Niemand kann mit der ständig aktualisierten Angst vor der nuklearen Bedrohung leben: die Verdrängung hat ihr Recht. Doch dieser Stabilisierungsgewinn schließt ein das Sich-Einlassen auf gegebene Verhältnisse. Man muß der Skepsis gegenüber ihrer Veränderbarkeit Raum geben – und dies kann schnell unempfindlich machen gegenüber den Chancen und Perspektiven der (auch radikalen) Veränderung.
Es gibt keine halbwegs klare Trennlinie zwischen militärischer Forschung und nicht-militärischer Forschung. Es gibt extreme Fälle, für die es leicht ist, sie einzuordnen. Ich will zunächst über einen solchen Fall reden, weil ich meine, daß wir, die Gemeinschaft der Wissenschaftler, selbst da oft nicht klar genug Stellung beziehen.
Die Frage, ob Wissenschaft Wissenschaft für die Öffentlichkeit ist, ob sie dem Gemeinwohl dient, spitzt sich zu, wenn man sie für den Bereich Rüstungsforschung stellt. Das Baconsche Programm einer Verbesserung des menschlichen Lebens und der Gemeinschaft durch Wissenschaft und Technik, schloß ursprünglich ausdrücklich die Rüstung mit ein. Aber auch schon damals, d.h. im 17. Jahrhundert war diese Perspektive ein Widerspruch zum Konzept der „öffentlichen“ Wissenschaft. Als öffentliche Wissenschaft im Sinne von veröffentlichter oder zu veröffentlichender Wissenschaft war die neuzeitliche Wissenschaft als internationale bzw. universale entworfen worden. Als Mittel zur Verbesserung der Möglichkeiten der Kriegsführung oder auch der Verteidigung konnte sie nur als partikular verstanden werden: nützlich ist die Verbesserung einer Kriegstechnik nur dann, wenn sie nur die eigene Nation, nicht der Gegner besitzt - d.h. also, daß Kriegsforschung in jedem Fall im Konflikt zum universellen Charakter von Wissenschaft steht: Partikularisierung von Wissen, sprich Geheimhaltung ist unvermeidlich.
Wenn es noch der Belege bedurft hätte, daß die Wissenschaften der Kriegstechnologie und der Kriegsplanung auf allen Ebenen zuarbeiten, so hätte die sogenannte Strategic Defense Initiative dies bewiesen. Ihre Urheber präsentieren sie stolz als ein Forschungsprojekt, das den Schweiß der Edlen wert ist, und zu dem sie die Wissenschaftler der westlichen Welt „einladen“. Aber schon als es noch nur um die Nachrüstung ging, war dies vielen Wissenschaftlern Anlaß, den Beitrag ihrer Disziplin, ihres eigenen Spezialgebietes und unter Umständen auch ihrer individuellen Forschungsarbeit abzuwägen.
Mit Datum vom 30.11.1985 publizierte die überwiegend für das BMVg arbeitende Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft die Literaturrecherche „ZIVILER NUTZEN MILITÄRISCH MOTIVIERTER FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG“, die im Auftrag des Forschungsministeriums erstellt wurde (B-SZ 1456/01 v. 30.11.1985, Ottobrunn). Überprüft wurden 65 Datenbanken, ausgewertet rund 200 Literaturhinweise, die zu etwa 2/3 aus den USA stammen; sie betreffen Luft-, Raum-, Schiffahrt und fortgeschrittene Produktionstechnologien, Mikroelektronik sowie Computertechnik. Im folgenden bringen wir Auszüge bzw. fassen wesentliche Aussagen zusammen.
Gentechnik ist ein auf den konzeptionellen und methodischen Fortschritten der Molekularbiologie aufbauender Methodenkomplex. der eine gerichtete Manipulation des genetischen Materials aller Art erlaubt. In den theoretischen als auch in den angewandten Biowissenschaften hat sich die Gentechnik wahrhaft revolutionierend ausgewirkt – denken wir nur an die neuen Erkenntnisse über Struktur und Funktion der Gene einerseits und an die nunmehr mögliche molekulargenetische Analyse das Zentralnervensystems andererseits, an die in-vitro-Totalsynthese von Genen und an die genetische Umprogrammierung von Bakterien, pflanzlichen und Säugerzellen, etwa mit dem Ziel der Hormon- und Impfstoffproduktion.
Es ist bekannt, daß die destruktive Aggressivität der Menschen eine so bedeutende Rolle spielt, daß sich in der Psychoanalyse die Annahme eines Todestriebes gebildet hat. Es ist dies die befremdlichste psychoanalytische Hypothese, die oft abgelehnt und als unwissenschaftlich verworfen worden ist. Aber vergessen wurde sie nie. Vielmehr scheint es, daß ihre weitreichende Bedeutung erst allmählich – über Interesse und Erkenntnis einiger weniger hinaus gewürdigt wird.