Längst überfälliger Gipfel


Längst überfälliger Gipfel

von Rainer Werning

Man mag es drehen und wenden, wie man will: Das Zusammentreffen von US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Staatschef Kim Jong-Un war im wahrsten Wortsinn historisch. Da reichten sich am 12. Juni 2018 im südostasiatischen Singapur zwei Männer die Hände, die noch Anfang dieses Jahres schwadronierten, wer über den größeren Knopf verfüge, um seine Raketen gegen die jeweils andere Seite abzufeuern.

Erst seit 1972 kam es zu drei innerkoreanischen Avancen, die allerdings aufgrund außenpolitischer Konstellationen bzw. direkter Intervention seitens der USA vereitelt wurden: die »Gemeinsame Süd-Nord-Erklärung über die friedliche nationale Wiedervereinigung« vom 4. Juli 1972; das um die Jahreswende 1991/1992 zwischen Seoul und Pjöngjang ausgehandelte »Abkommen über Aussöhnung, Nichtaggression, Austausch und Kooperation« und die »Gemeinsame Erklärung zur Denuklearisierung der Koreanischen Halbinsel« sowie die anlässlich des ersten innerkoreanischen Gipfeltreffens in Pjöngjang von beiden Staatschefs, Kim Dae-Jung und Kim Jong-Il (Vater von Kim Jong-Un), am 15. Juni 2000 vereinbarte »Nord-Süd-Deklaration«. Möglich geworden war dieser Gipfel nach dem Amtsantritt Kim Dae-Jungs im Februar 1998, der in Anlehnung an eine bekannte Fabel von Äsop vis-à-vis dem Norden eine »Sonnenscheinpolitik« verfolgte.

Den Höhepunkt dieser »Sonnenscheinpolitik« bildete der Besuch von US-Außenministerin Madeleine K. Albright in Pjöngjang am 23. und 24. Oktober 2000. Höchst ungewöhnlich auch die Szenen zwei Wochen zuvor. Da hatte US-Präsident Bill Clinton mit dem 72-jährigen Vizemarschall Jo Myong-Rok den Sondergesandten Kim Jong-Ils und die damalige Nummer zwei der nordkoreanischen Nomenklatura im Oval Office im Weißen Haus mit einem herzlichen Händeschütteln willkommen geheißen. Bei der Gelegenheit überreichte Vizemarschall Jo dem Gastgeber einen Brief von Kim mit einer Einladung zum Besuch in Pjöngjang. Dann teilte er Clinton mit: „Wenn Sie nach Pjöngjang kommen, wird Ihnen Kim Jong-Il garantieren, alle Ihre Sicherheitsbedürfnisse zu befriedigen.“ Außerdem verpflichteten sich Washington und Pjöngjang im Rahmen eines Gemeinsamen Kommuniqués anlässlich der Jo-Visite u.a., „formell den Koreakrieg zu beenden, indem das Waffenstillstandsabkommen von 1953 durch einen dauerhaften Friedensvertrag ersetzt wird“.

Während also zu Beginn des Jahres 2001 alle Zeichen auf Entspannung in Korea standen, geriet die Situation nach dem Amtsantritt von George W. Bush aus den Fugen. Er bezeichnete Nordkorea unverblümt als einen „Bedrohungsfaktor in Ostasien“, mit dem Gespräche ausgesetzt und erst nach einer kompletten Neubestimmung der US-Asienpolitik wieder aufgenommen würden. Den innerkoreanischen Dialog kanzelte er als „naiv“ ab. Vor allem die in Washington vor und nach der Irak-Invasion (2003) wiederholte Forderung notwendiger »Regimewechsel« ließ in Pjöngjang die Alarmglocken schrillen. Nachdem Präsident Bush bereits im Januar 2002 Nordkorea als Teil seiner ominösen »Achse des Bösen« ausgemacht hatte, verwies die Regierung Nordkoreas die Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde des Landes, belud den Atomreaktor in Yongbyon mit neuen Brennstäben und erklärte den Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag.

Der am 9. Mai 2017 gewählte Präsident Südkoreas, Moon Jae-In, ist das Beste, was seinem Land und der Entspannungspolitik auf der Halbinsel passieren konnte. Ohne seine neu inszenierte »Sonnenscheinpolitik« wäre eine um die Jahreswende 2017/18 erfolgte vierte Nord-Süd-Annäherung nicht zustande gekommen, vom gemeinsamen Besuch Moons und Kims im Grenzort Panmunjom am 27. April und eben dem Trump-Kim-Gipfeltreffen in Singapur ganz zu schweigen. Dort wurde immerhin vereinbart, ein »Friedensregime« auf der Halbinsel zu errichten, die bilateralen Beziehungen zu verbessern und die Denuklearisierung anzugehen. Mit »Friedensregime« ist zuvörderst die Schaffung vertrauenbildender Maßnahmen und die Überführung des Waffenstillstandsabkommens in einen Friedensvertrag im Sinne einer Folge »progressiver, aufeinander abgestimmter Etappen« gemeint.

Hardliner in Seoul wie Washington und in den letzten Wochen vor allem Medien in den USA, wie NBC News, CNN und The Wall Street Journal, beharren indes prioritär auf der alten CVID-Position (comprehensive, verifiable, irreversible denuclearization – umfassende, verifizierbare, unumkehrbare Denuklearisierung). Das kann bestenfalls das Resultat, mitnichten die Vorbedingung eines langwierigen Verhandlungsprozesses sein.

Dr. Rainer Werning, Politikwissenschaftler und Publizist mit den Schwerpunkten Ost- und Südostasien, ist u.a. Koautor des jüngst erschienenen Buches »Brennpunkt Nordkorea« (Berlin: edition berolina) und (Nord-) Korea-Dozent an der Akademie für Internationale Zusammenarbeit (AIZ) in Bonn-Röttgen.

USA a-lone


USA a-lone

von Jürgen Nieth

„Vereint im Zorn auf Trump“, titelt die SZ (12.5.18, S. 1) nach der Ankündigung von US-Präsident Trump, die internationalen Atomvereinbarungen mit dem Iran zu brechen und die Sanktionen einseitig wieder in Kraft zu setzen. Zorn und Sorge, die werden auch in den anderen Presseorganen deutlich. Hier einige der Schlagzeilen: „Droht der nächste Krieg?“ (FR 11.5.18, S. 1), „Die Stunde der Hardliner“ (taz 11.5.18, S. 1), „Zerstörungswerk“ (FAZ 9.5.18, S. 1), „Weißes Haus auf Kriegskurs“ (ND 11.5.18, S. 1), „Trump zündelt am atomaren Pulverfass“ (NZZ 11.5.18, S. 17).

Drei Komplexe stehen dabei im Mittelpunkt: der Bruch des transatlantischen Bündnisses, der wirtschaftliche Schaden für die EU und die wachsende Kriegsgefahr.

Zerstörer Trump

Die Kommentare nach dem Auftritt Trumps sind durchweg vernichtend. Für K.D. Frankenberger ist im „Weißen Haus […] ein Umstürzler auf Vernichtungsmission (FAZ 11.5.18, S. 1). Frank Hermann sieht in der Politik Trumps „eine schallende Ohrfeige für die Europäer“. „Der Ausstieg aus dem Deal zeigt ein Amerika, das den Rat seiner westlichen Verbündeten arrogant ignoriert.“ (DE 9.5.18, S. 2) Klaus Brinkbäumer hinterfragt im Spiegel den amerikanischen Schritt: „Es gibt keinen Nutzen, nur Chaos, wo gerade noch Ordnendes war, nur amerikanische Willkür.“ (Spiegel 12.5.18, S. 6) Und Martin Gehlen schreibt in der FR: „Donald Trump hat seinen Auftritt gehabt. Jetzt geht die Kriegsgefahr um.“ (11.5.18, S. 11)

Sanktionsdiktat

Verschiedene Zeitungen heben hervor, dass nach den wiederholten Ankündigungen Trumps mit einem »Ausstieg« aus dem Iran-Abkommen gerechnet werden musste. Überrascht zeigen sie sich aber davon, mit welcher Härte die USA auf wirtschaftlichen Sanktionen bestehen, auf Sanktionen, die Firmen aus anderen Staaten de facto US-Recht unterwerfen. „Die EU hält dieses Vorgehen zwar für illegal. Aber sobald europäische Unternehmen Geschäftspartner in den USA haben, dort an der Börse notiert sind oder auch nur das US-Bankensystem nutzen, können sie sich der US-Justiz kaum entziehen.“ (D. Esslinger/P.A. Krüger, SZ 11.5.18, S. 2) Für Anja Krüger ist die Ankündigung Trumps „keine leere Drohung. In der Vergangenheit mussten zum Beispiel ausländische Banken Strafen in Milliardenhöhe in den USA zahlen, weil sie Sanktionen etwa gegen Kuba missachtet hatten.“ (taz 11.5.18, S. 2)

Dazu Marc Reise: „Trump kennt nur Unterwerfung, und selbst wer sich fügt, kann nicht sicher sein, wie lange ihm Gunst gewährt wird. Wer das noch immer noch nicht begriffen hat, der sollte auf den neuen US-Botschafter in Berlin achten.“ (SZ 11.5.18, S. 4) Auf eben jenen Botschafter, Richard Grenell, der gerade in Berlin angekommen, über Twitter die deutschen Unternehmen aufforderte, ihre Geschäfte in Iransofort“ herunterzufahren. Für das ND „Ein Diplomat im Besatzerstil“ (11.5.18, S. 2).

„Zwar haben die verbliebenen westlichen Partner Großbritannien, Frankreich und auch Deutschland bekräftigt, dass sie unabhängig von den Amerikanern am Iran-Abkommen festhalten wollen. Doch in Wahrheit wissen sie schon jetzt, dass kein namhaftes Unternehmen mit dem Iran Geschäfte machen wird, zumindest dann nicht, wenn es auch in Amerika noch Geld verdienen will.“ (H. Sommerfeldt/H. Zschäptz, Welt 11.5.18, S. 13)

Doch während Frankreich „Firmen, die weiter mit dem Iran Geschäfte machen wollen, »maximalen Schutz« vor den USA“ verspricht (SZ 11.5.18, S. 2), signalisierte die deutsche Regierung bereits Zurückhaltung. Die SZ (12.5.18, S. 1) zitiert Peter Altmaier, der im Deutschlandfunk indirekt zu einem Rückzug aus dem Iran-Geschäft riet: „Wir haben juristisch keine Möglichkeit, deutsche Unternehmen gegen Entscheidungen der amerikanischen Regierung zu schützen.“

Brandstifter

„Das ist schon kein Spiel mehr mit dem Feuer, das ist Brandstiftung“, schreibt Bernd Pickert in der taz (11.5.18, S. 1). Und tatsächlich eskalierte der Konflikt zwischen Israel und Syrien nur gut 24 Stunden nach Trumps Entscheidung. „Israels Luftwaffe flog die schwersten Angriffe auf Syrien seit Jahrzehnten – und beschoss dabei rund 50 iranische Militärziele in dem Bürgerkriegsland“ (Flora Wiesdorf, Welt 11.5.18, S. 1). Ein Völkerrechtsbruch, den ihr Kollege Jaques Schuster in derselben Ausgabe als Beitrag zur „Deeskalation“ bejubelt.

Laut Spiegel (12.5.18, S. 18) ist ein „großer Nahostkrieg […] die mittelfristige Gefahr, die kurzfristige ist eine andere: eine Eskalation zwischen Israel und Iran in Syrien“.

Aber auch die Gefahr eines »großen Nahostkriegs« steht im Raum. „Nichts deutet darauf hin, dass Trump ernsthaft für den »Tag danach« geplant hat. Wie werden die Amerikaner reagieren, wenn Iran das Atomabkommen seinerseits zu verletzen beginnt und beispielsweise die Urananreicherung ankurbelt?“ (Andreas Rüesch, NZZ 11.5.18, S. 17)

Laut FAZ kündigte Saudi-Arabien bereits an, „es wolle ebenfalls in den Besitz von Atomwaffen gelangen, sollte Iran sein Atomwaffenprogramm wieder in Gang setzen“ (11.5.18, S. 1).

„Als letzte Option bleibt dann bei einer Eskalation, was John Bolton schon immer gefordert hat: Iran bombardieren. Netanjahu und Saudi-Arabiens Kronprinz könnten sich das wohl auch vorstellen, schreibt P.A. Krüger in der SZ (12.5.18, S. 4). Auch der Spiegel sieht in dem neuen Nationalen Sicherheitsberater Trumps eine Schlüsselfigur: „Es gibt kaum eine Krise auf der Welt, für die John Bolton nicht Krieg als Lösung hat. Die Lösung für den Irak unter Saddam Hussein? Bombardieren. Iran unter Hassan Rohani? Im Zweifel bombardieren. Syrien? Nordkorea? Druck machen, Regimewechsel, bombardieren.“ (Spiegel Nr. 20-2018, S. 14)

„Die Abwendung des nun drohenden Krieges“, schreibt Roland Etzel, „sollte jede politisch-diplomatische Anstrengung verantwortungsvoller Staatsführung wert sein. Auch weil es um noch viel mehr geht. Gibt Europa klein bei, wenn dieser Vertrag nach den primitiven und perfiden Lügen von Trump und Netanjahu zunichte gemacht wird – was sind dann andere und künftige Abkommen, ob im Nahen oder Fernen Osten, noch wert?“ (ND 11.5.18, S. 1)

Zitierte Presseorgane: DE – Darmstädter Echo, FAZ – Frankfurter Allgemeine, FR – Frankfurter Rundscheu, ND – neues deutschland, Spiegel, NZZ – Neue Zürcher Zeitung, SZ – Süddeutsche Zeitung, taz – die tageszeitung, Welt – Die Welt.

»America First« und der rechte Populismus


»America First« und der rechte Populismus

von Bill Fletcher jr.

Als ich Donald Trump bei seiner Amtseinführung im Januar 2017 das erste Mal die Worte „America First“ sagen hörte, war ich fassungslos. Ich saß in einem Hotel in Abuja, Nigeria, dennoch schaute ich mich um – in der naiven Erwartung, dass allen, die die Übertragung der Rede angeschaut hatten, sofort die Symbolik dieses Begriffs auffallen würde. Das war aber nicht der Fall. Mit wenigen nennenswerten Ausnahmen1 ignorierten auch die Mainstream-Medien in den USA die Anspielung. Sie konzentrierten sich ganz auf die zeitgenössischen, protektionistischen Implikationen des Begriffs. Dabei müssen wir dringend über den rechten Populismus und den Rassismus in den USA reden. Und wir müssen Strategien ausarbeiten, wie wir damit umgehen.

Es ist kaum anzunehmen, dass Donald Trump am Tag seiner Amtseinführung aufwachte, nolens volens die Wörter »America« und »first« zusammenwarf und sogleich die Brillanz des Konzepts und den Wohlklang der Wortkombination erkannte.

Der Begriff wurde zwar bereits früher verwandt, im historischen Gedächtnis der USA wird »America First« aber vor allem mit einer sozialen Bewegung assoziiert, deren politischer Kern vermutlich am besten mit »SoftcoreFaschismus« beschrieben wird. Das 1940 gegründete »America First Committee« war rigoros isolationistisch eingestellt und kritisierte die Roosevelt-Administration heftig. Die Organisation sah keinen Grund für einen Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg, sie äußerte sich rassistisch und antisemitisch und deckte die Nazis. Ihr wichtigster Wortführer war der Pionier des transatlantischen Luftverkehrs, Charles Lindbergh, ein Liebling von Hitlers Führungsriege.

Trumps Verweis auf »America First« war weder subtil noch Zufall. Es kann nur mit der historischen Amnesie in den USA erklärt werden, dass er sich auf dieses Konzepts beziehen konnte, ohne größere Reaktionen oder gar eine klare Zurückweisung hervorzurufen.

Mit seinem Bezug auf »America First« ging es Trump weniger um eine Prioritätensetzung zugunsten der USA, vielmehr bediente er damit ein spezifisches rechtes historisches Erbe. Er sandte damit ein Signal an seine rechten Unterstützer, einschließlich der Neofaschisten, der so genannten Alt-Right-Bewegung [Alternative Rechte] – das Signal, dass er sie gehört habe und ihnen die Hand reiche. Seine Antrittsrede war ein Leuchtsignal an viele seiner Unterstützer*innen, dass er der Vorbote einer veritablen Konterrevolution gegen Rationalität und gegen Fortschritt sei.

Trump und der rechte Populismus

Es ist bedauerlich, dass Trump bis zu den Wahlen am 8. November 2016 als Narr behandelt wurde. Diese Abwertung erlaubte es vielen Kommentator*innen, gerade auch denen der Mainstream-Medien, die politische Basis Trumps zu ignorieren, ebenso das, was tatsächlich in der US-Politik passierte: das Aufkommen und bizarre »Mainstreaming« einer rechtspopulistischen Bewegung.

Rechtspopulismus, ein Phänomen, das Faschismus einschließt, aber darüber hinausgeht, existiert im Kapitalismus wie eine Art Herpesvirus. Er ist systemimmanent und manifestiert sich dann, wenn das System im Wandel oder in der Krise ist. Er ist nicht auf die USA beschränkt und weist nicht in jeder Gesellschaft die gleiche Ausprägung auf. Aber er hat spezifische Charakteristika:

  • Rassismus,
  • Frauenfeindlichkeit,
  • Fremdenfeindlichkeit,
  • Revanchismus,
  • einen Ursprungsmythos,
  • Autoritarismus und
  • Irrationalität.

Es ist hier nicht die Zeit und der Raum, jede dieser Kategorien ausführlich zu analysieren. Für die USA ist der Zusammenhang zwischen dem Ursprungsmythos und dem Rassismus sowie der Fremdenfeindlichkeit besonders bedeutsam.

Der Rechtspopulismus in den USA geht von einer »weißen« Republik aus, in der alle anderen Gäste sind, seien sie nun eingeladen oder nicht. Wie Chip Berlet und Matthew Lyons in ihrem lesenswerten Buch »Right-wing Populism in America – Too Close for Comfort« (2000)2 aufzeigen, geht der rechte Populismus auf die Politik und die Person des siebten US-Präsidenten Andrew Jackson (Amtszeit 1829 bis 1837) zurück. Jackson, ein Sklavereibefürworter und Genozidanführer – er orchestrierte den »Pfad der Tränen«, auf dem die Native Americans aus dem [fruchtbaren] Südosten der USA vertrieben wurden –, wurde in der US-Geschichtsschreibung überwiegend als Freund des (weißen) Durchschnittsmannes und als Gegenspieler der Elite porträtiert.

Rechtspopulismus sieht die Zukunft in der Vergangenheit, das heißt in einer Rückkehr zu einer mystischen Zeit, die nie wirklich existiert hat. Im Kontext der USA geht es dabei vor allem um die 1950er Jahre, eine Zeit, in der in Wirklichkeit keineswegs sozialer Frieden und Glückseligkeit herrschten, sondern ausgeprägte Unterdrückung, männliche Vorherrschaft und Kämpfe. Gleichzeitig war es aber auch eine Ära, in der für viele in den USA die sozialen Rollen eindeutiger verteilt waren, und – besonders wichtig – es war eine Zeit, in der der Lebensstandard der durchschnittlichen Erwerbstätigen stieg. Die Zeit seit Mitte der 1970er Jahre, seit der Entwicklung der neoliberalen Globalisierung, war alles andere als übersichtlich für die Menschen und hat mit Sicherheit keine Verbesserung des Lebensstandards für die Arbeitnehmerschaft gebracht. Vielmehr ist die heutige Zeit für den Großteil der Erwerbstätigen in der kapitalistischen Welt eine Zeit der Unsicherheit und der konstanten Angst.

Rechtspopulismus ist in den USA vor allem in der weißen Mittelschicht verankert, insbesondere in den Schichten, die glauben, dass sie sowohl vom Großkapital als auch von den Armen und Unterdrückten ausgequetscht werden. Sie sehnen sich nach einem »großen Führer«, der ihre Probleme löst und etwas wiederherstellt, was sie für Normalität halten. Das macht rassistische Mythen so attraktiv: Sie zielen auf Sündenböcke und blicken in eine Ära zurück, die in Wirklichkeit nie existiert hat. Man kann das auch Fantasieren nennen.

Rechtspopulismus, wie wir ihn in großen Teilen der ach so fortschrittlichen kapitalistischen Welt finden, ist eine rechte, irrationale Antwort auf die neoliberale Globalisierung. Er versucht, Antworten auf die Wut und die Angst der Bevölkerungsteile zu geben, die merken, wie ihr Leben auseinanderfällt, und die nicht mehr daran glauben, dass der Kapitalismus ihnen und ihren Familien eine Zukunft bietet. In diesem Umfeld liefert der Rechtspopulismus eine Antwort und einen Feind: den »ANDEREN«. Je nach sozialer Formation kann dieser »Andere« der Jude, der Muslim, der Latino-Immigrant, eine Person mit afrikanischen Vorfahren oder asiatischer Herkunft sein oder auch die Frauen, die volle Gleichberechtigung einfordern.

Genau daran konnte Trump andocken: an eine Bevölkerung, die Angst hat, dass sie den »American Dream« nie verwirklichen kann. Und hier ist die Pointe: Das weiße Amerika wusste eigentlich immer, dass der »American Dream« nicht für People of Color gedacht ist. Aber die weiße Arbeiterschaft und der weiße Mittelstand hegten die Erwartung, wenn sie nur still hielten im Angesicht der Unterdrückung – der im Inneren und der nach Außen –, dass sie dann das erreichen würden, was ihnen ihrer Meinung nach zusteht. Der Zusammenbruch dieses Glaubens führte zu Verzweiflung und zu Wut. Trump sprach zur Wut, zur »fury«.

Anstatt rationale und progressive Antworten anzubieten, richtete Trump den Blick zurück. Das Versprechen, dass beispielsweise Kohleminen wieder öffnen würden, zielte auf das Leid der Menschen aus den Kohleregionen, die zusehen mussten, wie ihr Leben zusammenbrach. Das Versprechen, dass er Jobs zurückbringen würde, ignorierte die Transformation des globalen Kapitalismus, den technologischen Fortschritt und die ungeheure gegenseitige Durchdringung der nationalen Ökonomien. Aber all dies spielte keine Rolle, denn für Trump war der Feind nie ein System. Der Feind war eine Gruppe von Menschen, waren »Außenseiter« der unterschiedlichsten Art, die die (weißen) Amerikaner*innen angeblich abzockten.

»Race« als Stolperdraht

Umfragen zufolge waren Terrorismus und Immigration die Hauptgründe, für Trump zu stimmen. Dies widerspricht dem Mythos, dass Trump aus ökonomischen Gründen gewählt wurde. Sofern die Wähler*innen aus Sorgen um die Konjunktur mobilisiert wurden, geschah dies durch das Prisma des Rassismus. Auch bei der Angst vor Terrorismus ging es nicht um die nach den Terrorangriffen vom 11. September 2001 vorherrschende Form des Terrorismus – den Terror der »white supremacists«, der Verfechter der weißen Vorherrschaft –, sondern um die Angst vor »islamischem Terrorismus«. Bei den Sorgen um Immigration ging es nicht um die Immigration aus Osteuropa oder Irland, sondern um Immigration aus dem Globalen Süden.

Damit dies Sinn ergibt, ist es wichtig zu verstehen, dass die USA als Siedlerstaat konstruiert sind, der in seiner Ursprungskonzeption ein »weißer« Staat sein sollte, obgleich die Vorstellung, wer »weiß« ist und wer nicht, sich im Laufe der Zeit änderte. Nach dem Unabhängigkeitskrieg ebnete das Einbürgerungsgesetz von 1790, eines der ersten US-Gesetze überhaupt, den Zugang zur Staatsbürgerschaft für freie weiße Männer, die sich seit zwei Jahren in den USA aufhielten. Wenngleich das Gesetz mit den Jahren verändert wurde, begründet es das wesentliche Bild für ein weißes Amerika, das die USA als weiße Republik definierte oder zumindest dachte.

»Race«3 war und ist also nicht lediglich eine Frage der Ideologie und der Propaganda, sondern ein Konstrukt zur Unterdrückung und sozialen Kontrolle. Im Kontext der nordamerikanischen britischen Kolonien und später dann der USA wurde »Race« erfolgreich als Instrument eingeführt, um ganze Bevölkerungsgruppen – Native Americans, Afrikaner*innen, Mexikaner*innen, Asiat*innen und später weitere – in den Augen derjenigen zu enthumanisieren, die als »weiß« eingestuft wurden.

»Race« wurde damit ein erfolgreiches Instrument, um (potentiell) progressive soziale Bewegungen zu unterbinden. Die US-amerikanische Geschichte ist reich an entsprechenden Beispielen. So zerbrach z.B. das Populist Movement des späten 19. Jahrhunderts an der Frage von »Race« (und führte zur Herausbildung einer Bewegung, die offen die weiße Vorherrschaft vertrat). Oder nach dem Ersten Weltkrieg die »Race Riots« mit ihren Pogromen gegen Afroamerikaner*innen, an denen die sich damals entwickelnde Gewerkschaftsbewegung zerbrach. Ein weiteres Beispiel sind die »Zoot Suit Riots« in den frühen 1940er Jahren, die dazu dienten, Chicanos/-as und Mexikaner*innen in Los Angeles anzugreifen und zu marginalisieren. In der Geschichte der US-Wahlpolitiken finden sich unzählige Beispiele, in denen das Konstrukt »Race« nicht nur genutzt wurde, um People of Color zu unterdrücken, sondern auch, um erfolgreich die politische Mobilisierung von weißen Armen und Erwerbstätigen zu verhindern. Auch der Entzug des Wahlrechts für Strafgefangene, selbst für Ex-Häftlinge, in vielen Bundesstaaten schwächt und entmachtet zwar vor allem die afroamerikanische Bevölkerung, aber durchaus auch die arme weiße Bevölkerung.

In den Wahlkämpfen der Republikaner in den letzten 50 Jahren wurde gegen jede progressive Politik frontal Position bezogen. Bei der Wahlkampagne ihres Präsidentschaftskandidaten Barry Goldwater 1964 ging es um eine Front gegen die antirassistische Bürgerrechtsbewegung (Civil Rights Movement). Der erfolgreiche Präsidentschaftswahlkampf von Richard Nixon 1968 basierte auf der »Southern Strategy«, einer Strategie der Weißen, die darauf ausgerichtet war, weiße Wähler*innen davon zu überzeugen, dass die Republikaner die »nicht-schwarze Partei« seien.

In den Wahlkämpfen von 1964 bis 2016 wurde die politische Dimension von »Race« verstärkt durch die so genannte »Hundepfeifenpolitik« , d.h. durch indirekte politische Äußerungen. Für Ronald Reagan stand als Symbol dafür die schmarotzende »Wohlfahrtskönigin«, für George H.W. Bush war es Willie Horton [ein Schwerverbrecher, der von einem Hafturlaub nicht zurückkehrte]. In beiden Fällen ging es nicht ausdrücklich um »Race«, aber jeder verstand, was im Raume stand.

2016, im Wahlkampf von Donald Trump, wandelte sich die »Hundepfeifenpolitik« in eine »Jagdhornpolitik«, der Rassismus sprang offen ins Auge. Der Fokus auf die angebliche Kriminalitätsrate mexikanischer Immigrant*innen, die Rassifizierung des Islam und muslimischer Immigrant*innen, der Angriff auf die »Black Lives Matter«-Bewegung und die damit einhergehenden Rufe nach Recht und Ordnung – all das waren Zeichen für die Stärkung des »Race«-Konstrukts und für die Fremdenfeindlichkeit im politischen Diskurs der USA. Bei diesem Szenario dauerte es nicht mehr lange, bis wir Zeugen der Verbrüderung und des Aufstiegs der Neofaschisten wurden.

Dabei sind explizite Rufe nach Rassismus in der US-Politik keineswegs neu. Die Rechten gingen allerdings nach den Erfolgen der progressiven sozialen Bewegungen der 1950er bis 1970er Jahre – und zwar nicht nur der »Civil Rights«- und der »Black Power«-Bewegungen – nicht so offen mit dem Thema um. Spätestens im Wahlkampf 2016 wurde die Maske fallen gelassen.

Neofaschisten

In großen Teilen der Linken in den USA gibt es die Tendenz, alles, was sie nicht mögen und was gewalttätig ist, als »faschistisch« zu bezeichnen. Das wird der Wirklichkeit nicht gerecht.

Faschismus ist zwar rechts, basiert aber nicht auf einer herkömmlichen konservativen Philosophie. Faschismus ist eine militante, radikale, irrationale Bewegung, die jeden Anschein eines demokratischen Kapitalismus unterminiert. Ebenso wie andere Ausprägungen eines rechten Populismus gründet Faschismus auf einem Ursprungsmythos, der das Land von den »Anderen», einschließlich der diversen demographischen Eliten, befreien will. In diesem Sinne repräsentiert der rechte Populismus, auch der Faschismus, eine Revolte gegen die Zukunft. Im US-Kontext müssen die Faschisten heute nicht mehr im Stechschritt marschieren, um dennoch eine erhebliche Gefahr darzustellen. Faschisten sind rigorose weiße Nationalist*innen bzw. Verfechter*innen der weißen Vorherrschaft, die ihrem Leitstern, dem Konzept der weißen Republik, mit großer Ernsthaftigkeit folgen.

Zwar kann man darüber streiten, ob Trump im Inneren ein Faschist ist, seine Bewegung versucht auf jeden Fall noch nicht, jeglichen Anschein des demokratischen Kapitalismus zu beseitigen. Nichtsdestotrotz ist die jetzige US-Administration – darin vergleichbar der ehemaligen Regierung Berlusconi in Italien – mehr als willig, De-facto-Bündnisse mit den Neofaschisten einzugehen. Dazu gehört u.a. das fast totale Schweigen zum Terror durch die weiße Rechte im Vergleich zum Terror – oder vermeintlichen Terror – durch andere radikalisierte Bevölkerungsgruppen, z.B. Muslime. Dazu gehört auch, den Neofaschisten ideologische »Luftdeckung« zu geben, und von den politischen Attacken gegen progressive oder liberale Gesetzesvorhaben oder gegen progressive soziale Bewegungen wollen wir gar nicht erst reden. Ein Beispiel dafür ist Trumps Gleichsetzung der faschistischen Demonstrant*innen mit den anti-faschistischen Gegendemonstrant*innen nach einem Aufmarsch in Charlottesville, Virginia, im August 2017. Damals erklärte er, es gäbe eben auf beiden Seiten Gute und Böse. Diese Darstellung ignoriert die Geschichte und das Wesen von Faschismus und übrigens auch die Geschichte und das Wesen der weißen Vorherrschaft und des weißen Nationalismus in den USA.

Die Legitimierung von Neofaschisten – die sich selbst auch als »alt right«, als alternative Rechte, bezeichnen – ist einer der gefährlichsten Aspekte der gegenwärtigen Situation. Es geht nicht darum, dass Faschisten kurz davor stehen, die Macht im Staat zu übernehmen. Gefährlich ist vielmehr, dass ihre irrationale Stimme behandelt wird, als handle es sich lediglich um ein weiteres, wenn auch extremes, Element der Politik. Das zeigt sich beispielsweise bei den so genannten Redefreiheitsdebatten, wo Neofaschist*innen ungeniert verbal und physisch provozieren. Es zeigt sich auch im Versagen der Regierung, die tatsächliche terroristische Bedrohung durch Vertreter*innen einer weißen Vorherrschaft ernst zu nehmen, obwohl seit den Terrorangriffen von al Kaida am 11. September 2001 die meisten Terrorakte in den USA aus einer solchen Geisteshaltung durchgeführt wurden. Falls die Neofaschisten sich zusammenraufen, könnten sie zu einer offenen Gefahr für die politische Demokratie werden, weil sie sich dann – vergleichbar den Faschisten in Italien und den Nazis in Deutschland in den 1920er und 1930er Jahren – wie ein Krebsgeschwür langsam im System ausbreiten.

Gegen rechten Populismus und Fatalismus aktiv werden

Rechter Populismus und Faschismus müssen daher aktiv bekämpft und letztlich besiegt werden. Das wird auf der Basis des Status quo nicht gelingen, dafür wird eine Plattform zur Verteidigung und Ausweitung der Demokratie gebraucht. Dementsprechend wird es im Laufe der Zeit unterschiedlich zusammengesetzte Bündnisse geben, immer aber muss es darum gehen, eine transformative soziale Bewegung aufzubauen, die den Kapitalismus herausfordert.

Dabei gibt es zwei besondere Gefahren: zum einen den Fatalismus, zum anderen Blindheit gegenüber Rassismus.

Fatalismus kann sich so verbreiten, dass die Bevölkerung ihre Abscheu vor dem rechten Populismus verliert, weil die Rechte in der Wahrnehmung des Mainstream legitim und unaufhaltbar ist. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, immer dann zum Kampf gegen die extreme Rechte zu mobilisieren, wenn diese sich zeigt. Jeder Versuch der extremen Rechten, andere zu schikanieren und einzuschüchtern, muss mit erdrückender Mehrheit gekontert werden.

Die zweite Gefahr liegt im eigenen Lager, und sie hat in den USA eine lange Tradition. Dabei geht es um die Vorstellung, man könnte und sollte eine demokratische Volksbewegung aufbauen, die Diskussionen um »kontroverse« Themen – darunter Rassismus und Sexismus – aber meiden. Egal ob in Gestalt des Postmodernismus oder des Ökonomismus, diese Gefahr offenbart sich durch ein mangelndes Verständnis der historischen Relevanz von »Race« und Gender. Bezogen auf die USA bedeutet das insbesondere eine gravierende Unterschätzung der zentralen Rolle, die »Race« bei der Ausgestaltung und Perpetuierung des kapitalistischen Projekts spielt. Diese Schwäche wurde im ansonsten bahnbrechenden Präsidentschaftswahlkampf von Senator Bernie Sanders erkennbar, ist aber auch in anderen Fällen belegt, z.B. bei den Bemühungen in den 1990er Jahren, in den USA eine Arbeiterpartei aufzubauen.

Jeder Versuch, den Stolperdraht »Race« zu vermeiden, ist der sicherste Weg, um in einer Fallgrube zu landen.

Anmerkungen

1) Calamur, K. (2017): A Short History of »America First« – The phrase used by President Trump has been linked to anti-Semitism during World War II. theatlantic.com, 21.1.2017.

2) Berlet, C.; Lyons, M.N. (2000): Right-Wing Populism in America – Too Close for Comfort. New York: Guilford Press.

3) Für die deutsche Übersetzung dieses Textes wurde aus folgendem Grund entschieden, bei »Race» zu bleiben: „Das Wort »race« einfach mit »Rasse« zu übersetzen geht nicht, denn im Deutschen hat dieses Wort nicht denselben Bedeutungswandel durchlebt. Menschenrassen im Sinne einer zoologischen Taxonomie gibt es nicht, aber Menschen, Institutionen und Staaten behandeln andere Menschen, als gäbe es sie. Darüber müssen wir sprechen können. Auf Englisch tut man das mit »race«, was nichts anderes bedeutet als »willkürlich zusammengestellte Menschengruppen, die behandelt werden, als seien sie eine Rasse«. Es ist eine politische Kategorie.” (Sander, L.: Reden wir endlich über »Räiß«! Kann man von »Rassenunruhen« in Ferguson sprechen? Die Ereignisse dort haben offengelegt, wie ungehobelt die deutsche Sprache ist. taz, 4.9.2014)

Bill Fletcher jr. ist Gewerkschafter und ehemaliger Vorsitzender des TransAfricaForum. Er ist Sozialist, Autor und Aktivist. Er ist auf Twitter, Facebook und billfletcherjr.com präsent.

Aus dem Englischen übersetzt von María Cárdenas und Regina Hagen.

Rechter Populismus


Rechter Populismus

Die Mär von der »autoritären Internationale«

von Olaf Miemiec

Rechter Populismus tritt in vielen Facetten auf. Momentan liegt das Augenmerk häufig auf der populistisch geprägten Politik der US-Regierung Trump. Die hat aber andere Ausprägungen als die Politiken, die gleichzeitig in Teilen Europas oder in der Türkei zu beobachten sind. Die verschiedenen Strömungen unter dem Begriff »autoritäre Internationale« zusammenzufassen, wie dies gelegentlich geschieht, greift daher zu kurz, denn diese Diskussion vernachlässigt die Entstehungsbedingungen des rechten Populismus und die Rolle des Neoliberalismus – in den USA, aber gerade auch in Europa.

Seit dem Antritt Donald Trumps als US-Präsident im Januar 2017 wird der mächtigste westliche Indus­triestaat von einem Politiker geführt, der rassistische Stimmungsmache, populistische Mobilisierung und vollständiges Desinteresse an den Regeln des Politikbetriebs zu einem zugkräftigen politischen Programm vermengen konnte. Zugleich haben der Ausstieg Großbritanniens aus der Europäischen Union (Brexit), der maßgeblich auf eine rechtspopulistische Mobilisierung zurückzuführen ist (wenn es auch eine linke Brexit-Kampagne gab), und der Einzug von Marine Le Pen in die zweite Runde der Präsidentschaftswahl in Frankreich die Diskussion um eine »autoritäre Internationale« neu belebt, denn nun sind es nicht nur Länder der Peripherie, die von rechtem Populismus betroffen sind, sondern führende westliche Industriestaaten.

Keine »autoritäre Internationale«

Die »autoritäre Internationale« ist ein Ausdruck, der seit der erneuten Konfrontation zwischen dem Westen und Russland in journalistischen und politikwissenschaftlichen Texten Verbreitung fand. Dahinter verbirgt sich nichts anderes als die alte Story von der »Offenen Gesellschaft und ihren Feinden« (Popper 1945/1957). In ihrer Neuauflage tritt die Story freilich modernisiert auf. Faschismus und Sowjetkommunismus taugen nicht mehr für ein überzeugendes Bedrohungsszenario. Die neuen Bedrohungen westlich-liberaler Gesellschaften entstehen, so die »liberale« Sichtweise, durch autoritäre Herrschaftsformen, die durch Putin, Orban, Erdogan und eben Trump repräsentiert werden. Verknüpft wird der Begriff der »autoritären Internationale« häufig mit den modernen rechtspopulistischen Parteien und Bewegungen in Europa. Kürzlich erst griff der Frankfurter Friedensforscher Bruno Schoch diese Idee im »Friedensgutachten 2017« auf (Schoch 2017).

In Schochs Aufsatz werden populistische Bewegungen als „Begleiterscheinung gesellschaftlicher Modernisierungsschübe“ (S. 117) verstanden, die im Rahmen der Globalisierung die Arbeitsverhältnisse umgestalten. Gleichzeitig komme es zu einer Einschränkung der Handlungsspielräume der Nationalstaaten. Migration erzeuge Abwehrreflexe. Populismus trage jedoch auch zur Repolitisierung des öffentlichen Meinungsstreits bei, indem er reale Probleme aufgreife, die von der etablierten Politik nicht angemessen beachtet würden. Um die Existenz einer „Internationale der Populisten“ (S. 120) zu belegen, verweist Schoch auf die Beziehungen der russischen Regierung zum französischen Front National, zur italienischen Lega Nord und zur ungarischen Regierung sowie auf angebliche und tatsächliche Versuche von russischer Seite, auf die Öffentlichkeit und insbesondere Wahlkämpfe in Frankreich und der Bundesrepublik Einfluss zu nehmen. Als Gegenmittel empfiehlt Schoch, mit verstärktem demokratischen „Engagement, Bürgersinn und Zivilcourage, vor allem aber mit guten Lösungsvorschlägen, die überzeugender sind als ihre simplen Rezepte“ (S. 122) zu reagieren. Der entscheidende Kampf für Freiheit und Demokratie“ finde „heute bei uns zuhause statt. Nicht nur die Europäische Union muss verteidigt werden, auch die liberale Demokratie.“ (S. 123)

Analytisch gesinnte Geister müssen eigentlich stutzig werden. Liegt hier überhaupt eine Basis vor, um von einer »Internationale« zu reden? Normalerweise bilden sich Internationalen auf der Basis einer gemeinsamen Ideologie – sei sie sozialdemokratisch, kommunistisch oder auch liberal – und können daher eine Organisation bilden. Sind diese zugegebenermaßen autoritären Systeme so ohne weiteres gleichsetzbar, etwa auf der Basis einer gemeinsamen Ideologie? Wer meint, im Nationalismus eine gemeinsame Ideologie zu erkennen, der übersieht, dass es sich einmal um einen US-amerikanischen, dann einen russischen, dann einen türkischen, schließlich um einen ungarischen Nationalismus handelt, also Ähnliches vielleicht, aber nichts Gemeinsames.

Auch die Entstehungsbedingungen solcher autoritären Regime sind verschieden.

Unterschiedliche Entstehungsbedingungen

Erdogan hat den Versuch unternommen, ein islamistisches Staats- und Gesellschaftsverständnis gegen einen Sicherheitsapparat durchzusetzen, der seine Machtansprüche aus dem kemalistischen Erbe zu legitimieren suchte. Dagegen war seitens westlicher Regierungen und Kommentatoren selten Kritik zu hören. Das änderte sich erst mit einem außenpolitischen Kurswechsel. Erdogan, durch die Hinhaltetaktik der EU bezüglich eines möglichen Beitritts desillusioniert, orientierte sich stärker auf die Regionalmachtambitionen der Türkei im Nahen Osten, gleichgültig, was die bisherigen Freunde im Westen dazu zu sagen hatten.

Die politischen Verhältnisse in Russland dagegen können nicht ohne Bezug auf die Jelzin-Ära verstanden werden, auf die Jahre der »wilden Privatisierungen« und der damit verbundenen Schwächung des Staates. Putins Projekt bestand in der Einhegung der politischen Machtansprüche der Oligarchenklasse und der Stärkung des Machtwillens des Staatsapparats. Das kann man nicht als Überwindung des Neoliberalismus, aber als Neujustierung der Machtverhältnisse im Neoliberalismus interpretieren. Dabei wird gern übersehen, dass der Autoritarismus bereits in der Jelzin-Verfassung angelegt war, die im Ergebnis einer gewalttätigen Entmachtung des gewählten Parlaments eingeführt wurde. Wie viele sich unschwer erinnern werden, wurde das vom Westen bejubelt, konnte so doch der Ausverkauf Russlands weitergehen. Auch war Putin nicht von Anfang an »antiwestlich«. Jedoch erfuhr er mehrfach Desinteresse sowohl hinsichtlich einer engeren ökonomischen Zusammenarbeit als auch hinsichtlich einer Zusammenarbeit in Fragen der militärischen Sicherheit, sobald sie über bloße Bekenntnisse hätte hinausgehen müssen. Hingewiesen sei exemplarisch auf den Aufbau eines US-Raketenabwehrsystems in osteuropäischen NATO-Ländern.

In Ungarn verdankte sich der Sieg Orbans vor allem der Desavouierung der neoliberal orientierten Sozialdemokratie, gegen die eine nationalistische Rechte schließlich leichtes Spiel hatte. Erst als Orban auf die Idee kam, eine Zentralbankpolitik zu betreiben, die den EU-Vorstellungen widersprach, gestattete man sich in der EU auch Kritik an den politischen Verhältnissen in Ungarn.

Ein ähnliches Phänomen erleben wir in den Vereinigten Staaten. Erst das Versagen der Demokraten angesichts der in sie gesetzten Hoffnungen hat den Wahlsieg von Donald Trump ermöglicht. Die Präsidentschaft Barack Obamas hat die Lebensbedingungen weiter Teile der Unter- und Mittelschichten nicht entscheidend verbessert. Die hoch gesteckten Erwartungen seiner Kampagne (»change«) konnte er trotz gewisser innen- (Obamacare) und außenpolitischer Erfolge (Annäherung an Kuba, Iran-Abkommen) nicht erfüllen. Der Protektionismus Trumps ist eine direkte Antwort auf die Freihandelspolitik, von der US-amerikanische Firmen und die Wall Street profitierten, aber die breiten Massen in den USA nicht. Seine Stimmungsmache gegen illegale Einwanderer*innen erreichte diejenigen weißen (und nicht wenige der inzwischen legalisierten nicht-weißen) Arbeiter*innen, die sich in der Konkurrenz um Niedriglohnjobs bessere Chancen ausrechnen, wenn die Zahl der verfügbaren Arbeitskräfte geringer wird. Nicht wenige US-Amerikaner*innen haben also das ideologische Angebot der Demokraten als etwas wahrgenommen, das Angriffe auf ihre sozialen Interessen nur fortschrittlich verbrämt, und sich in Reaktion darauf dem Gegenprogramm, das Trump vertrat, zugewandt.

Dem Autoritarismus durch die Anrufung »westlicher« Werte entgegentreten zu wollen, ist wenig hilfreich, weil es an den materiellen Interessen der Enttäuschten, die sich ihm zuwenden, gar nichts ändert. Auf der internationalen Ebene verhält es sich ganz ähnlich: Der Westen, der dem Autoritarismus seine Werte entgegenstellt, verfolgt damit ganz konkrete eigene Interessen. Damit soll nicht in Abrede gestellt werden, dass sich die EU auch als Wertegemeinschaft beschreiben ließe; nur fällt es eben äußerst schwer zu erkennen, wie diese Werte überhaupt durchschlagen, etwa bei der Programmierung gemeinsamer Politik. Man denke nur an das Euro-Rettungsregime, das den Wert der sozialen Gerechtigkeit zumindest für einige Länder zu einer Nichtigkeit gemacht hat. Ohne hier Gleichgültigkeit gegenüber Werten propagieren zu wollen, muss man sich das klarmachen und sollte nicht auf die »westliche« Rhetorik hereinfallen.

Nun haben wir aber nicht nur autoritäre Regierungen am Hals, sondern auch die populistisch-autoritäre Versuchung innerhalb der westlichen Gesellschaften. Abstoßende Figuren, wie Le Pen in Frankreich, Wilders in den Niederlanden und andere Kandidat*innen für eine mögliche Machtergreifung in anderen Ländern, stehen bereit, und sie sind keine zu vernachlässigende Größe. In Osteuropa findet die autoritäre Transformation bereits statt, in Österreich wurde die FPÖ erneut in die Regierung eingebunden, und in Großbritannien haben die Rechtspopulisten den Brexit mit durchsetzen können. Es scheint daher doch gar nicht so unvernünftig zu sein, wenn sich alle Demokraten, wie es auch Bruno Schoch vorschlägt, unter der Fahne des Liberalismus versammeln würden, um für den Bestand der liberalen Demokratie zu kämpfen. Eine Parallelsemantik wird in Anschlag gebracht, wenn es um die EU geht: Weil die nationalistischen Populisten die EU abwickeln wollen oder doch wenigstens hier und da ein wenig Rückbau betreiben möchten, erkennt man den Liberalen auch an seiner proeuropäischen Gesinnung. Die Idee des Vereinten Europa wird so zur letzten verbliebenen Utopie verklärt.

Welche EU wollen wir?

Sich in dieser Weise in den Mainstream der veröffentlichten Meinung einzureihen, heißt aber auch, darauf zu verzichten, die Defizite der konkreten politischen Ausgestaltung Europas und deren Zusammenhang mit dem Erstarken des Rechtspopulismus zu thematisieren. Wenn man die Haltung zur EU betrachtet, dann versammeln sich unter dem Label »proeuropäisch« sehr unterschiedliche Politiken.

Eine Europavorstellung, wie sie vor allem von Wolfgang Schäuble als Finanzminister vertreten wurde, zielt auf ein »Kerneuropa«, das in einigen Feldern die Integration verdichtet, etwa in der Währungspolitik; dabei handelt es sich aber eher um eine geschlossene Gesellschaft. Zugelassen werden dürfen nur Mitgliedsstaaten, die von dieser geschlossenen Gesellschaft festgelegte Kriterien erfüllen. Den exkludierenden Charakter dieser Vorstellung erkennt man daran, mit welcher Zielstrebigkeit und Entschlossenheit Schäuble die Verdrängung Griechenlands aus der Gemeinschaftswährung verfolgte; da es dafür keine rechtliche Grundlage gab und gibt, wandte er auch Mittel der Nötigung an.

Eine andere »proeuropäische« Vorstellung wird vom ehemaligen griechischen Finanzminister Yannis Varoufakis vertreten, der die Zukunft der EU vor allem an eine politische Voraussetzung knüpft: ihre Demokratisierung. Es ist naheliegend, dass man damit gerade in einem Gremium wie der Eurogruppe beginnen muss. Mit einer enormen Machtfülle ausgestattet, ist dieses Gremium jedoch nach wie vor informell; Transparenzanforderungen, wie eine Nachvollziehbarkeit von Entscheidungsprozessen, sind nicht gegeben.

Angesichts dieser Gemengelage erscheint es schwierig, sich zu einer »proeuropäischen« Haltung zu bekennen. Der Drang, zu verdeutlichen, dass damit nicht Schäubles Troika-Diktatur gemeint sein kann, ist zu groß.

In der Debatte um pro- oder antieuropäische Haltungen zeigt sich, wie das Bedürfnis nach guter Gesinnung den Blick auf Herrschaftsstrukturen und Machtverhältnisse völlig verstellt. Genau das ist aber der perfekte Einstieg ins Unpolitische. Man muss auch als Linke*r sagen können, was für eine EU man eigentlich will, man muss sich für die Gründe und Dynamiken interessieren, die die EU zu zerreißen drohen. Diese nur auf das böse Streben der Anti-Europäer zurückführen zu wollen, ist naiver Idealismus.

Schließlich ist nach der Verantwortlichkeit der »Liberalen« für die heutige Lage, die tatsächlich zu einer Krise der Demokratie geführt hat, zu fragen. Die Politik des neoliberalen Staats- und Gesellschaftsumbaus war weder in den USA noch in den EU-Staaten das Werk von Rechtsradikalen oder Linksaußen-Parteien. Diese Politik wurde von Konservativen und neoliberal gewendeten Sozialdemokraten vorangetrieben. Als Ende der 1990er Jahre in fast allen EU-Staaten und in den USA sozialdemokratische Regierungen1 amtierten, ging man nicht zu einer Erneuerung des Sozialstaats über, sondern zu weiteren Deregulierungspolitiken.

In allen westlichen Industriestaaten fand ein Standortwettbewerb statt, in dem die Regierungen sich darin zu überbieten versuchten, Druck auf Löhne auszuüben, Unternehmenssteuern zu senken, dadurch entstehende Haushaltslöcher durch Sozialkürzungen zu stopfen, Staatsschulden zu verringern, spekulative Investitionen im Finanzmarktsektor oder auch in der Realwirtschaft zu erleichtern, Renten zu privatisieren und vieles mehr. In der Folge steigen Unternehmensgewinne und Einkommen aus Kapitalbesitz, während Reallöhne stagnieren oder sinken.

Der Kampf gegen neoliberale Politik

Zudem ist das Versprechen, dass sozialer Aufstieg nach erbrachter Leistung erfolgen würde, vollständig verschwunden. Heute wird den »Flexiblen« noch ein wenig Aussicht auf ein wenig Wohlstand versprochen, das war es. Dass diese Ausgrenzung eines größeren Teils der Gesellschaft möglich war, ist aus einer bereits eingetretenen Unfähigkeit zur Solidarisierung innerhalb der arbeitenden Klasse erklärbar. Schließlich zeigte die Finanzkrise, mit wem Solidarität geübt wird: mit Konzernen und Banken. Bis heute ist nicht zu erkennen, dass Konservative oder Sozialdemokraten einen grundsätzlichen Paradigmenwechsel vorgenommen hätten.

In der letzten Zeit wurden die Begriffe »Modernisierungsgewinner« bzw. »Modernisierungsverlierer« in die Debatte eingebracht, um die Prozesse der gewachsenen Anfälligkeit für rechtspopulistische Politikangebote zu erklären. Entscheidend ist jedoch, dass es sich nicht um irgendwelche Modernisierungen handelt, sondern um den neoliberalen Staats- und Gesellschaftsumbau, dessen Modernisierungsmoment darin besteht, die kapitalistische Akkumulation aus den Trümmern des fordistischen Akkumulationsregimes zu befreien. Wer sind dann die Modernisierungsgewinner? Man kann das überraschend einfach sagen. Es sind diejenigen, die Mitnahmeeffekte beim kapitalistischen Wachstum erzielen konnten. In der Bundesrepublik zum Beispiel begrenzt sich die Gewinnzone fast ausschließlich auf das obere Einkommensdrittel der deutschen Haushalte. Ein weiteres Drittel ist sozial abgestiegen oder kämpft verbissen gegen den drohenden Abstieg an. Wer glaubt, dass das mittlere Drittel davon unbeeindruckt ist?

Es ist überhaupt nicht schwer, den Bezug zur europäischen Integration herzustellen. Diese hat dazu beigetragen, dass es Wohlstandsgewinne gab, und zugleich gibt es unzureichende Partizipation an diesen. Die Unzufriedenheit nimmt daher auch Züge der Europaskepsis oder Europafeindlichkeit an und ist offen für die Anrufungen durch die Rechte. Sicher gibt es davon auch eine linke Version, wie sie etwa vom Soziologen Wolfgang Streeck (2012) vertreten wird. Es gibt Linke, die glauben, dass die Reste von Sozialstaatlichkeit und Demokratie nur verteidigt werden können, wenn der Nationalstaat als Bollwerk gegen die neoliberalen Deregulierungsimperative aus Brüssel stark gemacht werden kann. Freilich müssen sie sich dann mit der Frage herumschlagen, ob nationalstaatliche Souveränität nicht längst nur noch formal existiert oder sich nur noch in symbolischen Akten ausdrücken kann, wie etwa der Aussetzung der Schengen-Regeln des Passierens der europäischen Binnengrenzen ohne Kon­trollen, ob also Souveränität insbesondere im Sinn einer Steuerung kapitalistischer Volkswirtschaften nicht schon längst einer global agierenden Finanzmarktmaschinerie zum Opfer gefallen ist. Daraus folgt: Wer Souveränität im Sinn einer politischen Steuerung von Märkten wiederherstellen will, der muss den Rahmen des Nationalstaatlichen überschreiten und die Europäische Union in geeigneter Weise umgestalten wollen. Es kann nur um eine soziale und demokratische Weiterentwicklung der EU gehen. Aber das ist etwas anderes als der pathetische Europäismus, mit dem »Liberale« heute hausieren gehen.

Was passiert mit Menschen, die einem realen oder gefühlten sozialen Abwärtstrend ausgesetzt sind? Werden sie solidarischer? Wohl kaum. Die einzigen Solidaritäten, die sich so bilden, sind ab- und ausgrenzende Solidaritäten. »Wir hier unten« gegen »die da oben«! Leider sind Unten und Oben dabei nicht sozial oder politisch konkret bestimmt, auch wenn sie bestimmbar sind. Sie verbleiben in einem gefühlten Zustand des Ausgeliefertseins. Und hier sucht sich die Rechte ihre Zielgruppen: Leute, denen es reicht, dass sie ihr Unbehagen auf andere, ihnen Fremde, projizieren können.

Fortschrittliche Politik muss diesen Zusammenhang reflektieren. Die eine Illusion ist, man könne die eigenen Prinzipien für eine Weile zurückstellen, ohne dass sie Schaden nähmen. Die andere Illusion ist, man könne die Verantwortlichen für die Zustände von heute von Kritik freistellen, zumindest vorerst, bis die reaktionäre Bedrohung bezwungen ist, und solange müsste man sich in die Einheitsfront aller Demokrat*innen einreihen.

Die Alternative zu beiden Illusionen heißt Neuformierung der Linken. Es muss erwartet werden können, dass neoliberale Ideologien – einmal als falsch erkannt – nicht weiterhin die Politik programmieren, was leider noch der Fall ist. Ein linker Beitrag zur Stabilisierung demokratischer Verhältnisse kann nur im Kampf gegen neoliberale Politik bestehen.

Anmerkung

1) Die Demokraten waren damals zwar nicht Mitglied der Sozialistischen Internationale, sind aber heute Mitglied in der als Konkurrenzorganisation aufgebauten Progressive Alliance.

Literatur

Schoch, B. (2017): Populisten in Europa und autoritäre Internationale gegen die Demokratie. In: Schoch, B. et al. (Hrsg.): Friedensgutachten 2017. Berlin: LIT, S. 109-123.

Popper, K.R. (1957): Die offene Gesellschaft und ihre Feinde. Englisch »The Open Society and Its Enemies«, erschienen 1945; deutsche Erstauflage München: Francke.

Streeck, W. (2012): Auf den Ruinen der Alten Welt. Blätter für deutsche und internationale Politik 12/2012, S. 61-72.

Dr. phil. Olaf Miemiec studierte Philosophie und Logik in Leipzig und promovierte über die Geschichtsphilosophie im gesellschaftskritischen Denken von Karl Marx. Er lebt in Berlin.

US-Grenzregime und Rassismus


US-Grenzregime und Rassismus

Migration aus und durch Mexiko

von Meztli Yoalli Rodríguez Aguilera und Mirna Yazmín Estrella Vega

Ungeachtet der Bedeutung, die die nicht-dokumentierte Immigration aus Lateinamerika für das US-amerikanische Wirtschaftswachstum spielt, unterliegt sie zunehmenden Einschränkungen, die sich auf Migrant*innen in Form allgegenwärtiger Gewalt auswirken und auf rassistischen Diskursen und Praktiken beruhen. Der vorliegende Artikel analysiert ein Jahr nach dem Amtsantritt von Donald Trump, wie die Kontinuität anti-immigratorischer Politiken sich nicht nur in der Grenzpolitik zeigt, sondern auch durch andere Formen von Gewalt. Die prekäre Lage von Migrant*innen, die vor lebensbedrohlicher Gewalt in ihren Herkunftsländern fliehen, ist überdies nicht auf das US-amerikanische Gebiet beschränkt, sondern hat sich bis zur Südgrenze Mexikos ausgebreitet. Dagegen organisiert sich aber auch Widerstand.

Seit vier Jahrzehnten gibt es eine wachsende Migrationsbewegung aus Zentralamerika in die USA. Diese zu analysieren ist schwer, da das Migrationsphänomen sehr komplex ist und sich schnell verändert: Einerseits verändern sich die Vertreibungs- und Fluchtursachen, die in der wachsenden Gewalt in den Ursprungsländern liegen: Femizide und genderbasierte Gewalt, kriminelle Gewalt, politökonomische und strukturelle Gewalt. In vielen Regionen sind lebensbedrohliche Gewaltformen an der Tagesordnung, denen die Regierungen dieser Länder nur wenig oder gar nichts entgegensetzen und vor denen sich Mittel- und Unterschicht kaum noch schützen können. Diese Gewalt wird noch verstärkt durch Maßnahmen der US-amerikanischen Migrationspolitik, wie Maßnahmen zur Abschiebung und Rückführung krimineller Gang-Mitglieder aus den USA.

Mexiko ist durch die ungleichen Beziehungen zu seinem nördlichen Nachbarn, den USA, stark geprägt. Bis heute sind Millionen undokumentierter Mexikaner*innen in die USA immigriert, die ungeachtet aller Hindernisse des Transits den »American Dream« als einzige Möglichkeit betrachten, ihre sozio­ökonomischen Lebensbedingungen zu verbessern.

Die Protagonist*innen dieses Migrationsphänomens sowie die Ursprungs- und Zielorte haben sich mit der Zeit verändert. Ungeachtet dessen ist es möglich, die Migrationspolitiken der beiden Länder in fünf relevante Phasen einzuteilen:

  • Das Programm Bracero, das 1942 begann und 1964 endete und ein Resultat des nach dem Zweiten Weltkrieg stark angewachsenen US-amerikanischen Bedarfs an Arbeitskräften war. Dieses Programm erlaubte die Eingliederung von Migrant*innen in den Agrar- und Industriebereichen über Zeitverträge.
  • Das Jahrzehnt der Familienzusammenführung (1980-1990) von Migrant*innen, die angesichts der wachsenden Nachfrage von Arbeitnehmer*innen im Agrarbereich und in der Industrie beschlossen hatten, sich in den USA niederzulassen.
  • Das Inkrafttreten des nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA zwischen Kanada, USA und Mexiko im Jahr 1994. Dessen unerfüllte Erwartungen waren in den USA Anlass, die undokumentierte Migration und den Zugang zu besser vergüteter Arbeit zu regulieren. Dies mündete in Anti-Immigrationsgesetzen. Beispiele hierfür sind das Gesetz 187 von Kalifornien, welches 1994 erlaubte, undokumentierten Migrant*innen soziale Leistungen im Gesundheits- und Bildungsbereich zu verwehren, und das föderale Gesetz »Illegal Immigration Responsibility Act«, welches die Inhaftierung und Abschiebung von Migrant*innen aufgrund geringfügiger Verstöße ermöglichte.
  • Der »Krieg gegen den Terror« nach den Angriffen auf die Twin sTowers in New York 2001 motivierte zur Verstärkung der Grenzsicherheit und der Migrationskontrollen.
  • Unter der Obama-Administration stiegen zwischen 2009 und 2012 die Abschiebungen auf ein historisches Hoch. 3,2 Millionen Ausländer*innen – davon 2,3 Millionen Mexikaner*innen – mussten die USA verlassen (Meza González 2014).

Der Rückblick zeigt, dass die Migrationspolitik der USA immer interessengeleitet war und mit der Zeit immer restriktiver wurde. Das führte dazu, dass die Lebensbedingungen nicht nur der mexikanischen, sondern aller zentralamerikanischen Migrant*innen sich deutlich verschlechterten.

Transit durch Mexiko

Seit den 1980er Jahren entwickelten sich in Zentralamerika große Migrationsbewegungen; Mexiko wurde dabei einerseits Zielland, vor allem aber Transitland Richtung USA. Die bewaffneten Auseinandersetzungen – vor allem in Guatemala, El Salvador und Nicaragua – forcierten seit den 1970er Jahren die Fluchtbewegung. In den 1990er Jahren motivierten Naturkatastrophen in Lateinamerika und ihre Auswirkungen auf die Wirtschaft Menschen, ihr Land zu verlassen und den »American Dream« zu verfolgen. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts wächst im Migrationsstrom der Anteil von Frauen und Kindern, die aus ihren Herkunftsländern fliehen, um sich vor der extremen Gewalt gegen sie in mittlerweile vielen gesetzesfreien Gebieten in Sicherheit zu bringen. Diese Gewalt, sowohl zwischen lokalen kriminellen Banden als auch gegen die Zivilbevölkerung, wird verstärkt durch die Zusammenarbeit dieser Banden mit der organisierten Kriminalität, wie den mexikanischen »Los Zetas« oder dem Golf-Kartell.

Heute kann das gesamte mexikanische Gebiet als ein Transitgebiet gesehen werden, durch das laut ACNUR (2016) jährlich knapp eine halbe Million Menschen aus dem zentralamerikanischen Länderdreieck (El Salvador, Guatemala und Honduras) versuchen, in die USA zu kommen. Unter den schlimmsten Formen der Gewalt, denen sich Migrant*innen während des Transits ausgesetzt sehen, sind Entführungen, Erpressung, Folter, Zwangsrekrutierung und das »Verschwindenlassen« von Personen, vor allem wenn Migrant*innen in die Hände von Gruppen aus dem Drogenhandel kommen, die das Gebiet kontrollieren oder um dieses kämpfen. Für Migrantinnen und Minderjährige kommen Formen sexueller Gewalt und Menschenhandel hinzu. Letzteres geht von der organisierten Kriminalität aus, geschieht aber auch in Zusammenarbeit mit korrupten mexikanischen Behörden.

Die restriktive Migrationspolitik der USA wird als Maßnahme zur Aufrechterhaltung der nationalen Sicherheit und als Kampf gegen den Drogenhandel an US-amerikanischen Grenzen gerechtfertigt. Damit wird ein angeblich bestehender Zusammenhang von Migration und steigender Kriminalität hergestellt.

Von 1989 an unterstützten die USA eine Politik der »Kooperation« mit der mexikanischen Regierung, um die zentralamerikanischen Migrant*innen aufzuhalten. Dies ging so weit, dass Mitglieder des US-Auslandsgeheimdienstes CIA auf mexikanischem Gebiet an strategischen Punkten positioniert wurden, um die undokumentierte Migration aus dem mexikanischen Bundesstaat Chiapas in die USA zu unterbinden. Mexiko beteiligte sich aktiv an den Grenzkontrollen zwischen Zentralamerika und den USA. Mit Verweis auf den Drogenhandel und den illegalen Holzeinschlag wurde die Zahl von Polizeiagent*innen vervielfacht.

Durch den Druck, den die USA auf Mexiko ausübten, begann mit der »Operation Gatekeeper« 1994 der groß angelegte Versuch, die Migration aus Zentralamerika in die USA bereits an der Südgrenze Mexikos zu unterbinden. Mit den Programmen »Plan Sur« und zuletzt »Frontera Sur« (Villafuerte Solís 2004) sollten die südlichen Landesgrenzen quasi abgeriegelt werden. Das damit einhergehende fremdenfeindliche Verhalten der mexikanischen Behörden förderte auch die Fremdenfeindlichkeit weiter Teile der mexikanischen Bevölkerung und erschwerte einen transparenten Diskurs über die Migration. Mittlerweile werden alle lokalen Probleme in Mexiko auf die Migrant*innen geschoben. Hierdurch steigt für Migrant*innen die Gefahr von Gewaltszenarien. Ein besonders schockierendes Beispiel ist das Massaker an 72 zentral- und südamerikanischen Migrant*innen (58 Männer und 14 Frauen) in San Fernando im Bundesstaat Tamaulipas im Jahre 2010, das dem Kartell der organisierten Kriminalität »Los Zetas« zugeschrieben wird.

Frauen auf der Flucht sind zusätzlich von Gewalt betroffen. So wurden laut einem Bericht von Amnesty International (2010) sechs von zehn Migrant*innen in Mexiko Opfer sexueller Gewalt. In einem neuen Bericht von Ärzte ohne Grenzen (2017), der auf 429 Interviews mit Migrant*innen basiert, wurden 31,4 % der Frauen und 17,2 % der Männer während ihres Transits in Mexiko Opfer irgendeiner Form sexueller Gewalt.

Diese Formen von Gewalt und Straflosigkeit sind nur möglich, weil das Leben von Migrant*innen keine Bedeutung mehr hat. Diese Gewalt muss als eine Politik des Todes verstanden werden (Mbembe 2003), bei der der ausländische Körper als Wegwerfkörper betrachtet wird.

Rassismus und Kriminalisierung des »Andersseins«

Als Donald Trump, ein Multimillionär mit weltweiten Investitionen, am 9. November 2016 die Präsidentschaft des mächtigsten Landes der Welt übernahm, war das für viele ein tragischer Tag. Seine Wahlkampagne fußte auf Rassismus und Fremdenfeindlichkeit: Trump versprach als Lösung gegen die Migration aus Mexiko und Zentralamerika den Bau einer »Mauer«. Das Paradox liegt allerdings darin, dass Trump einerseits mit einer rassistischen Rhetorik den Rauswurf lateinamerikanischer Migrant*innen fordert, andererseits die Wirtschaft der USA die Arbeitskraft der Migrant*innen aber braucht.

Trumps Triumph ist nicht nur Ausdruck eines radikalen Rechtsrucks, wie wir ihn in anderen Ländern der Erde momentan auch erleben, er bedeutet auch die Hinwendung zu explizitem Rassismus als einer legitimen Form der Politik.

Eine der verheerendsten Handlungen Trumps gegen Migrant*innen ist die Einstellung des 2012 von der Obama-Regierung initiierten Programms DACA (Deferred Action for Childhood Arrivals).1 DACA hatte Personen, die als Minderjährige unter 16 Jahren ins Land gekommen waren, darin unterstützt, eine Arbeitserlaubnis und Fahrerlaubnis für zwei Jahre zu erhalten, mit der Möglichkeit der Verlängerung. Aktuell haben um die 800.000 junge Migrant*innen – die so genannten Dreamer – in den USA eine DACA Bescheinigung, die mit dem Auslaufen dieses Programms in ihre Ursprungsländer abgeschoben würden. Viele dieser von Zwangsrückführung Betroffenen kennen weder die Kultur noch die Sprache ihrer Ursprungsländer; sie haben meistens auch keine Angehörigen, die sie bei ihrer Ankunft unterstützten können. Stattdessen wären sie vollständig auf sich alleine gestellt und ohne Anpassungshilfen (wie Bildungsangebote oder Arbeitsmaßahmen), was ihnen den Aufbau eines neuen Lebens zusätzlich erschweren würde. Auch die öffentlichen Maßnahmen, die von Ländern wie Guatemala oder El Salvador im Zusammenhang mit Abschiebungen unternommen werden, haben bis jetzt kaum positive Auswirkungen. Im Gegenteil, die Zerrüttung der Gesellschaft, die strukturelle Gewalt und die wirtschaftliche und kulturelle Schwäche der Staaten wirkt sich negativ auf das Leben der Migrant*innen und ihre Entwicklung aus.

Allein in den ersten drei Monaten seit Trumps Regierungsübernahme sind die Festnahmen von Migrant*innen um 38 % angestiegen. Dies spiegelt die Prioritäten und die Sicherheitsstrategie der US-Regierung wieder. Gleichzeitig wird die kapitalistische Ausbeutung von Illegalisierten weiter angekurbelt und durch die konstante Angst vor Abschiebung gefördert. Shannon Speed bezeichnet dieses Phänomen als „neoliberalen Multikriminalismus“, eine postmultikulturelle Phase des Staates, in der die Aufrechterhaltung der neoliberalen Ökonomie mit der Herausbildung autoritärer Gesetze, Militarisierung und Kriminalisierung einerseits und finanziellen Gewinnen andererseits einhergeht. In dieser Dynamik besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem Rassismus und dem Kapitalismus in den staatlichen Politiken der USA.

Speziell bezogen auf Zentralamerika hat Trump das Programm für zentral­amerikanische minderjährige Flüchtlinge (CAM)2 beendet. Dieses Programm gab Minderjährigen aus El Salvador, Honduras und Guatemala, die alleine in die USA gereist waren, den Flüchtlingsstatus und die Möglichkeit der familiären Wiedervereinigung. Eltern, die in den USA eine legale Aufenthaltserlaubnis hatten, konnten Asyl für ihr Kind aus Zentralamerika erhalten. Es wird davon ausgegangen, dass seit 2009 mehr als 200.000 Kinder Asyl in den USA beantragt haben. Mit der Beendigung dieses Programms werden tausende Kinder und Jugendliche keine Möglichkeit der legalen Wiedervereinigung mit ihrer Familie mehr haben. Der Versuch, ihr Leben vor der strukturellen und politischen Gewalt und der in ihren Ursprungsländern weit verbreiteten Bandengewalt durch Migration zu schützen, wird hierdurch kriminalisiert.

Im US-Bundesstaat Texas – in dem Trump gewann – wurde im Mai 2017 das Gesetz SB4 verabschiedet, um auch in den so genannten »sanctuary cities« (Zufluchtsstädten) die Kooperation der lokalen Behörden mit der nationalen Migrations- und Zollbehörde (Immigration and Customs Enforcement) zu erzwingen. Mit dem neuen Gesetz SB4 sind alle Polizist*innen sowie Gefängnisbehörden dazu verpflichtet, mit den Migrationsbehörden zusammenzuarbeiten. Das trägt auch zum Anwachsen rassistischen Verhaltens bei, da Polizist*innen von Menschen mit phänotypisch »lateinamerikanischen« Merkmalen Ausweispapiere verlangen können und bei nichtvorhandenen oder fehlerhaften Papieren verpflichtet sind, diese Menschen festzuhalten und abzuschieben. Hierdurch wird Alltagsverhalten, wie der Aufenthalt auf öffentlichen Plätzen oder die Mobilität, zu einem Sicherheitsrisiko für Lateinamerikaner*innen; »racial profiling« gegen Latin*s wird legalisiert.3 Einige Bundesrichter gingen gegen dieses Gesetz in Berufung und konnten es so bis auf Weiteres stoppen. Auch zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen protestierten gegen dieses entmenschlichende und rassistische Gesetz.

DACA, CAM und SB4 sind nur drei Beispiele für die rassistische Politik, die Trump im ersten Jahr seiner Amtszeit durchgesetzt oder, wie im Fall des SB4 Gesetzes in Texas, unterstützt hat.

Neben der Regierungspolitik ist auch der an Legitimation gewinnende Alltagsrassismus Besorgnis erregend. Die Regierung Trump trägt nicht nur durch politische Initiativen von oben zu einer Kriminalisierung von Migration bei, sie sorgt auch dafür, dass rassistisches Verhalten gegen die »nichtweiße« Bevölkerung als normal gilt. Durch diese Regierung wird die weiße Vorherrschaft nicht nur legitimiert, sondern zunehmend auch repräsentiert. Das wurde besonders während der Proteste in Charlottesville, Virginia, im August 2017 deutlich, bei denen weiße Männer verschiedener Gruppierungen, wie Neonazis und Neo-Konföderalisten, gegen die Entfernung der Statue des Konföderalisten Robert E. Lee protestierten und den weißen Nationalismus der US-amerikanischen Ultrarechten und den verschärften Rassismus verteidigten.

Antirassistische Kämpfe und Widerstand

Ungeachtet der oben genannten Geset­zesinitiativen und der Normalisierung von Rassismus und institutioneller Gewalt in den USA gibt es aber auch Widerstand von unten gegen die verschiedenen Gesichter der Unterdrückung. Die Bewegung »Black Lives Matter« sowie die Bewegungen von Migrant*innen in vielen Städten des Landes richten sich gegen Polizeigewalt, gegen anti-schwarzen Rassismus sowie gegen die Kriminalisierung der Migra­tion. Zu den Protestformen gehören Initiativen, um Druck auf den US-Kongress auszuüben, genauso wie künstlerische Ausdrucksformen, z.B. Wandmalereien oder Lieder gegen die Gewalt und den Rechtsruck. Unterschiedliche soziale Gruppen haben gemeinsame Allianzen gegründet, um gegen die neoliberale und rassistische Politik Trumps vorzugehen.

Diese Formen des Widerstands sind nicht nur im Inneren des US-Imperiums sichtbar, sondern sie breiten sich geographisch aus, wie an der »Karawane zentralamerikanischer Mütter« deutlich wird. Diese Frauen haben vor drei Jahren den Kampf gegen Hass und Gewalt aufgenommen und auf ihrem Marsch mittlerweile 4.000 Kilometer auf mexikanischem Gebiet zurückgelegt. Mit der Suche nach ihren Kindern, die während des Transits verschwunden und seitdem vermisst sind, verurteilen diese Frauen nicht nur die Gewalt, der die Menschen beim Transit der verschiedenen Grenzen aufgrund der Institutionalisierung fremdenfeindlicher und anti-immigratorischer Politiken und der Gewalt krimineller Netzwerke ausgesetzt sind. Mit ihrem Weg, ihrer Erinnerung und ihrer Würde bieten die Frauen der Welt die Möglichkeit an, auch weiterhin an eine andere Welt zu glauben und an ihrem Aufbau mitzuwirken.

Ein Jahr nach Trumps Amtsantritt ist es notwendig, dass von den sozialen Bewegungen – wie die Zapatist*innen sagen würden, von unten und von links ausgehend – sich mehr Widerstand organisiert. Ein Widerstand, der von den Herkunftsländern der Migrant*innen ausgehend sich mit dem in den USA verknüpft. Als »change agents« – als Akteure des sozialen Wandels, die ein uneingeschränktes Recht auf ein Leben in Würde haben – müssen die Migrant*innen aktiv werden gegen die verschiedenen Formen struktureller und alltäglicher Gewalt, der sie in ihren Herkunftsländern, während ihres Transits in Mexiko und in den USA ausgesetzt sind.

Die neoliberale und neofaschistische Politik Trumps ist mit Hassrhetorik und Terror überladen. Die »nichtweiße« Bevölkerung (Latin*s, Afroamerikaner*innen, Native Americans und Muslime) dient als Sündenbock für die negativen Effekte des Kapitalismus, der nur aufgrund der Herrschaftsbeziehungen entlang der Idee von »Rasse« funktioniert (Garcia 2016). Die Gruppen, die die Regierung ausweist, symbolisch unsichtbar machen oder verschwinden lassen will, streiten für ihr Recht auf ein Leben in Würde in einem anderen Land, auf ein Leben ohne Rassismus und Gewalt.

Zweifellos ist der Weg des Widerstands lang. Es geht um das, was Raquel Gutiérrez die Produktion des Gemeinen“ (Produktion einer Gemeinschaft) nennt (Gutiérrez Aguilar 2015). Indem Migrant*innen ihre Rechte und ihr Recht auf Existenz einfordern und sich in ihren Gemeinden organisieren und die Möglichkeiten der transnationalen Teilnahme aufzeigen, tragen sie dazu bei, die Welt gerechter zu machen. Dieser antirassistische und anti-fremdenfeindliche Kampf ist ein Kampf des Überlebens, bei dem die Migrant*innen ihren Körper einsetzen, bei dem ihre Familie auf dem Spiel steht. Es ist ein Kampf für das Leben.

Anmerkungen

1) Auf Deutsch etwa: Aufgeschobene Handlung bei Ankünften im Kindesalter. [die Übersetzerin]

2) Auf Englisch: Central American Minors (CAM) Refugees Program.

3) Als »latino« oder »latina« (im Folgenden: Latin*) bezeichnen die Autorinnen sowohl Lateinamerikaner*innen als auch US-Bürger*innen, die bestimmte phänotypische und/oder kulturelle Merkmale aufweisen, die einer lateinamerikanischen Herkunft zugeschrieben werden, während Lateinamerikaner*in eine Aussage über die (nicht US-amerikanische) Staatsbürgerschaft beinhaltet. Das »racial profiling« degradiert US-amerikanische Staatsbürger*innen mit lateinamerikanisch definierten Merkmalen also zu Staatsbürger*innen zweiter Klasse, deren Staatsbürgerschaft grundsätzlich erst einmal zur Debatte steht und bewiesen werden muss. [die Übersetzerin]

Literatur

ACNUR (2017): México Fact Sheet. Ciudad de México. ACNUR

Amnistía Internacional (2010): Informe Víctimas Invisibles – Migrantes en Movimiento en México. Editorial Amnistía Internacional, Madrid.

García, J. A. (2016): Reseña – Indios, negros y otros indeseables. Capitalismo, racismo y exclusión en América Latina y el Caribe. Iberoamérica Social: revista-red de estudios sociales VI , S. 163-166.

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Villafuerte Solís, D. (2004): La Frontera sur de Me´xico – del TLC Me´xico-Centroame´rica al Plan Puebla-Panama´. México D.F.: Plaza y Valdéz.

Meztli Yoalli Rodríguez Aguilera ist Sozialanthropologin. Sie ist Doktorantin in Lateinamerikanischen Studien mit Schwerpunkt auf Sozialanthropologie an der Universität Texas in Austin. Sie arbeitet zu den Themen Feminismus, Rassismus, dekoloniale Epistemologien, staatliche Gewalt und soziale Gerechtigkeit.
Mirna Yazmín Estrella Vega ist Absolventin des Fachs Lateinamerika-Studien mit Schwerpunkt und einem Master in Frauenstudien. Zurzeit promoviert sie in Lateinamerikastudien. Ihre Schwerpunkte sind Migration von Frauen, zentralamerikanische Migration, lateinamerikanische dekoloniale Feminismen, Friedenserziehung und Kultur des Friedens.

Aus dem Spanischen übersetzt von María Cárdenas.

Fabricated News


Fabricated News

Der Einfluss von Fake News auf die politische Einstellung

von Svenja Boberg, Tim Schatto-Eckrodt und Lena Frischlich

Der Begriff »Fake News«, zu Deutsch »falsche Nachrichten«, wird derzeit von Akteur*innen auf allen Seiten des politischen Spektrums genutzt. Die einen werfen damit den etablierten Medien vor, nicht objektiv zu berichten, die anderen beschreiben damit den Einzug von politischer Propaganda in den medialen Alltag. Zu politischen Zwecken lancierte Nachrichten verbreiten sich rasch im Netz. Dabei können Fake News die politische Einstellung von Nutzer*innen wahrscheinlich nur begrenzt beeinflussen, sollten aber dennoch nicht unterschätzt werden, da sie potentiell Themen in der Berichterstattung setzen.

Der demokratische Prozess erfordert eine gut informierte Öffentlichkeit, mit einem freien und ungehinderten Zugang zu gesellschaftlich relevantem Wissen. Mit dem Siegeszug des (mobilen) Internets sind Informationen und Wissen zugänglicher denn je geworden. Über das Smartphone besteht quasi permanenter Zugang zu Informationen, und es ist leichter denn je geworden, sich über gesellschaftlich relevante Themen zu informieren. Wie jede andere Technologie kann aber auch das Internet missbraucht werden. Eine vieldiskutierte Form des Missbrauchs ist die bewusste Verbreitung von gezielter Desinformation, um politische Einstellungen und Entscheidungsprozesse zu manipulieren. Solche Desinformationen sind kein neues Phänomen, ihre Verbreitung ist im Internet aber besonders einfach. Im Gegensatz zur Medienwelt vor dem Internet braucht es heute keine Druckerpresse mehr, keinen Verlag und kein Studio, um Hunderttausende zu erreichen. Die sozialen Medien geben praktisch jeder Akteurin und jedem Akteur ein Sprachrohr und die Möglichkeit, ein globales Massenpublikum zu adressieren. Damit geht auch eine massive Verbreitung von Fehlinformationen im Netz einher (Kucharski 2016).

Wardle und Derakhashan (2017) sprechen in diesem Zusammenhang von einer Informationsstörung. Sie weisen darauf hin, dass Desinformationen in unterschiedlicher Form auftreten können, etwa als Gerüchte, gefälschte Zitate oder als »Fake News«. Fake News imitieren das Erscheinungsbild professioneller Medienangebote, verbreiten aber verzerrte oder gefälschte Inhalte. Beispielsweise werden professionelle Nachrichten mit falschen Schlagzeilen oder Bildern kombiniert oder ganze Websites als journalistische Angebote getarnt.

Dabei lässt sich oft nicht eindeutig zwischen »richtigen« und »falschen« Nachrichten unterscheiden. Fake News sind vielmehr in einem Kontinuum zwischen vollständig fingierten Falschmeldungen zu Desinformationszwecken auf der einen Seite und einer leicht verzerrten Darstellung auf der anderen Seite zu verorten. Bei Letzterem werden zum Beispiel gewisse Aspekte einseitig hervorgehoben und andere verschwiegen. Manche Fake News dienen vor allem kommerziellen Zwecken, andere wollen als politische Satire unterhalten, wieder andere sollen politische Einstellungen beeinflussen. Dabei sind politisch stark gefärbte Nachrichten nicht unbedingt Fake News. Für Mediennutzer*innen kann es dadurch schwer sein, den Wahrheitsgehalt von Nachrichten einzuordnen, zumal reißerische und irreführende Schlagzeilen (so genanntes Clickbaiting, das besondere Aufmerksamkeit erzeugen soll) auch von professionellen Massenmedien genutzt werden können (ebd.).

Spätestens seit den US-Präsidentschaftswahlen 2016 stehen politische Fake News im Rahmen von Desinformationskampagnen unter dem Verdacht, den öffentlichen Diskurs zu verzerren und zum Wahlerfolg populistischer Politiker*innen beizutragen. Der Begriff Fake News wird auch verwendet, um traditionelle journalistische Medien abzuwerten, vergleichbar dem Begriff »Lügenpresse«. Wardle und Derakhashan (2017) schlagen daher vor, lieber von »Fabricated News«, also fingierten Nachrichten, zu sprechen, wenn es um politische Desinformation geht, die sich als journalistische Erzeugnisse tarnen.

Vorkommen und Verbreitung von Fabricated News

Den Propaganda-Forscher*innen Jowett und O`Donnell (2012) zufolge lassen sich zwei Strategien bei der Verbreitung von politischer Desinformation unterscheiden: Entweder platziert der oder die Propagandist*in die Nachricht in einem vertrauenswürdigen Umfeld, um sich später darauf zu berufen, oder es wird eine vertrauenswürdige Quelle simuliert, über die die Nachricht verbreitet wird. Beide Mechanismen werden für die Verbreitung von Fabricated News genutzt.

Fabricated News werden derzeit vornehmlich in sozialen Netzwerken gestreut. Studien zeigen, dass einzelne lancierte Nachrichten im Rahmen der US-Wahl 2016 mehr Online-Engagement auslösten als echte Nachrichten – zum Beispiel die Meldung, dass der Papst den US-Präsidentschaftsbewerber Donald Trump in seiner Kandidatur unterstützt habe (Silverman 2016). Besonders bedenklich: Dieses Engagement war besonders hoch in den US-Staaten, die für den Erfolg von Trump entscheidend waren. Eine Simulationsstudie der Forscher der Indiana University zeigt Medienberichten zufolge, dass Fabricated News in sozialen Netzwerken auch dann besonders oft geteilt werden, wenn Mediennutzer*innen eigentlich seriöse Nachrichten bevorzugen – sie erzeugen schlicht mehr Aufmerksamkeit (Chivers 2017).

Für die Verbreitung von Fabricated News können Propagandist*innen auf die Strategie des »Astroturfing«, einer von Dritten ausgelösten Graswurzelbewegung, zurückgreifen, bei der Social-Media-Nutzer*innen vorgespielt wird, dass sich eine Information scheinbar aus der Bevölkerung heraus verbreitet hat. Inhalte, die von vielen Personen geteilt oder geliked werden, werden als glaubwürdiger bewertet, auch wenn sie falsch sind (Aigner et al. 2017). Und nicht nur menschliche Nutzer*innen sind an der Verbreitung der gefälschten Nachrichten beteiligt. Social Bots, automatisierte Programme, die menschliches Verhalten simulieren, sind mit dafür verantwortlich, dass Fabricated News online verteilt werden. Social Bots können unterschiedlich gut menschliches Verhalten imitieren und reichen von simplen Followern zu ganzen Netzwerken, die Kontakte knüpfen, gezielt Inhalte retweeten und natürliche Sprache verarbeiten können. Die Berichte häufen sich, dass Social Bots bei politischen Entscheidungen digital mitdiskutieren und zur Verbreitung von Fabricated News beitragen. Zum Beispiel verbreiten Social Bots aus dem Umfeld der rechten Verschwörungsseite »Infowars«, dass die Giftgasanschläge in Syrien von einer Hilfsorganisation verübt bzw. fingiert worden seien, um den Machthaber Assad zu diskreditieren (Nimmo und Barojan 2017).

Spätestens seit Berichten, Hillary Clinton betreibe einen Kinderpornoring aus einer Pizzeria heraus, die zu einem bewaffneten Angriff eines motivierten »Retters« führten, der unter dem Stichwort #Pizzagate bekannt geworden ist, wird der Begriff Fake News in der breiten Öffentlichkeit als Gefahr diskutiert. 61 % der Deutschen haben das subjektive Gefühl, dass im Wahlkampf viele Fake News verbreitet wurden (Sängerlaub 2017). Auf ähnliche Ergebnisse kommen auch Befragungen des Bitcom Verbandes und der Landesanstalt für Medien.

Subjektive Wahrnehmung und objektive Konfrontation sind aber nicht unbedingt deckungsgleich. In einer Studie zur Wahrnehmung von Falschinformationen im US-Wahlkampf fanden Allcott und Gentzkow (2017), dass Personen sich auch an Fake News »erinnerten«, die sie zuvor nicht gesehen haben konnten. Laut dieser Studie sahen die Amerikaner*innen während des gesamten Wahlkampfs im Durchschnitt lediglich 0,92 Fake-News-Stories pro Trump und 0,23 pro Clinton. Die Autoren schlussfolgerten, dass fingierte Nachrichten um vieles wirksamer sein müssten als alle anderen politischen Kampagnen, wenn sie tatsächlich zum Wahlerfolg von Trump hätten beitragen sollen.

Wirkung von Fake News

Die Anzahl an Studien, die sich mit der Wirkung von fingierten Nachrichten beschäftigen, wächst aktuell exponentiell. Die ersten Daten zeigen, dass Fabricated News durchaus auf Mediennutzer*innen, soziale Gruppen und gesellschaftliche Meinungsbildungsprozesse Einfluss nehmen könnten, die Effekte allerdings nicht sehr groß sind und von Kontextfaktoren beeinflusst werden.

Bezüglich einzelner Mediennutzer*innen fand Balmas (2014), dass sogar satirische Fake-Nachrichten, die klar als solche erkennbar sind, politische Einstellungen beeinflussen können. Personen, die sehr oft satirische Nachrichten schauen und diese als realitätsnah erlebten, hatten das Gefühl, politisch weniger bewegen zu können als Personen, die diese Nachrichten nicht konsumierten oder sie als realitätsfern bewerteten. Das betrifft auch andere Falschinformationen. In einem Experiment konnten Fazio und Marsh (2008) zeigen, dass es Menschen richtiggehend schwerfällt, Fehlinformationen NICHT zu lernen. Selbst wenn sie wissen, dass sie gleich Fehlinformationen erhalten, behalten sie die Inhalte trotzdem im Gedächtnis. Damit ist zu befürchten, dass Fabricated News durchaus die Einstellungen einzelner Mediennutzer*innen manipulieren könnten. Inwiefern dadurch auch politische Entscheidungsprozesse beeinflusst werden, ist allerdings noch nicht belegt. Generell ist aber davon auszugehen, dass Falschinformationen eher geglaubt werden, wenn sie zum eigenen Weltbild passen (Weeks, 2015).

Auf der Ebene sozialer Gruppen ist zu befürchten, dass sich so genannte »Echo-Kammern« bilden, in denen Mediennutzer*innen sich gegenseitig mit Fehlinformationen versorgen und damit die Glaubwürdigkeit dieser Inhalte erhöhen. Inhalte, die bereits von vielen Personen geteilt oder geliked wurden, werden – auch wenn sie frei erfunden sind – als glaubwürdiger bewertet (Aigner et al. 2017).

Auf gesellschaftlicher Ebene schließlich könnten fingierte Nachrichten das Meinungsklima dadurch beeinflussen, dass Journalist*innen oder Politiker*innen sich dazu aufgerufen sehen, Themen aus solchen Echo-Kammern aufzugreifen. Vargo, Guo und Amazeen (2017) konnten zeigen, dass in den USA Webseiten, die oft Fabricated News verbreiteten, die Themen beeinflussen konnten, über die anschließend auch professionelle Medien berichteten. Sind gewisse Meinungen medial besonders präsent (etwa, dass Geflüchtete die innere Sicherheit bedrohen), könnten sie als Mehrheitsmeinung wahrgenommen werden. Im Sinne der Schweigespirale (Noelle-Neumann 1974) könnte das wiederrum dazu führen, dass diejenigen, die sich als Mehrheit wahrnehmen, ihre Meinung eher äußern, während die anderen lieber schweigen, um nicht als Außenseiter*innen dazustehen.

Gegenmaßnahmen

Mehr und mehr Angebote wollen sich Fabricated News und Fehlinformationen im Internet entgegenstellen. So versucht zum Beispiel der »Faktencheck« der Tagesschau, Falschmeldungen gezielt zu widerlegen. Studien warnen jedoch, dass das Widerlegen von Fake News keine leichte Aufgabe ist (für eine Meta-Analyse siehe Chan et al. 2017). Versucht man, eine Falschmeldung mit einer detaillierten Gegendarstellung zu widerlegen, kann das dazu führen, dass man den Inhalt der ursprünglichen Falschmeldung wiederholt und die Fehlbehauptung dadurch sogar an Glaubwürdigkeit gewinnt. Wichtig ist es daher, dass Mediennutzer*innen Korrekturen bewusst und aufmerksam verarbeiten und sich mit ihnen auseinandersetzen. Hierfür ist auch die Förderung kritischer Medienkompetenz wichtig. Dazu gehört auch, Nutzer*innen ihre eigene Medienrezeption bewusst zu machen. Wer weiß, dass sie/er sich in einer Echo-Kammer bewegt, ist vielleicht eher motiviert, sich auch mal die Position der Gegenseite anzuhören; und wer weiß, dass er/sie gezielt manipuliert werden soll, reagiert wahrscheinlich mit innerem Widerstand und Trotz auf den Beeinflussungsversuch (Banas und Miller 2013).

Fazit

Neben dem leichteren Zugang zu gesellschaftlich relevanten Informationen schafft das (mobile) Internet auch die Basis für eine leichtere Verbreitung von Fabricated News. Mit dieser Herausforderung müssen Gesellschaft, Politik und Nutzer*innen umgehen lernen.

Die Frage, wie viele Fehlinformationen im Internet kursieren, ist bisher noch nicht beantwortet. Viele Mediennutzer*innen berichten aber von Vorerfahrungen mit solchen Inhalten. Ob die Fabricated News dann auch geglaubt werden, ist wahrscheinlich davon abhängig, ob sie zum Weltbild der Konsument*innen passen. Somit sind sie wahrscheinlich eher geeignet, Meinungen zu festigen als Meinungen zu ändern. Dennoch bieten Echo-Kammern im Internet beste Bedingungen, um zur Glaubwürdigkeit von fingierten Nachrichten beizutragen. Hinzu kommt, dass die Themen auf professionelle Medien überschwappen könnten und dadurch potentiell das Meinungsklima beeinflussen.

Das Widerlegen von Falschinformationen ist als Gegenmaßnahme nur begrenzt geeignet. Wichtiger scheint es zu sein, die Fake-News-Debatte als Chance dafür zu verstehen, sich wieder verstärkt mit Qualität, Nachvollziehbarkeit und Transparenz in der Herstellung und Rezeption von »Real News« zu befassen.

Literatur

Aigner, J.; Durchardt, A.; Kersting, T.; Kattenbeck, M.; Elsweiler, D. (2017): Manipulating the perception of credibility in refugee related social media posts. Proceedings of the 2017 Conference on Human Information Interaction and Retrieval – CHIIR ’17, S. 297-300.

Allcott, H.; Gentzkow, M. (2017): Social media and fake news in the 2016 election. Journal of Economic Perspectives, Vol. 31, No. 2, S. 211-236.

Balmas, M. (2014): When Fake News Becomes Real. Communication Research, Vol. 41, No. 3, S. 430-454.

Banas, J.; Miller, G. (2013): Inducing resistance to conspiracy theory propaganda – Testing inoculation and metainoculation strategies. Human Communication Research, Vol. 39, No. 2, 184-207.

Chan, M.S.; Jones, C.R.; Hall Jamieson, K.; Albarracín, D. (2017): Debunking – A Meta-Analysis of the Psychological Efficacy of Messages Countering Misinformation. Psychological Science, Vol. 28, No. 11, S. 1531-1546.

Chivers, T. (2017): Fake news will go viral, even if people don’t mean to share it, says this study. BuzzFeed News, 26.6.2017.

Fazio, L. K.; Marsh, E. J. (2008). Slowing presentation speed increases illusions of knowledge. Psychonomic Bulletin & Review, Vol. 15, No. 1, S. 180-185.

Jowett, G. S.; O’Donnell, V. (2012): Propaganda and Persuasion. Los Angeles et al.: SAGE.

Nimmo, B.; Barojan, D. (2017): How the alt-right brought #SyriaHoax to America. Medium.com/drflab, 7.4.2017.

Noelle-Neumann, E. (1974): The spiral of silence. Journal of Communication, Vol 24, No. 2, S. 43-51.

Sängerlaub, A. (2017): Verzerrte Realitäten – Die Wahrnehmung von »Fake News« im Schatten der USA und der Bundestagswahl. Politico, ohne Datum.

Shao, C.; Ciampaglia, G.L.; Varol, O.; Flammini, A.; Menczer, F. (2017): The spread of misinformation by social bots. Cornell University Library, Submitted on 24 Jul 2017 (v1), last revised 30 Dec 2017 (v3); arxiv.org/abs.

Silverman, C. (2016): This analysis shows how fake election news stories outperformed real news on Facebook. BuzzFeed News, 16.11.2016.

Vargo, C. J.; Guo, L.; Amazeen, M.A. (2017): The agenda-setting power of fake news – A big data analysis of the online media landscape from 2014 to 2016. New Media & Society (online), first published 15.6.2017.

Wardle, C.; Derakhshan, H. (2017): Information Disorder – Toward an interdisciplinary framework for research and policy making. Council of Europe report DGI (2017)09. Strasbourg.

Weeks, B.E. (2015): Emotions, Partisanship, and Misperceptions – How Anger and Anxiety Moderate the Effect of Partisan Bias on Susceptibility to Political Misinformation. Journal of Communication, Vol. 65, No. 4, 699-719.

Svenja Boberg, M.A., und Tim Schatto-­Eckrodt, M.A., sind wissenschaftliche Mitarbeiter*innen am Institut für Kommunikationswissenschaft der Westfälische-Wilhelms-Universität Münster.
Dr. Lena Frischlich, Dipl. Psych., leitet eine Nachwuchsforschungsgruppe am selben Institut.

Ein Jahr Präsident Trump

Ein Jahr Präsident Trump

Mehr Rüstung, weniger Vereinte Nationen

von Simon Schulze

Der vorliegende Artikel zieht ein Zwischenfazit der strategischen Ausrichtung der Politik der Regierung Trump: Auf welchen Feldern setzt die US-amerikanische Administration neue Akzente und wie sind die Folgen einzuschätzen? Ist tatsächlich das »Make America great again«-Mantra das Problem oder vielleicht eher die sprunghafte und inkonsistente Politik der Trump-Administration? Eine Antwort versucht dieser Artikel zu geben, indem er zwei Aspekte näher beleuchtet, die zentral für die Pläne der US-Regierung sind und langfristige, womöglich nicht intendierte Folgen haben werden: die Politik der USA in Bezug auf die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren bei den Vereinten Nationen sowie die Verteidigungspolitik.

Seit dem überraschenden Sieg Donald Trumps bei den US-Präsidentschaftswahlen 2016 ist mehr als ein Jahr vergangen. Nicht nur in großen Teilen der Weltöffentlichkeit sorgte sein Wahlerfolg für Unverständnis und Bestürzung, auch in akademischen Fachkreisen wurden die möglichen außenpolitischen Auswirkungen überwiegend negativ eingeschätzt. Manche spekulierten gar, das Ende der derzeitigen Weltordnung sei nahe (Foreign Affairs 2016).

Die größten Effekte von Trumps Politik lassen sich bisher allerdings in der Innenpolitik feststellen und betreffen somit überwiegend das Leben der US-Amerikaner*innen. Besonders in der Wirtschafts-, Sozial und Umweltpolitik zeigt sich, dass Trump alle Möglichkeiten ausschöpft, das Vermächtnis seines Vorgängers Barack Obama zu beseitigen (Baker 2017). Dennoch sind die Ideen, Äußerungen und Programme des US-Präsidenten auch auf der internationalen Ebene von größter Bedeutung. Mit Sorge werden die strategische Ausrichtung seiner nationalistischen Politik und seine erratische und unberechenbare Persönlichkeit wahrgenommen.

In den Vereinigten Staaten wurden bereits einige Analysen durchgeführt, die eine Einschätzung erlauben, ob und inwieweit der 45. US-Präsident tatsächlich die Stabilität des gegenwärtigen internationalen Systems gefährdet. Richard Gowan, Professor für internationale Politik an der Columbia University in New York, kommt zu dem Urteil, dass in erster Linie die Chancen für multilaterale Kooperationen und verbindliche Abkommen schwänden, da die USA nicht mehr als verlässlicher Akteur wahrgenommen würden (Gowan 2017). Besorgt ist Bruce Jentleson, der an der Duke University in North Carolina Politikwissenschaft lehrt, im Hinblick auf die Zukunft der Vereinten Nationen, die sich aufgrund der Reformpolitik des neuen Generalsekretärs António Guterres und der Forderungen von Donald Trump strukturell und inhaltlich neu ausrichten müssten (Jentleson 2017). Amitav Acharya, Professor für Internationale Beziehungen an der American University in Washington, D.C., sieht sogar die liberale Weltordnung in einer fundamentalen Legitimationskrise, die durch die Person Donald Trumps verstärkt würde, auch wenn die Ursachen struktureller Natur seien (Acharya 2017). Insgesamt ziehen die ersten Arbeiten daher ein recht negatives Resümee über die Außenpolitik der neuen US-Regierung, stellen jedoch den Fortbestand des internationalen Systems nicht in Frage.

Die Trump-Administration und die Vereinten Nationen

Nicht nur durch ihre formelle Position als Botschafterin bei den Vereinten Nationen ist Nikki Haley neben Trump die herausragende Person der US-Außenpolitik. Die persönlichen Überzeugungen und Präferenzen von Haley und Trump decken sich vielfach, außerdem genießt sie einen direkten Zugang zum Präsidenten und übt so einen größeren Einfluss auf ihn aus als andere Minister*innen. Dadurch bestimmt sie die Leitlinien der US-Außenpolitik entscheidend mit (Johnson 2017). Der vom Ralph Bunche Institute der City University New York herausgegebene Blog »PassBlue« stellt mit seinem »Nikki Haley Watch« ein hilfreiches Instrument zur Verfügung, das aktuelle Entwicklungen, Hintergrundinformationen und Einschätzungen zur Haleys Person und Politik festhält (PassBlue 2017). Denn die gewichtigen Folgen ihres Einflusses lassen sich bei mehreren Themen erkennen, u.a. bei dem Wunsch nach Reformen innerhalb der Vereinten Nationen und bei der Zusammenarbeit – oder Konfrontation – im Sicherheitsrat.

Zu den größten Kontinuitätslinien der US-amerikanischen Außenpolitik unter Donald Trump gehört der Wunsch nach einer grundlegenden Neuausrichtung der Weltorganisation. Dieses in der Vergangenheit vielfach geäußerte Anliegen wiederholte er in seiner Rede vor der Generalversammlung am 19. September 2017 (Trump 2017) und kritisierte dabei besonders die angeblich ausufernde Bürokratie und Behäbigkeit der Vereinten Nationen. Die Organisation, so Trump, müsse sich grundlegend ändern, um ihren Aufgaben gerecht zu werden und ihre Ziele zu erreichen.

Zwei konkrete Kernanliegen Trumps dürften erheblichen Einfluss auf die zukünftige Arbeitsweise der Vereinten Nationen haben: die Reform des Menschenrechtsrats und die Senkung der Beitragszahlungen der Vereinigten Staaten für Friedensmissionen der Vereinten Nationen.

Das Verhältnis der USA zu den Mitgliedern des Sicherheitsrats, insbesondere zu den anderen Vetomächten, hat sich im Jahr 2017 erkennbar verschlechtert. Im Verlauf des Jahres konnte sich der Sicherheitsrat auf 60 Resolutionen einigen, während es im Jahr zuvor noch 77 waren (United Nations Security Council 2016 und 2017). Wichtig ist aber weniger die Anzahl der Beschlüsse, sondern deren thematische Ausrichtung. Es fallen vor allem zwei Schwerpunkte auf, die im Sicherheitsrat debattiert und erfolgreich zum Abschluss gebracht werden konnten: Ein Fokus lag auf regionenspezifischen Fragen von Sicherheit und Frieden, wobei besonders Afrika und der Nahe Osten im Mittelpunkt standen. Das andere herausragende Thema war die Bekämpfung terroristischer Organisationen. Weitere internationale Herausforderungen, wie Pandemien oder der Klimawandel, spielten dagegen keine prominiente Rolle. Dazu kommt, dass auch 2017 keine Einigung über mögliche Lösungsansätze hinsichtlich der Konflikte in Syrien, im Jemen oder in der Ukraine erzielt werden konnte. Hingegen verabschiedete der Sicherheitsrat vier Resolutionen, welche die nukleare Aufrüstung Nordkoreas verurteilen und das Land mit Sanktionen belegen (S/RES/2345, 2356, 2371 und 2375). Dies spiegelt die inkohärente Zusammenarbeit zwischen den Vetomächten mit ihren oft entgegengesetzten Interessenslagen wider.

Dabei war Trump überzeugt, die Interessen der USA gegenüber den anderen Großmächten besser als Obama durchsetzen zu können. Dazu sollten zukünftig bilaterale Absprachen mit Russland und China Präferenz haben vor multilateralen Abkommen. Diese Ideen finden sich auch in Trumps Rede vor der Generalversammlung wieder. Der US-Präsident begreift sich als Verteidiger eines dogmatischen Souveränitätsverständnisses. An 21 Stellen verwendet er in dieser Rede den Begriff »Souveränität«, der zweifellos konstitutiv für die Stabilität der Beziehungen zwischen den Staaten ist. Bizarr wirkt allerdings weniger die Präferenz Trumps für gerade dieses Strukturprinzip der internationalen Politik, während z.B. Menschenrechte oder die Verantwortung der Staaten für ihre eigene Bevölkerung für ihn kaum eine Rolle spielen. Vielmehr fällt seine selektive Akzeptanz des Souveränitätsgedankens bei ausgewählten Konflikten auf. Bestimmte Länder, wie Nordkorea, Iran, Venezuela oder Kuba, deklariert er zu Feindesstaaten, für die das Souveränitätsprinzip aufgrund ihres Bedrohungspotentials für die USA und ihrer Unterdrückung der einheimischen Bevölkerung nicht zu gelten scheint. Dagegen lobt er andere autoritäre Regime, wie Saudi-Arabien, dezidiert.

Eine vergleichbar diffuse Haltung wie zu zentralen Akteuren und Prinzipien der internationalen Politik findet sich auch in der Verteidigungspolitik der US-Regierung wieder.

Die Verteidigungspolitik der Trump-Administration

Eines der wichtigsten Ziele der derzeitigen US-Regierung ist die Aufrüstung des eigenen Militärs, einschließlich des Nuklearwaffenarsenals. Waren die Verteidigungsausgaben der USA von 2009 bis zum Ende der Amtszeit Obamas kontinuierlich auf 600 Mrd. US$ gesunken (Mutschler 2017, S. 6), steigen sie mit Donald Trumps erstem Haushalt, dem für das Finanzjahr 2018, auf knapp 700 Mrd. US$ (626 Mrd. für den allgemeinen Verteidigungshaushalt sowie 66 Mrd. für laufende Militäreinsätze) (Garamone 2017), allerdings steht die Verabschiedung des Haushaltsgesetztes 2018 durch den Kongress noch aus.1 Die Erhöhung des Militäretats wird mit der allgemeinen Gefahrenlage für die Vereinigten Staaten begründet, die sich gegenüber feindlich gesinnten Staaten und terroristischen Organisationen schützen müssten.

Eine kohärente, im US-Kabinett abgestimmte Sicherheitsstrategie legte Trump mit der »National Security Strategy« (White House 2017) einen Tag nach Unterzeichnung des Verteidigungshaushaltes und fast zeitgleich mit der Abfassung dieses Artikels vor. Deshalb lassen sich die langfristigen Auswirkungen dieser Neuausrichtung noch schwer abschätzen.

Kurzfristig sind für eine mögliche Aufrüstungsspirale und eine Eskalation zwei konkrete Konflikte entscheidend. So zählt zu den Konstanten der Regierung von Donald Trump, dass das Atomabkommen mit dem Iran in Frage gestellt und die fragile Situation auf der koreanischen Halbinsel durch undiplomatische Affronts angeheizt wird. Trump interpretierte auch in seiner Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen die Vereinbarung, die den Iran davon abhalten soll, Atomwaffen zu entwickeln, als „Schande für die USA (Trump 2017). Außerdem bezeichnete er in der gleichen Rede die nordkoreanische Führungsriege um Kim Jong-un als „suizidale Kriminelle“. Sowohl Iran als auch Nordkorea stellen aus seiner Sicht aufgrund ihrer Aufrüstungsprogramme eine Gefahr für den Weltfrieden dar. Auf der anderen Seite gibt es Hinweise dafür, dass die US-Administration selbst eine aktivere Rüstungspolitik betreiben und mehr militärische Infrastruktur an ausgewählte Verbündete exportieren wird. Da Donald Trump institutionalisierten Kooperationsregimen, wie der NATO, skeptisch gegenübersteht, kann man davon ausgehen, dass es keine weiteren Abkommen und Vereinbarungen auf dem Gebiet der multilateralen Rüstungskontrolle geben wird. So wird in der »National Security Strategie« nur davon gesprochen, die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen zu verhindern (White House 2017, S. 8) und das bestehende nukleare Nichtverbreitungsregime in Ostasien zu erhalten (ebenda, S. 47). Eine weiterführende, proaktive Politik scheint nicht beabsichtigt.

Auf die langfristigen Gefahren dieser Politik verwies bereits kurz vor Trumps Amtsantritt Jeffrey Knopf, Leiter eines Studienprogramms zu Nichtverbreitung in Monterey, Kalifornien (Knopf 2017). Seiner Ansicht nach macht die US-Regierung mehrere Fehler, die die hegemoniale Stellung der USA gefährdeten. Demokratisch verfasste Verbündete könnten sich nicht mehr auf die Sicherheitsgarantien der USA verlassen, weil eine Interessen- und Wertgemeinschaft für Trump nicht existiere. Dadurch bestehe die Gefahr, dass Staaten wie Japan und Südkorea selbst aufrüsten würden. Diese Entwicklung würde »realistischen« Überlegungen der Internationalen Beziehungen widersprechen und auf eine widersprüchliche und inkonsistente Politik hindeuten. Außerdem erkennten Staaten wie Nordkorea, dass Abrüstungsvereinbarungen mit den USA sinnlos seien, wenn sie unter fadenscheinigen Vorwänden aufgekündigt werden sollten, wie es die US-Regierung mit dem Iran-Abkommen anstrebe.

Fazit

Nach knapp einem Jahr an der Spitze des mächtigen Staates ist es möglich, eine erste Zwischenbilanz über die außenpolitischen Aktivitäten der Trump-Regierung zu ziehen und einen Ausblick zu wagen.

Auf der einen Seite zeigt sich, dass übertrieben pessimistische Einschätzungen nicht eingetroffen sind. Das Fundament der internationalen Ordnung zeigt eine außerordentliche Resistenz. Der Trump-Administration war es bislang nicht möglich, zentrale Institutionen der Vereinten Nationen, wie den Menschenrechtsrat, nach eigenem Gutdünken umzugestalten. Auf der anderen Seite haben die USA durch ihre Zahlungskraft ein gewichtiges Mittel zur Verfügung, um die Arbeitsweise der Weltorganisation entscheidend zu beeinträchtigen. Die Auswirkungen werden sich beispielweise bei zukünftigen Friedensmissionen der Vereinten Nationen zeigen. Ähnliches wird auch im Hinblick auf die Arbeit des Sicherheitsrats deutlich. Dieser erfüllt seine Aufgabe, Sicherheit und Frieden im internationalen System zu garantieren, weiterhin nur unzureichend. Zwar beschlossen die ständigen Mitglieder im Fall von Nordkorea weitere Sanktionen, wodurch dessen weitere Aufrüstung erschwert werden könnte. In anderen Krisenfeldern, wie Syrien, Jemen oder der Ukraine, ist hingegen keine Annäherung zwischen den USA, Russland und China erkennbar. Hier zeigt sich, dass die Vereinigen Staaten auch unter Trump andere wirkungsmächtige Akteure nicht zu Verhaltensänderungen bewegen können.

Inwieweit sich durch Trump bestimmte normative Strukturen und Prinzipien in den Internationalen Beziehungen verändern werden, lässt sich noch schwer abschätzen. Womöglich erlebt ein klassisches Souveränitätsverständnis eine verstärkte Renaissance. Da die US-Regierung diesen Ansatz sehr selektiv auslegt und den eigenen Interessen gemäß anwendet, bleibt abzuwarten, ob diese Tendenzen langfristig Bestand haben werden.

Dauerhafte Auswirkungen wird sicherlich die neue Verteidigungspolitik der USA haben. Hier deutet sich an, dass die USA selbst die Leidtragenden ihrer widersprüchlichen Politik sein könnten, wenn sich die Beziehungen zu Verbündeten verschlechtern, ohne dass sich das Verhältnis zu Rivalen, wie Russland und China, entspannt. Außerdem könnten sich die Vereinigten Staaten genötigt sehen, manche Aufgaben von Friedensmissionen der Vereinten Nationen zu übernehmen, die aufgrund der Budgetkürzungen in ihrer Arbeit eingeschränkt werden. Dies würde Trumps Zielsetzung, weniger internationales Engagement zu zeigen, ad absurdum führen.

Die US-Administration betreibt also keine kühl durchdachte und interessengeleitete, sondern eine unkalkulierbare und widersprüchliche Politik. Dies spiegelt sich in den Persönlichkeiten der führenden Protagonist*innen Donald Trump und Nikki Haley wider.

Anmerkung

1) Kurz bevor dieser Text in Satz ging, wurde Trumps Haushaltsentwurf für das Finanzjahr 2019 veröffentlicht. Dort sind für das Pentagon 686 Mrd. US$ vorgesehen, das sind 99 Mrd. mehr als in seinem Entwurf für 2018 (dpa: Hunderte Milliarden Dollar zusätzlich für Waffen und Abschottung; handelsblatt.com, 12.2.2019). Zum tatsächlichen Militäretat ­siehe William D. Hartung: Mehr als eine Billion Dollar. S. 10 in dieser W&F-Ausgabe. [die Redakteurin]

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Simon Schulze, M.A., ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Internationale Beziehungen und Außenpolitik der Universität Trier.

Krise oder Chance?


Krise oder Chance?

Korea, Nordostasien und Trump

von Christine Ahn und Tae Lim

Wie hat sich die Politik der USA gegenüber Nordkorea unter Trump verändert? Gab es eine erkennbare Abkehr von dem »pivot to Asia« der Regierung Barack Obama, der vor allem den Aufstieg Chinas eindämmen sollte? Wie wird sich die globale Neuordnung auf die Außenpolitik auswirken, insbesondere mit Blick auf den seit 65 Jahren ungelösten Konflikt auf der koreanischen Halbinsel? Die Autor*innen beleuchten Hintergründe und versuchen, einen Ausblick auf die künftige Entwicklung zu geben.

Im ersten Jahr der Präsidentschaft von Donald Trump erlebten die Vereinigten Staaten und, aufgrund der globalen US-Dominanz, auch die Welt gravierende Veränderungen. 2017 zogen sich die Vereinigten Staaten aus dem Pariser Klimaabkommen und dem Handelsabkommen »Transpazifische Partnerschaft« (TPP) zurück und kürzten die Mittel für die Entwicklungshilfe und die Vereinten Nationen erheblich. Gleichzeitig baute Nordkorea seine nuklearen Kapazitäten aus, und die USA reagieren anders darauf als bisher, was die Gefahr eines neuen Krieges auf der koreanischen Halbinsel heraufbeschwört.

Der ehemalige US-Verteidigungsminister William Perry meinte dazu: „Die Amerikaner*innen sollten sich darüber klar sein, dass wir am Rande eines Krieges mit dem nordkoreanischen Regime stehen, welches – anders als noch 1994 – nun im Besitz eines Arsenals von vermutlich 20 Nuklearwaffen ist.“ In Washington sagen viele, die Gefahr eines Krieges liege bei 30 bis 50 Prozent; auch der republikanische Senator Bob Corker glaubt, Trump bereite den „Weg zum Dritten Weltkrieg“ vor.

Die Verhärtung der US-Politik gegenüber Nordkorea

Die Spannungen nahmen weiter zu, als Trump in seiner Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen im September 2017 drohte, „Nordkorea völlig zu zerstören“. Der nordkoreanische Außenminister Ri Yong-ho reagierte darauf mit der Erklärung, da die USA „unserem Land den Krieg erklärt haben, behalten wir uns von jetzt an das Recht auf Selbstverteidigung vor“.

Obamas »strategische Geduld«, eine Kombination aus Sanktionen, aggressiven militärischen Übungen und Cyberkriegsführung, scheiterte dabei, das Atomwaffenprogramm von Nordkorea zu stoppen. Stattdessen testete Nordkorea während Obamas Amtszeit vier Nuklearwaffen und über 90 ballistische Raketen. Bei ihrem Treffen im Weißen Haus nach Trumps Wahlsieg warnte Obama seinen Nachfolger, Nordkorea würde seine größte außenpolitische Herausforderung sein. Im Januar 2017 schrieb Trump beim Kurznachrichtendienst Twitter „Es wird nie passieren“ und meinte damit die Fähigkeit Nordkoreas, das Festland der USA mit einer nuklear bewaffneten Langstreckenrakete zu erreichen. Ein Jahr später testete Nordkorea eine Wasserstoffbombe und startete eine Interkontinentalrakete des Typs Hwasong-15, die Japan überflog und eine Reichweite von etwa 12.800 km aufwies. Damit demonstrierte Nordkorea, dass es in der Tat jeden Ort des Festlands der Vereinigten Staaten erreichen kann.

Die Trump-Administration nahm sich mehrere Monate Zeit, um ihre Nordkoreapolitik zu überprüfen, und teilte dann mit, sie würde die Entnuklearisierung Nordkoreas mit einer „Politik des maximalen Drucks und der absoluten Entschlossenheit“ erzwingen. Dieser Ansatz läuft im Wesentlichen auf »strategische Geduld 2.0« hinaus – eine Kombination aus aggressiver Militarisierung der asiatischen Pazifikregion, verschärften Sanktionen, die vor allem durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verhängt werden sollen, und Druck auf andere Länder, die diplomatischen Verbindungen mit Pjöngjang abzubrechen. Damit setzt Trump die fehlgeschlagene Politik Obamas fort, dennoch gibt es einige signifikante Unterschiede.

„Es findet eine deutliche Verlagerung hin zum Militärischen statt“, die es unter einer demokratischen Präsidentschaft nicht gegeben hätte, sagte Tim Shorrock, seit vielen Jahren Journalist bei »The Nation«. Shorrock ist überzeugt, eine Präsidentin Hillary Clinton hätte den Rat von Experten wie William Perry gesucht, der sich dafür aussprach, Nordkorea als Nuklearmacht zu akzeptieren, aber auf ein Ende der Nuklearwaffen- und Raketentests im Gegenzug zu einer Kombination aus Friedensabkommen und ökonomischen Anreizen hinzuarbeiten.

Obwohl die Regierungen Clinton, Bush jr. und Obama alle ernsthaft einen präemptiven Militärschlag gegen Nordkorea in Erwägung gezogen hatten, kamen sie jeweils zu dem Schluss, dass die Kosten viel zu hoch wären. Käme es auf der koreanischen Halbinsel zu einem Krieg, würden nach einer Schätzung des US Congressional Reseach Service [Wissenschaftlicher Dienst des US-Kongresses] bei konventioneller Kriegsführung binnen Kurzem mehr als 300.000 Menschen getötet. Kämen Nuklearwaffen zum Einsatz, wären bis zu 25 Millionen Menschen betroffen. Nach Plänen des Pentagon würden bei einem Erstschlag der USA auch Bodentruppen intervenieren, um die überall in Nordkorea versteckten unterirdischen Nukleareinrichtungen zu lokalisieren und zu sichern.

Das letzte Mal, dass die USA kurz davor standen, einen Präemtivschlag gegen Nordkorea durchzuführen, war 1994, als das Pentagon nur noch auf Bill Clintons Genehmigung des Militärschlags wartete. Diese Pläne wurden in letzter Minute durch den ehemaligen Präsidenten Jimmy Carter gestoppt, der nach Pjöngjang flog und mit dem damaligen Machthaber Nordkoreas, Kim Il-sung, die Wiederaufnahme von Verhandlungen aushandelte, die schließlich zum Genfer Rahmenabkommen (Agreed Framework) führten. William Perry war damals US-Verteidigungsminister und bereit „Krieg zu riskieren, befürwortet inzwischen aber eindeutig eine friedliche Lösung. Kürzlich bestätigte Perry: „Ich glaube nicht, dass Nordkorea diese Waffen […] einsetzen wird, solange es nicht zu einem Angriff provoziert wird“.

Obwohl ein Krieg auf der koreanischen Halbinsel unvorstellbar wäre, planen außenpolitische Falken im Weißen Haus ernsthaft einen präemptiven Schlag gegen Nordkorea. Die Ratio der »blutige Nase«-Strategie ist folgende: Bevor es soweit ist, dass Nordkorea die USA mit einer nuklear bewaffneten Langstreckenrakete erreichen könnte, solle das US-Militär einen Präzisionsschlag gegen eine Raketenstellung Nordkoreas ausführen, um zu demonstrieren, welcher Schaden dem Land zugefügt werden könnte.

Warum Nordkorea die Bombe will

Als Trump in seiner Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen den Nordkoreaner*innen mit ihrer Auslöschung drohte, erwähnte er nicht, dass die Vereinigten Staaten während des Koreakrieges (1950-1953) Nordkorea schon einmal völlig zerstörten. Der Koreakrieg forderte fast vier Millionen Leben. Auf Korea wurden damals mehr Bomben abgeworfen als im gesamten Verlauf des Zweiten Weltkrieges im asiatisch-pazifischen Kriegsgebiet. Curtis LeMay, im Koreakrieg General der US-Luftwaffe, sagte nach Kriegsende bei einer Anhörung im US-Kongress: Wir haben so gut wie jede Stadt in Nord- wie Südkorea niedergebrannt […] Wir haben über eine Million koreanischer Zivilist*innen getötet und mehrere Millionen aus ihrer Heimat vertrieben.1 Bruce Cumings, Historiker an der Universität von Chicago, zufolge haben die Vereinigten Staaten „in Nordkorea mehr Städte zerstört als während des Zweiten Weltkrieges in Japan oder Deutschland. Alle Nordkoreaner*innen wissen davon […] Wir hören davon nichts“. Trotz all dieser Verbrechen trieben die Nordkoreaner*innen die Vereinigten Staaten damals in eine Pattsituation und erzwangen 1953 einen Waffenstillstand.

Die Nuklearkrise auf der koreanischen Halbinsel reicht bis ins Jahr 1958 zurück, als die USA nur wenige Jahre nach Abschluss des Waffenstillstandsabkommens damit begannen, auf ihren Stützpunkten in Südkorea Nuklearwaffen zu stationieren, und damit das Abkommen eindeutig verletzten. Zu Hochzeiten des Kalten Krieges hatten die USA in Südkorea bis zu 950 Nuklearwaffen stationiert, von denen allerdings keine mehr im Land sind.

Seit 1976 führen die Vereinigten Staaten und Südkorea jedes Jahr große gemeinsame Militärübungen durch, die von Nordkorea stets als Vorbereitung für eine Invasion eingestuft werden. An den zwei bis drei Monate dauernden Manövern nehmen jeweils Hunderttausende südkoreanische und US-Soldaten teil und es kommen Flugzeugträger, Tarnkappenbomber und nuklearwaffenfähige (wenn auch nicht nuklear bewaffnete) Bombenflugzeuge zum Einsatz. Während der Manöver befindet sich Nordkorea in einer Art Ausnahmezustand, was das Militär und die ohnehin schwache Wirtschaft unter zusätzlichen Druck setzt. Nordkorea ist zwar bemüht, seine konventionellen Waffen und Truppen einsatzbereit zu halten, seine Militärausgaben liegen aber bei deutlich weniger als einem Prozent des US-Verteidigungshaushalts. Nordkorea verfügt nach Aussagen von Überläufer*innen seines Militärs sowie von Kommandeuren des gemeinsamen Kommandos der Streitkräfte Südkoreas und der USA über veraltete Waffensysteme und schlecht ausgerüstete und ausgebildete Soldat*innen.

Der kontinuierliche und starke Druck auf Nordkoreas Militär und seine Sicherheitskräfte sind der Grund, weshalb Nordkorea auf Nuklearwaffen setzt. Um die Abschreckung angesichts eines möglichen präemptiven Schlags der USA glaubwürdig zu gestalten, konzentriert sich Nordkorea auf die Entwicklung mobiler Trägersysteme für nukleare Sprengköpfe, einschließlich Interkontinentalraketen und ballistischer Raketen, die von U-Booten aus gestartet werden können.

Im November 2017 führte Nordkorea einen erfolgreichen Test seiner Interkontinentalrakete Hwasong-15 durch, die bis zur Ostküste der USA fliegen könnte. Experten stellen allerdings die Abschreckungsfähigkeit der mobilen Startrampen in Frage, da das Land angeblich über lediglich 724 km asphaltierte Straßen verfügt. „Hwasong-15 wird wahrscheinlich in Silos in der Nähe des Bergs Baekdu stationiert“, sagt Dr. Jang Young-guen, Raketenexperte an der Korea Aerospace University; damit allerdings erhöhe sich auch die Gefahr eines US-Angriffs auf den Stationierungsort.

Beobachter gehen davon aus, dass die getestete Hwasong-15 beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre auseinander brach, was die Abschreckungsfähigkeit des Landes in Frage stellen würde. Nam Moon-hee, Nordkoreaexperte bei »SisaIN«, einer unabhängigen südkoreanischen Zeitschrift, rechnet damit, dass Hardliner in Washington auf einen präemptiven Schlag drängen werden, bevor aus Nordkoreas fortgeschrittenem Raketenprogramm wirklich eine zuverlässige Interkontinentalrakete hervorgeht, die das Festland der USA erreichen kann – das könnte schon Mitte 2018 der Fall sein. „Als erste militärische Option würden die USA vermutlich eine Seeblockade verhängen“, sagte Nordkoreaexperte Young C. Kim der Tageszeitung »Kyunghyang Shinmun«. „Je nachdem, wie Nordkorea darauf reagiert, könnte dies zu einem ausgewachsenen Krieg führen“. US-Außenminister Rex Tillerson deutete diese Möglichkeit als Reaktion auf den nordkoreanischen Raketentest vom November bereits als Option an.

Die Koreakrise im Kontext der Spannungen zwischen den USA und China

„Es gibt keine militärische Lösung, vergessen Sie es“, sagte Steve Bannon, bis vor Kurzem einer von Trumps wichtigsten Beratern, wenige Tage nachdem Trump im August 2017 davor gewarnt hatte, er werde Nordkorea mit „Feuer und Wut begegnen“. Nordkorea, so Bannon, sei „nur ein Nebenschauplatz“. Das echte Ziel sei China, mit dem sich die USA in einem „Handelskrieg“ befinde. 2011 bereits hatte der damalige US-Präsident Obama einen »pivot to Asia« (Schwenk Richtung Asien) verkündet, um China einzudämmen. Auch Trump sieht China als Bedrohung für die globale Hegemonie der USA und fordert das Land auf militärischem, ökonomischem und politischem Feld heraus.

Unter Obama planten die USA die Verlegung von 60 % der im Nahen und Mittleren Osten und in Europa stationierten US-Luft- und Seestreitkräfte in den asiatisch-pazifischen Raum bis zum Jahr 2020. Außerdem stimmte die US-Regierung einer Anpassung der Richtlinien für die Verteidigungskooperation zwischen den USA und Japan (US-Japan Joint Defense Cooperation) zu, was die Re-Militarisierung Japans fördert. In den Richtlinien wurde jegliche geografische Einschränkung gestrichen, wo das japanische Militär – die so genannten Selbstverteidigungskräfte – eingesetzt werden kann; außerdem wird die militärische Ausrüstung Japans stärker an die der USA angeglichen. Obama unternahm darüberhinaus den Versuch, zwischen den USA, Südkorea und Japan ein trilaterales Militärbündnis zu schmieden. Und schließlich vereinbarte die Regierung Obama im Jahr 2015 mit der südkoreanischen Präsidentin Park Geun-hye den Aufbau des Raketenabwehrsystems THAAD (Terminal High Altitude Area Defense) im Lande; die Indienststellung wurde allerdings bis Sommer 2017 zurückgestellt. Nach der Suspendierung Parks infolge eines Korruptionsskandals und angesichts der Wahrscheinlichkeit, dass Moon Jae-in bei der erforderlich gewordenen Präsidentschaftswahl siegen und an die frühere »Sonnenscheinpolitik« anknüpfen würde, nutzte die Trump-Administration das politische Vakuum bis zu den Neuwahlen und begann einfach mit dem Aufbau des umstrittenen Raketenabwehrsystems, das nicht nur vor nordkoreanischen Raketen schützen soll, sondern mit seinem leistungsfähigen Radarsystem auch die Überwachung Chinas ermöglicht. Die Bedrohung durch das nordkoreanische Nuklear- und Raketenprogramm wurde von den USA also für eine deutliche Militarisierung der Region genutzt.

Die andere Säule des »pivot to Asia« war das transpazifische Handelsabkommen TPP, welches nach Obamas Vorstellungen einen regionalen Handels- und Wirtschaftsblock mit Anrainerländern Chinas schaffen sollte. Trump aber zog sich – auch auf Wunsch seiner nationalistischen Wählerbasis – unverzüglich aus TPP zurück und drohte China stattdessen mit Strafzöllen und Sanktionen. Die von der Regierung Trump im Dezember 2017 verabschiedete »Nationale Sicherheitsstrategie«, die Blaupause seiner Außenpolitik, benennt China ausdrücklich als ökonomischen Konkurrenten und macht klar, Washington werde „nicht länger die Augen verschließen vor Verstößen, Betrug oder ökonomischer Aggression.

Die Trump-Administration versucht, Chinas Ruf als eine globale Führungsmacht zu schmälern und das historische Bündnis zwischen Peking und Pjöngjang zu untergraben. Beim Gipfeltreffen der USA mit China brachte Trump das „furchtbare“ Handelsabkommen zwischen den USA und China in einen direkten Zusammenhang mit dem nordkoreanischen Nuklearwaffenprogramm. Wiederholt argumentierten die USA, China sei für die Situation mit Nordkorea verantwortlich, obwohl Peking kaum direkten Einfluss auf Pjöngjang haben dürfte. Laut Nam Moon-hee erhöht Trump als Teil der US-Strategie, mit der Chinas Einfluss als Vermittler in der Region geschwächt werden soll, den Druck auf Peking, die Schlinge um Nordkorea mit zusätzlichen Sanktionen enger zu ziehen. Wenn die USA mit Nordkorea direkte Gespräche aufnehmen, also ohne China als Vermittler, könnte dies Chinas globalen Einfluss untergraben. Und tatsächlich betonte US-Außenminister Tillerson auf die Frage, ob Washingtons Kontakte zu Nordkorea über China führten: „[W]ir haben zwei, drei Kanäle nach Pjöngjang offen, […] direkte“.

Die Neuausrichtung der Außenpolitik in der Ära Trump

Viele ringen noch darum, die US-Politik gegenüber Nordkorea zu verstehen, eines ist aber unübersehbar: Die Sorge vor unbesonnenen Handlungen der USA nimmt zu. Besonders deutlich wurde dies nach dem nordkoreanischen Raketentest vom November 2017, als der südkoreanische Präsident Moon sagte: „Wir müssen eine Situation verhindern, in der Nordkorea falsche Schlussfolgerungen zieht und uns mit Nuklearwaffen bedroht oder in der die USA einen präemptiven Schlag in Betracht ziehen. Diese Sorge findet sogar innerhalb der Trump-Administration Widerhall. Joseph Yun, der Abgesandte des US-Außenministeriums für Nordkorea, der immer wieder zu geheimen Treffen mit Vertretern Nordkoreas zusammenkommt, warnte, das Weiße Haus hätte eine „beeinträchtigte“ Diplomatie.

Die Notwendigkeit, einen Dialog zu beginnen, wurde erkannt. Nord- und Südkorea verständigten sich auf den Beginn eines Annäherungsprozesses. In seiner Neujahrsansprache 2018 betonte der nordkoreanische Staatsführer Kim Jong-un, beide Koreas „sollten sich bemühen, die militärischen Spannungen zu verringern“, und signalisierte, Nordkorea werde eine Delegation zu den Olympischen Winterspielen nach Pyeongchang entsenden. Südkorea reagierte umgehend und nahm die Telefon-Hotline in Panmunjom an der Waffenstillstandslinie wieder in Betrieb. Beide Seiten einigten sich auf ein Treffen der beiden Staaten am 9. Januar 2018, um über die Teilnahme an den Olympischen Winterspielen und weitere Themen, wie Familienzusammenführungen und Nuklearwaffen, zu sprechen.

„Südkoreas Regierung wird einen Krieg um jeden Preis verhindern“, erklärte Präsident Moon letzten August und arbeitet seither stetig an der Verbesserung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Nach monatelangen Verhandlungen gelang es Moon auch, die Beziehungen zu China aufzutauen, die seit der Stationierung von THAAD sehr frostig waren. Moon legte auch den Grundstein für einen vorübergehenden »Stopp-für-Stopp«, indem er im Sinne eines »Olympischen Friedens« die Winterspiele in Pyeongchang zum Anlass nahm, um gemeinsame Militärmanöver mit den USA zu verschieben. Trump erklärte sich mit der Verschiebung der Manöver bis nach den Spielen einverstanden.

Im Herbst 2017 erinnerte Präsident Moon Nordkorea, „ökonomische Entwicklung ist unmöglich ohne internationale Kooperation“, und versprach Nordkorea mehr Sicherheit durch „innerkoreanische und ostasiatische ökonomische Zusammenarbeit“. Im September 2017 kündigten Moon und der russische Präsident Wladimir Putin gemeinsam eine Initiative für trilaterale nordostasiatische Kooperation an, die Nordkorea einbindet und Themen wie Energieversorgung und Transportwesen umfassen soll. Diese Ankündigung kam zur richtigen Zeit, weil viele Analysten davon ausgehen, dass Kim Jong-un inzwischen zu Gesprächen bereit sei und „die Aufmerksamkeit wieder auf die angeschlagene Wirtschaft des Landes lenken“ wolle, wie Tim Shorrock schrieb.

Der Vorstoß in Richtung Dialog nimmt auch im US-Kongress Fahrt auf. Tim Kaine, demokratischer Senator und während Hillary Clintons Wahlkampf Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten, schrieb: „Über die Jahre hat Nordkorea wiederholt die Idee angesprochen, den [Korea-] Krieg endlich mit einem Friedensvertrag abzuschließen. Wir sollten ohne Vorbedingungen Verhandlungen aufnehmen“. Im November 2017 kündigten Abgeordnete beider Häuser des Kongresses eine neue parteiübergreifende Gesetzesinitiative an, um auszuschließen, dass Präsident Trump Nordkorea ohne die Zustimmung des Kongresses angreifen kann.

Nachdem Kim Jong-un angekündigt hat, Nordkorea habe die Ziele seines Nuklearwaffenprogramms erreicht, könnte er nun zu Wirtschaftsgesprächen bereit sein. Die von Moon und Putin vorgeschlagene ökonomische Initiative, die innerkoreanische Annäherung sowie Druck der größeren an dem »UN-Kommando« beteiligten Staaten2 auf die USA, direkte Gespräche mit Nordkorea zu führen, könnten hilfreich sein. Vielleicht können die Wirtschaftsvereinbarungen zwischen Russland und Europa, die den Weg zur deutschen Wiedervereinigung ebneten, als Modell für das offizielle Ende des Koreakrieges dienen.

Vieles wird sich erst in den kommenden Monaten klären, aber schon jetzt sind sich weltweit alle einig, dass diplomatische Schritte hin zu einem Friedensprozess der Unterstützung bedürfen, um einen verheerenden Nuklearkrieg zu verhindern, und hoffentlich auch, um den lange ersehnten koreanischen Friedensvertrag zu ermöglichen.

Anmerkungen

1) Diese Zahlen sind zu niedrig. Viele Quellen sprechen von knapp einer Million getöteter Soldaten und etwa drei Millionen getöteter Zivilist*innen, deshalb schreiben die Autor*innen weiter oben von „fast vier Millionen Leben“. Zahlreiche Opfer waren Chines*innen [der Übersetzer].

2) Die 1950 vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verabschiedete Resolution 84 unterstellte die damals gegen Nordkorea kämpfenden Truppen dem US-amerikanischen Oberbefehl und gestattete ihnen, unter der UN-Flagge zu agieren. Dieses Arrangement wird als »UN-Kommando« bezeichnet und ist mangels eines Friedensvertrags offiziell bis heute gültig [der Übersetzer].

Literatur

Der Originaltext samt Quellenangaben kann bei der Redaktion angefordert werden (redaktion@wissenschaft-und-frieden.de). Aufgrund vieler koreanischer Quellenangaben wurde hier auf Literaturverweise verzichtet.

Christine Ahn ist Gründerin und Internationale Koordinatorin von »Women Cross DMZ«, eine globale Frauenbewegung, die für ein offizielles Endes des Koreakrieges, die Wiedervereinigung koreanischer Familien und eine Führungsrolle von Frauen bei der Friedensschaffung mobilisiert.
Tae Lim ist Masterstudierender für Ingenieurswesen an der University of Michigan, Ann Arbor. Er hat einen Bachelor in Astrophysik der University of California, Berkeley. Momentan ist er Praktikant bei »Women Cross DMZ«.

Aus dem Englischen übersetzt von Marius Pletsch.

Washingtons Nahost Politik

Washingtons Nahost Politik

Die Entwicklung unter Donald Trump und die Auswirkungen

von Joachim Guilliard

Hillary Clinton, die 2016 bei der Wahl ums Präsidentenamt der USA als Favoritin galt, prahlt in ihren Memoiren damit, ihren Mann, Bill Clinton, in den Jugoslawienkrieg und Barack Obama in den Libyenkrieg getrieben zu haben. Das von ihr geführte Außenministerium war die treibende Kraft hinter der Aufrüstung regierungsfeindlicher Milizen in Syrien. Da Donald Trump stets gegen die militärischen Interventionen der USA im Nahen und Mittleren Osten gepoltert hatte, erschien er mit Blick auf diese Krisenregion als kleineres Übel. Die Bilanz des ersten Jahres ist jedoch mehr als ernüchternd.

Seine Vorgänger hinterließen US-Präsident Donald Trump im Nahen und Mittleren Osten ein schweres Erbe. Beginnend mit dem Krieg gegen den Irak und der folgenden Besatzung hat die US-Politik die Region immer mehr ins Chaos gestürzt, gleichzeitig jedoch die dortige Position der Supermacht bedeutend geschwächt. Barack Obama beendete zwar den massiven Militäreinsatz im Irak, nicht jedoch die Interventionen zur Durchsetzung US-amerikanischer Dominanz in dieser wirtschaftlich und strategisch bedeutenden Region. Der NATO-Krieg gegen Libyen und die im Bündnis mit der Türkei und den Golfmonarchien betriebene Aufrüstung islamistischer Milizen trugen maßgeblich dazu bei, dass die Unruhen in Syrien im Frühjahr 2011 in einen bewaffneter Aufstand umschlugen. Durch die im Bündnis mit den übrigen NATO-Staaten und den Golfmonarchen betriebenen Regime-change-Bemühungen ging dieser in einen von außen angefeuerten Bürgerkrieg über. Im Frühjahr 2015 stellte sich die Obama-Administration zudem hinter die völkerrechtswidrige Militärintervention Saudi-Arabiens im Jemen. Die USA unterstützen seither auch diesen Kriegseinsatz militärisch.

Seit dem Zweiten Weltkrieg ist das Bemühen um die Vormachtstellung im Nahen und Mittleren Osten, wo fast drei Viertel der weltweiten Öl- und Gasvorräte liegen und zentrale Transportrouten verlaufen, eine parteiübergreifende Konstante der US-amerikanischen Außenpolitik. Es war daher kaum zu erwarten, dass sich die Politik unter dem neuen Präsidenten grundlegend ändern würde. Die Wahl Trumps gab zu Beginn jedoch Anlass zur Hoffnung, dass sich durch eine Abschwächung der Konfrontations­politik gegen Russland wenigstens die Chancen für ein Ende des Krieges in Syrien erhöhen würden.

Syrien ? mit den Kurden gegen den IS und die Einheit des Landes

Trump hatte sich jahrelang gegen die Intervention der USA in Syrien ausgesprochen, mit Ausnahme des direkten Kampfes gegen die dschihadistische Miliz »Islamischer Staat« (IS). Und noch in einem Interview mit dem Wall Street Journal kurz nach seiner Wahl im November 2016 hatte er erklärt, es ginge in Syrien darum, den Kampf gegen den IS im Fokus zu behalten, und nicht, den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zu stürzen. Anschließend berief er allerdings mit James Mattis einen Mann zum Verteidigungsminister, der 2012 als Chef des für die Region zuständigen US Cen­tral Command für einen »regime change« warb, da Assads Sturz der größte strategische Rückschlag für den Iran innerhalb der letzten 25 Jahre“ wäre.1

Nachdem die US-Administration Ende März 2017 dennoch verkündet hatte, die Ablösung des syrischen Machthabers habe für sie „keine Priorität“ mehr, schien Trump seine Position Anfang April erneut um 180 Grad zu drehen. Nach einem Giftgasangriff in der nordwestlichen Stadt Khan Sheikhoun machte er, ohne eine Untersuchung des Vorfalls abzuwarten, die syrische Regierung dafür verantwortlich und ließ eine Salve von 59 Tomahawk-Marschflugkörpern auf den syrischen Luftwaffenstützpunkt al-Schairat abfeuern.

Eine weitere Eskalation blieb zum Glück aus, und auch eine geänderte Strategie ließ sich nicht erkennen. Außenminister Rex Tillerson betonte zwei Tage danach sogar, der Kampf gegen den IS habe Priorität, und er warnte, ein erzwungener Abgang Assads würde ähnlich desaströse Folgen haben wie der Sturz Muammar al-Gaddafis in Libyen 2011.2

In der Praxis zeigte die US-Regierung eine gewisse Bereitschaft, den von Russland eingeleiteten Befriedungsprozesse zu unterstützen, z. B. die von der russischen Führung zusammen mit der türkischen und iranischen Regierung vereinbarte Einrichtung so genannter Deeskalationszonen. Angesichts der großen Gebietsgewinne der syrischen Armee und den Erfolgen der russischen Diplomatie kann dies auch als Zugeständnis an die geänderte Realität gewertet werden. Im Juli 2017 ließ Trump schließlich auch die verdeckten US-amerikanischen Waffenlieferungen der CIA an regierungsfeindliche Milizen stoppen.

Die Bewaffnung der überwiegend aus Einheiten der syrisch-kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) bestehenden Syrischen Demokratischen Kräfte (SDK) wurde jedoch ausgebaut. Die US-Administration machte sie faktisch zu ihren Bodentruppen. Unter Führung von US-Militärs und unterstützt von massiven Luftangriffen eroberten die kurdischen Kampfverbände die IS-Hochburg Raqqa und versperrten gleichzeitig den syrischen Streitkräften den Weg in die arabisch-konservative Stadt und ihre Umgebung. Anschließend stießen sie weiter vor, das Tal des Euphrats entlang, bis an die südöstliche Grenze zum Irak, und trieben so einen Keil zwischen die syrische Armee und die noch vom IS besetzten Gebiete. Nahezu der gesamte Norden und Ostens Syriens steht nun unter der Kontrolle der Kurden.

Die US-Streitkräfte, die bereits mindestens zehn Militärstützpunkte in diesem Gebiet unterhalten, haben nun damit begonnen, eine 30.000 Kämpfer*innen starke »Syrische Grenzschutztruppe« unter SDK-Führung aufzubauen, die „in den nächsten Jahren“ sowohl an den Grenzen zur Türkei und zum Irak stationiert werden soll als auch entlang des Euphrats, der die Grenze zum restlichen Syrien bildet.3 Dies zielt wohl auf eine faktische Abspaltung der kurdisch kontrollierten Enklaven. Weder Damaskus noch Ankara werden dies akzeptieren.4 Die Strategie Washingtons scheint vielmehr auf die fortgesetzte Destabilisierung Syriens ausgerichtet zu sein, um den wichtigsten Verbündeten des Irans am Boden zu halten, die Kräfte von Assads Unterstützern weiter zu strapazieren und dem wachsenden Einfluss Russlands etwas entgegenzusetzen.

Irak ? Eskalation des Luftkrieges

Im Wahlkampf hatte Trump den Irakkrieg als vermutlich schlechteste Entscheidung in der Geschichte der USA bezeichnet. In einer Rede vor der CIA-Spitze unmittelbar nach seinem Amtsantritt im Januar 2017 erklärte er jedoch den von George W. Bush vereinbarten und unter Obama vollzogenen Abzug der US-Truppen aus dem Irak als ebenso großen Fehler und sprach von „einer zweiten Chance“.5 Diese versuchte er durch Ausweitung des Einsatzes der US-Streitkräfte zu forcieren. Die US-Regierung erhöhte die Zahl der Boden­truppen im Irak von 6.000 auf fast 9.000 und beabsichtigt, dieses Niveau auch nach der weitgehenden Vertreibung des IS im Irak zu halten.6

Parallel dazu gab Trump den Kommandeuren der US-Streitkräfte in Syrien und im Irak weitgehend freie Hand in ihrer Kriegführung. Diese weiteten daraufhin die Zahl der Luftangriffe massiv aus. Der britischen Internetplattform Airwars.org zufolge, die die Opfer des Luftkrieges über Syrien und Irak zu registrieren sucht, verdreifachte sich die Zahl der Einsätze von Kampfjets zwischen Februar und August 2017 von 1.708 im gleichen Zeitraum des Vorjahrs auf 5.547. Die Zahl der zivilen Opfer vervierfachte sich sogar.7

Das Gros dieser Angriffe richtete sich auf den Westteil der irakischen Millionenstadt Mossul. Zusammen mit ihren Verbündeten bombten die US-Streitkräfte beim Sturm auf die noch vom IS gehaltenen Stadtviertel den Bodentruppen den Weg buchstäblich frei. Sie eskalierten den rücksichtslosen Luftkrieg weiter, als Trump Mitte Mai das Pentagon anwies, den IS durch Einkreisen und Töten „auszulöschen“. In den NATO-Staaten gilt mittlerweile die Rückkehr ausländischer Kämpfer von Terrortruppen, wie dem IS, als größtes Sicherheitsrisiko. Durch eine »Auslöschungskampagne«, d.h. durch gezielte Tötung vor Ort, soll dieses Risiko minimiert werden. Die westlich des Tigris liegenden Stadtteile von Mossul, inkl. der historischen Altstadt, wurden im Zuge der Rückeroberung weitgehend zerstört. Schätzungsweise mehr als 40.000 der monatelang eingeschlossenen Einwohner*innen wurden getötet, und mehr als 700.000 wurden vertrieben.

Dem Frieden näher kam das Land dadurch nicht. Die Trump-Adminis­tration setzte wie ihre Vorgänger auf ein rein militärisches Vorgehen gegen den IS sowie auf die vorbehaltlose Unterstützung der von schiitisch-islamistischen Parteien dominierten Regierung in Bagdad, deren diskriminierende Politik gegenüber den Sunniten erst den Boden dafür geschaffen hatte, dass der IS sich festsetzen konnte. Nun wurden die Konflikte zwischen den Bevölkerungsgruppen weiter verschärft.8

Trumps Feldzug gegen die »iranische Achse«

Wie zu erwarten, verschärfte Trump den Kurs gegen den Iran, den er im Wahlkampf zur größten Bedrohung für die Region neben dem IS erklärt hatte. Ein zentrales Anliegen ist die Zerschlagung des 2015 von den fünf Vetomächten des UN-Sicherheitsrates plus Deutschland mit Teheran ausgehandelten Atomabkommens. Im Oktober 2017 verweigerte er ? entgegen eindeutiger Berichte der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) ? die vom US-Kongress geforderte vierteljährliche Bestätigung, dass der Iran seinen Verpflichtungen aus dem Abkommen nachkommt, und forderte die Abgeordneten auf, neue Sanktionen zu beschließen.9 Die Aussetzung der »nuklearbezogenen« Sanktionen verlängerte er Mitte Januar 2018 nur unter der Maßgabe um weitere 120 Tage, dass die europäischen Verbündeten mit Teheran neue Bedingungen aushandeln. Zu Trumps Forderungen gehört u.a. der Zugang für IAEA-Inspektoren zu allen Militärstützpunkten und die Einstellung iranischer Raketentests. Falls Teheran nicht auf die Forderungen eingeht, sollen automatisch wieder alle Sanktionen in Kraft treten. Da die neuen Bedingungen für den Iran nicht annehmbar sind, droht dem Atom-Deal im Mai 2018 das Aus vonseiten der USA.

Als äußerst destabilisierend erweist sich gleichzeitig Trumps Schulterschluss mit Saudi-Arabien gegen die so genannte »iranische Achse«, die nach Lesart der beiden Partner vom Iran über die Huthis im Jemen bis nach Syrien und zur libanesischen Hisbollah reicht. Zusammen mit den saudischen Monarchen möchte er ein Militärbündnis sunnitisch-arabischer Staaten, eine Art »arabische NATO«, schmieden. U.a. sicherte er den Saudis dafür Waffenlieferungen im Wert von 110 Milliarden US$ zu.

Die demonstrative Unterstützung durch Trump ermunterte die reaktionäre islamistische Monarchie unter Führung ihres jungen Kronprinzen Mohammed bin Salman zu einer aggressiveren Politik gegen seine Nachbarstaaten ? neben dem Iran und Jemen richtet sich diese auch gegen Katar und den Libanon. Der von den USA unterstützte Krieg gegen die so genannte Huthi-Allianz im Jemen wurde intensiviert und die Hungerblockade gegen das Land fortgesetzt. Die humanitäre Situation in dem zuvor schon bitterarmen arabischen Land wird mit jedem Monat katastrophaler. 20 von 27 Millionen Jemeniten sind völlig auf Hilfe von außen angewiesen, und über sieben Millionen leiden unter akutem Hunger. Eine Million Menschen sind mittlerweile schon an Cholera erkrankt.10

Aufgrund der ? aus saudischer Sicht zu engen – Beziehungen Katars zum Iran und seiner Unterstützung der islamistischen Muslimbrüderschaft brach Saudi-Arabien Anfang Juni die diplomatischen Beziehungen zum Nachbarland ab und schloss seine Grenzen. Bahrain, Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emiraten schlossen sich dem Embargo an, das solange gelten soll, bis Katar den Forderung der vier Staaten, u.a. nach Abbruch der Beziehungen zum Iran und Schließung des katarischen Sendes Al Jazeera, nachkommt. Während Trump die Entscheidung nicht nur begrüßte, sondern sie als Resultat seiner Gespräche in Riad pries,11 versuchten das Verteidigungs- und das Außenministerium den Schaden zu begrenzen, denn Katar beherbergt die wichtigste Militärbasis der USA in der Region. Schließlich unterzeichnete die US-Regierung mit Katar eine »Vereinbarung gegen den Terrorismus«.12 Da sich zudem die Auswirkungen des Embargos aufgrund der Unterstützung der Türkei und des Irans in Grenzen halten und das Scheichtum stattdessen die Wirtschaftsbeziehungen mit diesen beiden Ländern ausbaut, haben sich die Saudis mit ihrer Aktion selbst geschadet.

Dessen ungeachtet zündelten sie weiter. Sie beorderten den libanesischen Regierungschef Saad Hariri nach Riad, setzten ihn fest und zwangen ihn dazu, seinen Rücktritt zu verkünden. Indem sie so Druck auf die Hisbollah aufzubauen versuchten, damit diese die Unterstützung der syrischen Regierung beendet, schürten sie die Gefahr, dass auch der Libanon zum Kriegsschauplatz wird. Das Kalkül der Saudis ging allerdings auch hier nicht auf. Im Libanon wurde der Rücktritt nicht akzeptiert, und da auch der internationale Druck stieg, mussten sie Hariri wieder freilassen und seine Rückkehr in den Libanon hinnehmen.

Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt

Als folgenschwer könnte sich Trumps Ankündigung erweisen, Jerusalem als Hauptstadt Israels ? und nur Israels – anzuerkennen und die US-Botschaft von Tel Aviv dorthin zu verlegen.13 Er provoziert damit nicht nur die Gefahr eines neuen Aufstands der Palästinenser*innen. Indem er sich – den allgemein anerkannten völkerrechtlichen Status der Stadt missachtend – vollständig auf die Seite der ultra-rechten Regierung in Israel stellte, katapultierte er die USA aus ihrer bisherigen Vermittlerrolle. Ein ehrlicher Makler seien die USA zwar noch nie gewesen, doch nun sei die Maske endgültig gefallen, so das Urteil vieler Kommentatoren.

Tatsächlich bricht damit faktisch der bisherige Ansatz der US-amerikanischen Nahost-Politik zusammen. Diese beruhte auf dem formalen Eintreten für einen palästinensischen Staat in den 1967 von Israel besetzten Gebieten ? mit Ostjerusalem als Hauptstadt ?, ohne allerdings ernsthaftes Engagement für dessen Verwirklichung zu zeigen. Parallel dazu leisten die USA Israel finanzielle und militärische Unterstützung bei der Fortsetzung der Besatzung. Darüber hinaus „hielten sie die Welt auch noch mit einem endlosen »Friedensprozess« zum Besten, der nie […] zu etwas anderem führen sollte, als zur Verlängerung der Besatzung“, so Gideon Levy, Autor und Mitherausgeber der israelischen Tageszeitung Haaretz.14

Mit seiner Jerusalem-Entscheidung hat Donald Trump „die Zwei-Staaten-Lösung zu Grabe getragen“, ist Levi überzeugt. Auch der langjährige palästinensische Unterhändler und entschiedene Verfechter der Zwei-Staaten-Lösung Saeb Erekat erklärte, die Palästinenser*innen hätten in Zukunft nur noch eine Option, für die sie kämpfen könnten: einen gemeinsamen Staat mit gleichen Rechten für alle, einen demokratischen Staat für zwei Völker.15 Zum Auftakt einer Tagung der Palästinensischen Befreiungsorganisation, PLO, Mitte Januar 2018 erklärte der palästinensische Präsident Mahmud Abbas das Osloer Friedensabkommen für gestorben.16

Ausblick

Die USA hatten die politische Initiative im Nahen und Mittleren Osten schon vor Trumps Amtsantritt weitgehend verloren, er hat diese Entwicklung jedoch weiter forciert. Nicht nur in Syrien zieht mittlerweile Moskau die entscheidenden Fäden. Mit geschickter Diplomatie unterhält die russische Regierung zu allen Ländern der Region gute Kontakte. Als der libanesische Präsident in Riad festsaß, war es in erster Linie Paris, das seine rasche Rückkehr einfädelte. Mit der Jerusalem-Entscheidung gelang es Trump sogar, die untereinander verfeindeten islamischen Staaten gegen sich zu einen. Seine provokativen Entscheidungen und seine aggressive Politik gegen den Iran im engen Bündnis mit den arabischen Monarchen bergen ungeachtet dessen eine große Eskalationsgefahr bis hin zu neuen Kriegen.

Die Warnung des Nahostkorrespondenten der CNN, Ben Wedeman, scheint daher nicht übertrieben: „Washington, verschlissen und abgelenkt durch seine toxische Politik im Innern, stürzt im Nahen Osten bestenfalls kopfüber in die Irrelevanz, im schlimmsten Fall in die Katastrophe. Wer denkt, 2017 war ein steiniger Weg im Nahen Osten, sollte sich 2018 auf etwas gefasst machen“.17

Anmerkungen

1) Ackerman, S. (2012): Military’s Mideast Chief Sounds Ready to Aid Syria’s Rebels. Wired, 3.6.2012.

2) Ackerman, S. (2017): What’s Trump’s plan for Syria? Five different policies in two weeks. Guardian, 11.4.2017.

3) Syria war – Turkey denounces US »terror army« plan for border security force. BBC, 15 1.2018.

4) Dieser Artikel wurde geschrieben, bevor das türkische Militär Ende Januar 2018 eine Militäroffensive gegen kurdische Milizen in Nordsyrien startete. Siehe dazu die Presseschau auf S. 4.

5) Krauel, T. (2017): Das müssen Sie über Trumps erstes Wochenende wissen. Welt.de, 22.1.2017.

6) ’Many more’ US troops in Syria and Iraq – report. BBC, 28.11.2017.

7) Wagner, J. (2017): Trumps Syrien-Bilanz: Mehr Krieg – Mehr Opfer – Mehr Waffen. IMI-Standpunkt 2017/29.

8) Siehe dazu Guilliard, J. (2017a): Die Schlacht um Mossul. IMI-Studie 2017/11b.
ders.: Befreiung um jeden Preis – Der Irak nach der verheerenden Schlacht um Mossul. Ossietzky, 15/2017.
ders. (2017b): Mossul in Ruinen ? Konflikte verschärft, Ossietzky 18/2017.

9) Jahanpour, F. (2017): Europe Must Stop Trump From Starting Another War in the Middle East. Counterpunch, 19.10.2017.

10) Weltweit größter Cholera-Ausbruch – Eine Million Fälle in Jemen. Augsburger Allgemeine, 22.12.2017

11) Wintour, P. (2017): Donald Trump tweets support for blockade imposed on Qatar. Guardian, 6.6.2017.

12) Saudis nervös – USA schließen Anti-Terror-Vereinbarung mit Katar. Deutsche Wirtschafts-Nachrichten, 2.7.2017.

13) The White House (2017): Statement by President Trump on Jerusalem. December 6, 2017.

14) Levy, G. (2017): Ein Rüpel, ein Visionär. der Freitag, 50/2017.

15) Landler, M.; Halbfinger D.M.; Kershner, I. (2017): Did Trump Kill Off a Two-State Solution? He Says No, Palestinians Say Yes. NYT, 7.12.2017.

16) Khoury, J. (2018): Abbas Declares Oslo Accords Dead: ’Trump’s Peace Plan Is a Slap, We’ll Slap Back’. Haaretz, 15.1.2018.

17) Wedeman, B. (2017): How President Trump’s first year changed the Middle East. CNN, 25.12.2017.

Joachim Guillard ist Verfasser zahlreicher Fachartikel über den Nahen und Mittleren Osten und Mitherausgeber bzw. Koautor mehrerer Bücher zu diesem Bereich. Er betreibt den Blog »Nachgetragen« (http://jghd.twoday.net).

Trump oder Brexit?


Trump oder Brexit?

Ursachen und Ausprägungen des EU-Rüstungsschubs

von Jürgen Wagner

Forderungen nach einer »Weltmacht EUropa« und einem Ausbau des EU-Militärapparates gibt es schon lange, seit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten im November 2016 werden sie aber besonders lautstark artikuliert. Allerdings handelt es sich nun nicht mehr um rhetorische Absichtsbekundungen, vielmehr haben sich die EU-Staats- und Regierungschefs in einem schwindelerregenden Tempo darangemacht, die »Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik« (GSVP) voranzutreiben. Im Folgenden werden die wichtigsten aktuellen GSVP-Projekte – Hauptquartier, PESCO und Rüstungshaushalt – vorgestellt und die Ursachen für die Geschäftigkeit untersucht. Dabei zeigt sich, dass sämtliche Vorhaben bereits vor der Wahl Donald Trumps auf den Weg gebracht wurden, auch wenn er gerne als Rechtfertigung herangezogen wird. Insofern liegt es nahe, dass der aktuelle EU-Rüstungsschub weniger mit einem neuen Präsidenten im Weißen Haus als mit anderen Ursachen zu tun hat.

Unmittelbar nach der Wahl Donald Trumps meldete sich die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini geradezu trotzig folgendermaßen zu Wort: „In den kommenden Monaten und Jahren – man kann sogar sagen: in diesen Stunden – wird es eine zunehmende Nachfrage nach Europa geben von unseren Nachbarn und unseren Partnern in der Welt. Die Forderung nach einem von Prinzipien geleiteten globalen »Sicherheits-Dienstleister« wird wachsen. Die Forderung nach einer Supermacht, die an mehrseitige Bündnisse und Zusammenarbeit glaubt.“ 1 Fast genau so klingt auch die »Entschließung zur Umsetzung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik«, die das Europäische Parlament am 14. Dezember 2016 verabschiedete: „Das Europäische Parlament […] betont, dass die EU ihre Sicherheits- und Verteidigungsfähigkeiten stärken muss, da sie ihr volles Potenzial als Weltmacht nur nutzen kann, wenn sie ihre einzigartige »Soft Power« im Rahmen eines umfassenden EU-Ansatzes mit »Hard Power« kombiniert.“ 2

Ganz ähnliche Forderungen werden verstärkt auch in den Medien geäußert, wobei sich besonders ein Artikel mit dem vielsagenden Titel »Weltmacht! Echt jetzt?« hervortat, der von nicht weniger als zehn Redakteur*innen der Wochenzeitung »DIE ZEIT« gezeichnet wurde: „Nach der Wahl Donald Trumps erkennen die Europäer, dass sie künftig selbst ihre Interessen durchsetzen und ihre Sicherheit garantieren müssen – und was dem noch alles im Wege steht. […] Europa muss nicht »Weltmacht« werden im amerikanischen Sinne, mit Flugzeugträgergruppen, die stählern durch alle Weltmeere pflügen. […] Europa hat Interessen in Afrika, in einem Teil von Asien (Syrien! Afghanistan!) und an all seinen Außengrenzen, vom Balkan bis Marokko, vom Atlantik bis tief ins südliche Mittelmeer. Hier Mitverantwortung zu übernehmen, weit über den eigenen Kontinent hinaus – auch das ist Weltmacht. Regional begrenzte Weltmacht ganz gewiss, aber auch zum Glück. Aber für eine ziemlich große Region.“ 3

Obwohl es schon seit einiger Zeit Bestrebungen gibt, die für erforderlich gehaltene »hard power« zur Unterfütterung der eigenen Weltmachtansprüche aufzubauen, kamen diesbezügliche Versuche viele Jahre nur schleppend voran. Der wohl wichtigste Grund hierfür: Großbritannien erstickte aus Sorge um seine eigene militärpolitische Bewegungsfreiheit nahezu alle entsprechenden Initiativen schon im Keim. Hieraus erklärt sich die kaum verhohlene Freude, die manche Militärpolitiker*innen angesichts des bevorstehenden EU-Austritts Großbritanniens an den Tag legten. So meldete sich etwa Elmar Brock, damals Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Europaparlaments, unmittelbar nach dem britischen Austrittsreferendum am 23. Juni 2016 folgendermaßen zu Wort: „Der Brexit hat auch gute Seiten. […] Jahrelang haben uns die Briten aufgehalten. Jetzt geht es endlich voran.“ 4

Globalstrategie und Bratislava-Agenda

Lediglich fünf Tage nach dem britischen Austrittsreferendum nahm der EU-Rat am 28. Juni 2016 eine neue Globalstrategie an, die seither das wichtigste Rahmendokument für die EU-Außen- und Militärpolitik ist. Das Dokument nennt als „Interessen“ ein „offenes und faires Wirtschaftssystem“ und den „Zugang zu Ressourcen“. Dies beinhalte den „Schutz“ von Handelswegen „im Indischen Ozean“, „im Mittelmeer“, am „Golf von Guinea“ bis hin zum „Südchinesischen Meer“ und der „Straße von Malakka“. In diesen Regionen sieht sich EUropa berufen, – notfalls militärisch – für »Ordnung« zu sorgen, insbesondere in seinem unmittelbaren Umfeld: „Die EU wird sich – praxisorientiert und auf Prinzipien gestützt – für die Friedenskonsolidierung einsetzen; dabei werden wir die Bemühungen auf unsere östlichen und südlichen Nachbarregionen konzentrieren, während weiter entfernte Einsätze von Fall zu Fall erörtert werden.

Hierfür sollen Kapazitäten für „autonome“ – also unabhängig von der NATO und damit den USA durchführbare – Militärinterventionen aufgebaut werden: „Die Mitgliedstaaten [benötigen] bei den militärischen Spitzenfähigkeiten alle wichtigen Ausrüstungen, um auf externe Krisen reagieren und die Sicherheit Europas aufrechterhalten zu können. Dies bedeutet, dass das gesamte Spektrum an land-, luft-, weltraum- und seeseitigen Fähigkeiten, einschließlich der strategischen Grundvoraussetzungen, zur Verfügung stehen muss. […] Eine tragfähige, innovative und wettbewerbsfähige europäische Verteidigungsindustrie ist von wesentlicher Bedeutung für die strategische Autonomie Europas und eine glaubwürdige GSVP.“ 5

Noch einen Tag vor Annahme der EU-Globalstrategie gaben die damaligen Außenminister Deutschlands und Frankreichs, Frank-Walter Steinmeier und Jean-Marc Ayrault, die Richtung vor, als sie am 27. Juni 2016 das Papier »Ein starkes Europa in einer unsicheren Welt« vorlegten. In ihm wurde gefordert, Deutschland und Frankreich müssten, nicht zuletzt indem sie ihre „Anstrengungen auf dem Gebiet der Verteidigung verstärken“, vorangehen, um „die EU Schritt für Schritt zu einem unabhängigen und globalen Akteur zu entwickeln“.6 Am 12. September 2016 wurde ein zweites deutsch-französisches Papier veröffentlicht, diesmal von den damaligen Verteidigungsministern beider Länder. Daraufhin knotete EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker die deutsch-französischen Vorschläge in seiner »Rede zur Lage der Union«7 am 14. September 2016 zu einem Bündel zusammen, das fortan als »Bratislava-Agenda« der Öffentlichkeit präsentiert wurde.

Ein Hauptquartier für mehr EU-Kriege

Auffällig an Junckers »Rede zur Lage der Union« war der scharfe Ton, den der Kommissionspräsident anschlug: „Mit zunehmenden Gefahren um uns herum reicht Soft Power allein nicht mehr aus. […] Europa muss mehr Härte zeigen. Dies gilt vor allem in unserer Verteidigungspolitik. Europa kann es sich nicht mehr leisten, militärisch im Windschatten anderer Mächte zu segeln oder Frankreich in Mali allein zu lassen. Wir müssen die Verantwortung dafür übernehmen, unsere Interessen und die europäische Art zu leben zu verteidigen.“

Wenn sich die EU bisher zu einem Militäreinsatz entschied, konnte sie nicht auf stehende Planungs- und Führungskapazitäten zurückgreifen. Stattdessen musste zunächst bei den Einzelstaaten abgefragt werden, welches Land denn bereit wäre, ein Hauptquartier zur Verfügung zu stellen. Da hierdurch reibungslose und vor allem häufige Einsätze erheblich erschwert wurden, bestand eine erste Forderung Junckers darin, diesen »Missstand« zu beheben: „In den letzten zehn Jahren haben wir uns in über 30 zivilen und militärischen EU-Missionen von Afrika bis Afghanistan engagiert. Doch ohne dauerhafte Struktur können wir nicht wirksam agieren. Dringende Operationen verzögern sich. Es ist an der Zeit, dass wir für diese Operationen ein gemeinsames Hauptquartier einrichten.

Bereits am 6. März 2017 verständigte sich der Rat, ein solches Hauptquartier unter dem Namen »Militärische Planungs- und Führungsfähigkeit« ins Leben zu rufen. Eine Zeitlang sperrte sich Großbritannien noch gegen das Vorhaben, lenkte aber schließlich ein, sodass der endgültige Beschluss Anfang Juni 2017 gefällt wurde. Anfangs darf das Hauptquartier nur nicht-exekutive Einsätze (vor allem Trainings- und Ausbildungsmissionen) leiten. Doch dürfte diese Einschränkung längerfristig kaum Bestand haben, wie etwa SPIEGEL ONLINE schreibt: „Insbesondere Deutschland wünscht sich noch größere Fortschritte, hieß es in Diplomatenkreisen. So könnte die neue Zentrale später auch »exekutive« EU-Militäreinsätze führen – also nicht nur Trainings- und Beratungsmissionen, sondern auch Einsätze mit möglicher Waffengewalt wie etwa die Anti-Piratenmission »Atalanta« und die Marinemission »Sophia« im Mittelmeer. Sie werden bisher von den Hauptquartieren in den Mitgliedstaaten geleitet.“ 8

PESCO: Historischer Rüstungsschub?

Als zweiter wichtiger Baustein für den Ausbau des EU-Militärapparates forderte Juncker in seiner »Rede zur Lage der Union« die Aktvierung der »Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit«, englisch »Permanent Structured Cooperation« oder PESCO. Sie wurde zwar theoretisch bereits 2009 mit dem Vertrag von Lissabon eingeführt, aber ebenfalls lange von Großbritannien blockiert. Mit PESCO können Teile der EU-Militärpolitik per Mehrheitsentscheidung auf Gruppen ausgelagert werden, die nicht alle Staaten umfassen, was einer Aushebelung des in diesem Bereich geltenden Konsensprinzips gleichkommt. Erschwerend kommt hinzu, dass Länder, die sich an PESCO beteiligen wollen, bestimmte »Teilnahmekriterien« erfüllen müssen. Hierüber soll ein zusätzlicher Rüstungsdruck ausgeübt werden. Es ist daher kein Zufall, dass eine Studie der »Generaldirektion Auswärtige Politik« des Europaparlaments die PESCO-Verpflichtungen mit den Maastricht-Kriterien der Eurozone verglich.9

Bei PESCO handelt es sich vor allem um ein deutsch-französisches Projekt, das aus nachvollziehbaren Gründen bei einigen kleinen und mittleren Mitgliedstaaten auf erhebliche Skepsis stieß. Dies erklärt, weshalb deutsche Spitzenpolitiker PESCO freudig begrüßten, als das Konzept am 13. November 2017 im Grundsatz beschlossen wurde. Noch am selben Tag meldete sich Außenminister Sigmar Gabriel zu Wort und sprach von einem „Meilenstein der europäischen Entwicklung“ und einem großen „Schritt in Richtung Selbstständigkeit und Stärkung der Sicherheits– und Verteidigungspolitik der EU“. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini stufte die Entscheidung sogar als einen „historischen Moment für die europäische Verteidigung“ ein.10

Über die PESCO-Teilnahmebedingungen wurde lange und intensiv gestritten; sie wurden schließlich im »Aktivierungspapier«11 festgelegt, das am 13. November 2017 von 23 Ländern unterzeichnet wurde. Mit dem am 8. Dezember 2017 vorgelegten und wenige Tage später verabschiedeten Ratsbeschluss zur Begründung von PESCO wurde das Projekt endgültig auf den Weg gebracht.12 Mit dem Ratsbeschluss schlossen sich auch Portugal und Irland PESCO an, sodass nur noch Dänemark, Malta und Großbritannien abseits bleiben. Rüstungsnahe Stimmen äußerten sich eher enttäuscht ob der der getroffenen Vereinbarungen, was vor allem an der teils schwammigen Formulierung der jeweiligen PESCO-Verpflichtungen liegt. Näher betrachtet hat das Dokument aber durchaus das Potenzial, den EU-Militarisierungsprozess weiter voranzutreiben.

Zu den relativ unverbindlichen Formulierungen gehören etwa die Verpflichtung, die Militärausgaben regelmäßig inflationsbereinigt zu erhöhen, oder das Bekenntnis, die Rüstungsinvestitionen sukzessive auf mindestens 20 % des Militärbudgets anzuheben. Auch bei anderen Passagen, wie etwa denen zur Bereitstellung strategischer Fähigkeiten oder zur »besseren« Finanzierung von EU-Rüstungsprojekten und EU-Einsätzen, fehlten genaue Angaben, wozu sich die Länder eigentlich verpflichtet haben.

Auf der anderen Seite müssen teilnahmewillige Länder aber beispielsweise verpflichtend Truppen für die EU-Battlegroups bereitstellen, um bei PESCO mitmachen zu dürfen. Verbindlich ist auch die Verpflichtung, sich an mindestens einem PESCO-Projekt zum Aufbau strategisch relevanter Militärkapazitäten zu beteiligen. Im Dezember 2017 drangen Details zur deutschen Beteiligung an die Öffentlichkeit: „Deutschland übernimmt in der neuen EU-Verteidigungszusammenarbeit die Führung bei vier von insgesamt 17 Militärprojekten. Unter deutscher Koordinierung sollen ein Sanitätskommando, Logistikdrehscheiben, ein Zentrum für Trainingsmissionen sowie eine Stelle zum Aufbau schnellerer Krisenreaktionskräfte geschaffen werden.13

Um den »Erfolg« von PESCO zu garantieren, müssen die teilnehmenden Länder die Einhaltung ihrer Zusagen künftig extern durch die EU-Verteidigungsagentur »evaluieren« lassen. Im »Aktivierungspapier« heißt es dazu: „Dieser [Evaluierungs-] Bericht wird detailliert über den Stand der PESCO-Implementierung Auskunft geben, einschließlich der Einhaltung der Verpflichtungen jedes Mitgliedsstaates in Übereinstimmung mit seinem Nationalen Implementierungsplan.14 Unklar ist, wie mit PESCO-Mitgliedern umgegangen werden soll, deren Rüstungsbemühungen »negativ« evaluiert werden. Ob über diese Prüfberichte genug Druck erzeugt werden kann, dass die Teilnehmerstaaten in die »richtige« Richtung rüsten, dürfte deshalb maßgeblich darüber entscheiden, ob mit PESCO wirklich ein »historischer« Militarisierungsschritt eingeleitet wurde.

Milliarden für die Rüstung

Die letzte Ankündigung Junckers in seiner »Rede zur Lage der Union« vom September 2016, die in diesem Artikel thematisiert werden soll, ist zugleich die spektakulärste: „Eine starke europäische Verteidigung braucht eine innovative europäische Rüstungsindustrie. Deshalb werden wir noch vor Jahresende einen Europäischen Verteidigungsfonds vorschlagen, der unserer Forschung und Innovation einen kräftigen Schub verleiht.15 Dabei handelt es sich um alles andere als eine Selbstverständlichkeit, schließlich verbietet Artikel 41(2) des Lissabon-Vertrages die Verwendung des EU-Haushalts für „Maßnahmen mit militärischen oder verteidigungspolitischen Bezügen“.16

Dennoch legte die EU-Kommission wenige Wochen später, am 30. November 2016, mit dem »Verteidigungs-Aktionsplan« erste Details für den besagten EU-Rüstungshaushalt vor. Im Kern enthält er den kurz darauf, im Dezember 2016, vom Europäischen Rat grundsätzlich gebilligten Vorschlag, im nächsten EU-Haushalt (für die Jahre) 2021-2027 jährlich 500 Mio. Euro für Rüstungsforschung und satte fünf Mrd. Euro für die Beschaffung von Rüstungsgütern auszuloben – zusammen also 38,5 Mrd. Euro.17 Am 7. Juni 2017 veröffentlichte die EU-Kommission weitere Einzelheiten: Der Start des Fonds soll um zwei Jahre auf 2019 vorverlegt und bis einschließlich 2020 der Betrag von 2,59 Mrd. Euro bereitgestellt werden. Danach soll es bei den beschriebenen 5,5 Mrd. Euro jährlich bleiben, wovon jedes Jahr 1,5 Mrd. aus dem EU-Haushalt und der Rest von den Mitgliedsstaaten stammen sollen. Die Kommission legte am selben Tag einen entsprechenden Verordnungsvorschlag vor, der von Parlament und Rat im Laufe des Jahres 2018 als prioritäres Projekt verabschiedet werden soll.18 Um das Ganze legal zu gestalten, stellte die Kommission den Rüstungshaushalt auf die Rechtsgrundlage der Wettbewerbsförderung, da diesbezügliche Maßnahmen im Gegensatz zur Militärpolitik aus dem EU-Budget finanziert werden können.19

Rüstung mit oder gegen Trump?

Wie aus der vorigen Darstellung klar geworden sein sollte, entwickelt sich der EU-Militärbereich in jüngster Zeit überaus dynamisch. Somit drängt sich die Frage auf, inwieweit es sich hier um Maßnahmen handelt, die auch oder womöglich sogar primär gegen die USA gerichtet sind. Dabei lässt sich zunächst festhalten, dass die USA in einem machtpolitisch rauer werdenden Klima schon länger nicht mehr in der Lage sind, die westlichen Interessen in dem Ausmaß weitgehend im Alleingang durchsetzen zu können, wie dies früher der Fall war. Dies hat wenig mit Donald Trump und viel mit den veränderten internationalen Machtverhältnissen zu tun, wie Außenminister Sigmar Gabriel im Dezember 2017 verdeutlichte: „Der US-Rückzug geht nicht auf die Politik eines einzelnen Präsidenten zurück. Er wird sich auch nach der nächsten Wahl nicht grundlegend ändern. […] Wir müssen einsehen: Entweder wir versuchen selbst in dieser Welt zu gestalten oder wir werden vom Rest der Welt gestaltet. […] Die heute noch fehlende Machtprojektion der Europäischen Union hat jedenfalls dazu geführt, dass überall dort, wo sich die USA tatsächlich oder scheinbar zurückgezogen haben, keine Hinwendung zu Europa erfolgt ist, sondern zu anderen Staaten, von denen operationalisierte Macht weit eher erwartet wird: im Nahen Osten z.B. zu Russland und in Afrika zu China.20

Weiter lässt sich feststellen, dass – auch wenn es innerhalb des Establish­ments durchaus die eine oder andere Stimme gibt, die unter Verweis auf Donald Trump für einen Bruch mit den USA plädiert – es für die Mehrheit der deutschen und europäischen Entscheidungsträger*innen weiterhin viele Gründe für ein enges Bündnis mit den USA gibt, Trump hin oder her. So erteilte beispielsweise der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, Plänen zur »Gegenmachtbildung« mit folgenden Argumenten eine Absage: „Erstens würden wir die vielen Millio­nen Amerikaner ignorieren, die eben nicht Donald Trump gewählt haben. […] Anstatt uns pauschal von den USA abzuwenden, sollten wir mit all jenen zusammenarbeiten, die an einer Bewahrung der transatlantischen Wertegemeinschaft interessiert sind. […] Zweitens ist es nicht so, dass überall auf der Welt Partner Schlange stünden, die mit Europa die liberale Weltordnung verteidigen wollten. […] Langfristig wird die liberale Weltordnung nur Bestand haben, wenn sie von beiden Pfeilern der transatlantischen Partnerschaft gestützt wird. Drittens übersehen jene, die jetzt zu einer europäischen Gegenmachtbildung zu den USA aufrufen, dass diese Option in Wahrheit gar nicht besteht. Die Europäer können kurz- und mittelfristig nicht auf die US-amerikanische Sicherheitsgarantie verzichten.“ 21

Ischinger ist mit seiner Meinung nicht allein: „Mit 521 Führungsspitzen aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung ist das F.A.Z.-Capital-Elite-Panel die am ranghöchsten besetzte repräsentative Umfrage in Europa. Unter den Teilnehmern sind 85 Vorstände von Unternehmen mit mehr als 20000 Beschäftigten, 24 Minister und Ministerpräsidenten und 33 Leiter von Bundes- und Landesbehörden. [… Die Umfrage kommt zu dem Ergebnis], dass die allermeisten Führungskräfte bisher nicht glauben, dass das deutsch-amerikanische Verhältnis durch Trump dauerhaften Schaden erleidet. […] Eine Erhöhung der deutschen Verteidigungsausgaben hält eine Mehrheit gleichwohl für wichtig oder sehr wichtig.22

Es geht also darum, im Verbund der EU die USA beim Erhalt der westlichen Machtposition zu unterstützen. Dies erfordert größere militärische Beiträge, die sich in Form von mehr Mitspracherechten im Bündnis auszahlen sollen. Zwar eröffnet der Brexit nun die Möglichkeit, lange geplante Rüstungsvorhaben umzusetzen, sie müssen aber dennoch gegenüber einer skeptisch eingestellten Bevölkerung legitimiert werden. Und hier zeigt sich der eigentliche »Wert« Donald Trumps, denn unter Verweis auf ihn argumentieren derzeit die einen, es sei nun zwingend erforderlich aufzurüsten, um nicht länger auf die USA angewiesen zu sein. Andere hingegen plädieren für ein verstärktes militärisches Engagement mit dem Verweis, Trump könnte seine Drohung wahr machen und das Engagement der USA in NATO und Europa substanziell reduzieren.

Egal wie Trump in der derzeitigen Debatte also gedreht und gewendet wird, es läuft stets auf die Forderung nach einem Ausbau des EU-Militärapparates hinaus.

Anmerkungen

1) Zitiert nach Küster, K. (2016a): Mehr Sicherheit mit einer europäischen Armee? Deutschlandfunk, 14.11.2016.

2) Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14.12.2016 zur Umsetzung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (2016/2036(INI)): europaparl.europa.eu.

3) Bittner, J. u.a. (2016): Weltmacht! Echt jetzt? ZEIT ONLINE, 19.11.2016.

4) Zitiert nach Küstner, K. (2016b): Deutsch-französische Strategie zur Verteidigungspolitik. Deutschlandfunk, 13.9.2016.

5) Rat der Europäischen Union: Gemeinsame Vision, gemeinsames Handeln – Ein stärkeres Europa. Eine Globale Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union (EUGS), Brüssel, 28.6.2016; europa.eu.

6) Ayrault, J.-M.; Steinmeier, F.-W. (2016): Ein starkes Europa in einer unsicheren Welt. 27.6.2016; auswaertiges-amt.de.

7) Juncker, J.C. (2016): Rede zur Lage der Union: Hin zu einem besseren Europa – Einem Europa, das schützt, stärkt und verteidigt. Straßburg, 14.9.2016; europa.eu.

8) Becker, M. (2017): EU wächst militärisch zusammen – zumindest ein bisschen. SPIEGEL ONLINE, 6.3.2017.

9) European Parliament – Directorate-General for External Policies (2017): Permanent Structured Cooperation – national perspectives and state of play. Study, July 2017, S. 30; europarl.europa.eu.

10) EU-Staaten bauen an Verteidigungsunion. ­heute.de, 13.11.2017.

11) Notification on Permanent Structured Co­operation (PESCO), 23.11.2017; consilium.europa.eu.

12) Council of the European Union (2017): COUNCIL DECISION establishing Permanent Structured Cooperation (PESCO) and determining the list of Participating Member States. Dokumentnr. 14866/17, 8.12.2017, S. 1.

13) Deutschland soll vier Militärprojekte anführen. n-tv, 9.12.2017.

14) Notification …, op.cit.

15) Juncker (2016), op.cit.

16) Vertrag über die Europäische Union (Konsolidierte Fassung). In: Amtsblatt der Europäischen Union vom 26.10.2012, S. 37.

17) Europäische Kommission (2016): Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Europäischer Verteidigungs-Aktionsplan. Brüssel, 30.11.2016, Dokument COM(2016) 950 final; ec.europa.eu.

18) Siehe dazu Wagner, J.; Lösing, S. (2017): EU-Rüstung ohne Rechtsgrundlage. Blätter für deutsche und internationale Politik. 10/2017, S. 41-44.

19) Wagner, J.; Lösing S. (2017), op.cit.

20) Gabriel, S. (2017): Europa in einer unbequemeren Welt. Rede vom 5.12.2017; auswaertiges-amt.de.

21) Ischinger, W. (2017): Einbinden, Einfluss nehmen. Süddeutsche Zeitung, 15.2.2017.

22) Göbel, H. (2017): Die EU kann alles – nur keine Sicherheit. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.7.2017.

Jürgen Wagner ist geschäftsführendes Vorstands­mitglied der Tübinger ­Informationsstelle Militarisierung (imi-online.de).