für die nordamerikanischen Drogendealer und Waffenschieber ein gutes Geschäft. Die ersten lachen über höhere Preise auf den Schwarzmärkten durch das geringere Kokainangebot, weshalb viele Experten die Sicherung der Preisstabilität auf dem internationalen Drogenmarkt neben dem Schutz US-amerikanischer (Mafia-) Interessen für die wichtigste Aufgabe der nordamerikanischen Drogenpolizei DEA halten. Die Waffenhändler ihrerseits freuen sich über die staatlichen Waffenaufträge, die in Washington angenehmer abzuwickeln sind als mit der zwielichtigen Klientel in Panama. Wobei es zur nachhaltigen Absatzsicherung natürlich am besten ist, beide Seiten zu beliefern.

Nur durch Illegalität sind die schnellen Schwarzmarktgewinne möglich. Die Illegalität des Drogenhandels verhindert daher die Existenz von Mafiastrukturen nicht, sondern ist ihre Grundvoraussetzung. Umgekehrt wird durch Entkriminalisierung des Drogenkonsums gerade nicht die Mafia gefördert, sondern es wird ihr die Lebensgrundlage entzogen. Es war genau diese Erkenntnis, die in den USA in den 20er Jahren zur Aufhebung der Prohibition führte. Die Tatsache, dass die nordamerikanische Regierung sich weigert, aus dieser im eigenen Land gemachten Erfahrung im Falle Kolumbiens Konsequenzen zu ziehen, legt die Vermutung nahe, dass es eben nicht um Bekämpfung von Drogenabhängigkeit und Mafiagewalt geht, sondern um Absicherung der Gewinne der nordamerikanischen Drogenhändler und Waffenschieber.

Drogengewinne, Drogenkonsum und Gewaltbereitschaft

Vom Produzenten zum Konsumenten von Drogen zu verkommen ist ein weit verbreitetes Schicksal in Kolumbien. Früher war der Konsum selbst bei den direkt in der Produktion Arbeitenden verpönt, heute ist er ein gesellschaftlicher Trend geworden. Beschaffungskriminalität bisher ungeahnten Ausmaßes macht die Innenstädte Kolumbiens zu Tummelplätzen für Straßenräuber. In Folge des Auf und Ab des Drogenhandels nimmt auch die nicht politisch motivierte Kriminalität zu.

Trotz des gewalttätigen Bürgerkriegs gehen 80% der 30.000 Menschen, die in Kolumbien jährlich auf gewaltsame Weise das Leben lassen, auf das Konto der nicht politischen Kriminalität. Mehr als die Hälfte der weltweiten Entführungen finden in Kolumbien statt. Für Guerilla und unpolitische kriminelle Banden ist die Erpressung von Lösegeldern nach den Schutzgeldern der Drogenmafia zum zweiten finanziellen Standbein geworden.

Überschwemmt von billigen, vor allem nordamerikanischen Waffen, die im Gegenzug zum Kokainexport ins Land gekommen sind, versinken die Städte Kolumbiens seit den 90er Jahren in Chaos und Gewalt. Die Ausweitung des Betätigungsfelds der Killerbanden ist ein Nachfolgeproblem der Verfolgung der Mafia. Das Ausbleiben des schnellen Geldes schafft für die vom Lebensstil der Mafiosi infizierten Jugendlichen Entzugsprobleme. Die Antwort auf gewalttätige Jugendbanden, die im Schatten der Mafia gezüchtet wurden, ist Gegengewalt. Die Stadtguerilla organisierte Anti-Killerbanden, die sich bald jedoch in ihren Methoden von ihren Feinden nicht mehr viel unterschieden. Genauso wie ihre Mutterorganisationen im Dschungel schwanken auch diese Volksmilizen zwischen Bekämpfung der und taktischer Kooperation mit den Drogenbanden hin und her.

Doch der Drogenhandel heizt nicht nur die Gewalt auf allen Ebenen an. Er korrumpiert auch weite Teile der Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Kein Wahlkampf ohne Drogengelder, kein Gefängnis ohne einen von der Mafia kontrollierten Luxustrakt. Kaum ein Fußballclub ohne militärisch bewaffnete Fanclubs, Geldwäscheprobleme beim Spielerkauf und Mafiosi im Vorstand. Selbst bei der Einweihung der Kathedrale von Pereira stand neben dem heutigen Kardinal Castrillon der bereits erwähnte Mafia-Boss Carlos Lehder auf dem Podium und ließ sich für seine großzügigen Spenden loben. Mit Entlaubungsmitteln ist solch moralischem Verfall nicht beizukommen.

Auch die Auswirkungen des Drogenhandels auf die legale Wirtschaft sind fatal. Schätzungen gehen davon aus, dass in den Hochzeiten des Drogenhandels bis zu 40% des kolumbianischen Bruttosozialprodukts direkt oder indirekt aus dem Drogenhandel stammten. Jedes internationale Geschäft läuft in einem vom Drogenhandel verzerrten wirtschaftlichen Umfeld Gefahr, zum Mittel der Wäsche von Drogengeldern zu werden. Durch massive Billigimporte von Textilien zur Geldwäsche wurde die nationale Textilindustrie weitgehend zerstört. Durch die entsprechende Zunahme der Arbeitslosigkeit nahm der ökonomische Druck auf die Bevölkerung zu, in die direkt oder indirekt vom Drogenhandel beeinflussten Wirtschaftsbereiche umzusteigen oder sich einer der gewalttätigen Gruppen anzuschließen.

Auswege

Das Beispiel Kolumbien zeigt, dass es leicht ist, eine Generation zu korrumpieren; aber ein Land aus dem Chaos von Freihandel und Freibeuterei zurück in die Zivilisation einer funktionierenden Zivilgesellschaft mit demokratischer Kontrolle über ökonomische und militärische Macht zu führen, ist eine Herkules-Aufgabe für viele Generationen.

Einzig langfristig Erfolg versprechende aber natürlich kostspielige Auswege aus dem Bürgerkrieg sind die Schaffung von mehr sozialer Gerechtigkeit durch ökonomische Umverteilung und massive Programme zur Förderung von Ausbildung und Arbeitsplätzen. Daneben sind die internationale Kontrolle im Menschenrechtsbereich und entsprechender ökonomischer und politischer Druck auf die korrupte und Menschen verachtende Regierung Kolumbiens unerlässlich.

Zur Bekämpfung des Drogenkonsums ist nicht die militärische Bekämpfung der Drogenbauern erforderlich, sondern die therapeutische Nachfragebekämpfung bei den Konsumenten in den Slums von New York oder den Chefetagen Chikagos. Es ist nicht das Drogenangebot, das sich seine Nachfrage schafft, sondern umgekehrt. Konsumenten, die bereit sind jeden Preis für ihre gewünschten Drogen zu bezahlen, sind typisch für diesen von der Nachfrage dominierten Markt.

Der Plan Colombia als einseitig militärische Strategie ist keine Lösung des Drogenproblems, sondern wird die Gewalt in Kolumbien nur verschlimmern. Die Bombardierung von Weinbergen zur Verhinderung des Alkoholmissbrauchs wäre eine ebenso absurde Strategie. Diese wird selbst von moslemischen Fanatikern nicht vorgeschlagen.

Anmerkungen

1) Explizit kapitalismuskritische Stimmen zur Rechtfertigung des Drogenhandels sind selten. Der deutsch-stämmige Lehder, ein Polit-Clown unter den Mafiabossen, tat sich mit Ideen hervor wie „Drogenexport sei ein Mittel des Antiimperialismus, da dadurch die Gesellschaft der amerikanischen Unterdrücker geschwächt würde.“ Später wurde er durch Drogenkonsum selbst derart geschwächt, dass er für seine Kollegen des Medellinkartells zum Sicherheitsrisiko wurde und sie ihn in den 80er Jahren dem US-amerikanischen »Klassenfeind« auslieferten.

Peter Seidel ist Volkswirt und Theologe und war 1993-2000 als Dozent und Entwicklungshelfer in Kolumbien tätig.

Zur Konversion von Gewaltökonomien

Zur Konversion von Gewaltökonomien

Eine Anregung zum Handeln

von Wolf-Christian Paes

Die Spirale aus Gewalt und Gegengewalt, Ausbeutung und Widerstand, Ressourcenabfluss und Waffenimport erscheint nur schwer zu unterbrechen. Tatsächlich steht auch der Westen – mitsamt seinen humanistisch gebildeten Eliten – vor schwierigen Handlungsalternativen: Soll Nothilfe wirklich eingestellt werden, nur weil, wie etwa im Sudan, auch die Kriegsparteien von der ausländischen Hilfe profitieren – weil in Konflikten immer zuerst diejenigen essen, die Waffen haben? Und umgekehrt gefragt – sollen weit reichende Embargos, etwa gegen den Irak, aufgehoben werden, obwohl Bagdad sich weiterhin weigert, seine Abrüstungsmaßnahmen durch internationale Beobachter überprüfen zu lassen. Und wie lange hält der politische Atem unserer Regierenden bei der Durchsetzung einer an »ethischen Kriterien« orientierten Außenpolitik, wenn es um den Zugang der Industrienationen zu strategischen Rohstoffen geht?
Sanktionen gehören bereits seit langer Zeit zum diplomatischen Waffenarsenal – verhängt von einzelnen Staaten oder von internationalen Organisationen, sollen sie den Handel mit dem sanktionierten Staat unterbinden und einem bewaffneten Konflikt auf diesem Wege das Wasser abgraben. Häufig werden Sanktionen jedoch erst spät – in aller Regel erst nach dem Ausbruch eines Konfliktes verhängt, so dass beide Seiten ausreichend Zeit zur Aufrüstung bzw. zum Transfer von Werten in das Ausland haben. So wurde das UN-Waffenembargo gegen Äthiopien und Eritrea erst im Mai 2000 verhängt, nachdem die Regierungen beider Länder ausreichend Zeit für ausgedehnte Einkaufsreisen zu den Waffenmärkten der Welt hatten. Noch problematischer ist die mangelnde Treffsicherheit von Sanktionen. Gerade Wirtschaftssanktionen treffen eher die Unter- und Mittelschichten, während die Regierenden oft sogar – durch den Zugang zum Schwarzmarkt – von Embargos profitieren. Auch politisch ist die Wirkung von Sanktionen zumindest ein zweischneidiges Schwert. Internationaler Druck führt nur selten zu einem Volksaufstand gegen ein Regime, viel häufiger sind Solidarisierungseffekte, bei denen die Regierenden den Zorn der Massen gegen unpopuläre Maßnahmen zum eigenen Vorteil kanalisieren.

Auch die Frage, wer Sanktionen beschließen und durchsetzen darf, bleibt umstritten – so bestehen die US-amerikanischen Sanktionen gegen Kuba bereits seit zwei Generationen und werden von den meisten anderen Staaten als ein anachronistisches Stück aus der Mottenkiste US-amerikanischer Innenpolitik begriffen. Der Versuch, im Rahmen des Helms-Burton-Gesetzes auch Unternehmen aus Drittstaaten, die mit Kuba Handel trieben, in den USA gesetzlich zu belangen, scheiterte am wütenden Protest Kanadas und der europäischen Länder, deren Wirtschaftsinteressen durch die exterritoriale Wirkung des Gesetzes bedroht waren. Gleichzeitig reagieren dieselben Staaten pikiert, wenn die politische Legitimität von Maßnahmen, die etwa im Rahmen der Vereinten Nationen verhängt werden, mit zunehmenden Entfernung vom Hudson River abnimmt. Es scheint an der Zeit, verbindliche Regelungen für Sanktionen auf internationaler Ebene zu treffen, die erstens zwischen Regierenden und Regierten unterscheiden und zweitens auf alle Staaten der UN-Familie Anwendung finden. Die Grenzen einer werte-orientierten Politik dürfen nicht durch die strategischen Interessen der Großmächte definiert werden, die Forderung nach dem Schutz von Menschen- und Bürgerrechten muss nicht nur an die Staaten der Peripherie, sondern auch (und gerade) an Verbündete und Nuklearmächte gerichtet werden. Dabei dürfen Sanktionen nicht daran scheitern, dass die Industrienationen nicht bereit sind, die notwendigen Ressourcen zur Durchsetzung derselben zur Verfügung zu stellen. Viele Sanktionsbeschlüsse im multilateralen Rahmen sind das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind, da es sowohl an Personal zur Überwachung der Grenzen als auch an Geldern mangelt, um die Nachbarn des sanktionierten Staates für den entgangenen Handel zu entschädigen. Vor diesem Hintergrund wundert es kaum, wenn internationale Beschlüsse kaum Wirkung zeigen.

Korruption beseitigen – Verbrechen verfolgen – Profiteure anklagen

Wirksamer als allgemeine Handelssanktionen gegen einen Staat kann es sein, die regierenden Eliten gezielt zu treffen. So ist es etwa möglich, den Bewegungsspielraum des Führungspersonals durch die Verweigerung von Einreiseerlaubnissen und die Sperrung von Auslandskonten zu beschneiden. Es ist ein offenes Geheimnis, dass führende Funktionäre der angolanischen Rebellengruppierung UNITA mit ausländischen Diplomatenpässen durch Europa und Nordamerika reisen, Häuser und Wertpapierdepots im Ausland haben. Ähnliches gilt auch für andere Akteure auf den Schlachtfeldern dieses Planeten: Während die Bevölkerung leidet, haben die meisten Hintermänner für den Frieden vorgesorgt – und zwar in aller Regel im Ausland.

Ausländische Banken müssen noch stärker zur Kontrolle von Geldflüssen – sowohl zugunsten von Organisationen als auch von Privatleuten – angehalten werden. Die Durchsetzung international verbindlicher Standards zur Bekämpfung der Geldwäsche ist längst überfällig. Auch die Unterstützernetzwerke bewaffneter Gruppierungen, welche in der ethnischen Diaspora, etwa in Nordamerika und Westeuropa, häufig getarnt als kulturelle Vereinigungen existieren, müssen entschiedener bekämpft werden. Organisationen wie die kosovo-albanische »Befreiungsarmee« UCK, die kurdische PKK oder auch die Tamil Tigers beziehen ihren Nachschub an Rekruten und finanzieller Unterstützung im Wesentlichen aus der Diaspora, wo mehr oder weniger freiwillig Revolutionssteuern gezahlt werden.

Die Schaffung eines Internationalen Strafgerichtshofes und die Verfolgung von in Drittstaaten begangenen Kriegsverbrechen gehören zu den bemerkenswertesten Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit. Während noch vor kurzem ein abgesetzter Potentat in aller Regel ein friedliches (und dank der vorsorglich außer Landes geschaffenen Schätze auch komfortables) Exil in einem freundlich gesonnen Drittstaat erwarten konnte, wächst nun der Druck der internationalen Gemeinschaft, die Kriegstreiber vor ein internationales Tribunal zu stellen. Auch hier gilt natürlich die Einschränkung, dass diese Politik nur dann von Erfolg gekrönt sein kann, wenn diese Regelungen auch für die Großmächte gelten. So wirkt etwa die Forderung der USA, den ehemaligen jugoslawischen Staatschef Milosevic vor ein internationales Gericht zu stellen, so lange unglaubwürdig, wie Washington sich weigert die Geltung des Internationalen Strafgerichtshofes für die eigenen Staatsbürger zu akzeptieren.

Erstaunlich wirksam ist auch das »naming and shaming«, die öffentliche Benennung von Staaten, individuellen Politikern oder Unternehmen, die an der Umgehung von Sanktionen beteiligt waren oder direkt oder indirekt wirtschaftliche Vorteile aus bewaffneten Konflikten gezogen haben. Die wütenden Reaktionen der ruandischen und ugandischen Regierung auf den Expertenbericht zum Kongokonflikt oder die Proteste Togos gegen die Bezeichnung als Nachschubbasis der UNITA zeigen, dass die Schaffung von Öffentlichkeit nicht ohne Wirkung auf Staatsmänner und Unternehmen bleibt, die Grund haben um den eigenen Ruf zu fürchten.

Internationalen Waffenhandel stoppen

Das Ende des Kalten Krieges hat dazu geführt, dass gebrauchte Waffen aus den Staaten des ehemaligen Ostblocks die Gebrauchtwaffenmärkte überfluteten. Einerseits bereiten sich viele Staaten Mitteleuropas auf eine zukünftige NATO-Mitgliedschaft vor und trennen sich daher von Waffensystemen sowjetischer Bauart, andererseits gehören militärische Güter für eine ganze Anzahl von Staaten zu den wenigen Produkten, die auf dem Weltmarkt eine Chance haben. Rumänien, Bulgarien und eine Reihe von Nachfolgestaaten der Sowjetunion spielen heute eine wichtige Rolle auf dem Waffenmarkt als Produzenten oder Transitstaaten.

Auch westliche Staaten – inklusive der Bundesrepublik Deutschland – haben in der Vergangenheit alte Waffenbestände eher an Verbündete verschenkt, als sie zu vernichten. Trotzdem ist innerhalb der Europäischen Union ein Umdenken bei der Rüstungsexportpolitik erkennbar, die lange Zeit von einer Konkurrenz um Marktanteile anstelle von Kooperation gekennzeichnet war. Eine stärkere Abstimmung zwischen den europäischen Hauptstädten – und der Abschied von nationalen Erbhöfen, etwa im französischsprachigen Afrika – könnte einen Beitrag zur Deeskalation leisten.

Dabei darf nicht übersehen werden, dass die meisten Konflikte der jüngeren Vergangenheit mit Waffen ausgetragen werden, die bereits in den Konfliktregionen existierten. Als Erbschaft des Kalten Krieges sind Kleinwaffen, d.h. automatische Gewehre, Granaten und Mörser, in den meisten Weltregionen weit verbreitet. Exportbeschränkungen können vor diesem Hintergrund nur einen kleinen Beitrag leisten; wichtiger ist es, vorhandene Waffen nach dem Ende eines Konfliktes konsequent einzusammeln und zu vernichten, um zu verhindern, dass sie ihren Weg in benachbarte Konfliktregionen finden. Das gilt übrigens gleichermaßen für Staaten der »Dritten Welt« wie für überzählige Bestände in den Arsenalen der NATO.

Es darf nicht übersehen werden, dass die friedenspolitische Maxime »Keine Waffen in Krisengebiete« ethisch durchaus angreifbar sein kann, wenn etwa – wie in Sierra Leone geschehen – eine Regierung um Waffen bittet, um einer Niederlage (und einem Massaker) durch eine besser bewaffnete Oppositionsgruppe zu entgehen. Die britische Regierung lieferte in diesem Fall die gewünschte Munition und verabschiedete sich somit von einem Grundpfeiler ihrer ethischen Außenpolitik. Auch die Forderung nach dem Gewaltmonopol des Staates kling wohlfeil im Kontext unserer demokratisch-verfassten Staatswesen, was aber ist mit sozialen Bewegungen in autoritären Staaten, denen der bewaffnete Kampf als einziger Ausweg erscheint.

Konsumentenbewusstsein

Erdöl aus Angola, Diamanten aus Sierra Leone oder Kaffee aus dem Kongo – Endverbraucher sind häufig Menschen in den Ländern des Nordens. Die erfolgreiche Strategie von Nichtregierungsorganisationen im Norden, durch eine aktive Öffentlichkeitsarbeit und den Aufruf zum Boykott von Shell-Tankstellen die Mineralölfirma zu einer transparenteren Politik in Nigeria aufzufordern, zeigt die Wirksamkeit dieses Instrumentes.

Eine internationale Kampagne zur Ächtung von Diamanten aus Kriegsgebieten (»Blutdiamanten«) unter dem Motto »Fatal Transactions« hat immerhin bereits eine Verunsicherung der Märkte erreicht. Während noch vor kurzem die Meinung vorherrschte, die Herkunft von ungeschliffenen Diamanten sei nicht zweifelsfrei zu klären und Kontrollen daher unmöglich, beschäftigt sich die Branche jetzt verstärkt mit diesem Thema. Das südafrikanische Diamantenunternehmen De Beers – mit Abstand der wichtigste Produzent – hat sich sogar, besorgt um das lukrative Privatkundengeschäft, selbst verpflichtet, keine Diamanten aus Bürgerkriegsregionen mehr zu verkaufen.

Auch bei anderen Produkten (Kaffee, Tropenhölzer etc.), bei denen eine Verbindung zur Kriegsfinanzierung erkennbar ist, wären vergleichbare Kampagnen denkbar und wünschenswert. Grundsätzlich sollten ethische Mindeststandards für internationale Unternehmen gelten, die mit Kriegsparteien Geschäfte machen. Der Anstoß für diese Diskussion muss wohl von kritischen Aktionären und Konsumenten kommen.

Demobilisierung und gute Regierungsführung

Wo die einzige Überlebensstrategie im Morden und Plündern besteht, müssen wirtschaftliche Anreize geschaffen werden, die Erfolg versprechender erscheinen. Eine Reintegration der ehemaligen Kämpfer und »Gewaltunternehmer« in das soziale Gefüge der Konfliktregion mag schwierig, ja vielleicht sogar aussichtslos,erscheinen, ist aber die einzige Möglichkeit für einen dauerhaften Frieden.

Schwache Staaten, die kaum genug Geld haben um die eigenen Grenztruppen mit Fahrzeugen und Treibstoff zu versorgen, können nicht ernsthaft den illegalen Handel mit ihren Nachbarn unterbinden. Wo es an Ressourcen fehlt um den Sold der Sicherheitskräfte zu bezahlen, steigen die Anreize, bei der nächsten Kontrolle nicht so genau hinzusehen. Die Reform des Sicherheitssektors ist daher ein wichtiger Bestandteil jeder Ausstiegsstrategie.

Der Aufbau von tragfähigen öffentlichen Institutionen erlaubt es, einerseits durch den Schutz von Recht und Ordnung den tödlichen Kreislauf von Gewalt, Selbstschutz und Gegengewalt zu unterbrechen, andererseits trägt ein funktionierendes, alle gesellschaftlichen Gruppen vertretendes Staatswesen auch zum Interessenausgleich bei und erlaubt es, Konflikte friedlich zu lösen.

Langfristig kann eine Konversion von Gewaltökonomien nur dann gelingen, wenn wirtschaftliche Ungleichheiten nicht nur innerhalb von Staaten, sondern auch im Welthandelssystem beseitigt und friedliche Entwicklungsperspektiven aufgezeigt werden können.

Wolf-Christian Paes ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bonner Konversionszentrums (BICC).

Nicht der Sieg – der Krieg ist das Ziel

Nicht der Sieg – der Krieg ist das Ziel

von Jürgen Nieth

Seit über dreißig Jahren ist in Angola Krieg. Die vereinbarten Kampfpausen hielten nie lange. Weit mehr als die Hälfte der Bevölkerung hatte also nicht einmal die Chance Frieden zu erleben. Aber – wenn auch die Folgen für die Bevölkerung gleich katastrophal sein mögen – der Krieg selbst ist nicht mehr der gleiche wie der in den siebziger Jahren. Am Anfang stand in Angola der Befreiungskampf gegen die portugiesischen Kolonialherren, es folgte der ideologisch motivierte – und im Kalten Krieg von den unterschiedlichen Lagern mit Waffen, Geld und Politik gestützte – Kampf der antikommunistischen Rebellenbewegung UNITA gegen die marxistisch orientierte MPLA-Regierung. Heute sind dem Namen nach die Konfliktparteien immer noch dieselben, doch die Inhalte haben sich grundlegend geändert. Das Kriegsziel mag noch der militärische Sieg über den anderen sein, doch längst geht es nicht mehr um unterschiedliche gesellschaftspolitische Vorstellungen, es geht um Macht und zusätzlichen Ressourcen. Die Einen (UNITA) finanzieren sich und den Krieg aus dem Diamantenhandel und die Anderen (Regierung) aus dem Ölhandel. Vergleicht man die Situation mit der in Moçambique und Guinea-Bissau, die im antikolonialen Befreiungskampf an der Seite Angolas standen, wird sichtbar, dass eigene Rohstoffreserven, in denen früher eine Chance für die Entwicklung gesehen wurde, heute oft kriegsverlängernd wirken.

Sicher, die Bereicherung, der Zugang zu Rohstoffen etc., das waren auch im vergangenen Jahrhundert die herausragenden Kriegsziele – politische, ethische und religiöse Begründungen kaschierten die wahren Hintergründe und dienten nur all zu oft der Herstellung einer Kriegsbereitschaft.

Heute scheint in einigen Konflikten selbst diese Funktion der Politik eine immer geringere Rolle zu spielen. Wenn das »Soldaltsein« die Voraussetzung ist, um etwas zu essen zu bekommen, braucht man sich um Söldner selten Sorgen zu machen (Kinder, die Waffen tragen und bedienen können, sind in vielen Ländern ein zusätzliches – leicht zu handhabendes – Rekrutierungspotenzial). Und wenn Kriegsherren erkennen, dass sie sich vor allem im Krieg schamlos bereichern können, dann entsteht schnell eine Situation, in der nicht mehr der Sieg das Kriegsziel ist, sondern der Krieg selbst zum Ziel wird.

Das ist die Situation in einigen der »Raubökonomien« auf dem afrikanischen Kontinent und das gilt auch für »Drogenökonomien« wie Kolumbien und Afghanistan. Und es sind diese neuen Aspekte der »Ökonomie der Bürgerkriege«, die wir in der vorliegenden Ausgabe von W&F etwas näher beleuchten wollen.

Gleichzeitig geht es um Gegenstrategien, um Möglichkeiten der Eindämmung der Konflikte und der Prävention. Für mich steht dabei fest, dass »Bürgerkriege« mit Militäreinsätzen von außen nicht zu lösen sind. Ein Blick zurück unterstreicht das: Für die riesige Militärmaschinerie der USA endete die Parteinahme in Vietnam genauso in einem Desaster, wie für die Rote Armee der Einmarsch in Afghanistan; während des Bürgerkrieges in Somalia mussten gleich mehrere hochgerüstete Länder erfolglos abziehen und im Kosovo werden wohl auf Jahre Zehntausende NATO-Soldaten stationiert sein, da die Probleme verlagert aber nicht gelöst wurden.

Sicher sind auch die politischen und ökonomischen Möglichkeiten zur Eindämmung dieser Kriege begrenzt. Manche Kriege werden sich erst in einem langwierigen Prozess erschöpfen, andere werden trotz Hilfsangeboten oder Druck von außen noch Jahre weitergehen. Trotzdem gilt es alle politischen, diplomatischen und ökonomischen Möglichkeiten zu nutzen zur Beendigung von Bürgerkriegen. Es geht um Beratung, Vermittlung, um ökonomische Anreize, um Hilfe bei der Konversion der Kriegswaffen usw. Es geht aber auch um politischen Druck, um Handelsboykott und u. U. Blockade. Mit Öl und Diamanten lässt sich eben erst dann Krieg führen, wenn sie über den Weltmarkt zu Waffen werden, und geschossen wird immer noch vorwiegend mit europäischen und nordamerikanischen Waffen.

Mindestens genauso wichtig wie das Ausschöpfen aller Möglichkeiten zur Konflikteindämmung ist die Konfliktprävention. Eine erfolgreiche Arbeit auf diesem Gebiet erfordert allerdings deutliche Korrekturen in der »Entwicklungspolitik«. Vorschläge dafür liegen auf dem Tisch und auch wenn hier nur punktuell Wirkung erzielt werden kann, so ist doch zu hoffen, dass diese endlich eine stärkere Beachtung finden. Dass die Entwicklungspolitik umfassend präventiv wirken könnte, davon ist allerdings angesichts des dauernd sinkenden Stellenwertes in der Bundespolitik – man sehe nur den erneut stark gerupften Etat – nicht auszugehen. Wirkliche Konfliktprävention, das hieße ein grundsätzliches Umsteuern in der Wirtschaftspolitik durchzusetzen: das Ende der Ausbeutung des Südens durch den Norden.

Doch bis dahin wird sicher nicht nur viel Wasser den Rhein runter fließen.

Ihr Jürgen Nieth

Harte Männer schenken harte Steine

Harte Männer schenken harte Steine

Diamanten für die Kriegskasse

von Anne Jung

Es ist besser, von einem Krieg wirtschaftlich zu profitieren als ihn zu gewinnen. Dieses nüchterne Fazit kann man aus der Betrachtung der nicht enden wollenden Kriege im Südlichen Afrika ziehen. Der seit Jahrzehnten andauernde Krieg in Angola ist nicht das »undurchschaubare afrikanische Massaker«, er ist vielmehr Beleg für das Vorhandensein einer durchkalkulierten politischen Ökonomie des Krieges. Ethnische Konflikte oder Machtfragen spielen hier nur eine untergeordnete Rolle, auch wenn die Medien dies gerne anders darstellen. Und die Spuren der Kriegsprofiteure können hervorragend identifiziert werden: transnationale Konzerne , Regierungen, private Söldnerfirmen und deren Hintermänner. Die »global players« sind dabei ebenso austauschbar wie die Handelsware oder das Land.

Angola ist der derzeit viertgrößte Diamantenproduzent weltweit (nach Botswana, Russland und Südafrika) mit einem Produktionsvolumen von ca. 600 Millionen US$ jährlich. Der Handel mit Diamanten und Öl finanziert einen seit drei Jahrzehnten andauernden Krieg. Alleine zwischen 1992 und 1998 erzielte die von Jonas Savimbi geführte antikommunistische Rebellenbewegung UNITA Gewinne von mindestens 3,7 Milliarden US$ aus Diamantenverkäufen. Die Verkäufe auf den Märkten in Europa sind für sie das Rückgrat der Kriegsfinanzierung.

Wichtiger Abnehmer der UNITA-Diamanten war jahrelang der Großkonzern De Beers. Seit 60 Jahren dominiert dieses britisch-südafrikanische Unternehmen und seine Central Selling Organization (CSO) die internationale Diamantenindustrie. Über 65 Prozent der weltweiten Diamantenproduktion werden hier klassifiziert, bewertet und verkauft. 1998 machte De Beers einen Umsatz von ca. 3,3 Milliarden US$. Im Zuge der gigantischen Werbekampagne zum Millenniumswechsel stieg das Verkaufsvolumen der CSO im folgenden Jahr noch einmal um 57%, auf 5,2 Mrd. Die beherrschende Stellung des Konzerns wird aber auch darin deutlich, dass er, um den Verkaufspreis der Steine hoch zu halten, Vorräte im Wert von z.Z. ca. 4 Mrd. US$ zurückhält.

Zur Unterbindung der Kriegsfinanzierung durch Diamanten verabschiedete der UN-Sicherheitsrat 1998 eine Resolution, die den direkten oder indirekten Export von nicht-offiziellen angolanischen Diamanten verbietet. Dies betrifft Diamanten, die kein Herkunftszeugnis (Certificate of Origin) besitzen.

Untersuchungen wie zuletzt ein im März diesen Jahres veröffentlichter UN-Report zeigen jedoch, dass die Sanktionen nicht zuverlässig greifen. Denn entscheidend für die Durchsetzung der Sanktionen ist nicht nur die Frage, ob Diamanten verlässlich als angolanische Ware identifiziert werden können – internationale DiamantenexpertInnen weisen seit langem darauf hin, dass die Herkunft eines Diamantenparcels ohne weiteres bestimmt werden kann, bis zurück zu der Mine, der die Steine entnommen wurden –, von Bedeutung ist angesichts der lückenhaften Kontrollen in Angola selbst, dass zusätzliche Kontrollen in den Ländern durchgeführt werden, die direkt vom Diamantenhandel profitieren: auf den großen Märkten in Europa, Israel und den USA.

De Beers bekundete im Herbst 1999, sich vollständig vom angolanischen Markt zurückziehen zu wollen und damit über die Vorgaben des UN-Embargos hinauszugehen. Der Großkonzern wirbt mittlerweile mit einer neuen Geschäftsidee der »conflictfree diamonds« und betont: „Mit der Entscheidung, diesen Schritt zu machen, versucht De Beers, die internationalen Bemühungen für einen Frieden in mehreren afrikanischen Staaten zu unterstützen und sicherzustellen, dass der legale Diamantenhandel kein negatives Image bekommt durch die wenigen Diamanten, die von Rebellen zur Finanzierung von Kriegen eingesetzt werden.“

Obwohl dieses Ergebnis von internationalen Medien als Erfolg der Kampagne Fatal Transactions begrüßten wurde, bedarf es der kritischen Hinterfragung.

»Ethische Bergbaupolitik« oder Marktsicherung

Der illegale Markt schwer kontrollierbarer Diamantenschmuggler und Kleinförderer gewinnt im afrikanischen Diamantenhandel zunehmend an Einfluss. Die Währung »Diamanten« ist in Regionen mit schwachen Geldwährungen ein Mittel der Kapitalbildung, ein wertbeständiges Sparguthaben, das sich dem Zugriff raffgieriger Regierungen weitgehend entzieht. In diesem Prozess verliert De Beers die absolute Kontrolle über den Markt. Werden die Steine aber nur noch über den Staat verkauft, werden konkurrierende Förderer vom Markt verdrängt. Ed Epstein, Autor des Buches »The Rise and Fall of Diamonds« wirft De Beers vor, die UN und deren Sanktionspolitik gegen conflict diamonds zu funktionalisieren. Kein Wunder, so Epstein, dass De Beers die Verbannung »inoffizieller« Diamanten befürwortet; genau diese Steine, die für den Schmugglermarkt aus den Flussbetten Angolas geholt werden, machen De Beers Konkurrenz.

Die veränderte Haltung von De Beers entpuppt sich so als geschickter Schachzug, um die Marktstellung des Großkonzerns zu sichern. Ein Experte des Hohen Diamantenrats fasst das in die Worte: „Wenn man die Entwicklung Angolas zu einem der größten Diamantenproduzenten der Welt aufhalten will, muss man es jetzt tun.“ (taz 13.03.00)

Dem Ausbau der Marktstellung dient auch die neueste Strategie De Beers: Die Etablierung einer Luxusmarke. Die Kunden und Kundinnen sollen nicht irgendwelche Steine kaufen, sondern die mit Laser gekennzeichneten De-Beers-Diamanten als Garant für Qualität und saubere Geschäftspraktiken (Wirtschaftswoche 22.06.00).

Auch die Bemühungen der Regierungen Kanadas und der USA zur Durchsetzung des Embargos erscheinen in einem veränderten Licht, betrachtet man die dahinter stehenden ökonomischen Interessen. Ziel sei die Reintegration des afrikanischen Rohstoffhandels in den »formalen Weltmarkt«, so US-Außenministerin Madeleine Albright. US-amerikanische Ölkonzerne haben acht Milliarden Mark in Angola investiert, das derzeit sieben Prozent des Ölbedarfs der USA deckt. Auf 16% soll dies bis zum Jahr 2005 gesteigert werden. So lag es nahe, auch politisch die Seiten zu wechseln und nach über 20 Jahren die Unterstützung der UNITA aufzugeben.

Illegaler Handel

Der im März 2000 erschienene UN-Bericht über die Einhaltung der internationalen Sanktionen gegen den Diamantenhandel der UNITA kommt zu dem Ergebnis, dass die Steine der Rebellenbewegung nach wie vor an die Börse von Antwerpen gelangen. Dass die UNITA dazu nicht auf De Beers angewiesen ist, wurde schon vor Monaten deutlich. Die UNITA nahm den Rückzug De Beers aus Angola schulterzuckend zur Kenntnis und ließ verlautbaren, ein Prinzip bleibe weiterhin in Kraft: „Wer auch immer Millionär ist, wer auch immer einer Frau einen Ring an den Finger stecken möchte, wer das Geld dafür hat, der bekommt Diamanten.“ (Alcides Sakala) Nach einem Bericht des Staatssekretärs im britischen Außenministerium Peter Hain gelangten alleine 1999 über Mittelsleute UNITA-Diamanten im Wert von 4 Millionen US$ auf den belgischen Markt. (Angola Peace Monitor, 24.02.00)

Über den erwähnten UN-Bericht gab es schon Wochen vor seinem Erscheinen heftige Diskussionen. Auf die Abwehrhaltung der in dem Bericht benannten SanktionsbrecherInnen (Länder, Konzerne, Einzelpersonen) kann hier nicht im Detail eingegangen werden. Von Interesse ist hier jedoch die von der UN angewendete »naming and shaming«-Methode, die dazu führte, dass der Report im Südlichen Afrika tagelang eine Topmeldung der Zeitungen war und in NGO-Kreisen stark diskutiert wurde. Ausgeblendet wurden in dem UN-Bericht allerdings Länder wie die USA, die in den vergangenen Jahrzehnten die Kriegsparteien unterstützt haben und damit für die heutige Situation mitverantwortlich sind.

Proteste

Die Angst vor einer groß angelegten Kampagne wird in der Diamantenbranche thematisiert: „Das Thema der conflict diamonds wird nicht weggehen. Im Gegenteil: Es wird schlimmer werden. Mehr Schlagzeilen, mehr ungünstige publicity.“ (Diamond Intelligence Briefs, Nr. 1, 2000) US-amerikanische AnalystInnen raten wegen der „drohenden Kampagne von Dritte-Welt-Gruppen“ sogar zum Verkauf von De Beers-Aktien (Handelsblatt 12.04.00).

Die Furcht vor einer Verbraucher-Kampagne, ob sie nun begründet ist oder nicht – die Kampagne Fatal Transactions hat sie genutzt: Ende Juli 2000 fand in Antwerpen der World Congress of Diamonds statt, der in einer Resolution festhielt, in Zukunft keine Schlupflöcher für Kriegsdiamanten zu lassen – unterzeichnet vom Internationalen Diamantenherstellerverband und dem Weltbund der Diamantenbörsen. Nie zuvor hatte ein Diamantenkongress in so hohem Maße das Interesse der Weltöffentlichkeit auf sich gezogen.

Es kann jedoch nicht das Ziel sein, dass die NGOs zu »Vorfeldorganisationen« der Regierungen im Norden oder der Wirtschaft werden und synchron mit der US-amerikanischen Regierung den größten Diamantenkonzern vor der Konkurrenz des illegalen Marktes schützen.

Worauf kommt es an?

  • Neben der Thematisierung von Großmachtinteressen geht es ganz pragmatisch darum, die Einhaltung des Embargos sicherzustellen; dazu ist die Einrichtung einer unabhängigen Prüfkommission, die ein Unbedenklichkeitszeugnis vergibt, unverzichtbar. Die Prüfkommission darf dabei die Vergabe eines Herkunftszertifikates nicht ausschließlich vom Exportland abhängig machen. (Zwischen 1994 und 1998 wurden z.B. aus Liberia Diamanten im Wert von 6 Millionen Karat exportiert, dort wurden aber nur 140.000 Karat produziert.)
  • Weitere Maßnahmen für die Regulierung der Diamantenwirtschaft innerhalb der Förderländer müssen durchgesetzt werden. HändlerInnen, die gegen das UN-Embargo verstoßen, müssen strafrechtlich verfolgt werden und ihre Konzession verlieren.
  • Konzerne wie De Beers, die jahrzehntelang an dem Handel mit dem kriegszerrütteten Angola profitiert haben, müssen für die Beseitigung der Kriegsschäden und die Entschädigung der Opfer verantwortlich gemacht werden. Ein wichtiges Ziel ist die Schaffung von Präzedenzfällen, um es in Zukunft Konzernen zu erschweren, mit kriegszerrütteten Ländern Geschäfte dieser Art zu machen.

Öl für den Krieg

Während die Rebellenbewegung UNITA ihre Waffenkäufe weitgehend aus den Einnahmen der Diamantenausfuhr finanziert, ist die MPLA-Regierung Angolas unter Staatspräsident José Eduardo dos Santos hauptsächlich auf den Ölexport angewiesen. Die Erdölförderung bringt 94% der Exporterlöse ein und die Gewinne aus der Erdölförderung sollen die Hälfte der gesamten Staatseinnahmen ausmachen.

Nach neuen Funden wird Angola bald zum größten Erdölexporteur Afrikas südlich der Sahara aufsteigen. Voraussagen lassen erwarten, dass Angola im Jahr 2005 mehr Öl fördern wird als Kuwait. Angola gilt inzwischen weltweit als eines der lukrativsten Explorationsgebiete. Die guten Rahmenbedingungen – die Ölfelder liegen »offshore«, d.h. vor der Küste und damit außerhalb der Reichweite der UNITA – locken immer mehr Investoren ins Land, so die Öl-Konzerne Chevron, Elf Aquitaine, BP-Amoco und Exxon/ Mobil.

»Wir sind in der Lage, Angola beim Wachstum seiner Ökonomie zu helfen und die sozialen Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen«, ließ Chevron-Direktor Richard Matzke verlauten. Keine Rede davon, dass die Öleinnahmen von der Regierung vorab verpfändet wurden, da sie jene Waffenkäufe ermöglichten, die den Krieg verlängern. So hat BP Amoco der angolanischen Regierung im Juni 2000 einen Kredit zum Ankauf von Waffen bewilligt, denn jedes Land habe ein Recht auf Selbstverteidigung.

Die global witness-Studie »A crude awaking« hat darüber hinaus aufgedeckt, dass einige Ölfirmen (Elf, Chevron, Agip) doppelt profitieren, indem sie auf der einen Seite Öl exportieren und andererseits Waffen (zumeist über Zwischenhändler) importieren. In dieses Bild passt, dass die korrupte angolanische Regierung Ölförderlizenzen an Firmen wie Prodev, Napha und Falcon vergibt, die zwar über keine Erfahrung im Ölgeschäft verfügen, dafür aber über Verbindungen zu Waffenhändlern.

Die US-amerikanische Regierung hat, nachdem sie politisch 20 Jahre lang die rechtsgerichtete UNITA im Kampf gegen die damals sozialistische Regierungspartei MPLA unterstützte, die Seiten gewechselt. „Zu der veränderten amerikanischen Haltung kam es nach neuen Ölfunden vor der Küste Angolas, die die strategische Bedeutung des Landes erhöhten“, so der nüchterne Kommentar der FAZ (20.12.99).

Die Sanktionen ausschließlich auf die Einnahmequellen von Savimbis UNITA zu beschränken, kann auf Dauer nicht hinreichend sein. Die namibische National Society for Human Rights (NSHR) fordert die Ausweitung auf den Ölhandel: „Einseitige Sanktionen werden lediglich die politische Polarisierung und die Rivalität in der angolanischen Bevölkerung fördern und das menschliche Leiden verlängern. (…) Wenn der UN-Sicherheitsrat wirklich an einem dauerhaften Frieden, an Demokratie und nationaler Versöhnung in Angola interessiert ist, müssen die Sanktionen auf beide Kriegsparteien ausgeweitet und in einem weiteren Schritt auch auf die Rüstungsfirmen ausgedehnt werden.“ (NSHR Report, 27. April 00)

Private Söldnerarmeen zur Profitsicherung

An der Seite der Großkonzerne und der afrikanischen Warlords bei der Kontrolle über Bodenschätze stehen private Söldner. Sie assistieren seit vielen Jahren den kriegsführenden Parteien und den transnationalen Konzernen in Angola und anderswo in Afrika. Rasch, effizient und vor allem jenseits von langwierigen internationalen Einsatzverhandlungen und Einspruchsmöglichkeiten sind die »Stand-by-Söldnerheere« jederzeit einsatzbereit.

Die südafrikanische Sicherheitsagentur Executive Outcomes (EO) war lange Zeit Marktführerin in der privaten Sicherheit. Sie rekrutierte ihre Söldner größtenteils aus der berüchtigten Koevot-Spezialeinheit der ehemaligen südafrikanischen Armee. Die Angebotspalette umfasst sämtliche militärische Dienstleistungen, die für einen Bodenkrieg notwendig sind. 1992 hat EO für die in Angola operierenden Ölgesellschaften Gulf Chevron und Petrangol Ölfelder an der Küste von Soyo geschützt. Dies mündete 1993 in dem Angebot, die angolanischen Streitkräfte (FAA) umzustrukturieren und neu auszubilden. Zwei Jahre später eroberten die Söldner die Diamantenzentren Saurimo und Cafunfo in der Provinz Lunda Norte zurück. Hauptgewinner dieser Operation war der Diamantenkonzern De Beers – der mit wachsendem Unmut die Kontrolle der UNITA über die Diamantengebiete beobachtete – sowie der mit EO assoziierte Konzern Diamond Works.

Ursprünglich hatte Executive Outcomes auf der Seite der UNITA gegen die Regierung gekämpft. Doch es handelt sich um ein hochflexibles Unternehmen, sein Motto: „Politische Offenheit nach allen Seiten als unternehmerische Initiative.“ Diese Flexibilität lohnte sich. Für ihren Einsatz bekam Diamond-Works Konzessionen im angolanischen Diamantengebiet, kein Einzelfall im Business der privaten Sicherheit. Oft werden die afrikanischen Regierungen durch die Interessenallianz von privaten Sicherheitsagenturen und ausländischen Konzernen in eine Geiselrolle gebracht, eine Art »Multinationaler Neokolonialismus« am Ende des 20. Jahrhunderts. Im US-Pentagon sind Söldnervertreter inzwischen hoffähig geworden und dürfen bei einschlägigen Planungssitzungen präsent sein. Im Rahmen der neuen Weltgestaltungsformel: »Public Private Partnership« sind neuerdings stets Militärs, PolitikerInnen, UnternehmerInnen und neutrale Hilfsorganisationen unter einem Dach.

Es hat sich ein Markt herausgebildet, in dem militärische Offensiven, wirtschaftliche Ambitionen und humanitäre Erwägungen ineinander greifen und mit dem redundanten Verweis auf Sicherheitsinteressen gerechtfertigt und gemeinsam durchgesetzt werden. Es geht um „eine neoliberale Ideologie, in deren Namen Privatmilizen die Investitionen und Werte der freien Unternehmen verteidigen dürfen.“ (Laurence Mazure) Und es ist zu befürchten, dass die Fortsetzung neoliberaler Wirtschaftspolitik die Privatisierung von Sicherheit weiter vorantreiben wird.

Zur Ökonomie des Krieges

Die Ursachen des langen Krieges in Angola eindeutig zu benennen, fällt schwer. Nach dem Ende der Blockkonfrontation – in dieser Phase war Angola Schauplatz eines klassischen Stellvertreterkrieges, die MPLA wurde von der UdSSR und Kuba unterstützt, die UNITA von Apartheid-Südafrika und den USA – brach die Finanzierung des Krieges für beide Kriegsparteien zusammen. Sie konnten sich nicht mehr auf die Unterstützung durch die mächtigen Beschützer aus dem Ausland verlassen. Eine neue Kriegsökonomie musste etabliert werden, welche die Kontrolle der lokalen Ressourcen und die Beherrschung des Marktes weiterhin sicherstellen konnte. Insbesondere für die Rebellenbewegung UNITA war dieser Schritt unumgänglich, um eine Marginalisierung zu vermeiden.

Heute haben ideologische Gegensätze im angolanischen Krieg keine Bedeutung mehr, was nicht implizieren soll, dass ökonomische Interessen vor dem Zusammenbruch des Ostblocks keine Rolle gespielt hätten: Sie waren aber weniger augenscheinlich, solange sie mit einem ideologischen Überbau versehen waren.

Die afrikanische Wirtschaft ist über die Bodenschätze mit dem Weltmarkt verbunden: Diamanten, Öl oder Gold werden von transnationalen Konzernen in Afrika abgebaut. Die angolanischen Handelsgüter Öl und Diamanten sind zwischen den Kriegsparteien in etwa gleich verteilt und auch im Kriegszustand leicht zu exportieren. Der Reichtum des Landes ist sicher nicht die Ursache des Krieges, aber er erlaubt seit Jahrzehnten dessen Fortführung.

Die landwirtschaftliche Produktion Angolas ging im Verlauf des Krieges immer mehr zurück; zum einen ist sie wenig profitabel, zum anderen ist das Land zu vermint, um flächendeckend Landwirtschaft betreiben zu können. Heute ist Angola nicht mehr in der Lage, sich selbst zu ernähren.

Angola hat etwa 11,5 Mrd. US$ Auslandsschulden und gilt als nicht mehr kreditwürdig. „Daher werden die Einnahmen aus dem Ölgeschäft häufig am Staatshaushalt vorbei direkt in sog. »Öl-Trusts« im Ausland transferiert, aus denen dann Verbindlichkeiten bedient werden.“ (Wolf-Christian Paes 06/00) Diese Form der Kriegsfinanzierung öffnet der Korruption Tür und Tor. Global witness bestätigt, dass eine kleine Gruppe der militärischen Elite direkt vom Krieg profitiert und die Frankfurter Rundschau kommentiert resigniert: „Wo immer es Profite zu machen gibt, kooperieren Geschäftemacher aus Europa und den USA mit Rebellen, denen jedes Mittel recht ist, um ihre Nummernkonten aufzufüllen. Die großen Bergbau- und Erdölkonzerne mischen überall mit, egal wie korrupt oder undemokratisch das jeweilige Land ist.“ (29.05.00)

Wären die transnationalen Konzerne bereit, die materielle Unterstützung der Konflikte einzustellen und die Wirtschaftsbeziehungen zu den Kriegsherren zu blockieren, dann wäre das Geschäft mit der Gewalt unrentabel. Dann käme endlich die Stunde der zum Schweigen gebrachten Mehrheit Afrikas.

Fatal Transactions

medico international startete 1999 gemeinsam mit europäischen Partnerorganisationen die internationale Kampagne Fatal Transactions. Mit dem Ziel

  • über die politischen und ökonomischen Hintergründe von Kriegen in Afrika zu informieren,
  • die illegale Ressourcenausbeutung und Profitinteressen transnationaler Konzerne offen zu legen,
  • die transnationalen Konzerne zum Rückzug aus den kriegszerütteten Ländern Afrikas zu bewegen,
  • dass Konzerne, die in den vergangenen Jahrzehnten an dem Handel profitiert haben, für die Beseitigung der Kriegsschäden und die Entschädigung der Opfer verantwortlich gemacht werden.

Infos bei: medico international, Obermainanlage 7, D-60314 Frankfurt
Tel. 0049 (0)69 94 43 80, Fax 0049 (0)69 43 60 02, www.medico.de

Literatur

global witness (1998): A crude awaking. London.

global witness (1999): A rough trade. London.

ICRC (2000): War, money and survival. London.

Peter Lock (1997): Privatisierung der Sicherheit oder private Militarisierung? Aktuelle Entwicklungen in Afrika. In: Afrika-Jahrbuch.

Wolf Christian Paes (2000): Reiches Land, armes Land – Ölproduktion und der Krieg in Angola. Bonn.

Anne Jung ist Politologin und Mitarbeiterin von medico international