die Hoffnung auf den Abschied von der Kriegsgeschichte scheint zu trügen: 1991 droht der größte Krieg seit dem Zweiten Weltkrieg. Es mag sein, daß eine europazentrierte Friedensbewegung »out« ist – doch nicht eine, die sich auch um Waffen und Soldaten kümmert. Und die neuen Themen sind so neu nicht: Rohstoffe, Energieressourcen, Weltwirtschaft & Entwicklung, konsequente Zivilisierung und Demokratisierung des internationalen Lebens. Die »Altlasten des Kalten Krieges« (D. Senghaas) aufzuarbeiten, wird noch reichlich Zeit brauchen; die »Konversion der Rüstungsdynamik« (U. Albrecht) steht erst am Anfang. Die Friedensbewegung wird weiterhin gebraucht. Gerade die jüngst vollzogene Krönung des Kanzlers aller Deutschen und die eklatante Schwächung der Opposition machen eigenständige außerparlamentarische Aktivitäten nötiger denn je. Und eine kritische Publizistik.
Fragmentarische Bemerkungen zu Situation und Perspektive1
Von den über 200 Kriegen, die zwischen dem Ende des Zweiten Weltkrieges und dem Jahr 1989 geführt worden sind, haben 45, also ein überproportional hoher Anteil, die Krisenregion des Nahen Ostens erschüttert – und am 2.8.1990 hat mit der irakischen Invasion in Kuwait Krieg Nr. 46 begonnen… Dieser Nahe Osten ist „heute insgesamt eine hoffnungslose Region, in der eine Ordnungsstruktur fehlt und die aus konfliktträchtigen, fragmentierten Subregionen besteht, in denen der latente oder offene Krieg schon epidemische Formen angenommen hat“ – so schreibt ein aus Damaskus stammender Autor, dessen sehr lesenswerte Studie auch insofern für den gegenwärtigen Stand der Politik- und Konfliktwissenschaft typisch ist, als daß sie ökologische Probleme nicht einmal ansatzweise in die Erörterung einbezieht 2.
Manche knüpften an das Ausklingen des Kalten Krieges, der Ost-West-Konfrontation, die Hoffnung, nun sei die Ära einer neuen Weltfriedensordnung, einer konfliktfreien Welt angebrochen. Drei Monate Golfkrise genügten, um diese Vision als allzu illusionär erscheinen zu lassen. Stattdessen signalisiert sie eine Verschiebung der Konfliktlinie gen Süden, die Gefahr umsichgreifender Nord-Süd-Konfliktszenarien, falls sich die Weltmächte nicht auf politisch-diplomatische Hebel und die Überfälligkeit weltwirtschaftlicher Umgestaltungen im Sinne der ausgeplünderten, unterprivilegierten Völker der Dritten Welt besinnen. Insofern könnte sich der Entscheid der Bush-Administration für einen Angriffskrieg gegen den Irak rasch als Auftakt für eine Serie von Verteilungs- und Interventionskriegen auf dem Trikontinent, als Einstieg in eine Weltkonfliktordnung erweisen.
Plädoyer für eine neue Friedensbewegung – neun Thesen
Ein mögliches Szenario
Folgendes Szenario kann nur noch durch eine neue Friedensbewegung und/oder unvorhersehbare günstige Entwicklungen verhindert werden: Nach der Dezemberwahl zu einem gesamtdeutschen Parlament wird entweder bereits eine Große Koalition gebildet, oder aber mindestens ein informeller Stab auf der Basis einer Großen Koalition. Dieser Stab berät ein Paket von Änderungen bzw. Ergänzungen des Grundgesetzes, damit die nötige Mehrheit gesichert ist. Zu den Änderungen wird u.a. gehören, daß der Bundeswehr militärische Out-of-Area-Einsätze erlaubt werden. Als Rahmen wird mindestens die UNO genannt werden, eventuell mit einer Formulierung, die später als Öffnungsklausel interpretiert werden kann. Bereits 1991 werden dann erste deutsche militärische Einheiten in die Dritte Welt geschickt werden können. Vielleicht wird es 1991 bereits die ersten in action gefallenen deutschen Soldaten seit dem Zweiten Weltkrieg geben – möglicherweise bereits eine deutsche militärische Verwicklung in eine gefährliche Eskalation.
Informationen zur Trägerwaffenfähigkeit einzelner Staaten im Nahen und Mittleren Osten
Am 2. August 1990 überfielen und besetzten irakische Truppen den Nachbarstaat Kuwait. Die überwältigende Zahl aller Staaten verurteilte dies als völkerrechtswidrigen Akt der Gewalt. Die Reaktionen reichten von der Wirtschaftsblockade Iraks bis hin zur Entsendung von Truppen in die Golf-Region. Der Weltöffentlichkeit wurde auf dramatische Weise bewußt, daß mit dem Ende des Kalten Krieges die Gefahr eines heißen Krieges im Zusammenhang mit dem Nord-Süd-Konflikt nicht gebannt ist. Seit Jahren wurde in vielen Ländern der Dritten Welt, besonders im Nahen und Mittleren Osten, durch eine qualitative wie quantitative Hochrüstung ein enormes Zerstörungspotential angehäuft, meist unter direkter Beteiligung der entwickelten Industrienationen.
Die Debatte über die Spannweite des Friedensbegriffes (und analog dazu des Sicherheitsbegriffes) ist so alt, wie es Friedens- und Konfliktforschung gibt. Unbeschadet oder trotz umgangssprachlicher Begriffsbildungen wie »innerer Friede« und »soziale Sicherheit« wird von vielen Friedensforscherlnnen der Begriff Frieden mehr oder weniger eng auf den Zustand der internationalen Beziehungen bezogen und die damit zusammenhängende Sicherheitsproblematik ebenfalls mehr oder weniger eng militärisch/territorial interpretiert. Dies wird nur scheinbar durch den Verweis auf den Gegenbegriff von Frieden, nämlich Krieg, bestätigt, denn schon beim Begriff »Bürgerkrieg« zögern wir, den entsprechenden Gegenbegriff zu benutzen: »Bürgerfrieden«, was in der Tat innerem Frieden und sozialer (innerer) Sicherheit sehr nahe käme. Hilfsbegriffe wie »negativer Frieden«, »positiver Frieden« und »Gerechtigkeit« geben das, was zum Ausdruck gebracht werden soll, nur unvollkommen wider.
Die Dynamik politischer Prozesse führt zu Wandlungen von Begriffsinhalten, die sich einesteils in Neubestimmung althergebrachter Termini, andernteils darin äußern, daß letztere durch neue ersetzt werden. Im Umkreis des Themas »Frieden« finden wir solche Prozesse sowohl spontan ablaufend als auch bewußt gestaltet. Das heißt aber, daß Begriffsumgang und Begriffsbildung selbst ein Bestandteil gesellschaftlicher Bewußtseinsbildung sind. Dementsprechend spielte in der offensiven Auseinandersetzung US-amerikanischer Friedensorganisationen mit der Reaganschen Rüstungspolitik die Neudefinition zentraler Begriffe der Sicherheitspolitik eine zentrale Rolle.1
Die sicherheitspolitische Situation zeichnet sich durch eine wachsende Komplexität aus, die große Chancen für umfassende Abrüstung und eine dauerhafte Friedensordnung bietet, aber auch potentiell gefährdende Elemente enthält. Der Trend zur Komplexität ist zum einen zu beobachten auf der politischen und wirtschaftlichen Ebene, wo sich durch den Ost-West-Konflikt geprägte bipolare Strukturen auflösen und durch globale Sicherheitskonzepte ersetzt werden. Das Wettrüsten erhält neue Dimensionen durch eine wachsende Zahl von Schwellenländern, die in den Besitz von nuklearen oder chemischen Waffen sowie langreichweitigen Trägersystemen gelangen. Im militärstrategischen und rüstungstechnischen Bereich führt die Computer-Revolution auch weiterhin zur Entwicklung qualitativ neuer Waffensysteme, die militärische Optionen mit destabilisierenden Konsequenzen eröffnen. Die Modellierung und Bewertung der strategischen Situation ist erschwert durch eine Vielfalt von Technologien, Optionen, Bedingungen und Unsicherheiten.
Bekanntlich stammt der Begriff Konversion seinem Ursprung nach aus dem Kirchenrecht. Er wurde für die Bezeichnung des Übertritts von einer Religion oder Konfession zu einer anderen verwandt. In der Theologie nimmt dieser Begriff auch in der Gegenwart einen breiten Raum ein. Daraus abgeleitet wird heute allgemeinsprachlich Konversion als Bezeichnung von Prozessen der Umgestaltung (Umstellung, Umwandlung, Umkehrung, Abänderung, Übertritt) von einem Zustand in einen anderen Zustand verstanden.
Aufgrund der politischen und sozialökonomischen Umwälzung in Osteuropa hat ein Prozeß der Umorientierung und Umstrukturierung des Rüstungssektors vieler Länder begonnen, wobei sich international ein Ost-West-Gefälle, national ein Süd-Nord-Gefälle abzeichnet. Im Rahmen der Perestroika spielt die Sowjetunion – ungeachtet enormer, durch bürokratisch-zentralistische Strukturen ihrer Planwirtschaft bedingter – Probleme eine Pionierrolle1 . Beispiele dafür lieferte die in München abgehaltene Messe »Conversion '90«. Nur in den USA gibt es eine vergleichbare Diskussion über die Verwendung der »Friedensdividende« und Konversionsmaßnahmen2 , in Schweden und Italien nationale Konversionspläne der Regierungen. Auch die DDR hätte mit dem Amt für Rüstungskonversion, das beim Wirtschaftsministerium angesiedelt war, möglicherweise ein Vorbild sein können3.
Mehr als sieben Jahre sind vergangen, seit die Strategische Verteidigungsinitiative (SDI) zur Forschung und Entwicklung von strategischen Raketenabwehrsystemen von R. Reagan eingeleitet wurde. Während die Auseinandersetzung um die Sinnhaftigkeit und Realisierbarkeit der militärischen Eroberung des Weltraums in den Jahren 1983-1986 die friedens- und militärpolitische Diskussion auch der Bundesrepublik entscheidend prägte, ist es in den letzten Jahren vergleichsweise ruhig um SDI geworden.
Im April gab es Einiges zum Thema Umweltschutz bei der Bundeswehr zu lesen und den Bericht mit dem Titel: „Umweltschutz in der Bundeswehr – Grundlagen, Maßnahmen und Absichten“, der an den Verteidigungsausschuß ging. Den Parlamentariern wurde hierbei versucht darzustellen, wie gut organisatorisch die Bundeswehr gerüstet sei.
Prof. Reinhard Sander, zweiter Vorsitzender des Deutschen Naturschutzrings, hielt auf dem Symposion »Bundeswehr und Umweltschutz« eine Rede zum vorgegebenen Thema: . Dabei wurde wohl erstmalig die Bundeswehr offiziell von den Umweltverbänden in die Pflicht genommen. Wir dokumentieren in Auszügen. Die vollständige Rede ist beim DNR anzufordern.
Studie über die Klimaverträglichkeit von Militär und Rüstung
Der weltweite Militärapparat verbraucht ökonomische und naturelle Ressourcen. Über die Art und das Ausmaß existieren bisher kaum Angaben. Daß der Betrieb von Streitkräften die Umwelt beeinträchtigt und schädigt, ist inzwischen Allgemeinwissen. Wie aber sieht es mit dem Beitrag des Militärs zum Klima aus? Die Grünen im Bundestag beauftragten die MÖP, eine Studie zum Thema »Militär und Klima« für eine parlamentarische Anfrage und für die Arbeit in der Enquete-Kommission »Vorsorge und Schutz der Erdatmosphäre« zu erstellen. Sie wurde im Oktober vorgelegt.