Vom Umgang mit Konflikten


Vom Umgang mit Konflikten

Was Friedensarbeit und Beratung verbindet

von Daniela Pastoors

Zivile Konfliktbearbeitung und Beratung haben vieles gemeinsam. In beiden Tätigkeitsfeldern können Expert*innen entweder Ratschläge geben oder sogar Lösungen vorschreiben; beide Felder eröffnen aber auch die Möglichkeit, einen Raum zu bieten für Entwicklungsprozesse und für die Selbsthilfe. Dies hat für die Begleiter*innen von Prozessen der Konfliktbearbeitung und Konflikttransformation Konsequenzen: Es bedarf der Räume, Möglichkeiten und Anregungen für Selbstreflexion – eine weitere Gemeinsamkeit mit der Beratung.

Was macht Friedensarbeit aus? Wie können Konflikte nachhaltig bearbeitet werden? Das sind Fragen, die vermutlich viele Menschen umtreiben, die sich für zivile Konfliktbearbeitung und Friedensprozesse einsetzen. Sei es auf zwischenmenschlicher, gesellschaftlicher oder völkerrechtlicher Ebene: Bestimmte Erkenntnisse über Frieden und Konflikt sind auf allen Ebenen relevant, prägt doch das Verständnis von Konflikten in hohem Maße ihre Bearbeitung.

Wird ein Konflikt als Problem gesehen, liegt der Fokus auf den Risiken und der Möglichkeit, dass sich die Situation durch den Konflikt verschlechtert. Ein solches Konfliktverständnis ruft danach, Konflikte zu vermeiden oder möglichst schnell zu beenden, wie Begriffe wie »conflict prevention« (Konfliktvorbeugung), »peace enforcement« (Friedenserzwingung) oder »conflict resolution« (Konfliktlösung) nahe legen.1 Wird dagegen anerkannt, dass Konflikte häufig komplexere Lösungen brauchen, rücken damit die Formen der »Konfliktregelung«, des »Konfliktmanagements« und der »Konfliktlösung« in den Mittelpunkt. Kompromisse werden in Betracht gezogen. Dennoch wird der Konflikt hier vor allem mit seinen destruktiven Gefahren und als zu lösendes Problem gesehen.

Die »Konfliktbearbeitung« und besonders die »Konflikttransformation« nehmen dagegen auch das Veränderungspotential von Konflikten wahr (Lederach 2003, S. 4) – Veränderungen, die sowohl destruktiver als auch konstruktiver Art sein können. Es werden kreative Win-win-Vereinbarungen angestrebt, die allen Beteiligten nützen. Vor allem die Art des Umgangs mit Konflikten entscheidet darüber, ob sie eskalieren und zerstörerisch wirken oder ob sie als Warnsignal aufgenommen werden und dafür gesorgt wird, dass tieferliegende, strukturelle Konfliktursachen an das Licht kommen und bearbeitet werden können. Ziel dieser Herangehensweise an Konflikte ist es, die Konfliktenergie zu nutzen, um die Situation in konstruktiver Weise in eine für alle wünschenswerte Zukunft zu transformieren.

Ratschläge geben oder Prozesse begleiten – wie wird interveniert bzw. beraten?

Zivile Konfliktbearbeitung beschreibt nicht-militärische und gewaltarme Umgangsweisen mit Konflikten und umfasst sowohl die Austragung durch die Konfliktparteien selbst als auch Interventionen Dritter (Schweitzer 2004, S. 510). In der eigenen Austragung von Konflikten sind Akteure immer parteilich, bei externen Interventionen sind sowohl parteiliche als auch unparteiliche Einmischungen möglich.

Bei Interventionen lassen sich viele verschiedene Konfliktbearbeitungsansätze unterscheiden, die sich in manchen Bereichen schon fest etabliert haben. Die Vielfalt der Interventionen lässt sich z.B. gut am Grad der Selbstbestimmung einordnen, der den Konfliktparteien innerhalb dieser Verfahren verbleibt. In einem Gerichtsprozess geben die Parteien die Entscheidungsgewalt an die/den Richter*in ab, bei Schiedsverfahren zum Teil ebenfalls. Bei Schlichtungen behalten sie mehr Befugnisse, und bei Mediation, Moderation und Aushandlung unter den Augen Dritter können sie besonders viel selbst bestimmen, sowohl was das Ergebnis als auch was die Gestaltung der Rollen oder des Prozesses angeht (Glasl 2011, S. 445). Wird der Blick auf die Drittpartei und ihr Handeln in der Intervention gelegt, können die Vorgehensweisen ebenfalls auf einer Skala angeordnet werden, nämlich von direktiv bis nicht-direktiv. So interveniert eine Drittpartei durch die Beobachtung eines Verfahrens sehr viel weniger direktiv als sie es beispielsweise in einem Training oder in der Anwaltschaft tut.

Auch in der Beratungswissenschaft wird zwischen verschiedenen Beratungsformaten unterschieden. Im Alltag wird Beratung vor allem als Ratschlag-Geben verstanden. Im professionellen Sinne verbirgt sich jedoch viel mehr hinter dem Begriff. So will Beratung Entwicklungsprozesse unterstützen und Hilfe zur Selbsthilfe sein, indem sie Klient*innen eine Orientierungs-, Planungs-, Entscheidungs- und Bewältigungshilfe bietet (Schnoor 2006, S. 7). Durch die Beratung soll die Handlungssicherheit der Klient*innen zur Bewältigung aktueller Krisen und Probleme erhöht werden. Dabei gibt es Beratung im informellen, privaten Bereich ebenso wie verschiedene Formen halb-formalisierter und formalisierter Beratung in professionellen Settings, wie in der Sozialen Arbeit oder in expliziten Beratungseinrichtungen. Neben den verschiedenen Beratungsansätzen und Schulen, wie der psychodynamischen, behavioristischen, systemischen oder humanistisch fundierten Beratung, gibt es auch unterschiedliche Beratungsformate, wie Mentoring, kollegiale Beratung, Mediation, Coaching, Supervision, Organisationentwicklung. Sie legen mit ihrer Art der Intervention je spezifische Schwerpunkte. Zum Teil ist eine externe Beratungsperson, z.B. ein*e Supervisor*in, involviert, zum Teil können die Beratungsformate unter »Peers« oder kollegial, also ohne externe Person, durchgeführt werden.

Zudem wird zwischen zwei Beratungsarten unterschieden: der Expert*innenberatung, bei der vor allem die Wissens- und Informationsvermittlung im Mittelpunkt steht, und der Prozessberatung, in der es u.a. um (Selbst-) Reflexionsprozesse und die Bedeutung des neuen Wissens für den eigenen Lebensweg geht (DGfB 2015). Plakativ gesprochen werden im einen Fall mehr Antworten gegeben und im anderen Fall mehr Fragen gestellt. In der Realität gibt es viele Mischformen dieser Beratung, aber insbesondere professionelle, formalisierte Beratungsarbeit zeichnet sich durch den Fokus auf Reflexivität aus. Ob es sich bei einer Beratung mehr um »Consulting« mit Expert*innenwissen oder um psychosoziales »Counseling« handelt, hängt auch davon ab, ob primär das Ergebnis im Vordergrund steht oder ob es stärker um die Kompetenzentwicklung der beratenen Personen geht (Champion et al. 1990, S. 68). Verschiedene Beratungsformen streben daher verschiedene Zielsetzungen an, bei denen teils der Prozess und teils das Ergebnis stärker betont wird.

Friedens- und Konfliktarbeit als Beratung?

Es zeigen sich also bereits viele Parallelen zwischen den verschiedenen Ansätzen der Konfliktbearbeitung und der Beratung, die alle als Interventionen verstanden werden können, wenn externe Drittparteien hinzugezogen werden.

In der Konflikttransformation werden die Herangehensweisen an Konflikte auch als »vorschreibend« (präskriptiv) oder »hervorlockend« (elicitiv) bezeichnet, je nachdem, ob eher die Ideen der Drittpartei oder die der Konfliktparteien im Vordergrund stehen (Lederach 1995, S. 65).

In einem technokratischen Verständnis von Konflikt mit Fokus auf die Symp­tome (z.B. direkte Gewalt) bedarf es lediglich bestimmter »Tools« und Instrumente, um einen Konflikt zu lösen, und der Blick richtet sich auf das Ergebnis, das Ziel, die Lösung. Die Drittpartei ist als Expert*in dazu da, neue Inhalte und Strategien zu vermitteln, die die Konflikt­akteur*innen übernehmen sollen. Hier zeigt sich die Parallele zur Expert*innenberatung.

Wenn es aber um die Transformation eines Konfliktes geht und nicht nur die Symptome, sondern auch die Ursachen angegangen werden, rücken der Prozess und die Veränderungen, die währenddessen geschehen, in den Blick. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn sich Konfliktparteien in einem Mediationsprozess begegnen, im Gespräch zu Erkenntnissen gelangen und sich ihre Einstellung verändert. Die hervorlockende Art der Konflikttransformation will aus dem bereits vorhandenen Wissen und Können der Akteur*innen schöpfen (Dietrich 2011, S. 18). Die Drittpartei hat dann vor allem die Aufgabe, einen sicheren Rahmen zu schaffen und den Prozess zu begleiten, genau wie es in der Prozessberatung angedacht ist.

Konflikttransformation braucht Selbstreflexion!

Wenn Frieden nicht als fernes Ziel, sondern als ständiger Prozess verstanden wird, dann wird deutlich, dass Friedensarbeit Prozessbegleitung ist und Prozessbegleiter*innen mit entsprechenden Kompetenzen braucht. Die hervorlockende Konflikttransformation erfordert eine grundlegend andere Haltung als das vorschreibende Vorgehen und darauf aufbauend bestimmte Fähigkeiten, die diese begleitende Arbeit ermöglichen. Die klassischen Grundpfeiler aus dem personenzentrierten Ansatz sind auch hier von Bedeutung: Präsenz, Echtheit, Akzeptanz und Empathie (Rogers 1981). Wenn die Drittpartei authentisch ist, ihr Gegenüber anerkennt und wertschätzt und sich zudem einfühlen kann, dann wirkt sie schon durch ihre Anwesenheit. In der hervorlockenden Konflikttransformation werden außerdem Aufmerksamkeit für sich und die Mitwelt, Balance zwischen Mitgefühl und Selbstschutz sowie kongruente Kommunikation hervorgehoben, die für Friedensarbeiter*innen zentrale Prinzipien sind (Dietrich 2014, S. 53). Egal welche Fähigkeiten nun besonders in den Mittelpunkt gestellt werden: Deutlich wird, dass diese Formen der Begleitung und Beratung die Fähigkeit zur Reflexion und besonders der Selbstreflexion benötigen, um sich die eigene Haltung und die eigenen Fähigkeiten überhaupt bewusst machen und dann daran und damit arbeiten zu können.

Für diese Selbstreflexivität braucht es Räume, Möglichkeiten und Anregungen. Daher sind auch die Beratung und Begleitung von Friedens- und Konfliktarbeiter*innen und die Schaffung solcher reflexiver Räume von enormer Bedeutung für die Konflikttransformation – nicht nur zur Prävention von Burnout und anderen Risiken der Arbeit, sondern deshalb, weil die Reflexion als wichtiger Bestandteil der Arbeit verstanden wird, die die Professionalisierung von Friedens- und Konfliktarbeit stärkt und eine Friedensprozessbegleitung erst möglich macht.

Anmerkung

1) Natürlich werden die Begriffe unterschiedlich verwendet und decken sich nicht immer mit den genannten Konfliktverständnissen, dennoch geben die sprachlichen Bilder wertvolle Hin­weise.

Literatur

Champion, D.P.; Kiel, D.H.; McLendon, J.A. (1990): Choosing a consulting role. Training and Development Journal, Vol. 44, No. 2, S. 66-69.

Deutsche Gesellschaft für Beratung/DGfB (2015): Beratung in der reflexiven Gesellschaft. Köln: DGfB, Positionspapier; dachverband-beratung.de.

Dietrich, W. (2014): A Brief Introduction to Transrational Peace Research and Elicitive Conflict Transformation. Journal of Conflictology, Vol. 5. No. 2, S. 48-57.

Dietrich, W. (2011): Variationen über die vielen Frieden. Band 2: Elicitive Konflikttransformation und die transrationale Wende der Friedenspolitik. Wiesbaden: Springer VS.

Glasl, F. (2011): Konfliktmanagement – Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater. Bern: Haupt.

Lederach, J.P. (2003): Little Book of Conflict Transformation – Clear Articulation Of The Guiding Principles By A Pioneer In The Field. Intercourse, PA: Good Books.

Lederach, J.P. (1995): Preparing for Peace – Conflict Transformation across Cultures. Syracuse, N.Y.: Syracus University Press.

Rogers, C.R. (1981): Der neue Mensch. Stuttgart: Klett-Cotta.

Schnoor, H. (Hrsg.) (2006): Psychosoziale Beratung in der Sozial- und Rehabilitationspädagogik. Stuttgart: Kohlhammer.

Schweitzer, C. (2004): Zivile Interventionen. In: Sommer, G; Fuchs, A. (Hrsg.): Krieg und Frieden – Handbuch der Konflikt- und Friedenspsychologie. Weinheim: Beltz, S. 508-521.

Daniela Pastoors ist Friedens- und Konfliktforscherin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Erziehungswissenschaft in Marburg, lehrt im Bereich Konflikttransformation und Gewaltfreie Kommunikation und promoviert zur Begleitung und Beratung von Fachkräften im Zivilen Friedensdienst.

Ålands Autonomie


Ålands Autonomie

Implikationen für eine friedliche Bearbeitung ethnischer Konflikte

von Felix Schulte

Das Åland-Archipel, gelegen inmitten des Bottnischen Meerbusens, gehört zu den reichsten Regionen in Europa, ist fester Bestandteil regionaler Kooperationsnetzwerke und strengt sich an, ein ebensolcher im Institutionengeflecht der Europäischen Union zu sein. Das Autonomiestatut von 1920/21 machte Åland zu einem Friedensprojekt sondergleichen. Dabei standen die Vorzeichen in der Geburtsstunde des finnischen Nationalstaates alles andere als günstig: Auf dem Festland tobte ein Bürgerkrieg, Nationalisten machten ihren Anspruch auf die Inselgruppe geltend, und die Åländer*innen selbst forderten die Wiedervereinigung mit ihrem Mutterland Schweden. Ähnliche Ausgangslagen führten vielerorts zu langen und blutigen Bürgerkriegen. Welche Lehren lassen sich also aus der Beschäftigung mit Åland, diesem Musterbeispiel ethnischer Konfliktregulierung, ziehen?

Der zentralen Lage inmitten der Ostsee ist es geschuldet, dass die Åland-Inseln das geopolitische Interesse der mächtigen Anrainerstaaten tangierten.

Im 12. Jahrhundert wurde Åland Teil des neugegründeten schwedischen Reiches, das sich auch über das heutige Finnland erstreckte. Mit der Niederlage im Großen Nordischen Krieg von 1721 verlor Schweden seine Vormachtstellung im Norden Europas. Åland fiel 1714 unter russische Besatzung. Zwar wurden die Inseln mit den Verträgen von Nystadt (1721) und Åbo (1743) kurzzeitig wieder an Schweden zurückgegeben, doch im Zuge der napoleonischen Koalitionskriege verbündete sich das Zarenreich unter Alexander I. mit Frankreich gegen Großbritannien und das mit diesem verbündeten Schweden. Im Jahr 1809 musste das schwedische Reich schließlich ganz Finnland mitsamt den Åland-Inseln an Russland abtreten. Nach über 650 Jahren endete die schwedische Periode.

In der russischen Periode wurden die Inseln zu einem wichtigen Glied der Landes-Verteidigungslinie. Der für den neuen Zentralstaat Russland verlustreiche Krimkrieg, in dessen Verlauf die Inseln durch alliierte Truppen erobert wurden, endete 1856 mit einer Demilitarisierung der Inseln. Der Erste Weltkrieg ließ die Vereinbarung allerdings zur Makulatur verkommen. Noch während der Krieg tobte, begann die russische Februarrevolution. Diese führte im Großherzogtum Finnland zu turbulenten Entwicklungen und leitete schließlich die Unabhängigkeitsbewegung ein. Am 6. Dezember 1917 erklärte das finnische Parlament die Unabhängigkeit. Für Åland begann die finnische Periode.

Der erneute, nun im nationalistischen Gewand daherkommende, Fahnenwechsel ließ die Åländer um ihre schwedische Sprache und Kultur fürchten. Es entstand eine Bewegung für die Wiedervereinigung mit dem Mutterland Schweden. Der Patronagestaat betrachtete die knapp vor der eigenen Küste liegenden Inseln in ausländischer Hand als Sicherheitsrisiko und verlangte, sich auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker berufend, die Angliederung der Inseln. In einem selbst initiierten Referendum stimmte eine große Mehrheit der Åländer*innen für eine Wiedervereinigung (Eriksson, Johannson, Sundback 2006). Als während des finnischen Bürgerkriegs Schweden Truppen zum Schutz der åländischen Bevölkerung entsandte und die Anführer der »Åland-Bewegung« des Hochverrats beschuldigt wurden, standen die Ostseeanrainer kurz vor einem zwischenstaatlichen Krieg.

Finnland beharrte auf seiner territorialen Integrität und staatlichen Souveränität. Schweden versuchte vergeblich, den Konflikt auf die Tagesordnung der Pariser Nachkriegskonferenz zu bringen, um ihn, ähnlich wie die Schleswig-Frage, durch eine Volksabstimmung zu eigenen Gunsten zu entscheiden. Im Alleingang beschloss das finnische Parlament im Mai 1920 ein erstes Autonomiegesetz, das auf den Widerwillen der Åländer*innen stieß, die ihre Sezessionsbestrebungen forcierten. Eine weitere Konflikteskalation wurde durch britische Vermittlungsbemühungen verhindert, die zu einem weltpolitischen Novum führten: Der Völkerbund sollte die Minderheitenfrage entscheiden. Dieser fällte im Juni 1921 die Entscheidung: Åland bleibt integraler Bestandteil Finnlands. Gleichzeitig musste der Zentralstaat den Inseln weitreichende Autonomierechte gewähren. Zudem blieben die Inseln demilitarisiert und erhielten neutralen Status (Suksi 2011).

Åland ist heute das weltweit einzige Gebiet, das demilitarisiert, neutral und autonom zugleich ist. Das »Åland Agreement« vom 27. Juni 1921 besiegelte den Sonderstatus, der Eingang in das finnische Rechtssystem fand und bislang zwei größeren Reformen unterzogen wurde. Da der Autonomiestatus seitdem unterbrochen besteht, hat Åland zugleich die älteste Territorialautonomie der Welt. Das Autonomiemodell stellte sich als Kompromiss zwischen dem Souveränitätsanspruch Finnlands, den machtpolitischen Forderungen des schwedischen Patronagestaats und der kulturellen Identität der lokalen Bevölkerung dar. Die für die asymmetrische Akteurskonstellation passgenaue Lösung wurde von allen Seiten akzeptiert. Zwar taten sich die Åländer, die in den Verhandlungen ohne Stimme geblieben waren, lange Zeit schwer mit dieser Lösung. Der organisierte Widerstand wurde jedoch schnell zum stillen Protest, der peu à peu in Akzeptanz überging (Ackrén 2011; Åkermark 2013). Heute sind die Åländer stolz auf »ihren«» Sonderstatus.

Aus der historisch-retrospektiven Betrachtung erscheinen drei Bedingungen besonders günstig für die gefundende Regelung gewesen zu sein:

  • Aufgrund des kompromissbereiten Verhaltens der Konfliktparteien eskalierte der Konflikt nicht. Dies ermöglichte eine rasche Versöhnung.
  • Externe Akteure traten als Vermittler auf. Im Rahmen einer Schlichtung wurde die Konfliktdynamik durchbrochen.
  • Der Zentralstaat entwickelte sich rasch zu einem demokratischen Rechtsstaat, der die åländische Selbstregierung akzeptierte und förderte.

Kurzprofil der åländischen Autonomie

Mit dem Autonomiestatut wurde Åland ein nicht einseitig kündbarer Sonderstatus zuteil, der exekutive Gesetzgebungskompetenzen beinhaltet. Damit sind die Kriterien einer Territorialautonomie erfüllt. Åland hat eigene, vom finnischen Staat unabhängige Institutionen. Das Parlament (lagting) besteht aus 30 Abgeordneten, die alle vier Jahre nach Verhältniswahlrecht gewählt werden. Aus der Legislative geht eine fünf bis achtköpfige Regierung hervor. Ein Gouverneur vertritt den finnischen Staat im politischen System. Dieser wird vom Staatspräsidenten in Abstimmung mit dem Regionalparlament ernannt. Er sitzt der »Åland Delegation« vor, die aus je zwei Vertretern der finnischen Regierung und des åländischen Parlaments zusammengesetzt ist. Die Delegation fungiert als Vermittlungsinstanz und Streitschlichtungsgremium zwischen den Entitäten.

Åland bildet bei nationalen Wahlen einen eigenen Wahlkreis und entsendet einen Abgeordneten, der sich unabhängig von seiner Parteizugehörigkeit traditionell der Schwedischen Volkspartei, dem Sprachrohr der schwedischen Minderheit auf dem Festland, anschließt. Die Gesetzgebungskompetenzen Ålands sind exklusiv und im Autonomievergleich äußerst weitreichend. Die regionale Legislative kann grundsätzlich in allen Bereichen gesetzgebend tätig werden, die nicht ausdrücklich dem finnischen Staat vorbehalten sind (siehe Tab. 1). Der Staatspräsident besitzt ein Vetorecht und kann im Falle einer Kompetenzüberschreitung nach einer Stellungnahme des Obersten Gerichtes eine Gesetzesvorlage der Autonomie ablehnen.

Ausschließliche ­Gesetzgebungsbereiche Ålands

Ausschließliche ­Gesetzgebungsbereiche ­Finnlands

• Bildung, Kultur, Denkmalpflege

• Gesundheits- und Sozialwesen

• Öffentliche Ordnung und Sicherheit

• Wirtschaftsförderung, Umweltschutz

• Kommunalrecht und –steuern

• Miet- und Pachtregelungen

• Postdienst

• Rundfunk und Fernsehen

• Handelsschifffahrt

• Land- und Forstwirtschaft, Fischerei

• Verfassungsrecht

• Außen- und Sicherheitspolitik

• Das zentrale Banken- und Gerichtswesen

• Ein Großteil des Zivil- und Arbeitsrechts

• Steuerpolitik

Tabelle 1: Kompetenzen Ålands und Finnlands im Vergleich (Finnisches Parlament 1991/2004)

Zur Erfüllung seiner Aufgaben erhält Åland eine jährliche Transferzahlung in Höhe von 0,45 Prozent der staatlichen Einnahmen und erhebt regionale Steuern (Gamper und Pan 2008, S. 148). Das für Åland ausreichende, für Finnland gleichzeitig kaum belastende Finanzierungssystem ist das Rückgrat der insularen Selbstregierung und Nährboden der stabilen Wirtschaft und des hohen Lebensstandards.

Zwar obliegt dem Zentralstaat die Außenpolitik, doch agiert auch die autonome Regierung auf internationaler Ebene. Seit 1970 entsendet Åland zwei Delegierte in den Nordischen Rat. Åland ist Mitglied der Ostseeparlamentarierkonferenz und Teil der finnischen Vertretung in Brüssel. Ein weiteres Lagting-Mitglied vertritt die Autonomie im Ausschuss der Regionen. Das Autonomiestatut verlangt die Zustimmung der autonomen Regierung, falls ein internationales Abkommen die regionalen Kompetenzen berührt. Dies setzte die Zustimmung Ålands zum EU-Beitritt Finnlands voraus, die in einem Zusatzprotokoll mit einigen Sonderregelungen resultierte.1

Fundament der Autonomie ist der Schutz der kulturellen Identität. Während in Finnland Finnisch und Schwedisch offizielle Amtssprachen sind, gilt auf Åland nur Schwedisch als Behördensprache. Der wichtigste Grundpfeiler des Minderheitenschutzes ist das Konzept der Regionalbürgerschaft (hembygdsrätt), das die Inseln vor einer »Finnisierung« schützen und den Sonderstatus garantieren soll. Die Regionalbürgerschaft ist Voraussetzung, um auf Åland politische Rechte auszuüben, Liegenschaften zu erwerben oder ein Gewerbe zu betreiben. Sie steht finnischen Staatsangehörigen zu, die in einem Test ausreichende Schwedisch-Kenntnisse und eine fünfjährige Wohndauer auf Åland vorweisen können oder ein Elternteil mit Regionalbürgerschaft haben. Auch sind die Åländer auf ihrem demilitarisierten Gebiet von der Wehrpflicht befreit.

Auch für diese Regelungen lassen sich günstige Bedingungen ableiten:

  • ein hoher Grad an Autonomie, der über eine ausreichende Finanzierung dem Verlangen nach kultureller Selbstbestimmung Rechnung trägt;
  • eine internationale Einbindung der Autonomie, die für eine Manifestation des Sonderstatus sorgt.

Übertragbarkeit auf andere Autonomiesysteme

Sind diese Rahmenbedingungen generell positive Einflussfaktoren für die Regulierung ethnischer Problemlagen durch Autonomiesysteme? Eine Analyse sämtlicher konfliktregulierender Autonomiesysteme liefert Antworten.

Ein Autonomiesystem gilt als erfolgreich, wenn der ethnische Konflikt auf dem entsprechenden Territorium friedlich beigelegt wurde und die Autonomieinstitutionen eine Lebensdauer von mindestens fünf Jahren aufweisen. Es finden sich weltweit 19 vergleichbare Arrangements, von denen zehn als erfolgreich eingeordnet werden können (siehe Tab. 2).

Geringes ­Konfliktniveau 1

Externe Akteure 2

Demokratischer Rechtsstaat 3

Hoher ­Autonomiegrad 4

Internationale ­Einbindung 5

Erfolg

Aceh

Nein

Ja

Nein

Ja

Ja

Erfolgreich

Åland

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Erfolgreich

Atlantikregionen

Nein

Ja

Nein

Nein

Nein

Gescheitert

Baskenland

Nein

Nein

Ja

Ja

Ja

Erfolgreich

Bodoland

Nein

Nein

Ja

Nein

Nein

Gescheitert

Bougainville

Nein

Ja

Nein

Ja

Nein

Erfolgreich

Chittagong

Nein

Nein

Nein

Nein

Nein

Gescheitert

Gagausien

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Erfolgreich

Gilgit-Baltistan

Nein

Nein

Nein

Nein

Nein

Gescheitert

Guna Yala

Ja

Ja

Ja

Nein

Nein

Erfolgreich

Jammu Kaschmir

Nein

Nein

Ja

Nein

Nein

Gescheitert

Katalonien

Ja

Nein

Ja

Ja

Ja

Erfolgreich

Korsika

Nein

Nein

Ja

Nein

Ja

Erfolgreich

Kurdistan

Nein

Nein

Nein

Ja

Ja

Gescheitert

Mindanao

Nein

Ja

Nein

Nein

Nein

Gescheitert

Neukaledonien

Nein

Nein

Ja

Ja

Ja

Erfolgreich

Nordirland

Nein

Ja

Ja

Ja

Ja

Gescheiter

Sansibar

Nein

Nein

Nein

Ja

Ja

Gescheitert

Südtirol

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Erfolgreich

Tabelle 2: Abgleich Autonomiefälle mit abgeleiteten Erfolgsbedingungen

Anmerkungen

1) Der Konflikt war vor Einrichtung der Autonomie nicht gewaltsam (HIIK 2016).

2) Internationale Organisationen waren an den Friedensverhandlungen direkt beteiligt.

3) Die Autonomie wurde in einem demokratischen (bzw. sich rasch demokratisierenden) Staat eingerichtet (V-Dem Institute 2016; World Justice Project 2016).

4) Es wurden vergleichsweise weitgehende Kompetenzen übertragen (Schulte 2017).

5) Die Autonomie wurde in regionale/internationale Organisationen/Kooperationen aufgenommen.

Besonders erfolgsversprechend erscheint die Kombination aus geringem Konfliktniveau, hohem Autonomiegrad und einer raschen internationalen Einbindung zu sein. Einen ähnlichen Weg wie Åland beschritten auch Guna Yala (Panama), Gagausien (Moldawien) und Südtirol (Italien). In all diesen Fällen führte nach einem Konflikt geringer Intensität ein hoher Autonomiegrad, der mit externer Hilfe implementiert wurde, in einem demokratischen Umfeld zu einem erfolgreichen ethnischen Regulierungsmodell. Die Hilfe externer Akteure erscheint nicht notwendig, wenn ein demokratischer Rechtsstaat besteht und die Autonomie rasch internationale Anerkennung findet. Dies trifft für die spanischen (Katalonien, Baskenland) und französischen (Korsika, Neukaledonien) autonomen Regionen zu, deren Vorgeschichten (mit Ausnahme Kataloniens) weitaus blutiger verlief. Die Fälle Bougainville (Papua-Neuguinea) und Aceh (Indonesien) weisen darauf hin, dass Autonomien auch nach höchst gewaltsamen Bürgerkriegen funktionieren können. Die Hilfe externer Akteure und die Übertragung weitreichender Kompetenzen scheint auszureichen, selbst wenn keine konsolidierte Demokratie vorliegt.

Ein Blick auf die gescheiterten Fälle macht deutlich, dass ein hohes Konfliktniveau dann die Achillesferse der Konfliktregulierung ist, wenn keine der anderen Rahmenbedingungen positiv wirken kann. Allen gescheiterten Autonomien ging ein Gewaltkonflikt voraus.

Der Globalvergleich macht deutlich, dass aus dem Fall Åland drei Lehren zu ziehen sind:

1. Im Falle asymmetrisch-ethnischer Konfliktlagen, die einer Autonomielösung zugänglich sind, muss das Autonomieangebot frühzeitig erfolgen. Beinhaltet dieses ausreichende Selbstregierungskompetenzen und wird die Autonomie im Rahmen einer Aufnahme in internationale Netzwerke schnell durch externe Akteure anerkannt, so hat die Autonomie gute Erfolgschancen.

2. Bei bereits eskalierten Konflikten erscheint neben einem hohen Autonomiegrad auch die Hilfe externer Akteure notwendig zu sein. Dies sind Stellschrauben, an denen relativ einfach anzusetzen ist.

3. Ein demokratisch- rechtsstaatliches Umfeld und die internationale Integration der Autonomie lassen sich als positiv wirkende Rahmenbedingungen begreifen, die stabilisierend wirken.

Åland ist ein Paradebeispiel, das sich zu studieren lohnt. Mut macht, dass Autonomielösungen zur Herstellung einer friedlichen Koexistenz nicht alle identifizierten Voraussetzungen benötigen zu scheinen. Sie sind allerdings, das zeigen aktuelle Entwicklungen in Katalonien und Irakisch-Kurdistan, auch kein Patentrezept. Angesichts von über hundert Autonomie- und Sezessionskonflikten weltweit (HIIK 2016) scheint das Studium erfolgreicher und gescheiterter Maßnahmen im Sinne der Friedensförderung allemal geboten.

Anmerkung

1) Einige EU-Bestimmungen, wie z.B. die Zollunion (Steuerharmonisierung, Heimatrecht), haben für Åland keine Geltung. Es besteht eine Steuergrenze zwischen Åland und dem Rest der EU.

Literatur

Ackrén, M. (2011): Successful Examples of Minority Governance – The Cases of the Aland Islands and South Tyrol. Report from the Aland Islands Peace Institute, Nr. 1.

Åkermark, S.S. (2013): Internal Self-Determination and the Role of Territorial Autonomy as a Tool for the Resolution of Ethno-Political Disputes. International Journal on Minority and Group Rights, Vol. 20, Issue 1, S. 5-25.

Gamper, A.; Pan, C. (2008): Volksgruppen und Regionale Selbstverwaltung in Europa. Wien: Nomos.

Eriksson, S.; Johannson, L.I.; Sundback, B. (2006): Islands of Peace – Åland’s Autonomy, Demilitarisation and Neutralisation. Mariehamn: Åland Islands Peace Institute

Finnisches Parlament (1991): Act on the Autonomy of Åland (1991/1144); finlex.fi/fi/laki/kaannokset/1991/en19911144.pdf.

Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung/HIIK (2016): Konfliktbarometer 2016. Heidelberg: HIIK.

Schulte, F. (2017): The more, the better? Assessing the scope of regional autonomy as a key condition of ethnic conflict regulation. International Journal on Minority and Group Rights (im Erscheinen)

Suksi, M. (2011): Sub-State Governance through Territorial Autonomy – A Comparative Study in Constitutional Law of Powers, Procedures and Institutions. Berlin and Heidelberg: Springer.

Varieties of Democracy/V-Dem (2016): V-Dem. Varietes of Democracy. Global Standards, Local Knowledge. v-dem.net/en/.

World Justice Project (2016): WJP Rule of Law Index 2016. Washington, D.C.: The World Justice Project.

Felix Schulte ist Doktorand und Lehrbeauftragter am Institut für Politische Wissenschaft der Universität Heidelberg. Er forscht zu kulturellen Konflikten und Möglichkeiten der institutionellen Konfliktregulierung.

Zivilgesellschaft und Konfliktlösung

Zivilgesellschaft und Konfliktlösung

Überlegungen zum Konzept der Volksdiplomatie

von Cécile Druey

Bewaffnete Konflikte, vor allem diejenigen, die sich über eine lange Zeitperiode erstrecken, werden nicht selten mit dem dramatisch klingenden englischen Beinamen »protracted« oder »verschleppt« beschrieben. Ihnen beizukommen ist besonders schwierig. So wurde in der Friedensarbeit der vergangenen Jahrzehnte ein breites Spektrum an Instrumenten entwickelt, die nachhaltige Rahmenbedingungen dafür schaffen wollen, dass die Gewalt nicht wieder aufflammt. Innerhalb des riesigen Feldes der Friedensförderung konzentriert dieser Beitrag sich auf Mediations- und Dialogprozesse und auf die Rolle der Zivilgesellschaft in diesen – was natürlich nicht heißt, dass dies die einzigen Werkzeuge sind, die zum Aufbau des Friedens benötigt werden.

Eine nützliche Verständnishilfe für den Beitrag von Dialog und Mediation zum Frieden ist das Track- oder Schienen-Modell. Dieses wurde Anfang der 1980er Jahre vom US-Diplomaten Joseph Montville entwickelt und unterscheidet zunächst zwei verschiedene Ebenen oder »Tracks« von Friedensinterventionen: Offizielle bzw. staatlich getriebene Friedensbemühungen finden auf Track 1 statt; die inoffiziellen, nicht-staatlichen bewegen sich auf Track 2 (Montville and Davidson 1981). In den folgenden Jahrzehnten wurde Montvilles Modell um weitere Ebenen der Friedensförderung ergänzt, insbesondere um Track 3, der öfters auch als »Volksdiplomatie« bezeichnet wird.

Ziele, Akteure und methodische Ansätze der verschiedenen Tracks in Mediations- und Dialoginitiativen unterscheiden sich stark. Dennoch sollten sie nicht als Gegensätze zueinander gesehen werden, sondern als einander ergänzend.

Interventionen auf Track 1 sind ein Werkzeug der klassischen Friedensvermittlung, eine „Technik des staatlichen Handelns, [die] im Wesentlichen ein Prozess ist, bei dem die Kommunikation von einer Regierung direkt an den Entscheidungsapparat eines anderen gerichtet ist“ (Said and Lerche 1995, S. 69). Auf dieser Ebene ist die Zivilgesellschaft meist nicht vertreten. Vielmehr werden hier offizielle Vertreter*innen der Konfliktparteien an einen Tisch gebracht, wobei die Treffen in der Regel von externen Mediator*innen einberufen werden, die selber wiederum offiziell handeln, d.h. als Repräsentant*innen eines Staates oder einer multilateralen Organisation. Ziel dieser offiziellen Prozesse ist es, Gewalt zu stoppen und eine Einigung zu spezifischen, für die Konfliktparteien wichtigen Themen zu erzielen, beispielsweise zu Territorialfragen. Idealerweise mündet eine solche Vermittlung in einer offiziellen, für die Parteien rechtlich verbindlichen Vereinbarung.

Offizielle Friedensgespräche, besonders wenn sie ins Stocken geraten, werden nicht selten ergänzt durch informelle, vertrauliche Verhandlungen zwischen einflussreichen Vertreter*innen der Konfliktparteien, die jedoch nicht zwingend selber an offiziellen Gesprächen teilnehmen. Hier kann auch die Zivilgesellschaft vertreten sein. Das Ziel solcher Track-1,5-Aktivitäten ist es, Vertrauen aufzubauen, Antworten auf knifflige Fragen zu finden und Möglichkeiten für Kompromisse auszuloten. Die Verhandlungen sind jedoch weder offiziell noch rechtlich bindend, weshalb die Teilnehmenden auch weniger unter Druck geraten.

Vermittlungsinitiativen auf Track 2 finden parallel zu Regierungsgesprächen statt und wurden von den Vordenkern des Konzepts als inoffizielle, informelle Interaktion zwischen Mitgliedern von Gegnergruppen oder Nationen“ definiert, die beabsichtigen, „Strategien zu entwickeln, die öffentliche Meinung zu beeinflussen und menschliche und materielle Ressourcen in einer Weise zu organisieren, die einer Beilegung des Konflikts förderlich ist“ (Montville 1990, S. 162). Initiativen auf Track 2 bringen zivilgesellschaftliche Führungspersönlichkeiten aus den Konfliktparteien zusammen, wie ehemalige Politiker*innen, religiöse Führungspersönlichkeiten, Künstler*innen, Gelehrte etc. (Herbert Kelman, zitiert in Chigas 2003, S. 5). Vermittlungsprozesse auf Track 2, wie auch auf Track 3, ersetzen die formelleren Kontakte auf Track 1 nicht, sondern ergänzen diese.

Das Konzept der Track 3- oder Volksdiplomatie ist nach und nach als analytisches Konzept entstanden, nachdem die Zivilgesellschaft allmählich als wichtiges, eigenständiges Element der Friedens­förderung in der Forschung Beachtung fand (Paffenholz 2010). Diana Chigas (2003) beschreibt Volks- oder Bürgerdiplomatie als „inoffizielle Bemühungen von Drittparteien und Leuten aus allen Lebensbereichen und -sektoren, um nach Wegen zu suchen, wie Frieden in gewaltsamen Konflikten gefördert werden kann“. Track 3-Aktivitäten werden nicht immer von solchen auf Track 2 unterschieden. Jedoch ist dies in verschiedener Hinsicht sinnvoll.

Erstens unterscheiden sie sich aufgrund ihrer politischen Autorenschaft und der Machtverhältnisse. Track 3-Initiativen sind »von unten« (bottom-up) organisiert, wohingegen Dialoge unter Eliten (Track 2) oft regierungsnah und »von oben« verordnet sind (top-down). Nicht zuletzt aufgrund dieser »bottom-up«-Ausrichtung und ihrer kritischen Haltung der Regierung gegenüber befinden sich Vertreter*innen der Volksdiplomatie vor allem in autoritären und gewaltsamen Konflikt-Kontexten oft in der Opposition zu ihrer eigenen politischen Führung und sind deren Repressionen ausgesetzt. Das heißt, »Volksdiplomat*innen« identifizieren sich oft weniger mit einer bestimmten Konfliktpartei, als vielmehr mit einer grenzübergreifenden Idee oder eine Sache.

Zweitens unterscheidet sich die Volksdiplomatie vom Track 2 in ihren Akteuren. »Grassroots«-Diplomat*innen vertreten nicht die Eliten, sondern »normale« Nichtregierungsorganisationen, religiöse Gruppen, Berufsgattungen etc., die direkt vom Konflikt betroffen sind. Dialoginitiativen auf Track 3 können sehr spezifisch sein, d.h. spezifischen Konfliktfolgen oder Akteuren gewidmet sein. Der Schweizer Diplomat Jean-Nicolas Bitter nennt solche Initiativen der praxisbezogenen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit »Diapraxis«, wobei er gleichzeitig die Wichtigkeit des kontext-spezifischen Handelns herausstreicht: Worte allein reichen nicht aus, um individuelle Beziehungen zu schaffen oder zu transformieren, noch um Brücken zu bauen und zwischengesellschaftliche Konflikte zu transformieren. [] Diapraxis – Dialog durch Praxis – muss man unterschiedlich definieren und anwenden, je nach Konflikt-Kontext, in dem sie angewendet wird.“ (Bitter 2011, S. 65)

Wirkungsmöglichkeiten und Grenzen der einzelnen Tracks

Initiativen auf Track 3 und Track 2 streben in der Regel kein Produkt (z. B. ein Waffenstillstandsabkommen) an, wie dies auf Track 1 der Fall ist. Vielmehr wollen sie auf den Prozess einwirken, der langfristig zum Frieden führen soll. Dies wird in der Fachliteratur auch als »peace constituencies« oder »Friedenskreise« bezeichnet und meint jene den Frieden unterstützenden Haltungen oder Tendenzen in der Gesellschaft, die für eine nachhaltige Stabilisierung und Versöhnung wichtig sind (Kriesberg 2001; Chigas 2003).

Initiativen der Friedensarbeit kommen je nach Track in unterschiedlichen Stadien eines Friedensprozesses zum Einsatz und haben verschiedene Aufgaben. Auf Track 2 und 3 werden beispielsweise Problemlösungs- und Dialog-Workshops durchgeführt, an denen einzelne Vertreter*innen der Konfliktparteien teilnehmen. Diese dienen dem Austausch von Daten, informieren die Parteien über die Ansichten der anderen Seite und helfen, über die Lösung gemeinsamer Probleme nachzudenken, die als Folge des Konflikts entstanden sind (zerstörte Infrastruktur, zerrissene Beziehungsnetze, usw.) (Kelman 1977). Des Weiteren wird in der eigenen Gesellschaft an der öffentlichen Meinung gearbeitet, wobei breitere Teile dazu gebracht werden sollen, „das Gefühl der Opferrolle unter den einzelnen Parteien abzubauen“ und „das Bild vom Feind mit neuer Menschlichkeit zu füllen“ (Montville 1990, S. 163). Schließlich können auf zivilgesellschaftlicher Ebene auch konfliktlinienübergreifende Projekte der praktischen Zusammenarbeit vorangetrieben werden – beispielsweise im Bereich Staatsaufbau oder humanitäre Hilfe.

Offizielle wie auch inoffizielle Vermittlungsbemühungen haben ihren eigenen Wert und können einander nicht ersetzen. Vielmehr sollten die verschiedenen Arten und Tracks als komplementär zueinander angesehen werden: Der Frieden muss aus einer »top-down«-, gleichzeitig aber auch aus einer »bottom-up«-Perspektive aufgebaut werden. Genau das ist aber leider oft nicht gegeben. Akteure der einzelnen Tracks sehen sich als Konkurrent*innen, behindern sich in ihrer Arbeit und/oder spielen sich gegeneinander aus. So besteht beispielsweise für auf Track 3 engagierte Gruppen das Risiko, dass sie aufgrund von Repressionen durch die Regierung, aber auch infolge ihres eigenen Oppositionsdenkens isoliert und in ihrer friedenspolitischen Wirkung marginalisiert werden. Die zivilgesellschaftliche Friedensarbeit braucht Unterstützung aus den höherliegenden Tracks, um ihre Wirkung voll entfalten zu können. Gleichzeitig reichen auf Track 1 verhandelte Abkommen nicht aus, einen dauernden Frieden zu schaffen, weil sie sich oft auf technische und militärische Aspekte konzentrieren und den Konflikt in seiner emotionalen und gesellschaftspolitischen Dimension nicht erfassen. Das heißt, ein auf Regierungsebene vereinbarter »juristischer Frieden« braucht die zivilgesellschaftlichen Tracks, um in die Bevölkerung hineingetragen, mit der Gesellschaft verhandelt und schlussendlich von dieser umgesetzt zu werden. Umso wichtiger ist es, dass die einzelnen Tracks um ihre eigenen Wirkungsmöglichkeiten und Grenzen wissen und die Zusammenarbeit suchen.

Fallstudie post-sowjetischer Raum

Im Süden der ehemaligen Sowjetunion ist die Dichte an »verschleppten« Konflikten besonders groß, wobei sie sich hier noch einen weiteren Beinamen erworben haben, nämlich den der »frozen« oder »eingefrorenen Konflikte«. Neil MacFarlane definiert diese als „Konfliktsituationen, in denen keine aktiven, breiteren Konflikthandlungen stattfinden (obwohl es zu kleiner Gewaltanwendung kommen kann) und es eine dauerhafte, gemeinsam vereinbarte Waffenruhe gibt, aber wo Bemühungen um politische Einigung und Frieden scheitern“ (MacFarlane 2009, S. 23).

Bei den »eingefrorenen« Konflikten des post-sowjetischen Raums ist auf Track 1 zwar ein Friedensabkommen zustande gekommen, das jedoch vor allem die militärische Sicherheit im Auge hat und nicht oder nur ungenügend auf einen Wiederaufbau politischer, sozio-kultureller und wirtschaftlicher Beziehungen zwischen den Konfliktparteien ausgerichtet ist. Im georgisch-abchasischen Konflikt beispielsweise sorgten die Abkommen von Sotschi (1993) und Moskau (1994) zwar für militärische Befriedung und richteten friedenssichernde Missionen ein. Jedoch wurde die Beilegung des Konflikts auf anderen Ebenen ausgeklammert – insbesondere die heikle Frage des politischen Status Abchasiens und die psycho-soziale Aufarbeitung der auf beiden Seiten begangenen Gräueltaten an der Zivilbevölkerung.1 Unter anderem weil den Friedensbemühungen an der zivilgesellschaftlichen Basis zu wenig Raum gegeben wird und die verfeindeten Bevölkerungsgruppen absichtlich immer stärker voneinander isoliert werden, köchelt der Konflikt zwischen Abchas*innen und Georgier*innen seit den 1990er Jahren weiter, je nachdem auf kleinerer oder größerer Flamme (Zemskov-Züge 2016).

Ein anderes Merkmal der »eingefrorenen Konflikte« im post-sowjetischen Raum ist ihre starke Abhängigkeit von den geo-strategischen Interessen der russischen Regierung. Diese Abhängigkeit wird als Druckmittel gegen andere sowjetische Nachfolgestaaten benutzt, um deren wirtschaftliches, ideologisches und sozio-kulturelles Abdriften Richtung Westen zu verhindern. Sehr gut ist dies am jüngsten Beispiel des Donbass-Konflikts zu beobachten, der u.a. deshalb lanciert wurde, damit die pro-europäischen Kräfte, die während des Maidan-Aufstandes die Oberhand hatten, in der Ukraine nicht das letzte Wort haben. Als Resultat dieser Entwicklung macht sich in breiten Teilen des Landes wieder autoritäres Gedankengut breit; ob dieses nun von pro-russischen oder pro-ukrainischen Kräften verbreitet wird, ist zweitrangig.

Die Zivilgesellschaft ist doppelt betroffen von der »Eingefrorenheit« der Konflikte, in denen sie lebt. Einerseits haben diese tiefe sozio-kulturelle Gräben geöffnet und zu einer Radikalisierung der Gesellschaften auf allen Seiten beigetragen; vor diesem Hintergrund sind volksdiplomatische Bemühungen besonders gefordert, weil andere Formen der Friedensbemühungen dieser Art von Konflikt gar nicht beikommen können (Brunova-Kalisetskaya 2015). Andererseits stehen gerade die zivilgesellschaftlichen Akteure aufgrund politischer Radikalisierung, geopolitischer Interessen und zunehmend autoritärer Regierungsformen im post-sowjetischen Raum immer mehr unter Druck; dies führt nicht selten zu einem Angriff der Führungseliten auf inner- und zwischen-gesellschaftliche Formen der Volksdiplomatie als »unpatriotisch« oder sogar »die eigenen Nationalinteressen verratend«, und dient als willkommener Anlass, unerwünschte zivilgesellschaftliche Akteure mundtot zu machen.

Das heißt, in den »eingefrorenen« Konflikten des post-sowjetischen Raums bewegen sich die nach Frieden suchenden Teile der Zivilgesellschaft in einem Teufelskreis. Wohl sind sie dringend gefordert, weil nur sie eine Versöhnung und nachhaltige Stabilisierung der Situation herbeiführen können. Gleichzeitig sind sie aber stark geschwächt und stehen unter Beschuss von innen (nationalistische Radikalisierung) und außen (staatliche Repression), was sie an der Ausübung eben dieser friedensstiftenden Rolle hindert. Ob und wie es der Zivilgesellschaft gelingt, aus diesem Teufelskreis auszubrechen, werden die kommenden Jahre zeigen.

Anmerkung

1) Siehe dazu Wolleh, O. (2017): Der nachhaltige Weg zur Vertrauensbildung – Geschichtsdialog in Georgien, Abchasien und Südossetien, auf S. 21.

Literatur

Bitter, J.N. (2011): Diapraxis in Different Contexts – A Brief Discussion with Rasmussen. Politorbis, Vol. 52, No. 2, S. 65-69.

Brunova-Kalisetskaya, I. (2015): Dialog Ne S Vragom, a S Chelovekom (Dialogue Not with the Enemy, but with Human Beings). Histor!ians, 12.9.2015; historians.in.ua.

Chigas, D. (2003): Track II (Citizen) Diplomacy. Beyond Intractability, August 2003; beyondintractability.org.

Kelman, H. (1977): The Problem-Solving Workshop in Conflict Resolution. In: Berman, M.; Johnson, J.E. (eds.): Unofficial Diplomats. New York: Columbia University Press.

Kriesberg, L. (2001): Mediation and the Transformation of the Israeli-Palestinian Conflict. Journal of Peace Research, Vol 38, No. 3, S. 373-92.

MacFarlane, S. (2009): Frozen Conflicts in the Former Soviet Union – The Case of Georgia/South Ossetia. In: Institute for Peace Research and Security Policy at the University of Hamburg/IFSH (eds.): OSCE Yearbook 2008. Baden-Baden: Nomos, S. 23-34.

Montville, J. (1990): The Arrow and the Olive Branch – A Case for Track Two Diplomacy. In: Volkan, V.; Julius, D.; Montville, J. (eds.): The Psychodynamics of International Relationships. Lexington, Mass: Lexington Books, S. 161-175.

Montville, J.; Davidson, W. (1981): Foreign Policy according to Freud. Foreign Policy, No. 45, S. 145-157.

Paffenholz, T. (ed.) (2010): Civil Society & Peacebuilding – A Critical Assessment. Boulder: Lynne Rienner Publishers.

Said, A.; Lerche, C. (1995): Concepts of International Politics in Global Perspective. New Jersey: Prentice Hall.

Zemskov-Züge, A. (2016): Contrary Memories – Bases, Chances and Constraints of Dealing with the Past in Georgian-Abkhaz Dialogue. Prague: European Consortium for Political Research (ECPR) General Conference, Charles University, Prag, 7-10 September 2016; ecpr.eu.

Cécile Druey lebt als freischaffende Historikerin in Bern (Schweiz) und arbeitet im Bereich der Konflikt- und Friedensforschung, unter anderem für die schweizerische Friedensstiftung swisspeace und die Mobile Akademie für Geschlechterdemokratie und Friedensförderung OWEN in Berlin.

De-facto-Staaten

De-facto-Staaten

Prekäre Staatlichkeit und eingefrorene Konflikte

von David X. Noack

Im Zuge der Nationenbildung seit Ende des 18. Jahrhunderts bildeten sich immer wieder so genannte stabilisierte De-facto-Regime. Sie entstanden vor allem durch den Zerfall größerer Staaten, durch post-koloniale Konflikte und infolge zwischenstaatlicher Auseinandersetzungen. Solche Staaten stehen bis heute im Zentrum eingefrorener Konflikte, weisen nach der Drei-Elemente-Lehre des Staatsrechtlers Georg Jellinek (1851-1911) alle Merkmale eines Staates auf, werden jedoch nicht allgemein international anerkannt. Dieser unklare rechtliche Status verursacht nach wie vor in den De-facto-Staaten selbst, den Mutterstaaten – von denen sich die De-facto-Regime abspalteten – und auch international erhebliche Probleme. Da keine Kampfhandlungen stattfinden, sind die Konflikte aber nicht »heiß«, sondern eingefroren – aber nicht gelöst.

Georg Jellinek schrieb in seinem 1900 erstmals veröffentlichten Werk »Allgemeine Staatslehre«, ein Staat müsse ein Staatsgebiet, ein Staatsvolk und eine Staatsgewalt besitzen (Jellinek 1905). Nach dieser Definition existieren heute neben den 193 Staaten, die Mitglieder der Vereinten Nationen sind, noch mindestens zehn weitere Staaten, die in verschiedenen Abstufungen in die internationale Staatengemeinschaft und Weltökonomie eingebunden sind.1 Diese De-facto-Staaten machen deutlich, dass nicht nur die von Jellinek benannten Elemente (Jellinek‘sche Trias) ein konstituierendes Kennzeichen von Staatlichkeit sein können.

Vertraglich kodifiziert wurde dieser Umstand bei der Siebten Internationalen Konferenz Amerikanischer Staaten. 1933 beschlossen die Abgesandten von 20 Staaten des amerikanischen Doppelkontinents, dass ein weiterer Aspekt hinzukommen müsse: „Der Staat als Subjekt des internationalen Rechts sollte folgende Eigenschaften besitzen: (a) eine ständige Bevölkerung; (b) ein definiertes Staatsgebiet; (c) eine Regierung; und (d) die Fähigkeit, in Beziehung mit anderen Staaten zu treten.“ (Seiler 2005, S. 49, Fn. 354) Was in der »Konvention von Montevideo« noch ziemlich theoretisch klang, stellte sich in den folgenden Jahrzehnten als praktischer Leitfaden heraus: Staaten werden heute in »allgemein anerkannt« und »allgemein nicht anerkannt« unterschieden.

Bei den allgemein nicht anerkannten De-facto-Regimen kommt hinzu, dass sich über kürzere oder längere Zeit ein anderer Staat als Garantiemacht herausschält, der den De-facto-Staat ökonomisch, politisch und militärisch stützt und damit den eingefrorenen Konflikt verstetigt. Der Grad der Patronage dieses Staates ist durchaus unterschiedlich. Dessen unbenommen ist aber festzustellen, dass nahezu alle De-facto-Regime aus kulturellen, politischen und sozioökonomischen Sollbruchstellen hervorgingen, die in den Mutterländern existierten.

Ein kurzer Blick auf die Geschichte

Die Versprechen vom Selbstbestimmungsrecht der Völker von US-Präsident Woodrow Wilson (1856-1924) im Westen und Wladimir Lenin (1870-1924) im Osten führten in den Jahren 1917 bis 1919 zu vielen Staatsgründungen. Die wenigsten konnten sich dauerhaft halten. Auch legten das Staatsoberhaupt der Vereinigten Staaten sowie der russische Revolutionsführer keine klaren Maßstäbe bei dem »Recht auf Unabhängigkeit« an. Während sich die US-Regierung am Ende des Ersten Weltkriegs für die Eigenständigkeit der Tschechoslowakei einsetzte, besetzten US-Truppen die Karibikrepubliken Haiti und Dominikanische Republik (Castor 1974). Auf der anderen Seite akzeptierte die sowjetische Regierung rasch die Unabhängigkeit Finnlands, verleibte sich aber die eigenständigen Kaukasusrepubliken sowie das autonom organisierte Zentralasien ein.

Der Völkerbund wurde nach dem Ersten Weltkrieg 1919 im Kontext des Versailler Vertrags gegründet und schuf auf globaler Ebene erstmals einen Mechanismus, mit welchem die britische und die französische Regierung der internationalen Staatengemeinschaft einen Rahmen geben wollten. Dem Bund gehörte keineswegs die Gesamtheit der damals allgemein anerkannten Staaten an (die Vereinigten Staaten z. B. traten nie bei), er wurde also nicht zur Norm. Überdies entstanden jenseits des Bundes weitere Staaten, die nach modernen Kriterien als De-facto-Regime gelten würden.2

Der Sieg der Alliierten im Zweiten Weltkrieg brachte den Beginn einer von den USA dominierten Weltordnung mit sich. 1945 wurden die Vereinten Nationen (UNO) gegründet, durch welche die internationalen Beziehungen bis heute kanalisiert werden; kurz darauf löste sich der Völkerbund auf. Der endgültige Durchbruch der Vereinten Nationen kam mit dem Ende der Systemkonfrontation 1989-1991. Nicht nur die neu gebildeten Staaten in Osteuropa und Zentralasien, sondern auch diverse Staaten des Pazifiks, die beiden Koreas und westeuropäische Kleinstaaten traten Anfang der 1990er Jahre der Organisation bei. Die neutrale Schweiz folgte sogar erst 2002, womit der letzte damals allgemein anerkannte Staat Mitglied der Vereinten Nationen wurde.

Während seitdem die Vereinten Nationen die Norm darstellen, gibt es weiterhin internationale Beziehungen jenseits dieser Organisation. Der älteste Staat außerhalb des UN-Gefüges ist Taiwan (Republik China). 1971 beschloss die UN-Vollversammlung, nicht länger die Vertreter Taiwans, sondern die der Volksrepublik China anzuerkennen (Resolution 2758). 1979 nahmen die Vereinigten Staaten diplomatische Beziehungen zur Volksrepublik auf, und im gleichen Jahr verabschiedete der US-Kongress den »Taiwan Relations Act«, der die Beziehungen zwischen Washington und Taipeh bis heute regelt. Im selben Jahrzehnt hoben türkische Besatzungstruppen in Nordzypern ein eigenes De-facto-Regime aus der Taufe. Nachdem die Türkei Zypern 1974 völkerrechtswidrig überfallen hatte, besetzte das NATO-Land circa ein Drittel der Insel. Aus den Besatzungsbehörden ging 1983 die Türkische Republik Nordzypern hervor, die bis heute lediglich von einem UN-Mitglied anerkannt wird: der Türkei selbst.

Außerdem entstand in den 1970er Jahren die Demokratische Arabische Republik Sahara (Westsahara). Nachdem die Kolonialmacht Spanien das Gebiet 1975 in die Unabhängigkeit entlassen hatte, marschierten marokkanische Truppen in die Provinz ein und annektierten einen Großteil des Gebiets.3 Mithilfe Algeriens, des traditionellen Konkurrenten Marokkos in der Region, etablierte die sahaurische Befreiungsfront Polisario ein Staatswesen, welches sich bis heute auf die nicht-annektierten Gebiete sowie auf Flüchtlingslager in Algerien konzentriert.

Mit dem Ende des realsozialistischen Blocks 1989-1991 sowie der Desintegration der Sowjetunion, der Tschechoslowakei und Jugoslawiens entstanden nicht nur viele neue allgemein anerkannte Staaten in Europa und Zentralasien, sondern auch einige De-facto-Regime.4 So erklärten beispielsweise Gagausien (Moldau), die Tschetschenische Republik Itschkerien (Russland) und die Republika Srpska (Bosnien-Herzegowina) ihre Unabhängigkeit. Einige dieser für längere Zeit existierenden De-facto-Regime wurden gewaltsam zerschlagen oder in politische Lösungen gezwungen. Mit einer Bombardierungskampagne zwangen beispielsweise die NATO-Regierungen die politische Führung der Republika Srpska 1995 zu einem politischen Kompromiss, und die russische Armee zerschlug Itschkerien im Jahr 1999.

Eines der wenigen Positivbeispiele bei der Bewältigung von Konflikten mit stabilisierten De-facto-Regimen ist Gagausien im Süden der Republik Moldau. Die gagausische politische Führung, welche die Region vier Jahre lang unabhängig von der Zentralregierung kontrolliert hatte, einigte sich mit der moldauischen politischen Führung auf eine Autonomielösung mit weitgehenden politischen und kulturellen Sonderrechten (Chinn and Roper 1998).

Über die inzwischen wieder zerschlagenen De-facto-Staaten hinaus entstanden 1990/1991 noch diverse andere, die sich stabilisieren konnten. Diese reichen von Somaliland am Horn von Afrika bis nach Transnistrien, einem kleinen Landstrich zwischen der Republik Moldau und der Ukraine.

Eigenschaften stabilisierter De-facto-Staaten

Viele Staaten jenseits der Vereinten Nationen beanspruchen zwar alle Eigenschaften der Jellinek‘schen Trias, dennoch stellt sich die Frage, inwieweit bei näherer Betrachtung diese Kriterien – Staatsvolk, Staatsgrenzen und Staatsgewalt – tatsächlich oder in vollem Umfang erfüllt sind.

Die Gründung vieler De-facto-Regime ging mit Vertreibungen einher, so im Zusammenhang mit dem Krieg um Bergkarabach (1989-1994) (zu Bergkarabach siehe den Text von Aser Babajev auf S. 18). Aufgrund der ethnischen Säuberungen leben bis heute 623.000 Flüchtlinge im Mutterland Aserbaidschan. Abchasien hat durch den Unabhängigkeitskrieg gegen Georgien 1992/1993 etwa die Hälfte der Bevölkerung verloren und aus dem Kosovo wurden bereits 1999 circa 100.000 Serben vertrieben (Finn 1999). Es stellt sich also die Frage, ob die vertriebenen Teile der Bevölkerung dem jeweiligen Staatsvolk noch hinzuzählen sind. Ohne diese Frage zu klären, können die eingefrorenen Konflikte nicht gelöst werden.

Bei den meisten De-facto-Regimen ist auch das Staatsgebiet nicht gesichert. So beansprucht die Regierung Westsaharas das gesamte von Marokko annektierte Gebiet, kontrolliert aber nur einen Bruchteil davon. Die kosovarische Regierung wiederum beansprucht das gesamte Gebiet der einstigen jugoslawischen autonomen Provinz Kosovo und Metochien, kontrolliert aber nicht den mehrheitlich serbisch besiedelten Norden.

Der dritte Aspekt ist die Staatsgewalt – der Faktor, der sich am schwersten messen lässt. Die De-facto-Regime beanspruchen zwar die Kontrolle über ihr jeweiliges Land. Einschränkungen werden jedoch im Kosovo und in Nordzypern besonders deutlich – beide sind von NATO-Streitmächten besetzt. Auch in den Gebieten weiterer De-facto-Regime gibt es Stützpunkte und Truppen anderer Länder, wie russische Truppen in Abchasien, Südossetien und Transnistrien oder armenische Soldaten in Bergkarabach.

Da alle der De-facto-Regime Patronagestaaten haben, die ihre Unabhängigkeit garantieren, stellt sich immer die Frage, welchen Einfluss diese »großen Brüder« haben. So kann Abchasien, dessen Armee­chef ein von Russland eingesetzter russischer Militär ist, schwerlich als unabhängig gelten. Auf der anderen Seite prägen diverse bilaterale Streitfragen die Beziehungen zwischen der russischen und der abchasischen Regierung, und sowohl die strategische Elite als auch weite Teile der Bevölkerung Abchasiens orientieren sich auf Unabhängigkeit (Frear 2014, S. 7).

In Bergkarabach, im Kosovo und in Südossetien ist dies anders, dort gibt es starke irredentistische Bewegungen, d.h. große Teile der Bevölkerungen und teilweise auch die Regierungen dieser Länder streben einen Beitritt zum Patronagestaat an – und somit die Auflösung des eigenen De-facto-Staats.

Die Frage der Souveränität stellt sich auch in der wirtschaftlichen Sphäre. So hat das Kosovo kaum eine eigene Wirtschaftspolitik. Noch unter UN-Verwaltung (1999-2008) legte die UNMIK die Grundsteine für die heutige kosovarische Volkswirtschaft. Bereits im ersten Jahr der UN-Verwaltung des Gebiets führten die Behörden die Deutsche Mark als offizielle Währung ein.5 Außerdem begannen die – vor allem westlichen – Verwalter im Jahr 2002 mit der Privatisierung des öffentlichen Eigentums. Bis dahin war ein Großteil der Wirtschaft in öffentlicher Hand gewesen (Knudsen 2013, S. 292-294). Zusätzlich trat das 2008 unabhängig erklärte Land – obwohl damals nur von einem Bruchteil aller UN-Mitglieder anerkannt – im Jahr 2009 dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank bei, was die Grundlage für eine dauerhaft institutionalisierte neoliberale Wirtschaftspolitik schuf.6 Das Kosovo sollte zu einem Vorbild eines »(neo-) liberalen Friedens« werden. Heute ist es das Armenhaus Europas (Reljic 2015).

Auch die Art der Volkswirtschaften der Nicht-UN-Länder ist höchst unterschiedlich. So ist Taiwan ein Land des globalen ökonomischen Zentrums mit einem hohen Lebensstandard.7 Transnistrien und Nordzypern sind semi-periphere Länder, die auf der einen Seite ein gewisses Industriepotenzial haben, auf der anderen Seite zu einem Großteil vom Export landwirtschaftlicher Güter (Nordzypern) bzw. dem Handel (Transnistrien) abhängen. Die meisten der stabilisierten De-facto-Regime sind jedoch nur peripher in den Welthandel integriert und exportieren ausschließlich Rohstoffe und landwirtschaftliche Güter. Im Falle Südossetiens und Westsaharas kann man kaum von einer Wirtschaft sprechen: In der von Wüsten geprägten Westsahara leben nur einige Nomadenstämme, und in Südossetien ist der zu circa 90 % mit russischen Budgethilfen finanzierte Staat der wichtigste Arbeitgeber (Gordijenko 2016).

Aufgrund der komplizierten rechtlichen Lage sind viele internationale Organisationen in den meisten De-facto-Staaten nicht präsent. Diese erhalten auch wenig Entwicklungshilfe, und internationale Konzerne investieren selten bis gar nicht in diese Volkswirtschaften. Teilweise verhängten die Mutterstaaten eine Wirtschaftsblockade über die De-facto-Regime, so Georgien gegenüber Abchasien und Südossetien oder die Ukraine gegenüber Donezk und Lugansk. Eine Ausnahme ist der Fall Transnistrien: Dort ist international vertraglich abgesichert, dass der De-facto-Staat Handel betreiben darf (Noack 2017, S. 18).

Nach der Konvention von Montevideo ist die Fähigkeit, mit anderen Staaten diplomatische Beziehungen einzugehen, ein Faktor für Staatlichkeit. Alle De-facto-Staaten pflegen diplomatische Beziehungen. Die Anzahl der UN-Staaten, welche sie anerkennen, ist hingegen höchst unterschiedlich. So wird Kosovo von 115 Staaten anerkannt, Westsahara von 84, Taiwan von 20 und Somaliland, Bergkarabach und Transnistrien von keinem.

Trotzdem pflegen die De-facto-Regime aktive Außenbeziehungen mit UN-Staaten. Taiwan beispielsweise hat über 50 inoffizielle Vertretungsbüros. Staaten wie Abchasien und Bergkarabach setzen stark auf Nichtregierungsorganisation und die tscherkessische bzw. armenische Diaspora (Frear 2014). Darüber hinaus spielen private Firmen eine Rolle in der Vertretung Abchasiens und Taiwans auf der internationalen Ebene, und gemeinnützige Organisationen helfen den Regierungen Somalilands und Westsaharas. Über all diese Kanäle sowie aktive Internetpräsenzen, Sportveranstaltungen und Städtepartnerschaften haben viele der De-facto-Regime in den vergangenen Jahrzehnten eine äußerst aktive Außenpolitik jenseits der Vereinten Nationen etabliert (Kosienkowski 2012; Frear 2014).8

Probleme stabilisierter De-facto-Regime

Das Hauptproblem stabilisierter De-facto-Regime ist der nicht endgültig geklärte Zustand. So tendieren Regierungen der Mutterstaaten immer wieder dazu, den völkerrechtlichen Schwebezustand durch Gewalt zu lösen. Ein solcher Versuch war der Angriff der georgischen Armee auf Südossetien im Jahr 2008, ein ähnlicher Versuch der Vier-Tage-Krieg Aserbaidschans gegen Bergkarabach im Frühjahr 2016 (Noack 2016). Diese Beispiele zeigen ebenso, dass bei einem Krieg zwischen einem teilweise anerkannten Staat und dem Mutterstaat auch der Patronagestaat in den Krieg hineingezogen werden kann. Doch auch die Regierungen der De-facto-Staaten neigen in einigen Fällen dazu, den militärischen Druck gegenüber ihren Mutterstaaten aufrecht zu erhalten, um ihren Anspruch auf Gebiete deutlich zu machen. Letzteres kann man etwa in Westsahara sehen.

Ein weiteres Problem sind die internationale Rüstungskontrolle und die Verhinderung der Verbreitung von atomaren, biologischen und chemischen Waffen. Die De-facto-Regime können nicht in internationale Rüstungskon­trollregime eingeschlossen werden. Im Falle Taiwans übernehmen die USA als Garantiemacht die Gewährleistung des atomwaffenfreien Status.9 Für die anderen De-facto-Regime gibt es keine vergleichbaren Regelungen. Immerhin: Selbst als Abchasien noch zu keinem international allgemein anerkannten Staat diplomatische Beziehungen unterhielt, besuchten Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA das Physikalisch-Technische Institut in der abchasischen Hauptstadt Suchum (NTI 2005). Dort hatten Wissenschaftler in den 1950er Jahren Teile der sowjetischen Atombomben gebaut.

Darüber hinaus führt die fehlende Anerkennung auf der Mikroebene dazu, dass die Bevölkerung nur eingeschränkt reisen kann, da ihre Pässe in vielen Ländern nicht anerkannt werden. Deshalb besitzen viele Menschen neben den Pässen der De-facto-Regime zusätzlich andere Pässe, zum Beispiel der Patronage-Staaten.

Ansätze zur Konfliktlösung und Zukunftsaussichten

Von allen eingefrorenen Konflikten um De-facto-Regime scheinen Transnistrien und Nordzypern einer Konfliktlösung am nächsten. Die unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen und der OSZE geführten Verhandlungen standen bereits öfter vor einem Durchbruch und somit der Möglichkeit, die Konflikte »aufzutauen«, scheiterten letztlich aber doch. Bei vielen De-facto-Regimen stellen sich Fragen der Reintegration der Bevölkerung, was die Frage einschließt, wie Vertriebene entschädigt werden sollen. Andererseits geht es darum, wie die rechtlichen und wirtschaftlichen Sonderentwicklungen harmonisiert werden können. Die Volkswirtschaften der De-facto-Regime entwickeln sich teilweise seit Jahrzehnten unabhängig von den Mutterstaaten, was auch in dieser Hinsicht eine Reintegration nicht ohne Weiteres möglich macht.

Das Beispiel Gagausien im Süden der Republik Moldau kann hinsichtlich einer politischen Lösung ein Vorbild sein: Die Region hat heute eine weitgehende kulturelle Autonomie mit wirtschaftlichen Sonderrechten. Die abgespaltene Provinz war damals – und ist es bis heute – vor allem landwirtschaftlich geprägt, weshalb dort die Harmonisierung der wirtschaftlichen Separatentwicklung verhältnismäßig einfach war.

Das Scheitern der Nordzypern-Verhandlungen im Sommer 2017 zeigt jedoch, dass es bei einem eingefrorenen Konflikt nicht nur vonnöten ist, die Interessen der De-facto-Regime sowie der Mutterländer zu harmonisieren, sondern dass alle involvierten Mächte ein Interesse an der Lösung des Konfliktes haben müssen. Die Gespräche zu Nordzypern schlugen unter anderen wegen der militärischen Ansprüche der türkischen Regierung fehl (Aswestopoulos 2017). Aufgrund dieser schwierigen Aushandlungsprozesse ist davon auszugehen, dass trotz des Engagements der Vereinten Nationen viele der De-facto-Staaten noch für längere Zeit weiterexistieren werden. In manchen Fällen gibt es sogar kaum Verhandlungen.

Die Beispiele Bergkarabach, Donezk und Lugansk beweisen zudem, dass es immer wieder zur militärischen Eskalation in den Gebieten der stabilisierten De-facto-Regime kommt. Die Konflikte können auch gewaltsam »auftauen«, also »heiß« werden. Das zeigt, dass hinsichtlich des internationalen Friedens, aber ebenso im Sinne der Rüstungskontrolle und der Verhinderung der Proliferation von ABC-Waffen, die Notwendigkeit besteht, die eingefrorenen Konflikte dauerhaft und nachhaltig zu lösen.

Anmerkungen

1) Abchasien, Bergkarabach, Kosovo, Nordzypern, Somaliland, Südossetien, Taiwan (Republik China), Transnistrien und Westsahara. Oft wird Palästina dazu gezählt. Die Donezker und Lugansker Volksrepubliken sind im Entstehen begriffene De-facto-Staaten (siehe dazu den Text von Agnieszka Legucka auf S. 26).

2) So existierten 1920-1924 die Sowjetischen Volksrepubliken Buchara und Chiwa, 1921-1944 die VR Tannu-Tuwa und ab 1921 die Mongolische VR. Die Mongolei ist seit 1961 UN-Mitglied.

3) Zunächst hatten Truppen Mauretaniens 1976-1979 den Süden Westsaharas besetzt.

4) Parallel dazu zerfiel auch noch der somalische Staat und Somaliland entstand.

5) Mit der Einführung des Euro in Deutschland hat das Kosovo den Euro ebenfalls als Währung übernommen.

6) Zur Weltbank siehe Solty (2014) und Solty (2015).

7) Taiwan hat einen HDI-Wert (Human Development Index) von 0,885 und liegt damit ähnlich wie Spanien (0,884).

8) Mit der »Gemeinschaft für Demokratie und das Recht der Nationen« haben Abchasien, Bergkarabach, Südossetien und Transnistrien sogar eine eigene internationale Organisation etabliert.

9) International Atomic Energy Agency, INFCIRC/158 vom 8. März 1972 als Fortführung des IAEA-Abkommens INFCIRC/133 vom 30. Oktober 1969. 1964 hatte Taiwan ein eigenes Atomwaffenprogramm gestartet, trat aber 1968 dem Nichtverbreitungsvertrag bei.

Literatur

Nuclear Threat Initiative/NTI (2005): IAEA Experts Visit Abkhazia. 26.9.2005; nti.org.

Aswestopoulos, W. (2017): Zypern – Die Verhandlungen um die Einigung der Insel sind gescheitert! heise.de, 8.7.2017.

Castor, S. (1974): The American Occupation of Haiti (1915-34) and the Dominican Republic (1916-24). The Massachusetts Review, Vol. 15, No. 1/2, S. 253-275.

Chinn, J.; Roper, S.D. (1998): Territorial autonomy in Gagauzia. Nationalities Papers, Vol. 26, No. 1, S. 87-101.

Finn, P. (1999): Refugees Want Kosovo Free of Serbs. Washington Post, 6.6.1999.

Gordijenko, I. (2016): Im Schwebezustand – Südossetien. dekoder.org, 8.6.2016.

Jellinek, G. (1905): Allgemeine Staatslehre. Berlin: Verlag von O. Häring, 2. Auflage.

Knudsen, R.A. (2013): Privatization in Kosovo – »Liberal Peace« in Practice. Journal of Intervention and Statebuilding, Vol. 7, No. 3, S. 287-307.

Kosienkowski, M. (2012): Continuity and Change in Transnistria’s Foreign Policy after the 2011 Presidential Elections. Lublin: The Catholic University of Lublin Publishing House.

Noack, D.X. (2016): Vier Tage Krieg. junge Welt, 2.6.2016.

Noack, D.X. (2017): Der Konflikt um Transnistrien 1989 bis 2016 – Politische Ökonomie, Nationalstaatswerdung und Großmachtinteressen an einem geopolitischen Brennpunkt in Su¨dosteuropa. multipolar, Vol 1, Nr. 1, S. 11-26.

Reljic, D. (2015): Kosovo braucht einen Beschäftigungspakt mit der EU. zeit.de, 15.2.2015.

Seiler, C. (2005): Der souveräne Verfassungsstaat zwischen demokratischer Rückbindung und überstaatlicher Einbindung. Tübingen: Mohr Siebeck.

Solty, I. (2014): Eine »flache Welt«. junge Welt, 31.12.2014.

Solty, I. (2015): Eine »andere Welt«. junge Welt, 2.1.2015.

David X. Noack ist Militärhistoriker und Politikwissenschaftler.

Der Wille zum Frieden entscheidet

Der Wille zum Frieden entscheidet

von Paul Schäfer

Unser Heft 2-2015 befasste sich schwerpunktmäßig mit dem Thema »Friedensverhandlungen«. Unsere Leitfrage damals: Wie kann eine nachhaltige Beendigung von Gewalt in den heute vorherrschenden »asymmetrischen Kriegen«, also in Auseinandersetzungen zwischen Staaten und nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen, erreicht werden. Es ging um Fragen einer sozial gerechten Entwicklung, um demokratische Partizipation, ohne deren Lösung der Konflikt nicht beigelegt werden könne. Auf die Bedeutung von Vereinten Nationen und Völkerrecht wurde hingewiesen und – gerade mit Blick auf die ethnopolitisch, religiös, kulturell aufgeladenen Grundlagen des Konflikts – auf die größtmögliche Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Kräfte in den Friedensprozess. Ganz nüchtern mussten wir feststellen, dass Versuche, diese »neuen« Kriege diplomatisch zu lösen, oft in den Anfängen stecken bleiben.

Dies scheint für die »frozen conflicts«, mit denen wir uns im vorliegenden Heft beschäftigen, umso mehr zu gelten. Ihnen geht in der Regel eine gewaltförmige Auseinandersetzung voraus, die durch einen lang andauernden, fragilen Status quo abgelöst wird; der Grundsatzstreit bleibt ungelöst. Dabei stehen sich meist die Prinzipien »territoriale Integrität eines Staates« und »nationale/ethnopolitische Selbstbestimmung« unversöhnlich gegenüber. Die Rede ist von den bewaffneten Konflikten, die sich infolge des Zerfallsprozesses der ehemaligen Sowjetunion, aber auch Jugoslawiens, nach 1990 entwickelten. Vor allem im postsowjetischen Raum sind neue staatliche Gebilde (De-facto-Staaten) entstanden, deren Existenzberechtigung von den alten Machthabenden (Mutterstaaten) bestritten wird und denen die internationale Anerkennung bis heute versagt bleibt.

Bei der Erstellung des Heftes sind wir rasch darauf gestoßen, dass der Begriff nicht ganz eindeutig zu fassen und umstritten ist. Bei Zypern scheint es noch einfach zu sein, aber was ist mit Kaschmir (kein De-facto-Staat), was mit Nordirland (nach wie vor Teil Großbritanniens)? Und ab wann kann ein solcher Konflikt als eingefroren gelten? Die Erfahrung zeigt, dass diese Konflikte immer wieder in offene Gewalt umschlagen, zuletzt Ende des Jahres 2014 in Bergkarabach. Und kann der Streit um die Donbass-Region, in der immer wieder gekämpft wird, schon als eingefrorener Konflikt bezeichnet werden? Die W&F-Redaktion hat sich hier für einen breiten Ansatz entschieden.

Was man feststellen kann, ist: Es geht um komplizierte, fast unlösbar erscheinende Status- bzw. Territorialfragen. Zwischen Ethnien/Bevölkerungsgruppen wurden Feindbilder aufgebaut, die in den jeweiligen Gesellschaften tief verankert sind, die den Willen zu einem konstruktiven und kooperativen Neuanfang gar nicht entstehen lassen. Geopolitische Interessenlagen kommen erschwerend hinzu. Was kann man in solch verfahrenen Situationen überhaupt tun? Oder muss man sich einfach damit zufrieden geben, dass ein kalter Konflikt immer noch besser als ein heißer Krieg ist? Die Beiträge in diesem Heft enthalten zahlreiche Ideen und Vorschläge, über die es sich lohnt, weiter nachzudenken und zu diskutieren.

Selbst das Selbstverständliche ist hier keine Garantie für eine friedenstaugliche Lösung: So scheint es auf der Hand zu liegen, dass die grundlegenden, antagonistisch beurteilten Statusfragen zunächst zurückgestellt werden sollten und zuerst die Folgen territorialer Teilung (Vertreibungen) gemildert, Ansätze grenzüberschreitender humanitärer und wirtschaftlicher Kooperation entwickelt werden sollten. Aber wenn selbst solche Schritte blockiert sind, muss nicht doch der Gordische Knoten insgesamt durchschlagen werden? Aber wie könnten ausbalancierte Lösungen zwischen den widerstreitenden Prinzipien »nationale Selbstbestimmung« und »territoriale Integrität« überhaupt aussehen? Es ist zu Recht viel die Rede von »Referenden«, von »Autonomie«, von »Föderalisierung«. Aber der Teufel steckt im Detail. Wer darf abstimmen, worüber? Sofern es um die Selbstbestimmung bestimmter Bevölkerungsgruppen geht: Kann zu viel des Guten nicht auch nach hinten losgehen – und zu neuen Spaltungen und Konfrontationen führen? Und weiter: Als Erfahrung scheint zu gelten, dass ohne diplomatische Vermittlung externer Akteure kein Ausweg aus dem Konflikt zu finden ist. Zugleich stellen wir fest, dass der Konflikt durch Anrainerstaaten – besonders wenn es sich um Patronage-Staaten handelt – verfestigt oder gar angeheizt wird.

In diesem Kontext ist auch die Ausdehnungstendenz der Europäischen Union oder der NATO gen Osten kritisch zu beleuchten. Ein Hinweis muss an dieser Stelle genügen: Wenn es darum geht, Frieden zu stiften bzw. zu garantieren, muss internationalen Einrichtungen wie den Vereinten Nationen oder der OSZE die entscheidende Rolle zukommen! Zentrale Stichworte sind für uns außerdem: Entmilitarisierung, Vertrauensbildung, »Entfeindung« durch Aufarbeitung der Geschichte und zivilgesellschaftliche Versöhnungsprozesse. Eines ist so banal wie sicher: Ohne den Willen der Beteiligten, Frieden zu schließen, geht es nicht.

Ihr Paul Schäfer

Rohstoffe, Konflikte und Governance


Rohstoffe, Konflikte und Governance

von Michael Brzoska

An Rohstoffen entzünden sich häufig Konflikte, Beispiele dafür sind Erdöl, Diamanten oder Coltan. Manchmal geht es geht es um die Nutzung des Landes, auf dem die Rohstoffe liegen, andere Male um die Verteilung des Profits aus dem Rohstoffverkauf. Der Entstehung oder dem Wiederaufflammen von Rohstoffkonflikten lässt sich mit einer klugen und fairen Rohstoff-Governance und mit Partizipationsmöglichkeiten für alle Betroffenen vorbeugen. Der Autor zeigt gelungene und missglückte Beispiele auf und buchstabiert dabei durch, welche Faktoren für den konfliktfreien Umgang mit Ressourcen hilfreich sind.

Viele natürliche Ressourcen sind knapp und werden immer knapper. Bewaffnete Konflikte über ihre Ausbeutung, Verteilung und Nutzung sind damit vorprogrammiert: zum einen, weil Knappheit bedeutet, dass nicht alle so viel von den Rohstoffen bekommen, wie sie gerne hätten, zum anderen, weil Knappheit mit großen Profitmöglichkeiten bei der Gewinnung und Vermarktung einhergeht. Die Bedeutung von Rohstoffen für das weltweite Konfliktgeschehen wurde wissenschaftlich intensiv untersucht, besonders bekannte Beispiele sind Erdöl1 und Diamanten.2 Anfangs der 2000er Jahre identifizierte der bekannte Weltbank-Ökonom Paul Collier das Vorkommen von Rohstoffen als den mit Abstand wichtigsten Verursachungsfaktor für Bürgerkriege.3 Auf der Grundlage dieser Vergangenheitsanalyse und zahlreicher Einzelfälle von Gewalt und Krieg entstanden düstere Prognosen für die Zukunft: Kriege um Erdöl, Kriege um Wasser oder auch Klimakriege um geringer werdende Nahrungsmittel.4

Allerdings sind solche Prognosen über die Konfliktwirkung von Ressourcen einseitig. Sie beruhen auf sehr einfachen Annahmen über menschliches Verhalten und die Organisation von Gesellschaften. Die Möglichkeiten, mit Rohstoffen reich zu werden, sind für einzelne Menschen – vor allem für Machthaber und solche, die es werden wollen– ein wichtiger Antriebsfaktor, der bewaffnete Konflikte herbeiführen und schüren kann. Aber für die meisten Menschen dürfte es wichtiger sein, in Frieden zu leben. Darüber hinaus kann eine als gerecht angesehene Verteilung der Einnahmen statt bewaffneter Konflikte die Kooperation fördern. Entscheidend dafür, welche Wirkung – Konflikt oder Kooperation – die Verfügung über Rohstoffe entfaltet, ist vor allem die Kombination zweier Faktoren: der Art des Rohstoffes sowie der Regeln des Umgangs mit ihm und deren Umsetzung, oder anders gesagt: der Rohstoff-Governance, die zwischen der lokalen und der globalen mehrere weitere Ebenen haben kann.5

Die Rohstoff-Governance ist in vielen Bereichen gegenwärtig schwach ausgeprägt, in einigen hingegen bereits etabliert. Den Beispielen für die Konflikthaftigkeit von Rohstoffen stehen deshalb auch Beispiele gegenüber, in denen Rohstoffe kooperatives Verhalten und gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken. Nicht zuletzt deswegen hat sich die These von Paul Collier als verkürzt erwiesen und kranken die Prognosen über zukünftige Rohstoffkriege an Einseitigkeit. Im Folgenden will ich zunächst auf vier Beispiele eingehen, an denen gelungene Rohstoff-Governance, oder zumindest Ansätze dazu, deutlich werden. Abschließend versuche ich, daraus Lehren für eine friedensfördernde Rohstoff-Governance zu ziehen.

Wasserkonflikte

Der Vorstellung, dass um Wasser gekämpft werden wird, liegen sehr einfache, fast könnte man sagen biologistische Vorstellungen über eine lokale Knappheit von Ressourcen und deren Verteilung zu Grunde. Da Wasser als Trinkwasser, aber auch für die Nahrungsmittelproduktion eine für den Menschen unmittelbar notwendige Ressource ist, ist schnell der Schluss gezogen, dass die Menschen um Wasser kämpfen werden.

Diese Logik der Argumentation ist aber nur bedingt plausibel. Trinkwasser wird, da sind sich die Hydrolog*innen einig, trotz Klimawandel im globalen Maßstab keineswegs knapp sein. Zudem ist Wasser transportier- und handelbar, wird heute auch schon in großem Maße in der Welt umverteilt, insbesondere als »virtual water«, als virtuelles Wasser in Futter- und Nahrungsmitteln. Zwar dürfte lokale Knappheit, die es auch in der Vergangenheit schon gab, insbesondere im Zuge des Klimawandels zunehmen. Aber, das zeigen empirische Studien, die Bedeutung von Wasser für die Entstehung oder Eskalation von bewaffneten Konflikten in der jüngeren Vergangenheit war gering. Eine Gruppe um den US-amerikanischen Ökologen Aaron Wolf 6 hat in der bisher umfassendsten Untersuchung grenzüberschreitender Wasserressourcen festgestellt, dass es in den 1831 erfassten Konflikten über die Verteilung von Wasser nur in 21 Fällen zu bewaffneten Konflikte kam, bei denen Wasser tatsächlich eine Rolle spielte. Im Gegenteil: Vor allem da, wo Wasser grenz­überschreitend genutzt werden kann, wurde ein Großteil der potenziellen Konflikte zwischen Anrainerstaaten durch Hunderte von Verträgen und Dutzende von Flussgebietskommissionen entschärft.7 Gelegentlich, etwa im Verhältnis Israel-Palästina,8 ist die Zusammenarbeit beim Wassermanagement immerhin besser als in anderen Problemfeldern.

Warum ist das so? Es lassen sich rationalistische ebenso wie eher ethische Gründe finden. Wasser ist vor allem zwischenstaatlich kein Rohstoff, der sich teuer vermarkten lässt. Andererseits ist Wasser lebensnotwendig. So kann zwar das Verweigern des Zugangs zu Wasser zur Machtausübung genutzt werden, aber dies rührt an existenzielle Interessen der Benachteiligten und kann zu einer Eskalation von Konflikten führen, die weit über die mit dem Konflikt über das Wasser verbundenen Gewinne und Verluste hinausgeht. Die lebensstiftende Bedeutung von Wasser ist Grundlage des ethischen Arguments: Zugang zum Wasser zum Nachteil anderer einzusetzen, wird von vielen Akteuren abgelehnt.

Kontrolle von Konfliktrohstoffen

In der empirischen Forschung zu bewaffneten Konflikten ist gesichert, dass lokaler »Überfluss« von Rohstoffen ein größerer Triebfaktor von Konflikten ist als deren Knappheit. Dort, wo Machthaber Rohstoffeinnahmen für die eigene Bereicherung oder zur Finanzierung der Unterdrückung gesellschaftlicher oder ethnischer Gruppen nutzen können, steigt die Wahrscheinlichkeit bewaffneter Auseinandersetzungen. Für Rebellengruppen verbessert Rohstoffreichtum die Möglichkeiten zur Finanzierung der eigenen militärischen Kampagne. Auch international agierende Rohstoffvermarkter können ein Interesse an bewaffneten Konflikten haben, z.B. um billig an Konzessionen zu kommen, die sie erhalten, weil sie die kriegerischen Aktivitäten von Kriegsbeteiligten finanzieren.

Es liegt daher nahe zu versuchen, die internationale Vermarktung von Rohstoffen zu kontrollieren, um die konfliktfördernde Nutzung von Rohstoffeinnahmen zu begrenzen. Seit den späten 1990er Jahren wurden zahlreiche Initiativen in diese Richtung gestartet, so zu Diamanten, Zinn oder Coltan.

Die erste völkerrechtlich verbindliche Vereinbarung war das 2003 abgeschlossene Kimberly-Abkommen zu Diamanten, das neben den Regierungen praktisch aller Staaten, in denen Diamanten gefördert werden, und den wichtigsten Käuferstaaten auch die großen privaten Konzerne, die mit Diamanten Geschäfte machen, und eine Reihe von Nichtregierungsorganisationen umfasst. Kern des Kimberley-Systems ist die Vereinbarung, nur Diamanten zu handeln, für die ein Herkunftszertifikat der jeweiligen Regierung vorliegt. Dadurch soll verhindert werden, dass Rebellengruppen, wie in den Kriegen in Angola, Sierra Leone9 und Liberia geschehen, Diamanten zur Finanzierung ihrer Aktivitäten nutzen können. Und in der Tat hat die Bedeutung von Diamanten für die Kriegsfinanzierung stark nachgelassen. Durch das Kimberley-System werden allerdings auch Regierungen gestärkt, deren Verhalten selbst konfliktverschärfend ist. Ein Beispiel ist Zimbabwe, wo die Regierung ihre repressive Politik u.a. mit Einnahmen aus dem Diamantenhandel finanziert. Die ursprüngliche Begeisterung über das Kimberly-Abkommen hat daher, insbesondere bei einer Reihe von Nichtregierungsorganisationen, deutlich abgenommen.

Während das Kimberley-Abkommen zumindest die Regierungen der Herkunftsländer einschließt, sind andere Regelungen zu Konfliktrohstoffen exklusiv. So haben die Vereinigten Staaten 2013 ein umfassendes nationales Zertifizierungssystem beschlossen, um zu verhindern, dass in den USA verkaufte elektronische Geräte Coltan oder Zinn aus dem von bewaffneten Auseinandersetzungen geschüttelten Ostkongo enthalten. In der Europäischen Union ist ein ähnliches Gesetz bisher am Widerstand der Elektronikindustrie gescheitert, die die Kosten des Zertifizierungssystems scheut. Aber auch von Nichtregierungsorganisationen kommt Kritik, trifft doch ein Importverbot von Rohstoffen aus dem Ostkongo nicht nur bewaffnete Gruppen, sondern auch die Tausende von Menschen, die mit dem Schürfen metallischer Rohstoffe ihren Lebensunterhalt verdienen.10

Verteilung von Rohstoff-Einnahmen nach Konflikten

Insbesondere in Fällen, in denen Rohstoffe ein Faktor in bewaffneten Auseinandersetzungen waren, sind Regelungen über die zukünftige Rohstoffförderung und die gerechte Verteilung von Rohstoffeinnahmen eine Voraussetzung für die Konfliktbeendigung und für eine dauerhafte Friedensregelung. Hohe Rohstoffeinnahmen, die aufgrund des Bereicherungspotenzials zu bewaffneten Auseinandersetzungen beigetragen haben, können dann zu einer wichtigen Grundlage für den Wiederaufbau von Nachkriegsökonomien werden und zur Friedenskonsolidierung beitragen.

Diese Erkenntnis veranlasste sowohl Konfliktparteien wie die internationale Staatengemeinschaft, auf Fragen der Regelung von Rohstoffausbeutung und -einnahmenverteilung vor und in Friedensprozessen besonderes Gewicht zu legen. Die Bilanz ist gemischt.

So enthielt das Friedensabkommen von Naivasha von 2005 zwischen dem Sudan und südsudanesischen Rebellen ausführliche Regelungen zur wirtschaftlichen Nutzung des vor allem im Südsudan vorhandenen, aber nur über sudanesisches Hoheitsgebiet an einen Hafen transportierbaren Rohöls. Aber schnell entwickelten sich wieder Streitigkeiten, und das Öl wurde erneut zu einem Konfliktfaktor.

Anders verlief die Rohstoffnutzung nach dem bewaffneten Konflikt in Liberia. Für das Land ist Tropenholz von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung. Als erster Schritt der Regierung Sirleaf-Johnson wurden nach einer Überprüfung der Verträge alle Konzessionen zum Abbau von Rohstoffen gekündigt. Neue Verträge mit deutlich besseren Bedingungen für den Staat Liberia wurden ausgehandelt. Um zu erschweren, dass wie vor dem Ende des Krieges sich wieder einzelne Personen oder Gruppen an den Konzessionen bereichern, wurde ein hohes Maß an Transparenz über die abgeschlossenen Verträge eingeführt. Die internationale Gemeinschaft unterstützte diese Maßnahmen durch Expert*innen und ein von den Vereinten Nationen verhängtes Embargo auf den Import von aus Liberia stammenden Rohstoffen, z.B. Holz, soweit es nicht aus offiziellen Kanälen stammte und entsprechend zertifiziert war. Damit verbunden war die Kontrolle der liberianischen Regierung bei der Umsetzung der vereinbarten Regelungen und der Verwendung der Einnahmen.11 Schlechte Erfahrungen, etwa im Tschad, wurden zur Rechtfertigung dieses Eingriffs in die Souveränität der liberianischen Regierung angeführt.

Ein weiteres Land, in dem Rohstoffreichtum in wirtschaftliche Entwicklung umgesetzt wurde, ist Botswana. Zwar wird das Land autokratisch, aber doch im globalen Vergleich mit geringer Korruption und hohen Sozialausgaben regiert.12 Im Tschad hatten Regierung und gesellschaftliche Organisationen auf Druck der internationalen Gebergemeinschaft Anfang der 2000er Jahre eine Vereinbarung über die Nutzung von Ölreserven geschlossen, die jedoch nach Fertigstellung einer international finanzierten, durch Kamerun verlaufenden Pipeline von der Regierung gebrochen wurde.13

Entscheidungen über Rohstoffverwertung

Ein weiteres Bündel von Ideen und Initiativen, um Gewinnung und Vermarktung von Rohstoffen nicht zu einer Quelle von Gewalt werden zu lassen, sondern im Gegenteil zu einem Faktor für den Zusammenhalt von Gesellschaften und internationale Kooperation, setzt an den Entscheidungsprozessen entlang der Kette von Rohstoffexploration, -abbau und -vermarktung bis zur Verwendung der Einnahmen an. An allen Stellen besteht die Gefahr, dass sie in bewaffnete Konflikte eskalieren, wenn die Betroffenen ihre Interessen verletzt sehen. Das als ehrlich empfundene Bemühen, diese Interessen ernst zu nehmen und entsprechend zu entscheiden, kann Konflikte deutlich entschärfen.

Als wichtiges Instrument dafür gilt die Ausweitung der Partizipation betroffener und relevanter Akteure. Das beginnt bei der Frage, ob etwa angesichts ökologischer Auswirkungen Rohstoffe überhaupt abgebaut werden sollen, bis hin zu Fragen der privaten oder öffentlichen Verfügung über bestimmte Ressourcen, wie etwa Land, oder die Frage, wie Rohstoffeinnahmen verwendet werden sollen. Partizipation hat viele Facetten und kann vom Recht auf Gehör bis hin zur Beteiligung an Entscheidungen gehen. Je umfassender Partizipation gestaltet wird, umso besser sind die Chancen auf einen tragfähigen Interessenausgleich zwischen relevanten Gruppen. Allerdings zeigen Studien, dass auch umfassende Partizipation kein Allheilmittel ist, um eine Eskalation in die Gewalt zu verhindern. Sie kann bestehende Machtverhältnisse nicht ändern, lässt sich manipulieren und ist vom guten Willen der Beteiligten abhängig.

Eine Grundvoraussetzung für Partizipation ist ein umfassender Kenntnisstand aller Beteiligten. Dies ist aber häufig nicht gegeben. Viele Entscheidungen über Rohstoffgewinnung und -vermarktung sind intransparent. Damit werden Korruption, die Übervorteilung nationaler Regierungen durch internationale Konzerne, aber auch die Bevorzugung oder Benachteiligung gesellschaftlicher und ethnischer Gruppen aus Machtinteressen ermöglicht.

Eine Reihe internationaler Initiativen zielt daher auf die Verbesserung der Transparenz im Rohstoffbereich. Mehrere zielen auf Transparenz bezüglich der finanziellen Arrangements der internationalen Rohstoffvermarktung, etwa die durch zahlreiche Nichtregierungsorganisationen unterstützte »publish what you pay«-Kampagne14 oder die vor allem von Regierungen getragene Extractive Industries Transparency Initiative.15 Bei anderen, etwa im Bereich des »land grabbing« (Landraub), geht es eher um Transparenz für die lokale Bevölkerung, in diesem Falle über landwirtschaftlich nutzbares Land.16

Gemeinsam ist diesen Initiativen der Gedanke, dass Transparenz und Partizipation zu einer gerechteren, weniger gegen Bereicherung anfälligen Rohstoffausbeutung und -vermarktung führen. Vorbild sind dabei Staaten wie Norwegen, wo der Umgang mit großen Ölvorkommen weitgehend im gesellschaftlichen Konsens geregelt wird, oder auch Ghana, wo vor Beginn der Ausbeutung von Öl und Gas ein gesellschaftlicher Diskussionsprozess in Gang gesetzt wurde.17 Typischerweise liegen beim dem vom Natural Resource Governance Institute entwickelten Index für Rohstoff-Governance westliche Industriestaaten an der Spitze. Der Index kombiniert Indikatoren, die Transparenz, Korruption, Gesetzeswerke und andere Rahmenbedingungen für Entscheidungen über die Gewinnung und Vermarktung von Rohstoffen in einzelnen Ländern abbilden, nicht jedoch die Akzeptanz solcher Entscheidungen bei gesellschaftlichen Gruppen.18 Zu den (nur) elf Staaten mit »befriedigender« Rohstoff-Governance werden deshalb auch einige südamerikanische Demokratien gezählt, in denen es auf lokaler Ebene durchaus zu (gelegentlich auch gewalttätigen Konflikten) über Rohstoffausbeutung kommt. Ghana und Liberia hingegen werden auf Grund schlechterer Zugangsmöglichkeiten zu Informationen und eines problematischen rechtlichen Umfeldes schlechter bewertet.

Rohstoffe als Faktor für den Frieden?

Die Ausbeutung von Rohstoffen hat, wie die Beispiele andeuten, durchaus das Potenzial, Frieden zu fördern. Allerdings bedarf es darauf ausgerichteter gesellschaftlicher und politischer Organisation und Strukturen, um dieses Potenzial zu heben. Ohne gezielte Maßnahmen ist bei vielen Rohstoffen die Gefahr groß, dass sie ein Faktor für Gewalt und sogar bewaffnete Konflikte werden. Das zeigt sich besonders oft in der Bedeutung von Rohstoffen für die Finanzierung bewaffneter Konflikte.

Gerade im letzteren Bereich bestehen, wie etwa die Bemühungen um die Einschränkung des Handels mit »Blutdiamanten« gezeigt haben, Einflussmöglichkeiten für externe Akteure. Dasselbe gilt in beschränkterem Maße für Initiativen zur Stärkung von Rohstoff-Governance. Auch gut durchdachte Bemühungen führen allerdings in Dilemmata, so in der Frage, welche Bedeutung nationaler Souveränität beigemessen wird oder inwieweit lokale Machtverhältnisse, zum Beispiel zwischen staatlichen Institutionen und im Kleinbergbau tätigen Menschen, reproduziert werden.

Auch partizipative und transparente Entscheidungsprozesse können zu Ergebnissen führen, die bei den Betroffenen auf Ablehnung nehmen. So ist selbst in Ghana, trotz seiner zahlreichen Maßnahmen, die Begeisterung der Bevölkerung über die Ergebnisse der Öl- und Gaspolitik der letzten Jahre sehr begrenzt. In einer Umfrage von 2014 bewerteten sieben von zehn Ghanaer*innen die Nutzung der Öleinnahmen als ineffizient.19 Im Falle Ghana gibt es aber keine Anzeichen dafür, dass die Unzufriedenheit zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führen könnte.

Trotzdem zeigt das Beispiel, dass über Entscheidungsprozesse hinaus deren Ergebnisse und insbesondere deren Akzeptanz durch relevante Gruppen entscheidend für ihren Beitrag zur Förderung von Konflikten oder von gesellschaftlichem Zusammenhalt ist. Die Vermittlung ist gerade bei Konflikten besonders schwierig, die sich an Rohstoffen entzünden, seien es Ressourcen für die grundlegende Versorgung, wie Land und Wasser, oder Rohstoffe, die häufig sehr hohe, scheinbar »vom Himmel gefallene« Renteneinnahmen ermöglichen. Wo relevante gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nicht vorliegen, ist dies besonders schwierig, wie die Beispiele Liberia, Ghana und Botswana zeigen, aber keineswegs unmöglich.

Anmerkungen

1) Michael Ross (2012): The Oil Curse – How Petroleum Wealth Shapes the Development of Nations. Princeton: Princeton University Press.

2) Philippe Le Billon (2014): Wars of Plunder – Conflicts, Profits and the Politics of Resources Oxford: Oxford University Press.

3) Collier, P. et al. (2003): Breaking the Conflict Trap – Civil War and Development Policy. A World Bank policy research report. Washington, DC: World Bank and Oxford University Press.

4) Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) (2007): Welt im Wandel – Sicherheitsrisiko Klimawandel. Hauptgutachten 2007. Berlin, Heidelberg: Springer.
Klare M.T. (2008): Rising Powers, Shrinking Planet – The New Geopolitics of Energy. New York: Metropolitan Books.
Andrews-Speed, P. et al. (2015):Want, Waste or War? The Global Resource Nexus and the Struggle for Land, Energy, Food, Water and Minerals. London: Routledge.

5) Bleischwitz, R. et al. (2012): International resource politics – new challenges demanding new governance approaches for a green econ­omy. Berlin: Wuppertal Institut und Heinrich Böll Stiftung.

6) Yoffe S. et al. (2004): Geography of international water conflict and cooperation – Data sets and applications. Water Resources Research, Vol . 40, No. 5.
Petersen-Perlman, J.D.; Veilleux, J.D.; Wolf, A.T. (2017): International water conflict and cooperation – challenges and opportunities. Water International, Vol. 42, S. 105-120.

7) Link, M; Scheffran, J.; Ide, T. (2016): Conflict and cooperation in the water-security nexus – a global comparative analysis of river basins under climate change. Wiley International Reviews: Water, Vol. 3, No. 4, S. 495-515.
Giordano, M. et al. (2014): A review of the evolution and state of transboundary fresh­water treaties. International Environmental Agreements: Politics, Law and Economics, Vol. 14, No. 3, S. 245-26.
Bernauer, T. and Böhmelt, T. (2014): Basins at Risk – Predicting International River Basin Conflict and Cooperation. Global Environmental Politics, Vol. 14, No. 4, S. 116-138.

8) Ide, T. and Fröhlich, C. (2015): Socio-environmental cooperation and conflict? A discursive understanding and its application to the case of Israel and Palestine. Earth System Dynamics, Vol. 6, S. 659-671.

9) Zum Beispiel Sierra Leone siehe Nina Engwicht (2017): Rohstoffe als Mittel zum Friedensaufbau? Environmental Peace Building in Sierra Leone. S. 10 dieser W&F-Ausgabe.

10) Kelly J.T.D. (2014): “This mine has become our farmland” – Critical perspectives on the coevolution of artisanal mining and conflict in the Democratic Republic of the Congo. Resources Policy, Vol. 40, No. 2, S. 100-108.

11) Lujala, P.; Rustad, S.A.; Kettenmann, S. (2016): Engines for Peace? Extractive Industries, Host Countries, and the International Community in Post-Conflict Peacebuilding. Natural Resources, Vol 7, No. 5, S. 239-250.
Lujala, P. and Rustad, S.A. (2013): High-value natural resources and post-conflict peacebuild­ing. London: Routledge.
Carbonnier, G. and Wennmann, A. ( eds.) (2013): Natural Resource Governance and Hybrid Political Orders. London: Routledge.

12) Korinek, J. (2014): Mineral Resource Policies for Growth and Development – Good Practice Examples. In: OECD: Export Restrictions in Raw Materials Trade. Paris, OECD, S. 225-269.

13) Yorbana, S. (2017): Representations of Oil in Chad: A Blessing or a Curse? Africa Spectrum, Vol. 52, No. 1, S. 65-83.

14) Siehe publishwhatyoupay.org.

15) Siehe eiti.org.

16) International Land Coalition, siehe landcoalition.org.

17) Gyimah-Boadi, E. and Prempeh, H.K. (2012): Oil, Politics, and Ghana’s Democracy. Journal of Democracy, Vol 23, No. 3, S. 94-108.

18) Siehe resourcegovernance.org/resource-­governance-index.

19) Obeng-Odoom, F. (2015): Oil Rents, Policy and Social Development Lessons from the Ghana Controversy. Geneva: UNRISD, ­Research Paper, S. 1.

Prof. Dr. Michael Brzoska ist ehemaliger Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik und PI im Exzellenzcluster für Klimaforschung an der Universität Hamburg.

Im staatlichen Auftrag oder in politischer Selbständigkeit?


Im staatlichen Auftrag oder in politischer Selbständigkeit?

Jahrestagung 2016 der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung, Evang. Akademie Loccum, 15.-17. April 2016

von Christiane Lammers

In welchem Verhältnis stehen Zivilgesellschaft und Staat im Bereich ziviler Konfliktbearbeitung? Welche Rolle(n) spielen Nichtregierungsorganisationen (NRO) bei der Friedensförderung im In- und Ausland? Welchen Einfluss können und dürfen sie auf staatliche Prozesse nehmen, und wo liegen die gewollten und ungewollten Grenzen staatlich-zivilgesellschaftlicher Zusammenarbeit? Rund 60 Teilhabende der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung und Interessierte kamen im April 2016 in Loccum zusammen, um unter dem Titel »Im staatlichen Auftrag oder in politischer Selbstständigkeit? Unter welchen Bedingungen wollen und sollen zivilgesellschaftliche Akteure der Konfliktbearbeitung künftig arbeiten?« diese und weitere Fragen zu diskutieren.

In seinem Einführungsvortrag skizzierte Eckhard Priller (Maecanata-Institut für Philanthropie und Zivilgesellschaft), was Zivilgesellschaft im Allgemeinen und »gute« Zivilgesellschaft im Speziellen ausmacht. Im Selbstverständnis von NRO stehe die Gemeinwohlorientierung an oberster Stelle. Zivilgesellschaft stelle Leistungen und Güter bereit, die nicht vom Staat bereitgestellt werden, sei es, weil eine diesbezügliche Verantwortungsteilung zwischen Staat, Zivilgesellschaft und Wirtschaft historisch so gewachsen ist, sei es, weil der Staat bestimmte Aufgaben aktuell nicht wahrnehmen will/kann. »Gute« Zivilgesellschaft sei vor allem dadurch gekennzeichnet, dass sie transparent arbeite und finanziell unabhängig sei, möglichst auch vom Staat.

Die Frage der finanziellen und strukturellen Abhängigkeit wurde im Laufe der Tagung immer wieder aufgeworfen. Das Ringen um die Bewilligung von Projektanträgen, fehlende Basisförderung, zu kurze Förderzeiträume, zu hohe Berichtsanforderungen oder zu enge Förderrichtlinien prägen den Arbeitsalltag vieler NRO. Martina Fischer (Brot für die Welt) mahnte jedoch, den Diskurs um Krisenprävention und Friedensförderung nicht immer technokratischer werden zu lassen. Aufgabe von NRO sei es, friedensethische und friedenslogische Fragen aufzuwerfen und in den Diskurs einzubringen. Der Staat als Geldgeber, der die Zügel in der Hand hält, und die NROs als gefügige Ausführungsorganisationen? Der Tenor in der Diskussion: Auch und gerade wenn Zivilgesellschaft staatliches Geld annehme, solle sie keine Scheu haben, selbstbewusst aufzutreten und Kritik klar zu äußern. Diese Haltung werde von staatlicher Seite durchaus akzeptiert, manchmal sogar eingefordert. Um innerhalb der Exekutive Veränderungen anzustoßen, Strukturen aufzubrechen und neue Themen aufzugreifen, brauche es den Rückhalt und die Initiative der Zivilgesellschaft. Dies zeigte sich auch in den Ausführungen von Wolfram von Heynitz, Leiter des Referats S06 in der neu geschaffenen Abteilung S, »Krisenprävention, Stabilisierung und Konfliktnachsorge«, im Auswärtigen Amt (AA), unter anderem für die Vernetzung mit der Zivilgesellschaft zuständig. So solle zum Beispiel die Zusammenarbeit mit dem Beirat Zivile Krisenprävention ausgebaut und verbessert werden.

Der Wert von Zivilgesellschaft beweist sich oft erst da, wo sie fehlt, wie sich in den vielen Praxisbeispielen ziviler Konfliktbearbeitung im In- und Ausland zeigte, die Tagungsteilnehmende präsentierten. Ob Peace Brigades International mit der Begleitung von MenschenrechtsverteidigerInnen in Konfliktgebieten, das Institut für konstruktive Konfliktaustragung und Mediation (IKM) mit seiner Integrationsarbeit in Hamburger Stadtteilen, Adopt a Revolution mit seiner Unterstützung lokaler Initiativen in Syrien, der Friedenskreis Halle mit seinen Gewaltpräventionsprojekten oder viele lokale Flüchtlingsinitiativen: Zivilgesellschaft wird häufig da tätig, wo staatliche Strukturen nicht vorhanden oder überfordert sind. Oft, aber nicht immer, wird sie dabei finanziell durch den Staat unterstützt. Vorsicht sei an den Stellen geboten, so Kai Weber vom Flüchtlingsrat Niedersachsen, wo der Staat eigene Verantwortlichkeiten leichthin der Zivilgesellschaft übergebe. Hier müsse staatliches Handeln konsequent eingefordert werden.

Im »Open Space« am Samstagnachmittag hatten die TeilnehmerInnen Gelegenheit, das Tagungsthema unter selbst gewählten Fragestellungen in Kleingruppen zu diskutieren. Dabei ging es zum einen um strategische Überlegungen zur künftigen politischen Advocacy-Arbeit der Plattform, insbesondere im Hinblick auf die Bundestagswahl 2017, zum anderen um grundlegendere Aspekte, wie ein der Friedenslogik folgendes Verständnis von Zivilgesellschaft, oder die Frage danach, wie wir als zivilgesellschaftliche AkteurInnen der Zivilen Konfliktbearbeitung der Politik und der Öffentlichkeit vermitteln können, was wir tun – mit der Voraussetzung, wir sind uns selbst darüber im Klaren.

Ein vorsichtiger Wandel des Verhältnisses von Staat und Zivilgesellschaft zeichnet sich derzeit in unterschiedlichen, die Außenpolitik betreffenden Prozessen ab: neben dem Prozess »Zukunftscharta EINEWELT – unsere Verantwortung« des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, dem »Review 2014 – Außenpolitik Weiter Denken« des Auswärtigen Amtes und dem Weißbuch-Prozess des Bundesverteidigungsministeriums auch in der Entwicklung der »Agenda 2030« (Sustainable Development Goals) und der Erarbeitung der neuen »Leitlinien ziviles Krisenengagement« im Auswärtigen Amt. Alle Initiativen wurden – im Gegensatz zu früheren staatlichen Prozessen – zumindest mit dem Anspruch versehen, partizipativ und nach außen transparent zu sein. Die beiden letzteren wurden auch in Loccum umfassend diskutiert. Christoph Bongard (forumZFD) beschrieb den internationalen Prozess für die »2030 Agenda for Sustainable Development« als beispielhaft im Hinblick auf die Beteiligung der Zivilgesellschaft. Nun müsse es für die deutsche Zivilgesellschaft darum gehen, auch auf die Umsetzung der Agenda in deutsche Politik aktiv Einfluss zu nehmen. Das Zeitfenster hierzu sei jedoch begrenzt; noch in diesem Sommer solle der Prozess weitgehend abgeschlossen sein. Angemahnt wurde zu dieser Fülle an »Partizipationsprozessen«, dass hiermit Ressourcen der Zivilgesellschaft gebunden werden und genau abzuwägen sei, welche relevanten Wirkungen durch ein solches Engagement tatsächlich erzielt werden könnten.

Im Abschlussplenum skizzierten die Bundestagsabgeordneten Franziska Brandtner (Bündnis90/Die Grünen) und Kathrin Vogler (Die Linke) den Stand des Leitlinien-Prozesses im Auswärtigen Amt. Das neue Dokument solle den Aktionsplan Zivile Krisenprävention ablösen und kompakter werden. Die Zivilgesellschaft solle unter anderem über themenspezifische Workshops und durch Zuarbeit des Beirats Zivile Krisenprävention in die Diskussion eingebunden werden. Wie intensiv diese Einbindung angesichts des knappen Zeithorizonts sein kann – der partizipative Prozess begann offiziell Ende Mai und soll bereits im September enden –, bleibt zweifelhaft. Das Plenum äußerte ein klares Votum dafür, Forderungen der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung für das Leitlinien-Dokument zu formulieren und diese offensiv in den Prozess einzubringen. Die Stellungnahme wurde zur Öffentlichen Anhörung des Bundestags-Unterausschusses Zivile Krisenprävention veröffentlicht und ist auf S. 46ff. in dieser Ausgabe von W&F dokumentiert. Alle Stellungnahmen sind auch auf der Plattform-Webseite verfügbar.

Neben der fachlichen Diskussion standen am Samstagabend bei der Mitgliederversammlung auch Wahlen für die Gremien der Plattform an. Angela Mickley, Wolfgang Heinrich, Björn Kunter, Christoph Bongard und Volker Kasch bilden den neuen SprecherInnenrat, die beiden Erstgenannten in der Funktion der Vorsitzenden. In den Trägerverein wurden Kees Wiebering, Marcus Schaper, Sven Reuter, Dorothee Lepperhoff und Barbara Kemper gewählt.

Christiane Lammers

Friedenslogik als Leitmotiv


Friedenslogik als Leitmotiv

von Plattform Zivile Konfliktbearbeitung

Nachfolgend dokumentiert W&F die Stellungnahme »Friedenslogik – Leitmotiv des Krisenengagements deutscher Politik im globalen Kontext«, die der SprecherInnenrat der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung für die öffentlichen Anhörung des Bundestags-Unterausschusses »Zivile Krisenprävention»« zu den neuen Leitlinien für das Krisen­engagement der Bundesregierung am 29. Mai 2016 abgab.

Das Auswärtige Amt entwickelt Leitlinien des Krisenengagements der Bundesregierung. Damit soll das deutsche Handeln im heutigen, und soweit voraussehbar zukünftigen, globalen Konfliktgeschehen ausgerichtet werden. Die angekündigten Leitlinien stehen im Kontext der Umstrukturierung des Auswärtigen Amtes, sollen sich jedoch nicht allein darauf beschränken, sondern auch den »Aktionsplan Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung« von 2004 ersetzen.

Mit der vorliegenden Stellungnahme benennen wir zu Beginn des Prozesses Werte, Prinzipien und besondere Herausforderungen, die aus Sicht der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung für das zivile Krisenengagement Deutschlands leitend sein sollen.

Krisenengagement benötigt eine Orientierung am »Frieden«

Der im Grundgesetz formulierte Auftrag „[…] dem Frieden in der Welt zu dienen“ ist für das Engagement in Krisen keine Leerformel: Friedensförderung ist die Messlatte für staatliches Handeln im globalen Kontext. Dieser Wertorientierung zu folgen, verlangt eine Ausrichtung am globalen Gemeinwohl. Auch die Wahrnehmung deutscher Sicherheitsinteressen muss sich daran orientieren. Ohne diese Zielorientierung unterliegt ziviles Krisen­engagement der Gefahr, in die Fallen einer kurzfristigen Sicherheitslogik zu geraten: Selbstbezüglichkeit, Angst-Entgrenzungen und Eskalation im Handeln könnten bestimmend werden.

Konkretisiert heißt dies, staatliches Handeln findet auf folgende Fragen konstruktive Antworten:

  • Dient das Handeln den Zielen eines gerechten Friedens:

– Vermeidung von Gewaltanwendung,

– Förderung von Freiheit zu einem Leben in Würde,

– Förderung kultureller Vielfalt,

– Abbau von Not durch Zugangs- und Verteilungsgerechtigkeit?

  • Fördert es die Umsetzung der unteilbaren Menschenrechte in ihren personalen, sozialen und kulturellen Dimensionen?
  • Trägt es zur Humanisierung von Gesellschaften und staatlichem Handeln bei und erhöht es die »menschliche Sicherheit« ?
  • Werden Gewaltdynamiken unterbrochen und wird gewaltfreies Handeln aller Beteiligten gestärkt?

Friedenslogische Handlungsprinzipien ermöglichen wirkungsvolles Krisenengagement

Ziviles Krisenengagement ist dann wirksam, wenn es Handlungsprinzipien folgt, die Widersprüche zwischen Mitteln und Zielen verhindern. Dazu sollte es folgende Prinzipien berücksichtigen:

Frühzeitiges Handeln im Sinne der Gewaltprävention

Engagement ist dann gefordert, wenn Gewalt gegenüber Menschen droht, unabhängig davon, wer sie für welchen Zweck ausüben wird. Das ausschlaggebende Kriterium für die Notwendigkeit, aktiv zu werden, kann nicht sein, dass das Durchsetzen eigener Interessen behindert wird. Frühzeitiges Handeln kann Gewalt verhindern, sodass die Gewaltspirale nicht erst in Gang kommt. Friedenslogische Politik ist sensibel für Konfliktdynamiken, um vorausschauend deeskalierend zu wirken.

Problemkontexte erkennen und Konflikte transformieren

In der Regel handelt es sich bei gewaltförmigen Konflikten um komplexe Konstellationen mit unterschiedlichen Beteiligten. Friedenslogische Politik nutzt Konfliktanalysen, um Konfliktursachen zu erkennen, Möglichkeiten der Konflikttransformation zu identifizieren und die Beteiligten zu unterstützen, den Konflikt konstruktiv auszutragen. In dem Wissen, dass es für jeden Akteur aussichtsreicher ist, sein eigenes Konfliktverhalten zu verändern als das Anderer, gilt es zu Beginn, den eigenen Anteil am Konflikt zu identifizieren und zu korrigieren.

Interaktions- und Prozessorientierung leiten die Konfliktbearbeitung

Ein konstruktiver Umgang mit Konflikten ist auf den Aufbau von Interaktionsstrukturen zwischen den Beteiligten angewiesen. Die Prinzipien Interaktions- und Prozessorientierung sind umso wirksamer, je zahlreicher konstruktive Interaktionen, z.B. Dialoge, stattfinden. Die Partizipation vielfältiger Akteure und die Aufklärungsarbeit auf zivilgesellschaftlicher Ebene erhöhen die Chancen für Nachhaltigkeit und gesellschaftlichen Rückhalt in komplexen politischen Transformationsprozessen.

Das Prinzip der Einhaltung universaler Normen

In der friedenslogisch orientierten Gewaltprävention und Friedensförderung wird die Legitimität von Interessen, des Konfliktverhaltens und der Mittel der Problembearbeitung auf der Grundlage universaler Normen geprüft. Auch wenn Normenbildung strittig und auch nie abgeschlossen ist, so existieren doch konkret anwendbare Maßstäbe einer globalen Ethik. Diese gilt es zu benennen und das eigene Verhalten auch im Sinne der eigenen Glaubwürdigkeit daran zu messen.

Reflexivität ermöglicht Handeln nach dem »Do no harm«-Prinzip

Menschliches, auch politisches Handeln birgt immer die Möglichkeit von Fehler und Irrtum. Die Reflexion eigenen Scheiterns, der Wahl falscher Mittel, von Fehleinschätzungen oder Selbstüberschätzung eröffnet Chancen der Veränderung, der Entwicklung von Alternativen, auch von Neuanfängen. Hierzu bedarf es begleitender Instrumentarien, die Kritik »organisieren« und die Institutionen des Krisenengagements und der Friedensförderung zu lernenden Organisationseinheiten werden lassen.

Herausforderungen an Instrumente der Krisenpräven­tion und Friedensförderung

Deutsche Politik verfügt heute über zahlreiche Instrumente und Handlungsräume, die helfen können, krisenhafte Entwicklungen und Gewalteskalation zu vermeiden und zu unterbrechen. Diese gilt es im Kontext von Friedensförderung auszubauen und auch interministeriell aufeinander abzustimmen.

1. Angesichts der Tendenzen zu Renationalisierung und einzelstaatlicher Interessenspolitik ist die Stärkung der Vereinten Nationen und von Regionalorganisationen, z.B. der OSZE, wesentlich. Nur auf der Basis gegenseitiger Anerkennung kann gemeinsam präventiv gehandelt werden, und nur in multilateraler Kooperation können Verfahren zur friedlichen Streitbeilegung auf der zwischenstaatlichen Ebene verankert werden.

2. Internationales staatliches Handeln wirkt nur tiefgreifend und nachhaltig, wenn die Gesellschaften Friedensprozesse tragen und gestalten. Zwischen politischen und gesellschaftlichen Realitäten besteht eine unmittelbare Wechselwirkung. Sie erfordert die Unterstützung lokaler zivilgesellschaftlicher Akteure zur Krisenprävention und Friedensförderung. Mit dem Zivilen Friedensdienst, dem zivik-Programm und der Arbeitsgemeinschaft Frieden und Entwicklung wurden Instrumente bzw. Strukturen geschaffen, die sich bewährt haben, aber deren Umfang und Ausrichtung das Potential bei Weitem nicht ausschöpfen. Deutsche zivilgesellschaftliche Organisationen haben über langjährige und auf Vertrauen beruhender Partnerschaftsarbeit eine hohe Kompetenz und weitreichendes Engagement für Krisenprävention und Friedensförderung entwickelt. Um diese partnerschaftliche Arbeit zu pflegen und auszubauen, sind sowohl weitere Programmlinien erforderlich wie auch neue Strukturen für Kommunikation und Austausch zwischen staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren, jenseits des unmittelbaren ministeriellen Beratungsbedarfs. Dies gilt gerade auch für die Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Akteure aus den von Krisen betroffenen Ländern selbst.

3. Die »Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung« setzt Politikfelder explizit in einen Zusammenhang. Lebensbedrohende Zustände und gravierende soziale Ungleichheit, die es weltweit, regional und innerhalb von Gesellschaften gibt, werden als wesentliche Konfliktursachen benannt. Auch für Deutschland gilt es hier, internationale Verantwortung zu übernehmen, die sich auch im innerstaatlichen Handeln widerspiegelt. Eine wesentliche Herausforderung ist es, die eigenen Beiträge zu Ursachen und Dynamiken von Konflikten, seien es politische, wirtschaftliche oder kulturelle, zu reflektieren. Deutschland ist als »globaler Player« oder Bündnispartner oftmals kein »neutraler« Dritter, sondern indirekt oder direkt auch Konfliktbeteiligter. Dies zu erkennen, eröffnet Handlungsspielräume zur Friedensförderung und Gewaltprävention.

4. Um frühzeitig gewaltpräventiv handeln zu können, bedarf es der Implementierung von Frühwarnprozessen. Strukturen des Wissenstransfers zwischen internationalen, staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren sind notwendig; Kommunikationswege zu Entscheidungsstrukturen sollten systematisiert und transparent gemacht werden. Aus der Menschenrechtsarbeit wissen wir, wie wichtig es ist, solche Prozesse so zu gestalten, dass hierdurch niemand gefährdet wird und das Wissen nicht zu anderen als den vereinbarten Zwecken genutzt wird.

5. Konfliktanalysen und die Systematisierung von Frühwarnprozessen werden wenig bewirken, wenn es an angemessenen Entscheidungsstrukturen mangelt und die Fähigkeiten oder Ressourcen zur frühzeitigen Aktion fehlen. Dies ist gegenwärtig der Fall. Innerhalb des staatlichen Kontextes geht es um die interministeriellen Entscheidungsstrukturen, um die personellen und fachlichen Kapazitäten in den einzelnen Ressorts, auch jenseits des Auswärtigen Amtes. Um Kohärenz herzustellen, bedarf es eines Instrumentariums, um Entscheidungen in der Wirtschafts-, Entwicklungs- und Migrationspolitik wie auch der Umwelt- und Ressourcenpolitik auf Einklang mit den Leitlinien für ziviles Krisenengagement zu prüfen.

6. Die Entwicklung der letzten Jahre hin zu international vereinbarten Dokumenten, die nationale Selbstverpflichtungen nach sich ziehen, halten wir für einen guten Weg zur Umsteuerung. Diese Dokumente, wie z.B. der »Aktionsplan 1325« oder die »Agenda 2030«, basieren auf intensiven Aushandlungsprozessen zwischen den Staaten und mit zivilgesellschaftlichen Akteuren. Wesentliche Fortentwicklungen stellen dabei die Formulierung klarer Zielsetzungen, die Festlegung von Indikatoren und eine turnusmäßige Überprüfung der Handlungsschritte und Wirkungen dar. Diese Prozessgestaltung halten wir auch für vorbildhaft für das Politikfeld Konfliktprävention, Krisenengagement und Friedensförderung.

7. Jedes Engagement wird scheitern, wenn nicht ausreichend Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Dazu ist eine stärkere quantitative Erfassung des sich aus den Zielen, Prozessen und Instrumenten ergebenden Bedarfs notwendig, so wie es auch in anderen Politikfeldern Usus ist. Langfristige Planungen sind ebenso nötig wie eine stetige Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung der Eckdaten. Die haushaltspolitischen Kennziffern sind daraus abzuleiten.

8. Hindernisse für zivilgesellschaftliches Engagement sind neben der Höhe der Haushaltstitel andere in diesem Politikfeld angelegte Verwaltungsregularien. Kurzfristige Laufzeiten, Inflexibilitäten und Planungsunsicherheit behindern nachhaltiges Handeln. Unseres Erachtens muss im Rahmen des Leitlinienprozesses darüber nachgedacht werden, wie die im Aktionsplan schon vorgesehene Abstimmung von Maßnahmen zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Trägern erfolgen kann. Das Konsortium Ziviler Friedensdienst könnte hier Modellcharakter haben. Übertragen auf andere Bereiche zivilgesellschaftlicher Friedensarbeit könnte dieses Modell dahingehend weiter entwickelt werden, dass zivilgesellschaftliche Träger direkt an der Programmentwicklung beteiligt werden. Dies kann zur Etablierung gemeinsamer Strukturen der Mittelvergabe führen, wie es in Bereichen der Wissenschaftsförderung oder der Jugendhilfe durchaus üblich ist. Uns erscheint dies als ein geeigneter Ansatz, um den originären fachlichen Kompetenzen zu entsprechen und die Eigenständigkeit zivilgesellschaftlicher Akteure zu erhalten, die wir vor allem international zunehmend als gefährdet ansehen.

9. Gewaltfreies und deeskalierendes Handeln sollte als Handlungsmaxime im öffentlichen Raum dargestellt und deutlicher wahrnehmbar werden. Das Sichtbarmachen von gewaltfreien Handlungsmöglichkeiten ist entscheidend, um den politischen und gesellschaftlichen Rückhalt für Entscheidungen, z.B. bei der Mittelverteilung zugunsten der zivilen Krisenprävention und des Engagements für Friedensförderung, zu erreichen. Vorbehalten gegenüber der Wirksamkeit zivilen Engagements muss aktiv begegnet werden. Hierfür bedarf es neuer Instrumente und eigens ausgewiesener Ressourcen. Gerade angesichts der »Krisen«-Verunsicherung innerhalb unserer Gesellschaft ist eine intensive und kontinuierliche Aufklärung über die Chancen und die Wirksamkeit gewaltfreier Konflikttransformation notwendig, die über die Fachkreise ­hinausreicht.

Beratungsprozess sollte Startpunkt sein

Aus der Sicht eines zivilgesellschaftli­chen Netzwerkes von in der zivilen Konfliktbearbeitung engagierten Organisationen und Personen begrüßen wir den vom Auswärtigen Amt begonnenen Leitlinien-Beratungsprozess. Wir hoffen, dass damit eine Debatte in Gang gesetzt wird, die nicht mit der Verabschiedung dieser Leitlinien für Krisenengagement endet. Es sollte der Startpunkt sein, um in Politik und Gesellschaft die friedenspolitischen Herausforderungen, vor denen wir stehen, offen zu reflektieren und anzugehen. Dies wäre ein wichtiger Schritt zur Entwicklung und Umsetzung eines umfassenden friedenspolitischen Leitbildes.

Es braucht mehr Solidarität!

Es braucht mehr Solidarität!

Replik auf Velten Schäfer

von Björn Kunter

Am Beispiel der Ukraine macht sich ganz unterschiedliche Kritik an der Außenpolitik der Bundesregierung fest. Einer der umstrittenen Fragen dreht sich darum, ob das außenpolitische Agieren der Bundesregierung in der Ukraine zur Eskalation und damit zum bewaffneten Konflikt beigetragen habe. In W&F 4-2015 vertrat Velten Schäfer in seinem Artikel »Zivile Aggression? Die Ukraine, die deutsche Außenpolitik und die Friedensbewegung« die These, die Friedensbewegung müsse sich mit der Tatsache auseinandersetzen, dass zivilgesellschaftliches Engagement in anderen Ländern „zum Instrument aggressiven außenpolitischen Handelns uminterpretiert“ werden könne und so „zu einer gewalttätigen Eskalation von Konflikten beitragen“ könne. Er empfahl als Gegenstrategie, über eine Politik der strikten Nicht-Einmischung nachzudenken. Björn Kunter ist ganz anderer Meinung und begründet hier, warum.

Velten Schäfer greift in seiner Analyse des deutschen Handelns im Ukrainekonflikt (W&F 4-2016, S.38-40) ein wichtiges Thema auf: Er nimmt einen neuen zivilgesellschaftlichen Interventionismus wahr und hinterfragt die »Partnerschaft mit der Zivilgesellschaft« durch Regierungsstellen. Doch läuft der innenpolitische Redakteur des »neuen deutschland« bei seiner Analyse der Ukrainekrise in eine Falle neokolonialistischen Denkens, die auch in der Friedensbewegung weit verbreitet ist.

Schäfer erkennt zwar an, dass es viel zu kurz greift, „den »Maidan« nur auf diese Politik der »pro-westlichen Landschaftspflege« zurückzuführen und ihn pauschal als extern finanzierten Staatsstreich einzustufen. Solche Bewegungen lassen sich weder einfach von außen »aufbauen« noch sind sie punktgenau zu steuern. Sie haben erhebliche Eigendynamiken, »der Westen« ist für viele Akteure aus verschiedenen Gründen politisch und ökonomisch attraktiv. Die unterstützten Organisationen und Strömungen sind weder einfach Einflussagenten noch steht bei ihnen die Außenpolitik notwendigerweise an erster Stelle; oft kümmern sie sich um reale soziale Probleme.“ Doch wirklich eigene Wirkungsmacht – also die Möglichkeit, das eigene Geschick selbst zu steuern, wie wir es mit Art. 20(2) des Grundgesetzes, „Alle Staatsgewalt geht vom [deutschen] Volke aus“, für uns selbst definieren und fordern – gesteht er den ukrainischen Akteuren nicht zu. Vielmehr konstatiert Schäfer , dass „die »Maidan«-Bewegung bereits in der Entstehung nicht ohne das Kräftefeld denkbar [ist], das von außen aufgebaut wurde, und schon gar nicht ihr »Sieg« ohne den dann demonstrativen Schulterschluss westlicher Regierungen“. Aus ukrainischer Perspektive klingt das herablassend und in etwa so absurd, wie für uns die »Reichsbürger«-Thesen von Deutschlands fortwährender Besetzung.

Schäfers Feststellung ist weder allgemein noch auf die Ukraine bezogen stimmig. Erica Chenoweth und Maria J. Stephan (2011) zeigten in einer vergleichenden Untersuchung gewaltfreier und gewaltsamer Aufstandsbewegungen auf, dass auswärtige Unterstützung zwar auf gewaltsame Bewegungen einen signifikanten Einfluss hat, die Erfolgschancen gewaltfreier Bewegungen jedoch nicht erhöht.1 Bezogen auf die Ukraine ist die Hypothese eines entscheidenden äußeren Einflusses schon deshalb unglaubwürdig, weil die damalige Dominanz Russlands in quasi jedem Bereich der ukrainischen Gesellschaft (Wirtschaft, Verwaltung, Sicherheitsdienste, Politik) unübersehbar war. Wäre das „von außen aufgebaute“ Kräftefeld wirklich so entscheidend, wie Schäfer behauptet, hätte es keinen erfolgreichen »Euromaidan« geben können.

Schäfer belegt seine Theorie nicht mit innerukrainischen Wirkungsbeobachtungen, auch nicht mit den Wirkungsbehauptungen der in der Ukraine tätigen Nichtregierungsorganisationen, sondern mit Absichtserklärungen und symbolischen Gesten der deutschen und europäischen Regierungspolitik. Als Beispiel führt er den Besuch des damaligen Außenministers Westerwelle auf dem Maidan an, der dazu geführt habe, dass „die Entscheidung de facto gefallen“ sei. Außerdem irrt Schäfer, wenn er die Schaffung der »Fazilität für die Zivilgesellschaft in der Östlichen Partnerschaft« und des »Europäischen Fonds für Demokratie« in den Kontext des Arabischen Frühlings stellt. Tatsächlich sind beide Instrumente nur zu verstehen vor dem Hintergrund des langjährigen Scheiterns der europäischen Nachbarschaftspolitik, insbesondere der bis in den Sommer 2011 andauernden brutalen Zerschlagung der belarussischen Opposition nach den Präsidentschaftswahlen vom Dezember 2010.

Kein Masterplan des Westens

Gerade die Entstehung der Östlichen Partnerschaft zeigt, dass die deutsche und europäische Politik gegenüber diesen Staaten bis 2013/14 nicht von einem »Masterplan« oder strategischem Denken geprägt war. Vielmehr nahm die Bedeutung der Zivilgesellschaft für die Außenpolitik aufgrund von zwei ganz anderen Faktoren zu: die Ratlosigkeit angesichts des offensichtlichen Scheiterns der bisherigen Demokratisierungshilfe und die Bedeutungslosigkeit der osteuropäischen Länder für die westliche Politik. Erst das Scheitern der auf zwischenstaatlichen Verträgen basierenden staatlichen Transformationshilfen setzte die Ressourcen frei, um verstärkt zivilgesellschaftliche Demokratisierungshilfe leisten zu können bzw. zu müssen, da die regelmäßigen Krisen in Belarus und in der Ukraine immer wieder (symbolische) Reaktionen erforderten. Angetrieben wurde die Politik nicht nur von den neuen EU-Mitgliedern in Osteuropa, die sich als Paten ihrer Nicht-EU-Nachbarn verstanden, sondern auch aus den zivilgesellschaftlichen Partnerschaften, die (oft in Folge der Tschernobylsolidarität) schon lange zuvor insbesondere in Deutschland, Österreich, Italien, Schweden und den Niederlanden entstanden waren.2 Der Anstieg der Mittel für zivilgesellschaftliche Projekte ist daher weniger auf zentrale strategische Entscheidungen zurückzuführen, sondern überwiegend ein Resultat punktuell erfolgreicher zivilgesellschaftlicher Lobbybemühungen. Ermöglicht wurde dies durch die Bedeutungslosigkeit von Belarus und Ukraine in der außenpolitischen Strategiebildung der EU, die sich selbst zwei Jahrzehnte nach dem Zerfall der Sowjetunion vor allem an Moskau orientierte und die östliche Nachbarschaftspolitik eher nebenbei vorantrieb.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Schäfer hat recht, wenn er schreibt, dass die auswärtige Förderung der Zivilgesellschaft zugenommen habe und im Gegensatz zur belächelten Bürgerdiplomatie des Kalten Krieges heute durchaus als wirkmächtig wahrgenommen werde. Er hat auch recht mit der Feststellung, dass zivilgesellschaftliche Bewegungen destabilisierend wirken könnten3 und ihre Förderung aus dem Ausland von den betroffenen Regimen häufig als Aggression wahrgenommen werde. Doch sucht er an der falschen Stelle, wenn er das Handeln der Bundesregierung bzw. der EU als ursächlich vermutet. Selbst der Blick auf die US-Regierung führt diesbezüglich nicht weiter, obgleich US-Regierungsstellen oft strategischer und geschlossener agieren als die EU und die Bundesregierung.4 Zu beobachten ist stattdessen, dass schon die Koordination zwischen den Geldgebern in der Regel nicht funktioniert und erst recht nicht zwischen den untereinander konkurrierenden durchführenden Nichtregierungsorganisationen. Allenfalls lassen sich »Modewellen« feststellen, bei denen viele Akteure zur gleichen Zeit das gleiche fördern. Eine strategische Koordinierung der westlichen Demokratisierungshilfe ist nicht die Regel, sondern eine seltene Ausnahme.

Eine solche Ausnahme stellt die systematische Stärkung der Opposition im Vorfeld der belarussischen Präsidentschaftswahlen 2001 dar, die weitgehend von der OSZE-Beobachtermission in Minsk unter Leitung des ehemaligen Botschafters und BND-Präsidenten Hans-Georg Wieck koordiniert worden war und als (gescheiterter) erster Versuch einer »Farbrevolution« verstanden werden kann.5 Auch lässt sich aufzeigen, dass sich viele relevante Akteure der auswärtigen und lokalen Zivilgesellschaft und ihre staatlichen westlichen Geldgeber vor der »Rosenrevolution« in Georgien (2003) und insbesondere nach der »Orangen Revolution« 2004 in der Ukraine vom Leitbild der gewaltfreien Revolution tragen ließen und solche Ansätze gezielt unterstützten. Teilweise wurde hierbei auch erheblicher Druck auf die Hilfeempfänger ausgeübt, um ein einheitliches Vorgehen zu forcieren.6 Doch nach dem Scheitern weiterer Versuche gewaltfreier Regierungsumstürze (insbesondere Belarus 2006, Aserbaidschan 2008) und angesichts der Ernüchterung über die Selbstzerlegung des »Orange«-Blocks in der Ukraine nach 2004 verlor das Leitbild »Farbrevolution« schnell an Glanz und spielte schon bei den belarussischen Präsidentschaftswahlen 2010 keine Rolle mehr.

Auch der Arabische Frühling bewirkte keine Änderung der westlichen Förderstrategien in Osteuropa. Beispielsweise ergibt sich aus der USAID-Länderstrategie für die Ukraine 2012-16, dass die US-Förderprogramme zu Beginn des »Maidan« vor allem auf eine Umsetzung demokratischer Reformen durch die Regierung von Janukowitsch zielten und den Beitrag der Zivilgesellschaft zur Demokratisierung vor allem bei der Beratung von Gesetzesvorhaben, im Kampf gegen lokale Korruption und in der Stärkung der lokalen Demokratie sahen.7 Aus dem Evaluationsbericht8 des entsprechenden Programms zur Stärkung der Rolle der Zivilgesellschaft bei der Umsetzung demokratischer Reformen (UNITER, 2008-30.9.2013) kann man außerdem viel über die Probleme der ukrainischen Zivilgesellschaft und die begrenzte Wirkung der Förderprogramme erfahren, aber keinesfalls erahnen, dass wenige Wochen später der »Euromaidan« das Land umkrempeln wird. Stattdessen herrschte allenthalben Ratlosigkeit.

Internationale Solidarität

Fatalerweise nutzt Schäfer seine Kritik am deutschen Regierungshandeln in der Ukraine (wiewohl er es in weiten Teilen als „Nicht-Handeln“, „verpasste Chancen“ etc. beschreibt) als Plädoyer für eine grundsätzliche „anti-interventionistische Neuaufstellung“.

Seiner grundsätzlichen Empfehlung, staatliche Außenpolitik nicht mehr mit zivilgesellschaftlichen Mitteln zu verfolgen, kann ich durchaus in Teilen zustimmen. Das gilt insbesondere für die direkte Verknüpfung mit militärischen Einsätzen, wie sie die Bundesregierung in Afghanistan versucht hat.9 Auch in anderen Situationen sind staatliche Stellen selten die besten Geldgeber für die Förderung zivilgesellschaftlicher Aktivitäten. In der Regel ist das Problem jedoch nicht, dass sie zu viel Einfluss ausüben, sondern dass sie konzeptlos und spontanistisch mehr Schaden als Wirkung zu erzielen drohen, so bei den aktuellen Spontanmitteln zur Förderung der Zivilgesellschaft in der Ukraine und bei der Östlichen Partnerschaft.10 Allerdings kann es auch keine Alternative sein, die (interventionistische) Arbeit für Frieden, Demokratie und Menschenrechte allein der Privatwirtschaft oder dem gemeinnützigen (letztlich doch auch wieder privatwirtschaftlichen) Spendenmarkt zu überlassen. Denn natürlich sind Sponsoren wie Bill Gates, George Soros, die Bertelsmann Stiftung etc. nicht legitimer oder weniger interessengesteuert als Staaten.

Nicht zuletzt aus demokratietheoretischen Gründen würde ich es daher vorziehen, den Staat nicht vollkommen aus der Finanzierung und Aufsicht der Zivilgesellschaft zu entlassen. Institutionen wie das Deutsch-Französische Jugendwerk könnten hier Vorbildcharakter haben, insbesondere wenn es gelingt, die Gesellschaft und Politik der Empfängerländer mit einzubeziehen.

Schäfer kritisiert den deuschen Bundespräsidenten Gauck aus gutem Grund dafür, dass „viele zwischen »Werten« und geostrategischen Interessen des »Westens« keinen Widerspruch sehen. »Wir« sind nun mal die Guten.“ Es wäre sogar konfliktverschärfend, sollten nicht Interessen, sondern Werte durchgesetzt werden, weil die ökonomische Ebene dann durch Kulturkämpfe überlagert würde. Nur weil Gauck in pastoraler Beschränktheit nicht zwischen Werten und Interessen differenzieren kann, sollte die Friedensbewegung dies keinesfalls übernehmen, sondern sich um so vehementer an international vereinbarten Normen orientieren und für den Schutz der Menschenrechte (auch durch die westlichen Staaten und internationalen Institutionen) einsetzen.. Dabei wird es tatsächlich nicht ausreichen, auf die „Verrechtlichung und Institutionalisierung der internationalen Politik zu hoffen“, allerdings nicht so sehr, weil sie ein „totes Pferd“ sei, wie Schäfer urteilt, sondern weil auch der Weg über Institutionen und Gerichte vor allem oder ausschließlich den »Starken« offensteht. Denn selbst wenn sich auch die mächtigen Staaten und Konzerne der internationalen Gerichtsbarkeit unterwerfen, wird es schon armen Staaten sehr schwer fallen, dort Verfahren gegen mächtige GegnerInnen zu führen; unterdrückte Bevölkerungsgruppen werden dies alleine nie leisten können.

In vielen Konfliktkonstellationen können Landlose, KinderarbeiterInnen und -soldatInnen, Näherinnen und verfolgte Minderheiten im Globalen Süden (und Osten) ihre Lebensbedingungen nur durch (nicht-militärische) internationale Intervention beziehungsweise solidarische Hilfe internationaler Organisationen und Netzwerke verbessern und ihre Rechte durchsetzen. Galtung nannte dies die „große Kette der Gewaltlosigkeit“, durch die die Opfer in der globalisierten Welt erst konfliktfähig werden.11 Denn wenn Frieden in galtungscher Definition vor allem als ein Zustand der gewaltfreien Konfliktaustragung definiert ist, muss es, wie Diana Francis (2002) und Véronique Dudouet (2011)12 ausarbeiten, immer auch darum gehen, durch gewaltfreien Widerstand Konfliktaustragung und »faire Bedingungen« erzwingen zu können. In diesem Sinne brauchen wir keine Wiederbelebung des Prinzips der Nichteinmischung in die Politik souveräner Staaten, wie Schäfer meint, sondern mehr und vor allem besseren Interventionismus – als gelebte internationale Solidarität mit den Machtlosen und Unterdrückten.

Erfolgreicher gewaltfreier Widerstand bedeutet zwar immer auch eine Destabilisierung bestehender Herrschaftssysteme, führt aber nicht immer oder gar automatisch zur Demokratisierung, zumal allein ein Elitenwechsel, wie die Ukrainer nach 2004 lernen mussten, noch keine Demokratie garantiert. Wenn wir realpolitisch davon ausgehen, dass es auch in Zukunft (versuchte) Elitenwechsel geben wird, ist es zielführender, genauer zu schauen, unter welchen Bedingungen diese gelingen und friedenspolitisch sinnvoll sind. Die empirischen Studien von Chenoweth und Stephan belegen die positive Bedeutung gewaltfreien Widerstands. Zum einen führten erfolgreiche gewaltfreie Kampagnen in 57% fünf Jahre nach Ende der Kampagne zu demokratischen Verhältnissen, während weniger als 6% der gewaltsamen Regimewechsel zur Errichtung von Demokratien führten. Interessanterweise zeigt sich der Demokratisierungseffekt von gewaltfreien Widerstandskampagnen sogar dann, wenn die Kampagnen (scheinbar) erfolglos bleiben. In immerhin 35% aller Fälle kam es innerhalb von fünf Jahren nach dem Scheitern doch noch zur Entwicklung einer Demokratie. Zum anderen kommt es nur nach 28% aller gewaltfreien Widerstandskampagnen innerhalb von zehn Jahren zu gewaltsamen Konflikten und Bürgerkriegen, während dies nach 42% aller gewaltsamen Widerstandskampagnen der Fall war. Am gefährlichsten sind Widerstandskampagnen, wenn es weitere gewaltsame Konfliktparteien gibt. Hier kommt es in jedem zweiten Fall (49%) zu einem Bürgerkrieg innerhalb der nächsten zehn Jahre.13

Zivile Aggression?

Schäfer betont, dass zivile bzw. gewaltfreie Methoden nicht harmlos sind, und damit hat er recht. So wäre es meines Erachtens zum Beispiel notwendig, Produkte aus Zwangsarbeit so effektiv zu boykottieren, dass sie unverkäuflich werden. Gleichzeitig würden damit aber weltweit auch Wirtschaftszweige und Überlebensmodelle vieler Menschen bedroht, die sich darin eingerichtet haben. Im Extremfall können gute bzw. gut gemeinte Interventionen sogar zum Auslöser für Kriege werden.

Zudem gibt es eine klare Tendenz staatlicher Organe, zivile (gewaltfreie) Methoden mit kriegerischer Absicht einzusetzen. So erregte letztes Jahr die so genannte »Gerasimow-Doktrin« Aufsehen, die von dem russsischen Armeechef Waleri Gerasimow als Reaktion auf den Arabischen Frühling formuliert und bei der Annexion der Krim erfolgreich umgesetzt wurde. Dabei stellte der russische Armeechef fest: „Die Rolle der nichtmilitärischen Mittel zur Erreichung politischer und strategischer Ziele ist gestiegen und in vielen Fällen mächtiger und effektiver als Waffengewalt.“14 Es ist anzunehmen, dass entsprechende Methoden und Kapazitäten der hybriden bzw. nicht-linearen Kriegsführung auch in den NATO-Staaten und -Stäben entwickelt wurden. Hinreichend bekannt sind die NATO-Ansätze zur Einbeziehung der zivilen Bevölkerung im Rahmen der Zivil-Militärischen Kooperation und Aufstandsbekämpfung. Qualitativ neu an Gerasimows Militärdoktrin, bzw. ein Rückgriff auf Strategien des Kalten Krieges, ist die gezielte Nutzung der politischen Opposition im Feindesland im militärischen Interesse. Im Westen hingegen wurden und werden die militärische und die zivile Sphäre in der Regel bewusst voneinander getrennt, insbesondere dort, wo sich – wie in den Anrainerstaaten Russlands – jegliches militärische Engagement verbietet.

Dabei überrascht es nicht, dass Regime einheimischen Aufständischen stets vorwerfen, vom Ausland gestützt oder gar gesteuert zu werden. Denn unabhängig davon, ob und in welchem Maße eine Unterstützung stattfindet und ob diese wirklich effektiv oder eher hinderlich ist, eignet sich die Diskreditierung als ausländische Agenten immer, um interne Oppositionsgruppen von der Bevölkerung zu entfremden. Aus der Inszenierung als Opfer ausländischer Aggression ziehen autoritäre Regime so viel politisches Kapital, dass der US-amerikanische Politikwissenschaftler Konstantin Ash anlässlich der belarussischen Präsidentschaftswahlen 2015 schlussfolgerte, die beste Unterstützung für die Opposition wäre es, alle Hilfen einzustellen.15

Aber auch ausländische Beobachter neigen dazu, den Einfluss ausländischer Unterstützung systematisch zu überschätzen, teils aus der kolonialistischen Annahme, lokale Bewegungen könnten nie mehr als »Marionetten« (nützliche Idioten) der geostrategisch agierenden Mächte sein, und teils, weil sie ihre Analysen auf der Öffentlichkeitsarbeit oder Materialien von Akteuren, wie dem Center for Applied Nonviolent Action and Strategies (CANVAS), dem International Center for Nonviolent Conflict (ICNC) oder dem Albert Einstein Institute (Gene Sharp) aufbauen. So suggerierte die Zeitschrift »Foreign Policy« die absurde Idee, der Erfolg des Arabischen Frühlings in Ägypten könnte auf die Teilnahme eines Aktivisten an einem einwöchigen CANVAS-Training zurückgeführt werden.16 Es ist zwar auffällig, wie sehr sich die Ideen und Methoden der »Strategischen Gewaltfreiheit« in den letzten zehn Jahren weltweit verbreitet haben, doch ist dies vor allem ein Zeichen für den enormen Bedarf an Demokratie, Mitbestimmung und »Protest«.17

Ich denke, es ist somit auch im Sinne Schäfers, den Begriff der »zivilen Aggression« nicht pauschal auf die Verbreitung von Ideen und Methoden anzuwenden, sondern auf die seltenen Fälle zu begrenzen, in denen eine massive Unterstützung durch ausländische Akteure stattfindet. Betrachten wir die Intensität der Hilfe als ein Kontinuum – von der Verbreitung von Ideen über schützende und stützende Partnerschaften mit Opfern autoritärer Gewalt, die Einbindung dieser in internationale Netzwerke und die direkte Unterstützung lokaler Akteure in ihren politischen Auseinandersetzungen bis hin zur monopolistischen Unterstützung, wenn Erfolg und Bestand einer oppositionellen Gruppierung vorrangig oder allein vom Erhalt der (materiellen) Hilfe aus dem Ausland abhängen – so könnte man allenfalls die letzten zwei Punkte als »zivile Aggression« bezeichnen. Alles darunter, insbesondere die Schaffung internationaler Netzwerke der Zivilgesellschaft, aber auch der Schutz von Regimeopfern und Menschenrechtsschützern, sind nach meinem Ermessen so grundlegend, dass es Aufgabe und Pflicht staatlicher wie nichtstaatlicher Akteure sein muss, diese Hilfestellung zu gewährleisten. Wobei durchaus hinterfragt werden muss, ob die jeweiligen Maßnahmen verhältnismäßig und wirkungsvoll sind und möglichst wenig anderen Schaden anrichten (Do No Harm). Denn auch generell sinnvolle Aktionen können in bestimmten Kontexten Schaden anrichten, zum Beispiel wenn die internationale Arbeit für politische Gefangene in Belarus der dortigen Oppositionsbewegung Anreize setzt, Verhaftungen zu provozieren und politisch auszunutzen, anstatt die eigenen Aktiven effektiv vor Verfolgung zu schützen.18

Was also tun?

Friedens-, Menschenrechts- und Solidaritätsbewegungen und insbesondere ihre professionalisierten (und dennoch zivilgesellschaftlichen) Akteure der Zivilen Konfliktbearbeitung und Entwicklungszusammenarbeit müssen auf diese neuen Entwicklungen reagieren. Teilweise ist dies, wie in der Abwehr der zivil-militärischen Vereinnahmung durch die »NRO-Fazilität für Afghanistan«, bereits geschehen. Auch im Rahmen der (deutschen) Entwicklungszusammenarbeit wurden unter den Stichworten »Konfliktsensibilisierung« und »Do No Harm« wichtige Diskussionen geführt und Leitlinien entwickelt, die allerdings noch nicht durchgängig angewandt werden. Insbesondere die Menschenrechtsarbeit und Demokratieunterstützung in Osteuropa erfolgt jedoch noch weitgehend ohne ausreichendes Verständnis über ungewollte Wirkungen oder »Do No Harm«-Analysen. Diese sind nicht nur notwendig, um Krisen und Eskalationen zu verringern, sondern auch, um die lokalen Partner effektiver vor Repression schützen und wirkungsvoll unterstützen zu können.

Die Demokratieunterstützung in Osteuropa muss die Phase der Rat- und Bedeutungslosigkeit überwinden. Anstatt mit immer neuen Hilfsprogrammen auf bevorstehende Wahlen, Repressionen und Krisen zu reagieren, braucht es langfristig finanzierte, auf nachhaltigen Wandel setzende Mechanismen, wahrscheinlich sogar Institutionen, um die Vielfalt der zivilgesellschaftlichen Beziehungen und Vernetzungen zwischen Ost und West überhaupt nutzen und gemeinsame Strategien entwickeln zu können. Wobei gemeinsam vor allem bedeutet, den Menschen aus den Zielländern endlich zu ermöglichen, ihre eigenen Strategien zu entwickeln und zu schauen, welche Hilfeleistungen sie von uns benötigen, damit gewaltfreier Wandel nicht länger nur trotz, sondern mit westlicher Unterstützung möglich wird.

Anmerkungen

1) Erica Chenoweth and Maria J. Stephan (2011): Why Civil Resistance Works – The Strategic Logic of Nonviolent Conflict. New York: Columbia Universiy Press.

2) Dies könnte auch erklären, weshalb bis heute ein Großteil der zivilgesellschaftlichen Mittel nach Belarus und in die Ukraine, nicht aber nach Moldawien fließt.

3) Es ist weitgehend anerkannt, dass Demokratisierung Kriege auslösen kann und eine Reduzierung von Krieg erst nach Erreichen höherer Demokratiestufen eintritt. Siehe dazu Nils Petter Gleditsch and Havard Hegre: Peace and Democracy – Three Levels of Analysis. Journal of Conflict Resolution, April 1997, Vol. 41 No. 2, S.283-310.

4) Die immer wieder pauschal getroffene Aussage, die USA hätten fünf Mrd. US$ in den Euromaidan investiert, ist allerdings eine grobe Übertreibung, da das zugrunde liegende Zitat der stellvertretenden Staatssekretärin Victoria Nuland alle Hilfen von 1991 bis 2013 umfasst, insbesondere auch Zahlungen an die ukrainische Regierung und für ganz andere Bereiche, wie Gesundheitsreformen und die Vernichtung von Massenvernichtungswaffen. Vgl. dazu Katie Sanders: The United States spent $5 billion on Ukraine anti-government riots. politifact.com/punditfact, 19.3.2014.

5) Wiecks Ansatz stützte sich nicht auf die serbischen Erfahrungen vom Oktober 2000, und die »weiße« Revolution von 2001 wird in der Regel nicht zu den Farbrevolutionen gezählt. Dennoch wurde die von ihm unterstützte unabhängige Wahlbeobachtung, mit der er – angelehnt an die Beobachtung der letzten Volkskammerwahl der DDR – die Wahlfälschungen unter Lukaschenko öffentlich machen wollte, fester methodischer Bestandteil der Farbrevolutionen.

6) Björn Kunter: Belarus: Do No Harm – Forderungen an externe Demokratieförderung. Osteuropa 1/2007, 57. Jg., S.35-48.

7) United States Agency for International Development/USAID (o.J.): Ukraine Country Development Cooperation Strategy 2012-2016.

8) USAID (2014): Final Performance Evaluation of the Ukraine National Initiatives to Enhance Reforms (UNITER).

9) Siehe dazu Robert Lindner: Grenzen von ZIMIK in Afghanistan. W&F 1-2011, S.37-41.

10) Björn Kunter: Bundesregierung und Ukraine – Friedensarbeit braucht Kontinuität. Friedensforum 5/2015, S.28/29.

11) Johan Galtung (1988): Die Prinzipien des gewaltlosen Protestes – Thesen über die »Große Kette der Gewaltlosigkeit«. In: Dokumentation des Bundeskongresses »Wege zur Sozialen Verteidigung« vom 17.-19. Juni 1988. Minden: Bund für Soziale Verteidigung, S.82-92.

12) Diana Francis (2002): People, Peace and Power – Conflict Transformation in Action. London: Pluto Press. Véronique Dudouet (2011): Nonviolent Resistance in Power Asymmetries. In: Beatrix Austin, Martina Fischer, Hans J. Giessmann (eds.): Advancing Conflict Transformation. The Berghof Handbook II. Opladen/Framington Hills: Barbara Budrich.

13) Chenoweth and Stephan 2011 (siehe Fußnote 1), S.209-219.

14) Übersetzung des Autors aus: Valerij Gerasimow: Nowye Wysowy trebujut Pereosmyslenija Form i Sposobow Wedenija boewych Dejstwij (Neue Herausforderungen verlangen ein Überdenken der Formen und Methoden militärischen Handelns). Woenno-promyschlennyj Kurer, No. 8-2013 S 1-2; vpk-news.ru. Eine englische Übersetzung der Gerasimov Rede findet sich in: Mark Galeotti: The »Gerasimov Doctrine« and Russian Non-Linear War. Blogeintrag vom 6.7.2014 auf inmoscowsshadows.wordpress.com.

15) Konstantin Ash: Strategische Repression und eine zersplitterte Opposition sichern Lukaschenkos Macht. Belarus Analysen Nr. 23, 19.10.2015, S.2f.

16) Tina Rosenberg: Revolution U – What Egypt learned from the students who overthrew Milosevic. Feature auf foreignpolicy.com, 17.2.2011.

17) Ich werde jedoch meine Einstellung zu CANVAS revidieren, falls es innerhalb von drei Jahren nach der Veröffentlichung von »Protest! Wie man die Mächtigen das Fürchten lehrt« (Fischer Taschenbuch, 2015) des CANVAS Gründers Srdja Popovic zu einer Farbrevolution in Deutschland kommt.

18) Siehe Beispiel in: Vasilij Pinchuk, Sarah Roßa und Björn Kunter: Handlungsfähig trotz Repression in Belarus. In: Bund für Soziale Verteidigung (Hrsg.): Gewaltfrei im Schatten von Gewalt. Hintergrundpapier Nr. 23, August 2013, S.26ff.

Björn Kunter koordiniert und berät seit über 20 Jahren zivilgesellschaftliche Projekte in Osteuropa, zuletzt für den Bund für Soziale Verteidigung und die KURVE Wustrow – Bildungs- und Begegnungsstätte für gewaltfreie Aktion. Von 2002 bis 2005 koordinierte er für das Internationale Bildungs- und Begegnungswerk das Förderprogramm der Bundesregierung für die Zivilgesellschaft in Belarus.

Die OSZE

Die OSZE

Ein zwieschlächtiges Verhandlungsforum

von Kurt P. Tudyka

Mit der Ukrainekrise wurde der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wieder mehr öffentliche und politische Aufmerksamkeit zuteil, nachdem sie in den Jahren zuvor kaum noch Beachtung gefunden hatte. Dabei verfügt die Organisation für den Raum »zwischen Vancouver und Wladiwostok« über die geeigneten Voraussetzungen, ein Forum für Verhandlungen mit dem Ziel der Konfliktschlichtung und der Friedenbewahrung zu sein: Der OSZE gehören alle Staaten in diesem Raum an, sie hat grundsätzlich den Auftrag zu solchen Aufgaben, und sie verfügt über eine Reihe von Institutionen zu deren Erfüllung. Sie ist in und für Europa die einzige Institution, in der die Vertreter potenzieller oder tatsächlicher Konfliktparteien sich in Wien permanent treffen, mindestens einmal wöchentlich im Ständigen Rat und im Forum für Sicherheitspolitik. Doch wie verhalten sich Anspruch und Realität der OSZE zueinander?

Als am 1. August 1975 in Helsinki nach zweijährigen Verhandlungen 35 Staats- und Regierungs- bzw. Parteichefs die Helsinki-Schussakte unterzeichneten, war die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit für Europa (KSZE) geboren.1 Die Gründung markierte eine historische Wende im Ost-West-Konflikt. Doch wenn in diesem Jahr die 1995 aus der KSZE hervorgegangene OSZE ihr vierzigjähriges Bestehen begeht, dürfte ihren Vertretern eigentlich nicht nach Feiern zumute sein. Und das wäre nicht nur ein Ausdruck der gegenwärtigen politischen Krisen und Konflikte in Europa, sondern auch der Erinnerung an das permanente Scheitern der im letzten Jahrzehnt oft mühsam erarbeiteten Vorschläge für eine Stärkung der Organisation geschuldet.

Entwicklung der KSZE/OSZE im Spiegel ihrer Geschichte

Die bisherige Geschichte der KSZE/OSZE lässt sich in sechs Phasen unterteilen, die größtenteils die Umstände des internationalen Systems, namentlich des Ost-West-Verhältnisses, zu einem kleinen Teil aber auch die autonome Entwicklung der Organisation selbst widerspiegeln. An der KSZE bzw. OSZE lassen sich gewissermaßen die Veränderungen der europäischen Verhältnisse ablesen.

Die erste Phase begann ansatzweise in den 1960er Jahren mit Vorschlägen und Beschlüssen verschiedener Konferenzen und Organisationen, wie Warschauer Pakt und NATO, über die gesamteuropäische Sicherheit, nahm seit 1973 mit den formellen Regierungsverhandlungen Fahrt auf und wurde 1975 mit der Helsinki-Schlussakte gekrönt. Die zweite Phase umfasste die Überprüfung und Ergänzung der ausgehandelten Prinzipien, Normen und Absichten durch drei große Diplomatenversammlungen, die so genannten Folgekonferenzen, von Belgrad 1977-78 über Madrid 1980-83 bis hin zu Wien 1986-89. Die dritte Phase war vom gesellschaftlichen Umschwung in Ost-, Mittel- und Südosteuropa und den entsprechenden Reaktionen und Initiativen der jeweiligen Regierungen gekennzeichnet. Die KSZE wurde zum Aushängeschild und partiell zur politischen Transformationsagentur, was sich 1990 in der »Charta von Paris für ein neues Europa« und 1992 im Treffen der Staats- und Regierungschefs in Helsinki manifestierte. In dieser Phase stand die Organisation im Zentrum der politischen Aufmerksamkeit und weckte große Erwartungen.

Die vierte Phase nach 1992, in der die Umbenennung von KSZE in OSZE erfolgte, war vor allem durch die operativen Einsätze bzw. Missionen charakterisiert und damit durch den Wandel von einer beratenden und deklarierenden Versammlung zur intervenierenden und engagierten Agentur. Dies war insbesondere eine direkte Folge der konfliktreichen Sezessionen der Sowjetunion und Jugoslawiens. Den damals aktuellen Status drückte die 1999 auf der Istanbuler Gipfelkonferenz verabschiedete »Charta für Europäische Sicherheit« aus. Doch die Verheißungen blieben größtenteils unerfüllt. Die fünfte Phase nach 2000 war geprägt vom Beharren auf vermeintlich gemeinsame normative Positionen und die Resignation über die mangelnde Aussicht auf weitere gesamteuropäische sicherheitspolitische Fortschritte. Auf den jährlich stattfindenden Ministerratssitzungen nahm die Zahl der inhaltlich redundanten Beschlüsse stark zu, umgekehrt sank die Zahl der inhaltlich innovativen Beschlüsse ständig.2

Die sechste und vorläufig letzte Phase, die etwa mit dem griechischen Vorsitz 2009 einsetzte,3 ist gekennzeichnet durch wiederholte Bemühungen um einen Aufbruch, mit phantasiereich geschmückten Initiativen, wie dem »Korfu-Prozess«, der »Gedenkerklärung von Astana« mit dem Titel »Auf dem Weg zu einer Sicherheitsgemeinschaft« und dem Helsinki+40-Prozess, die alle vom Ministerrat in Dublin 2012 noch einmal bekräftigt, in Kiew 2013 wiederum erklärt und kürzlich in Basel erneut beschworen wurden. Im Großen und Ganzen ging es immer um Bemühungen, die OSZE zu einer umfassenderen Sicherheitsgemeinschaft der 57 ihr angehörenden Staaten auszubauen.

OSZE in der Krise?

Heute, 40 Jahre nach ihrer Gründung, aber auch nach der Annexion der Krim und der Unterstützung ukrainischer Separatisten durch die Russische Föderation, ist die OSZE mit einer qualitativ vollkommen anderen Situation konfrontiert als in den vorangegangenen Phasen ihrer Geschichte. Der zeitweise Ausschluss Jugoslawiens bzw. Serbiens von den Beratungen der OSZE in Wien während der Balkankriege von 1992 bis 2000 war im Vergleich dazu eine Marginalie, was das damals starke Selbstbewusstsein der OSZE belegt.

Wer könnte und wollte analog zum Ausschluss der russischen Abgeordneten aus dem Europarat im April 2014 oder zum Ausschluss des russischen Präsidenten von der G8-Runde im Sommer 2015 die Russische Föderation von der OSZE verbannen, ohne diese damit zu ruinieren? Diese Frage zielt auf die Zwieschlächtigkeit der OSZE ab. Sie ist einerseits ein unübertreffliches Forum für Verhandlungen zwischen Kontrahenten, soweit diese Teilnehmer der Staatengemeinschaft sind. Sie deklariert sich andererseits aufgrund ihrer Grundsätze als nicht wertneutral; tatsächlich wurde und wird immer wieder an die »Acquis« erinnert, die man gemeinsam erarbeitet habe und bewahren und überall verwirklichen müsse, also die Normen für Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit sowie die grundsätzlichen Vereinbarungen zur Rüstungskontrolle oder zur Bekämpfung von Terrorismus.

2014 hatte die Schweiz den OSZE-Vorsitz inne. Beim 21. OSZE-Ministerrat im Dezember desselben Jahres in Basel bemerkte der Gastgeber, der Schweizer Bundespräsident Didier Burkhalter: „Für die OSZE war das kein Jahr wie jedes andere […] Das internationale Bewusstsein für die Rolle und das Potenzial der OSZE als Plattform für Diskussion und Handeln hat 2014 zugenommen. Und doch sieht die Lage heute trotz der von der OSZE ausgehenden positiven Dynamik alles andere als gut aus.“ Selbstzweifelnd fragte er: „Stehen wir nach wie vor zu unserem erklärten Ziel, eine Sicherheitsgemeinschaft von Vancouver bis Wladiwostok zu schaffen?“ 4

Zunächst ist festzuhalten: Trotz der konfrontativen Stimmung in Europa war die OSZE im Jahr 2014 mit vielen Verhandlungen, Vereinbarungen, Gesprächen und Erklärungen sehr aktiv.5 Dafür bieten die Institutionen einen Rahmen, die im Sinne des umfassenden Sicherheitsbegriffs der OSZE und entlang ihrer drei Themenbereiche (»Dimensionen«), nämlich Politisch-Militärisches, Wirtschaft und Umwelt sowie Humanitäres/Menschenrechte, geschaffen wurden: das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte, die Hohe Kommissarin für nationale Minderheiten und der Beauftragte für Medienfreiheit genauso wie die 18 Feldmissionen und die Sonderbeauftragten für verschiedene Regionen und Sachgebiete.6 Beim Ministerrat in Basel wurde über neue Aufgaben verhandelt, und einige davon wurden auch vereinbart, darunter die Bekämpfung von Terrorismus unter Einhaltung menschenrechtlicher Verpflichtungen, die Bekämpfung von Entführungen zur Erpressung von Lösegeld und die Bekämpfung ausländischer terroristischer Kämpfer sowie der Schutz von Menschenrechtsverteidigern. Keinen Konsens gab es über die Verhütung von Folter; Einvernehmen wurde aber erzielt über die Bekämpfung von Antisemitismus, die Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und einen OSZE-Aktionsplan zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern. Für Kleinwaffen und leichte Waffen sowie Lagerbestände konventioneller Munition wurden neue Regeln beschlossen. Einig wurden sich die Minister ferner über eine Verbesserung der Katastrophenvorsorge und Maßnahmen zur Verhütung von Korruption.

Die OSZE-Beobachtungsmission berichtete täglich und verlässlich aus der Ukraine; die Trilaterale Kontaktgruppe aus Vertretern der Ukraine, Russlands und dem Land, das der OSZE gerade vorsitzt,7 konnte sich als das zentrale Gesprächs- und Verhandlungsformat etablieren und bot den Rahmen für die Verabschiedung der Vereinbarungen von Minsk, die u.a. eine Waffenruhe vorsehen. Zwei neue Feldmissionen wurden für die Ukraine geschaffen: die Sonderbeobachtermission und die Grenzbeobachtungsmission.

Noch in keiner Erklärung eines Amtierenden Vorsitzenden der OSZE fehlte der Hinweis auf die ausstehende Lösung der »Langzeitkonflikte« (früher »eingefrorene Konflikte« genannt) in Moldau wegen Transnistrien, in Berg-Karabach zwischen Armenien und Aserbeidschan, in Georgien wegen Südossetien und Abchasien. Rückblickend befand der Schweizer Vorsitzende, die OSZE habe auch 2014 maßgeblich deeskalierend gewirkt. Sybillinisch klingt die Einschätzung im Schweizer Abschlussbericht zum OSZE-Vorsitz, die Situation sei positiv zu werten, da sich in den genannten Regionen die Sicherheitslage auch vor dem Hintergrund der Ukrainekrise „nicht wesentlich verschlechtert“ habe.8

Lähmung und Vertrauensverlust

Wie gelähmt die OSZE in Wirklichkeit ist, lässt sich aus der ebenfalls in Basel abgegebenen, gewundenen »Ministerratserklärung zu den Verhandlungen über den Prozess zur Beilegung der Transnistrien-Frage im »5+2-Format« ablesen: „Die Minister […] erklären erneut ihre feste Entschlossenheit, zu einer umfassenden friedlichen Beilegung des Transnistrien-Konflikts auf der Grundlage der Souveränität und territorialen Integrität der Republik Moldau mit einem Sonderstatus für Transnistrien zu gelangen, der die Menschenrechte sowie die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rechte seiner Bevölkerung uneingeschränkt garantiert; […] fordern die Mediatoren und Beobachter der OSZE, der Russischen Föderation, der Ukraine, der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten von Amerika auf, ihre koordinierten Bemühungen zu verdoppeln und ihr Potenzial zur Förderung von Fortschritten auf dem Weg zu einer umfassenden Lösung des Transnistrien-Konflikts vollständig auszuschöpfen.“ 9

In Bezug auf den Konflikt in Georgien konnten sich die OSZE-Teilnehmerstaaten seit dem Krieg von 2008 hingegen auf keine einzige Ministerratserklärung einigen. Und gemeinsame Erklärungen zur sicherheitspolitischen Lage insgesamt scheitern mangels gemeinsamem Verständnis über die Defizite in der OSZE und mangels gemeinsamer Bereitschaft, diese zu beheben.

Das Verhandlungsklima zwischen den Vertretern der Teilnehmerstaaten spiegelt die kritische Sicherheitslage in Europa wider. So gab z.B. der Leiter der US-amerikanischen Delegation beim Ministerrat in Basel zu Protokoll, dass man sich deshalb auf „viele substanzielle Dokumente nicht einigen beziehungsweise die Verpflichtungen in allen Sicherheitsdimensionen nicht glaubhaft ausweiten und vertiefen“ könne, weil „die Russische Föderation andauernd und auf ungeheure Weise ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen verletzt und fortgesetzt durch ihre Aggression in der Ukraine gegen die Grundprinzipien und die Verpflichtungen dieser Organisation verstößt“. Russlands Verhalten habe das Vertrauen unter den Teilnehmerstaaten beschädigt, und unterminiere darüberhinaus die Sicherheit und Stabilität im OSZE-Raum.10 Auch der ukrainische Außenminister führte das Fehlen von Fortschritten auf die „Aggression Russlands gegen sein Land“ zurück; die Russische Föderation habe eindeutig gegen die Schlussakte von Helsinki und ihren Katalog von Leitprinzipien verstoßen, der die Grundlage für den Helsinki+40-Prozess bilde. Das habe zu einem weiteren Vertrauensverlust in der OSZE geführt, der den Dialog im Rahmen des Helsinki+40-Prozesses im Jahr 2015 ganz besonders beeinträchtige.11

Es kündete daher von der diplomatisch verklausulierten Offenbarung eines Scheiterns, als der Schweizer Vorsitzende der OSZE feststellte, „dass es uns nicht gelungen ist, bei den Verhandlungen über den Entwurf einer Erklärung des Ministerrats über die Rolle der OSZE in der Krise in der und um die Ukraine unter den 57 Teilnehmerstaaten Konsens zu allen Punkten zu erzielen. In den Verhandlungen und bei dem sonstigen Meinungsaustausch im Zuge des Ministerrats traten unterschiedliche Einschätzungen in Bezug auf die Ursachen der Krise zutage“.12

Wir, die Mitglieder des Ministerrats der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, bekräftigen unser uneingeschränktes Festhalten an allen OSZE-Normen, -Prinzipien und -Verpflichtungen, beginnend mit der Schlussakte von Helsinki, der Charta von Paris und allen anderen von uns vereinbarten OSZE-Dokumenten, sowie unsere Verantwortung, sie vollständig und nach Treu und Glauben umzusetzen.

Wir bekräftigen ferner unser uneingeschränktes Festhalten an der Gedenkerklärung von Astana »Auf dem Weg zu einer Sicherheitsgemeinschaft«, in der sich die Teilnehmerstaaten erneut zur Vision einer freien, demokratischen, gemeinsamen und unteilbaren euroatlantischen und eurasischen Sicherheitsgemeinschaft von Vancouver bis Wladiwostok bekannten, deren Grundlagen vereinbarte Prinzipien, gemeinsame Verpflichtungen und gemeinsame Ziele sind. Diese Sicherheitsgemeinschaft soll alle OSZE-Teilnehmerstaaten in der gesamten euroatlantischen und eurasischen Region einen, frei von allem Trennenden, von Konflikten, Einflussbereichen und Zonen mit unterschiedlichem Sicherheitsniveau.

Wir bestätigen erneut unsere Verpflichtung und unser entschlossenes Bekenntnis zur Weiterentwicklung des vom ukrainischen Vorsitz im Einklang mit dem Ministerratsbeschluss von Dublin eingeleiteten Helsinki+40-Prozesses als ein alle Teilnehmerstaaten einbindendes Bemühen, die Arbeit an der Verwirklichung der Vision einer Sicherheitsgemeinschaft durch einen starken und stetigen politischen Anstoß weiterzuentwickeln, und zur weiteren Verstärkung unserer Zusammenarbeit in der OSZE auf dem Weg in das Jahr 2015, in dem wir den vierzigsten Jahrestag der Unterzeichnung der Schlussakte von Helsinki begehen werden.

OSZE-Ministerrat: Erklärung über die Förderung des Helsinki+40-Prozesses. Dokument MC.DOC/1/13 vom 6. Dezember 2013.

Bei dem Baseler Treffen wurde zwar wiederholt betont, dass sich die Teilnehmerstaaten unverändert zu ihrer Verpflichtung bekennen, alle in der Schlussakte von Helsinki 1975 niedergelegten Prinzipien einzuhalten und unverändert die OSZE als einzigartige Plattform für Vertrauensbildung, Zusammenarbeit und Krisenreaktion betrachten. Dennoch wurde „mit tiefer Besorgnis“ festgestellt, dass die Infragestellung und Verletzung der Grundprinzipien der Schlussakte von Helsinki die Grundfesten der internationalen Ordnung und Sicherheit in unserem Raum erschüttere und die zwischenstaatlichen Beziehungen beeinträchtige, und dies dem „Geist der gegenseitigen Achtung und Zusammenarbeit“ widerspräche, wie er in der »Charta von Paris für ein neues Europa« 1990 definiert worden sei und in allen anderen OSZE-Dokumenten zum Ausdruck komme.13

Rechtliche Stärkung der OSZE steht noch aus

Nach wie vor ist die OSZE keine autonome internationale Organisation. Ein äußeres Zeichen dafür ist die Nomenklatur, die die OSZE-Staaten nicht als »Mitglieder« sondern als »Teilnehmer« bezeichnet. In der Praxis wirkt sich das darin aus, dass die Organe der OSZE ohne die Zustimmung sämtlicher 57 Teilnehmerstaaten kaum Handlungsspielraum haben, denn die Organisation kennt prinzipiell keine Mehrheitsentscheidungen.

Wiederholt wurden von den jährlich wechselnden Vorsitzenden Initiativen auf den Weg gebracht, die Organisation rechtlich zu stärken. Zuletzt wurde dafür 2007 von einer eigens dazu berufenen Kommission ein Übereinkommen entworfen, das freilich auch 2014 wieder auf Vorbehalte einiger Regierungen stieß, die zuerst ein »OSZE-Gründungsdokument« beschließen wollten. Doch selbst zur Aufnahme von Erörterungen über ein solches konstituierendes Dokument kam bisher kein Konsens zustande, wie der Schweizer Vorsitzende in Basel beklagte: „Und so beeinträchtigen die praktischen Auswirkungen des ungeklärten rechtlichen Status der OSZE weiter die Wirksamkeit und Effizienz der Organisation, behindern sie in der Erfüllung ihres Mandats und verursachen Mehrkosten und Rechtsrisiken. Die Konsequenzen dieser fehlenden Klarheit traten deutlich zutage, als die OSZE mit den Ereignissen in der Ukraine konfrontiert wurde.“ Zwar habe der Ständige Rat angesichts der Krise den Generalsekretär ersucht, binnen 24 Stunden Vorausteams zu entsenden, und die Bedingungen dafür konnten „in Rekordzeit“ vereinbart werden. Doch „die Ereignisse in der Ukraine haben gezeigt, dass Unklarheiten hinsichtlich des Rechtsstatus der OSZE zu Situationen führen können, die die OSZE an der Umsetzung ihres Mandats hindern und es ihr unmöglich machen, die Erwartungen der Teilnehmerstaaten in ihre Fähigkeit, Krisen und Konflikte beizulegen, zu erfüllen.“ 14

Der Schweizer Vorsitz bildete einen »Weisenrat«, der als unabhängiges Gremium Vorschläge ausarbeiten soll, wie das Vertrauen wiederaufgebaut, die Achtung der Prinzipien von Helsinki wiederhergestellt, die Umsetzung der OSZE-Verpflichtungen verbessert und ganz allgemein die europäische Sicherheit als gemeinsames Vorhaben wieder gefestigt werden könne.

Dem Gremium ist nicht nur viel Weisheit, sondern auch Gehör ganz im Sinne von »Helsinki+40« zu wünschen (siehe dazu nebenstehenden Auszug aus der Ministerratserklärung)…

Anmerkungen

1) Zur Geschichte der KSZE/OSZE siehe Kurt P. Tudyka (2007): Die OSZE – Besorgt um Europas Sicherheit. Hamburg: merus. Jährlich fortlaufend seit 1995 informiert über die Entwicklung und Aktivitäten der OSZE das »OSZE-Jahrbuch«, herausgegeben vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH) und verlegt von Nomos (Baden-Baden).

2) Zu dem Verlauf und der Geschichte der OSZE-Ministerräte siehe Kurt P. Tudyka (2008): Wie der Ministerrat ohne Aussicht auf den Gipfel tanzt. In: IFSH (Hrsg.): OSZE-Jahrbuch 2007. Baden-Baden: Nomos, S.57-68.

3) Dazu Kurt P. Tudyka (2010): Der (Aus)weg ist das Ziel – der griechische Vorsitz 2009. In: IFSH (Hrsg.): OSZE-Jahrbuch 2009. Baden-Baden: Nomos, S.365-375.

4) Eröffnungsrede des Amtierenden Vorsitzenden, des Bundespräsidenten der Schweizerischen Eidgenossenschaft und Vorstehers des Eidgenössischen Departements für Auswärtige Angelegenheiten, Didier Burkhalter, auf dem 21. Treffen des Ministerrats vom 4. Dezember 2014. Dokument MC.GAL/7/14.

5) An den rund hundert Erklärungen während des Schweizer Vorsitzes – allein 66 davon zur Ukrainekrise – lässt sich ablesen, mit welcher Geschwindigkeit sich die Ereignisse entwickelten.

6) So gab es Sonderbeauftragte für den Südkaukasus, für den Konflikt, mit dem sich die Minsk-Gruppe befasst, für den »5+2«-Prozess, für den Westbalkan, für die Ukraine, einen Beauftragten für Toleranz und Nichtdiskriminierung, einen Sonderbeauftragten für die Bekämpfung des Menschenhandels, einige Koordinatoren der Arbeitsgruppen zu Helsinki+40 u.a.m.

7) Dieses Jahr hat Serbien den Vorsitz, 2016 wird dies Deutschland sein.

8) Schweizer Eidgenossenschaft, Federal Department of Foreign Affairs: The Swiss Chairmanship of the OSCE 2014 – Final report. 27 May 2015, S.4.

9) Ministererklärung zu den Verhandlungen über den Prozess zur Beilegung der Transnistrien-Frage im ‚5+2’-Format vom 5. Dezember 2014. Dokument MC.DOC/2/14.

10) United States Mission to the OSCE: Interpretative Statement on the Declaration on Further Steps in the Helsinki+40 Process. As delivered by Ambassador Daniel B. Baer to the OSCE Ministerial Council, December 5, 2014, Basel, Switzerland. Dokument MC.DEL/74/14.

11) Statement by Minister for Foreign Affairs of Ukraine Pavlo Klimkin at the 21st Meeting of the Ministerial Council of the OSCE, Basel, 4 December 2014. Dokument MC.DEL/34/14.

12) Zusammenfassung der Erörterungen des ersten Tages des Ministerrats durch den Amtierenden Vorsitzenden, den Bundespräsidenten der Schweizerischen Eidgenossenschaft und Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Auswärtige Angelegenheiten, Didier Burkhalter, vom 4. Dezember 2014. Dokument MC.GAL/8/14.

13) Ibid.

14) OSCE: Report to the Ministerial Council on Strengthening the Legal Framework of the OSCE 2014. 2 December 2014, Dokument MC.GAL/5/14.

Prof. Dr. Kurt P. Tukyda ist emeritierter Professor für Politische Wissenschaft und Internationale Beziehungen der Universität Nijmegen/Niederlande und externer Research Fellow am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg.