Rekordzuwachs als Antwort auf Abrüstungsbemühungen
Nach massiver Kritik aus einschlägigen Kreisen hatte die Bundesregierung schon im Dezember 1987 verkündet, daß der Militäretat 1989 in größerem Umfang als in den Vorjahren aufgestockt werden solle. Konkrete Festlegungen wurden damals zwar vermieden, die internen Vorstellungen blieben gleichwohl kein Geheimnis: Die Steigerungsrate des Verteidigungshaushaltes sollte von zuletzt 0,5 % auf 2,5 % angehoben werden – entsprechend dem geplanten Zuwachs der Bundesausgaben insgesamt.
Die »Wehrtechnik« begrüßt den »positiven Trend« des 22. Finanzplans der Bundesregierung als »echte Verbesserung der Finanzlage der Bundeswehr«.1 Die Ausgaben des »Einzelplans 14« (Epl.14) sollen um 3,7 % wachsen, die 1988 erstmals gesenkten verteidigungsinvestiven Ausgaben wieder steigen.2 Zwar entfällt der größte Teil der zusätzlichen Mittel auf die Personalausgaben, aber den mit 305 Mio. DM zweitgrößten Teil erhält der Ausgabenbereich Forschung, Entwicklung und Erprobung. Die durch das Auslaufen des MRCA-Tornado-Programms freiwerdenden Mittel aus dem Beschaffungsbereich werden wie in den letzten Jahren in den Bereich der F&E umgeschichtet.
Die Freigabe der Entwicklung des „Jäger 90 “ am 4. Mai 1988 ist der forschungspolitisch bedeutsamste Beschluß des Jahres 1988 gewesen. Bis zu diesem Zeitpunkt waren bereits rund 800 Mio DM Entwicklungsgelder für „das mit weitem Abstand teuerste Waffensystem der Bundeswehr “ (Bundesrechnungshof) ausgegeben worden; nun wurden weitere 6,154 Mrd DM zusätzlich bewilligt - die tatsächlichen Entwicklungskosten werden bei mindestens bei 8-9 Mrd liegen und damit den Jahreshaushalt des Forschungsministeriums weit übertreffen. Obwohl der „Jäger 90 “ in seiner fiskalischen Langfristwirkung nur mit dem Vorhaben des „Schnellen Brüters “ in Kalkar (7 Mrd) bzw. den Großprojekten der bemannten Raumfahrt (Ariane, Hermes, Columbus) vergleichbar ist, waren die von Amts wegen mit Forschungs- und Technologiepolitik befassten parlamentarischen bzw. exekutiven Gremien an dieser Entscheidung keine Sekunde beteiligt.
Ost-West-Beziehungen haben nicht etwa eine Relativierung des britischen Atomwaffen-Credos, sondern im Gegenteil seine um so intensivere Verkündigung bewirkt.
Im Juni 1988 wurde in Frankreich die konservative Regierung unter Jacques Chirac nach dessen persönlicher Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen und nach der Niederlage der Rechtsparteien bei den darauffolgenden Parlamentswahlen durch eine sozialistische »Öffnungs-"Regierung abgelöst. Mitterrands Premier Michel Rocard berief Jean-Pierre Chevènement zum Verteidigungsminister, der als Sprecher des linken Flügels des Parti Socialiste (PS) lange Zeit Hoffnungsträger der Linken vor allem hierzulande gewesen war – war er doch als einer der Bauherren des Programme Commun von 1972 ein Protagonist der sozialistischen Zusammenarbeit mit dem Parti Communiste Francais (PCF). Kennern der Szene galt Chevènement noch nie als Marxist, „Republikanischer Patriot“ (FAZ v. 5.9.88) charakterisiert ihn wohl am besten.
Im November dieses Jahres werden in Hamburg ParlamentarierInnen aus den 16 NATO-Staaten im Rahmen der Nordatlantischen Versammlung (NAV) über die Zukunft der Militärallianz diskutieren. Ein eigens zum Thema »Die NATO in den 90er Jahren« eingerichteter Ausschuß unter Leitung des US-Senators William Roth hat mit einem Sonderbericht mit gleichem Titel bereits wichtige Eckpfosten für die Strategiedebatte in der NAV eingeschlagen.
Seit 1982 verfolgt der Internationale Rat Wissenschaftlicher Vereinigungen (ICSU) ein Projekt zur Untersuchung der biologischen, medizinischen und physikalischen Auswirkungen eines massenhaften Einsatzes von Kernwaffen. Im ICSU sind nationale und internationale wissenschaftliche Einrichtungen u.a. aus dem naturwissenschaftlich-technischen Bereich, wie die Europäische Physikalische und Geophysikalische Gesellschaft, vertreten.
Auf der 19. Generalversammlung wurde das Mandat für das Projekt erteilt; in der Beschreibung des ICSU-Generalsekretärs von 1983 wurde eine Konzentration auf langfristige globale klimatische und biologische Konsequenzen gefordert. Die Arbeit erfolgte unter Federführung des Umweltausschusses (SCOPE); ein Koordinationskomitee wurde an der Universität von Essex eingerichtet. Das Projekt firmierte seitdem als SCOPE-ENUWAR-Projekt (Environmental Consequences of Nuclear War). Die Arbeit wurde 1985 abgeschlossen; allerdings faßte die ICSU-Generalversammlung im Sept. 1986 den Beschluß zur Fortführung des Dialogs über die Ergebnisse (Gegenstimme-USA/Enthaltungen 10 NATO-Länder). Seitdem haben Workshops in Bangkok, Genf und Moskau stattgefunden, wurde eine Studie an die 3. UNO-Sondertagung für Abrüstung unterstützt, zahlreiche Einzelpublikationen vorgelegt und Folgestudien initiiert. Inzwischen steht eine Verlängerung des Mandats nicht mehr in Aussicht. Die beteiligten Wissenschaftler hoffen jedoch, ihre Problemstellungen in das dann zu erweiternde internationale Geosphäre-Biosphäre-Programm der ICSU einbringen zu können.
Auf dem Moskauer workshop im März dieses Jahres beschäftigte sich eine Arbeitsgruppe ausführlich mit der Bewertung der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. Die Gruppe führte auch eine Exkursion an den Ort des Geschehens durch. Der DDR-Wissenschaftler Dr. Peter Carl, tätig am Zentralinstitut für Elektronenphysik bei der Akademie der Wissenschaften in Berlin, war am SCOPE-ENUWAR-Projekt beteiligt. Aus dieser Arbeit ist ein Bericht entstanden, den das DDR-Komitee für wissenschaftliche Fragen der Sicherung des Friedens und der Abrüstung in drei Teilen veröffentlicht. Teil II ist unter dem Titel »Kernwaffenkrieg, Klima und Umwelt – Pathologie einer Katastrophe« jüngst veröffentlicht worden.
Wir bringen im folgenden einen Abschnitt, der sich mit den Folgen des Reaktorunfalls von Tschernobyl befaßt. Die dortige Analyse-Arbeit soll v.a. durch die sowjetischen Wissenschaftler fortgesetzt werden.
Seit November 1987 sitzen amerikanische und sowjetische Unterhändler in Genf an einem Tisch, um über Kernwaffentests zu verhandeln. Diese als Nuclear Testing Talks (NTT) bezeichneten Verhandlungen haben ein erstes Ergebnis erbracht: ein Abkommen über die Durchführung gemeinsamer Nukleartests für Verifizierungszwecke, das während des Moskauer Gipfeltreffens von Präsident Reagan und Generalsekretär Gorbatschow am 31. Mai dieses Jahres unterzeichnet wurde.
Fernüberwachung als wichtige vertrauensbildende Maßnahme. Erneut gemeinsameramerikanisch-sowjetischer Atombombentest
Pünktlich acht Minuten nach der unterirdischen Zündung der Bombe in der asiatischenSowjetrepublik Kasachstan erreichten heute früh die seismischen Wellen das Ruhrgebiet undwurden vom Erdbebennetz der Ruhr-Universität Bochum erfaßt. Im Vergleich zuramerikanischen Sprengung am 17. August erzeugte die russische Kernexplosion wesentlichdeutlichere Ausschläge aller Seismographen des Bochumer Netzes, die nicht nur auf demGelände der Ruhr-Universität installiert sind, sondern auch an unterirdischenMeßplätzen im Raum Hamm (ca. 900 m unter NN) und im Raum Moers (ca. 600 m unter NN). Ausdiesen Aufzeichnungen kann man abschätzen, daß die Explosion eine Stärke von 100 - 150Kilotonnen hatte. Die genaue Ladungsstärke soll später im Rahmen des Datenaustauscheszwischen den Supermächten publiziert werden. Für die Seismologen in aller Welt, derenInstrumente beide Explosionen registrierten, ergibt sich damit die Möglichkeit, ihreAufzeichnungen zu vergleichen, um zukünftig die Ladungsstärken derartiger Explosionenbesser abschätzen zu können: Ein wichtiger Schritt auf dem Wege zu einer weiterenVerringerung und letztlich der völligen Abschaffung atomarer Bombentests.
Mit einer Aktion gegen den britischen Flugzeugträger »Ark Royal« begann am 5. März dieses Jahres die neue Greenpeace-Kampagne: »Nuclear Free Seas – Atomfreie Meere«. Greenpeace will darauf aufmerksam machen, daß in den letzten Jahren – unbemerkt von der Öffentlichkeit – sich die Strategien und Seestreitkräfte der Supermächte dramatisch verändert haben. Dem gewaltigen Ausbau der maritimen Flotten korrespondiert die Effizienzsteigerung der mittransportierten Atomwaffen. Am gravierendsten hierbei die vermehrte Ausrüstung der Schiffe und U- Boote beider Seiten mit Marschflugkörpern, die sowohl taktisch als auch strategisch eingesetzt werden können. Sie führen dazu, die Unsicherheit des Gegners zu erhöhen. Für besonders gefährlich erachtet Greenpeace, daß die Militärs glauben, auf See größeren Spielraum für den Einsatz der Waffen zu haben. “Unter den Planern und den Machern der Seestreitkräfte herrscht der Glaube, eine atomare Konfrontation auf See würde sich nicht zum globalen Schlagaustausch ausweiten. Deshalb ist ein Atomkrieg auf See für sie noch am ehesten »denkbar"“.Zu Recht wird festgestellt, daß die Marinestrategien und -waffen noch nie Gegenstand von Rüstungskontrollverhandlungen gewesen sind. Die Kampagne soll dazu beitragen, die Notwendigkeit ihrer Einbeziehung in den Abrüstungsprozeß deutlich zu machen. “ die 1609 vom Völkerrechtler Hugo Grotius postulierte »Freiheit der Meere« ist heute zur Freiheit der Ausbeutung und Militarisierung der Meere verkommen. Greenpeace hat mit seiner neuen Kampagne eine andere Art Freiheit im Sinn: Die Befreiung der Meere von Atomreaktoren und Kernwaffen“. Greenpeace hat zur Unterstützung der Kampagne eine ausführliche Informationsbroschüre herausgegeben. Wir entnahmen die folgenden Abschnitte dieser Publikationen.
“Wir müssen im zivilen wie im militärischen Bereich die 100 Milliarden für FuE, die wir jährlich ausgeben, bestmöglich nutzen. Zum Glück arbeiten wir in gutem Einvernehmen mit dem Forschungsministerium und wir sind ausgezeichnet darüber informiert, was sich in den »guten« zivilen Laboratorien tut.(…) Nach diesem Muster werden die Industriellen des alten Kontinents in eine Zusammenarbeit einwilligen müssen. Das ist vielleicht das, was am schwierigsten zu erreichen sein wird.“1 Katalysatoren für die französische Technologieinitiative Eureka waren die amerikanischen Weltraumrüstungspläne, die mit SDI verbundene technologie- und industriepolitische Herausforderung sowie die befürchteten rüstungsökonomischen und militärstrategischen Konsequenzen für die nukleare Mittelmacht Frankreich.
Die Universität hat die Aufgabe, Wissenschaft und Kunst in freier Forschung, freier Lehre und freiem Studium zu pflegen. Sie versteht sich als Gemeinschaft von Personen, die im Bewußtsein der Verantwortung vor Verfassung und Gesellschaft für die Folgen ihres Tuns und im Geiste des Friedens forschen, lehren, lernen und hierzu beitragen.“
Am 8. Juni wurde vom Konzil der Universität Hannover eine Ergänzung der Grundordnung bzgl. einer Verantwortung der Wissenschaft im Geiste des Friedens beschlossen. Diese Ergänzung ist vor allem dem Wirken der Friedensinitiative an der Universität zuzuschreiben. Der folgende Artikel versucht das Zustandekommen des Beschlusses nachzuzeichnen und eine Bewertung vorzunehmen.
Der 23. März dieses Jahres markiert den fünften Jahrestag der Strategischen Verteidigungsinitiative, die der Nation von Präsident Reagan 1983 über das Fernsehen verkündet worden war. Heute sind die grundsätzlichen Probleme des Baus einer zuverlässigen weltraumgestützten Verteidigung gegen ballistische Raketen einer Lösung keinen Schritt näher als damals. Die "Organisation für die strategische Verteidigungsinitiative" (SDIO) hat einen rapiden Fortschritt in einer Reihe von Schlüsseltechnologien verkündet, und einige Technologien, die für die Strategische Verteidigung entwickelt werden sollen, weisen tatsächlich schnellere Fortschritte auf als erwartet.