Atombomber in Zeiten von Corona


Atombomber in Zeiten von Corona

von Regina Hagen

Die deutsche Verteidigungsministerin will 148 Flugzeuge bestellen: 93 Eurofighter für Kampfeinsätze, 15 F-18 »Growler« für die Elektronische Kriegsführung sowie 30 F-18 »Super Hornet«. Die F-18 sollen den Tornado ersetzen und kommen aus den USA; ihren dortigen Kollegen Esper setzte sie von der Kaufabsicht in Kenntnis. Darüber berichtet DER SPIEGEL am 19.4.20.

Barbara Junge (taz, 22.4.20, S. 12) kommentiert: „Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat ein un­trügliches Gespür für die falsche Entscheidung im falschen Moment. Mitten in der globalen Gesundheits- und Wirtschaftskrise muss gewiss nicht entschieden werden, welche Kampfjets künftig für Deutschland US-amerikanische Atombomben zu deren Zielen fliegen sollen. Genau dafür sind die F-18 »Super Hornet« aber vorgesehen. Es gehe, so Werner Sonne (tagesspiegel.de, 21.4.20), „nicht nur um einen Milliardendeal, um die Stützung der deutschen Rüstungsindustrie, und auch nicht nur um ein wichtiges Signal in Richtung Washington. All das gehört dazu. Vor allem aber steht die deutsche Sicherheitsarchitektur ganz grundsätzlich zur Disposition: die nukleare Teilhabe, der deutsche Beitrag zum atomaren Schutzschirm der Nato.

Widerstand aus dem Parlament

In der SPD sind viele verärgert, „denn über ihren Alleingang, in Form einer E-Mail an den Amtskollegen Mark Esper in den USA, informierte die CDU-Politikerin weder den Koalitionspartner SPD noch das Parlament“ (Daniel Lücking, nd, 21.4.20, S. 8). Dem scheint nicht ganz so zu sein. „Aus dem Ministerium heißt es, die SPD sei über die Regierungsmitglieder wie Finanzminister Olaf Scholz eingebunden“ (SZ, 21.4.20, S. 6), auch Außenminister Maaß war offenbar informiert. Es geht jedoch um mehr als verletzte Eitelkeiten: „SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sperrt sich schon seit Monaten gegen den Kauf der US-Flieger, weil diese die Fähigkeit zum Transport von Atomwaffen haben. (Daniela Vates, FR, 21.4.20, S. 9) „Dabei bleiben oder aussteigen aus der nuklearen Teilhabe – darum geht es. Und der Riss […]geht vor allem mitten durch die SPD. Kampf dem Atomtod – das war der Schlachtruf der Sozialdemokraten, als es Ende der fünfziger Jahre um die atomare Bewaffnung der Bundeswehr ging. Und das steckt bis heute bei vielen SPD-Linken in ihrer DNA. (Werner Sonne, tagesspiegel.de, 21.4.20)

Aus anderen Parteien gab es ebenfalls Protest, u.a. wegen der Umgehung des Parlaments; hier wiegelt das Verteidigungsministerium indessen ab: Eine Kaufzusage habe sie aber nicht abgegeben, das sei Sache des Parlaments. (nd, 21.4.20, S. 4) Tobias Lindner von den Grünen ist dennoch unzufrieden: „Selbst wenn das Schreiben nur informellen Charakter hat, setzt es die Abgeordneten unter Druck […]. (FR, 21.4.20, S. 9) Der Bundestag allerdings wird erst nach den Verhandlungen mit Boeing über den Kauf entscheiden, also nach der Bundestagswahl.

Praktische und fachliche Bedenken

Zum Kauf der F-18 »Super Hornet« stellen sich auch fachliche Fragen, die nicht einfach wegzuwischen sind. „Unabhängig von der Frage, ob ein Einsatz militärisch sinnvoll oder moralisch vertretbar wäre: Bei Einsatzreichweiten von rund 2000 Kilometern gibt es nicht viele Ziele, die außerhalb von EU-Territorium liegen“, erklärt Moritz Kütt (fr.de, 23.4.20). ­Malte Lehming (tagesspiegel.de, 22.4.20) verweist darauf, „die Vorstellung, dass ein Pilot in Europa in ein Flugzeug steigt und dann seine Bomben abschmeißt,“ sei „veraltet. Künstliche Intelligenz, bewaffnete Drohnen, Cyberwar: Das sind die neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen.

Dazu kommt ein weiteres Problem: Weil es sich um amerikanische Atomwaffen handelt, müssen die entsprechenden Kampfflugzeuge auch von den USA für nukleartauglich erklärt, also zertifiziert werden (Marcus Pindur, deutschlandfunk, 25.4.20). Werner Sonne (tagesspiegel.de, 21.4.20) hat weitere Bedenken: „Militärtechnisch ist der Kauf des US-Modells F-18 ein Unfug: ein altes Marineflugzeug, das […] in wenigen Jahren bei den US-Streitkräften ausgemustert wird.

Außerdem geht es um viel Geld. „Der Hersteller Boeing verspricht zwar, sich um die Zertifizierung zu bemühen. Im Falle eines Misserfolges hätte Deutschland geschätzt 1,3 bis 1,9 Milliarden Euro für 30 Flugzeuge ohne Verwendungszweck ausgegeben.(Moritz Kütt, fr.de, 23.4.20). Das Gesamtpaket für die Eurofighter und F-18 bewegt sich allerdings in einer anderen Dimension: „Laut ICAN-Berechnungen könnten sich die Gesamtkosten […] über eine veranschlagte 30-jährige Nutzungszeit mit Ausgaben für Wartung, Treibstoff etc auf mehr als 100 Milliarden Euro belaufen“, berichtet Michael Merz (jw, 21.4.20, S. 1).

Der Schutz von Menschenleben

Moritz Kütt (fr.de, 23.4.20) setzt die Diskussion in einen aktuellen Kontext: Jede einzelne F18 kostet etwa so viel wie 2000 bis 3000 intensiv-medizinische Beatmungsgeräte, die weltweit dringend zum Schutz von Leben benötigt werden. Statt deutsche Steuerzahlerinnen und -zahler den potenziellen Einsatz von Massenvernichtungswaffen finanzieren zu lassen, sollten diese Mittel die internationale Gemeinschaft in der Krisenbewältigung unterstützen. Barbara Junge (taz, 23.4.20, S. 12) zieht daraus einen Schluss: „Jetzt wäre der Moment, die Logik des nuklearen Schutzschirms generell in Frage zu stellen. Leider ist die Verteidigungsministerin dazu nicht bereit. Anders formuliert: „Statt jetzt über den Erhalt eines Waffensystems für die nächsten Jahrzehnte zu entscheiden, sollte vielmehr folgende Frage gestellt werden: Sind Kernwaffen nach der Corona-Krise noch systemrelevant?“ (Moritz Kütt, fr.de, 23.4.20)

Bundeskanzlerin Merkel sagte am 18. März 2020 in einer Fernsehansprache: „Das sind nicht einfach abstrakte Zahlen in einer Statistik, sondern das ist ein Vater oder Großvater, eine Mutter oder Großmutter, eine Partnerin oder Partner, es sind Menschen. Und wir sind eine Gemeinschaft, in der jedes Leben und jeder Mensch zählt. Sie sprach von Corona-Toten. Selbst eine »kleine« Atombombe würde sehr viele Menschen das Leben kosten. Gilt Merkels Plädoyer für sie nicht?

Zitierte Quellen: DE – Darmstädter Echo, deutschlandfunk, FR bzw. fr.de – Frank­furter Rundschau, jw – junge welt, nd – neues deutschland, SZ – Süddeutsche Zeitung, tagesspiegel.de, taz – tageszeitung

Bombenbauer und Bombenbanker


Bombenbauer und Bombenbanker

Das Geschäft mit Atomwaffen

von Susi Snyder

Atomwaffen werden von Regierungen bestellt, von Nuklearlabors entwickelt, von Unternehmen gebaut und vom Militär stationiert und gegebenenfalls auch eingesetzt. Es gibt aber noch einen weiteren Akteur auf diesem Feld: Finanz­institute. Banken, Versicherungen und Rentenfonds halten Unternehmensanteile, vergeben Kredite oder beteiligen sich auf andere Weise an der Finanzierung von Unternehmen, die Atomwaffen herstellen. Die Autorin beleuchtet diesen meist unterbelichteten Aspekt der nuklearen Rüstung.

Atomwaffen bleiben die zerstörerischsten Waffen, die jemals entwickelt wurden – entwickelt, um Städte zu zerstören, Armeen auszulöschen und Bevölkerungen zu pulverisieren. Im Juli 2017 sprach sich die Mehrheit der Welt entschieden und unmissverständlich gegen diese Waffen aus, als sie den »Vertrag über das Verbot von Kernwaffen« annahm. Damit sind Atomwaffen jetzt nicht nur unterschiedslos in der Wirkung, inhuman und unmoralisch, sondern auch durch einen völkerrechtlichen Vertrag verboten.

Gleichzeitig werden ungeachtet weltweiter Appelle, die zu Zurückhaltung und nuklearer Abrüstung mahnen, in allen neun Atomwaffenstaaten neue Atomwaffen entwickelt. Laufende Regierungsaufträge für mindestens 116 Mrd. US$ (102 Mrd. Euro) für die Herstellung, Entwicklung und Lagerung von Atomwaffen wurden an Firmen in Frankreich, Indien, Italien, den Niederlanden, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten vergeben. In der Volksrepublik China beginnen Staats­unternehmen, die in die Herstellung von Atomwaffen eingebunden sind, mit der Ausgabe von Anleihen Geld zu beschaffen. Über die Atomwaffenprogramme in Israel, Nordkorea, Pakistan und Russland (die vorwiegend von staatlichen Firmen betrieben werden), herrscht nach wie vor keine Transparenz.

Staaten, die selbst keine Atomwaffen besitzen, können diese auch nicht beseitigen, sie können aber Normen und Verhaltensregeln einführen, die den weiteren Atomwaffenbesitz und neue Rüstungswettläufe unmöglich machen. Als äußerst wirksam erwies es sich, den Finanzfluss der Unternehmen, die Atomwaffen herstellen (im folgenden kurz »Waffenhersteller«), zu unterbinden. So gaben unter Verweis auf Druck vonseiten ihrer Kredit­institute etliche Unternehmen die Herstellung von Streumunition auf, darunter Textron, Lockheed Martin, Orbital ATK und Singapore Technologies Engineering – obwohl all diese Firmen ihren Sitz in Staaten haben, die dem »Übereinkommen zum Verbot von Streumunition« gar nicht beigetreten sind.

Das Projekt »Don’t Bank on the Bomb« (in Deutschland »Atomwaffen – ein Bombengeschäft«) wurde initiiert, um eine vergleichbare Dynamik anzustoßen. Die Herstellung von Atomwaffen soll durch die Verringerung oder Beendigung von Investitionen in Herstellerfirmen gestoppt werden und der Finanzsektor soll motiviert werden, das Stigma gegen die schlimmsten jemals entwickelten Waffen zu stärken.

Neues nukleares Wettrüsten

Es ist ein neues nukleares Wettrüsten im Gange. Das lässt sich anhand der Aufträge belegen, die für die Forschung, Entwicklung und Herstellung von Schlüsselkomponenten für Atomwaffen vergeben werden. Zu den neuen Systemen, die momentan entwickelt werden, gehören die Interkontinentalraketen des »Ground Based Strategic Deterrent« (Landgestützte strategische Abschreckung«) der USA, das Nachfolgemodell ASN4G der französischen Lenkwaffe ASMP (Air-Sol Moyenne Portée, Luft-Boden-Rakete mittlerer Reichweite) sowie die indischen Bestrebungen, U-Boot-gestützte ballistische Raketen einzuführen. Überdies laufen Programme, um U-Boot-gestützte Hyperschallraketen zu bauen, wie z.B. einem 109,5 Mio. US$ (95,5 Mio. Euro) schweren Vertrag mit dem Charles Stark Draper Laboratory zu entnehmen ist. Die beteiligten Firmen brauchen Investitionen, um konkurrenzfähige Angebote auf entsprechende Ausschreibungen abgeben zu können – so fördern Investitionen aus dem Finanzsektor den Bau neuer Atomwaffen.

Einige Unternehmen fallen durch ihr Gesamtengagement bei der Herstellung von Atomwaffen und laufende Verträge in Milliardenhöhe auf. Huntington Ingalls Industries beispielsweise kooperiert mit etlichen Unternehmen des US-Atomwaffenkomplexes und ist an laufenden Verträgen in Höhe von mehr als 28 Mrd. US$ beteiligt. Lockheed Martin folgt dichtauf und ist an Verträgen über mehr als 25 Mrd. US$ beteiligt.

Profitables Ende des INF Vertrags

Der Vertrag über das Verbot von Mittelstreckenraketen (INF-Vertrag) zwischen den USA und Russland war das letzte Opfer des wiederaufgelebten nuklearen Wettrüstens. Wir sollten fragen, wem die Entscheidung, den INF-Vertrag zu kündigen und die Welt erheblich unsicherer zu machen, nutzt. Fündig werden wir bei den Unternehmen – viele davon gehören zu den Spendern von US-Präsident Donald Trump –, die vom warmen Geldregen für ein neues nukleares Wettrüsten profitieren. Im vergangenen Jahr stiegen die Investitionen in Firmen, die Atomwaffen herstellen, um 81 Mrd. US$, und selbst diese Summe wird bald wie Peanuts erscheinen.

Seit der Kündigung des Vertrags am 2. Februar 2019 beauftragte die US-Regierung bereits mehr als eine Mrd. US$ für neue ballistische Raketen (Rohrlich 2019). Davon profitiert u.a. Raytheon, das auch sonst in die Atomwaffengeschäfte der USA eingebunden ist. Seit Auslaufen des INF-Vertrags am 2. August 2019 konnten auch Boeing, Lockheed Martin, Textron u.a. Regierungsaufträge für Raketen an Land ziehen.

Überraschend ist es nicht, dass Unternehmen mit einem direkten Draht zur Regierung Trump von dem neuen Wettrüsten profitieren. So hatte z.B. Nikki Haley in ihrer Zeit als UN-Botschafterin der USA den US-Boykott der Verhandlungen zum »Vertrag über das Verbot von Kernwaffen« organisiert (Sengupt und Gladstone 2017) – jetzt sitzt sie im Vorstand von Boeing (Boeing o.J.). Bei dem neuen Wettrüsten geht es nicht um Sicherheit, sondern darum, den Kumpels und Sponsor*innen von Donald Trump die Taschen zu füllen.

Wer baut die Bomben?

Das Projekt »Don’t Bank on the Bomb« ist die einzige ausführliche, öffentlich zugängliche Quelle mit Detailinformationen über die Firmen, die an der Herstellung von Atomwaffen beteiligt sind. Das Projekt untersucht Unternehmen, die unmittelbar an der Entwicklung, Erprobung, Herstellung und Wartung von Atomwaffentechnologie, -komponenten, -produkten und -dienstleistungen mitwirken. Die untersuchten Unternehmen arbeiten an Sprengköpfen oder an atomwaffenfähigen Trägersystemen, z.B. Raketen. Das schließt »Dual-use«-Technologie ein, die nicht speziell für die Nutzung in Atomwaffen entwickelt wird, aber dafür angepasst oder umkonfiguriert werden kann.

Flugzeuge und U-Boote werden in den Analysen von »Don’t Bank on the Bomb« nicht berücksichtigt. Allerdings sind oft die selben Unternehmen an der Herstellung solcher Trägersysteme und an der eigentlichen Atomwaffenproduktion beteiligt. So wird z.B. Lockheed Martin, das derzeit das mittelfristig für Atomwaffen vorgesehene Mehrzweckkampfflugzeug F35 (Joint Strike Fighter) baut, berücksichtigt, weil es mehr als 7,9 Mrd. US$ an laufenden Verträgen für Atomraketen der USA und des Vereinigten Königsreiches aufweist.

Das Projekt bietet momentan Informationen über 28 Unternehmen, die an der Herstellung von Atomwaffen mitwirken. Die meisten davon arbeiten für das Atomwaffenprogramm der USA. Grund dafür ist die vergleichsweise hohe Transparenz der Auftragsvergabe in den USA. Es liegen aber auch Daten über Unternehmen vor, die für das französische, indische und britische Atomwaffenarsenal arbeiten, sowie über elf weitere Unternehmen, darunter auch ein chinesisches. Chinesische Unternehmen gehören nicht zum Untersuchungsgegenstand des Projektes, sind aber natürlich Teil der globalen Atomwaffenindustrie.

Tab. 1. listet die 28 Unternehmen auf, von denen eine direkte Beteiligung an der Atomwaffenindustrie nachgewiesen ist, ihr Ursprungsland sowie das Arsenal bzw. die Arsenale, für die sie arbeiten.

Unternehmen Ursprungsland Arsenal(e)
Aecom Vereinigte Staaten USA
Aerojet Rocketdyne Vereinigte Staaten USA
Airbus Group Niederlande France
BAE Systems Vereinigtes Königreich UK, USA
Bechtel Vereinigte Staaten USA
Bharat Dynamics Limited India India
Boeing Vereinigte Staaten UK, USA
BWX Technologies Vereinigte Staaten UK, USA
Charles Stark Draper Laboratory Vereinigte Staaten UK, USA
Constructions Industrielles de la Méditerranée Frankreich Frankreich
Fluor Vereinigte Staaten USA
General Dynamics Vereinigte Staaten UK, USA
Honeywell International Vereinigte Staaten UK, USA
Huntington Ingalls Industries Vereinigte Staaten USA
Jacobs Engineering Vereinigte Staaten UK, USA
Larsen & Toubro Indien Indien
Leidos Vereinigte Staaten USA
Leonardo Italien Frankreich
Lockheed Martin Vereinigte Staaten UK, USA
Moog Vereinigte Staaten USA
Northrop Grumman Vereinigte Staaten USA
Raytheon Vereinigte Staaten USA
Safran Frankreich Frankreich
Serco United Kingdom UK
Textron Vereinigte Staaten USA
Thales Frankreich Frankreich
United Technologies Corporation Vereinigte Staaten USA
Walchandnagar Industries Indien Indien

Tab. 1: An der Atomwaffenindustrie beteiligte Unternehmen
UK = United Kingdom/Vereinigtes Königreich

Investoren und Desinvestoren

Finanzinstitute können auf unterschied­liche Weise zur Finanzierung von Unternehmen beitragen: durch Darlehen, durch Unterstützung der Unternehmen bei der Emission von Aktien und Anleihen sowie durch (die Verwaltung von) Investitionen in Aktien und Anleihen dieser Unternehmen. Für Vermögensverwalter und Rentenkassen beschränken sich entsprechende Aktivitäten auf (die Verwaltung von) Aktien- und Rentenanlagen der entsprechenden Unternehmen.

Mit Stand Juni 2019 wurde mehr als die Hälfte aller Investitionen in die großen Atomwaffenhersteller von zehn Finanzinstitute getätigt: Vanguard, BlackRock, Capital Group, State Street, Verisight (firmiert jetzt als Newport Group), T. Rowe Price, Bank of America, JPMorgan Chase, Wells Fargo und Citigroup. Die meisten Investitionen finden zwar in Form von Aktienbeteiligungen statt, allerdings wurden fast 20 % der laufenden Investitionen als Darlehen an die Atomwaffenhersteller vergeben.

Wenn mehr Staaten den neuen »Vertrag über das Verbot von Kernwaffen« ratifizieren und dieser in Kraft tritt, wird der Zusammenhang zwischen dem umfassenden Verbot von Atomwaffen und den Unternehmen, die in die Produktion von Atomwaffen eingebunden sind, stärker in die Diskussion rücken.

Seit Juli 2017, als der Vertrag verabschiedet wurde, ist zu beobachten, dass die Stigmatisierung von Investitionen in Atomwaffen wächst. Die niederländische ABP, fünftgrößter Pensionsfonds der Welt, teilte mit, dass aufgrund des „Wandel[s] in der Gesellschaft, auch auf internationaler Ebene […], Atomwaffen nicht mehr zu unserer nachhaltigen und verantwortungsbewussten Investmentpolitik passen“ (Houwelingen 2018). ABP achtete jetzt darauf, das Atomwaffenhersteller keinen Zugang mehr zu ihrem 500 Mrd. US$ (405 Mrd. Euro) schweren Vermögenspool haben.

Die Zahl der Banken, Rentenanbieter und Versicherungsunternehmen, die überhaupt noch in Atomwaffenhersteller investieren, sinkt, selbst wenn die Invest­mentsummen steigen mögen. Manche Investoren spekulieren auf kurzfristige Gewinne, da alle Atomwaffenstaaten neue Atomwaffen entwickeln und hoch dotierte Verträge an Atomwaffenhersteller vergeben. Das birgt aber längerfristig das Risiko eines Kurzschlusses in der globalen Sicherheit.

Die Untersuchungsergebnisse von »Don’t Bank on the Bomb« zeigen, dass eine nennenswerte Zahl institutioneller Investoren Regelwerke aufstellt, die jegliche Finanzbeziehungen mit Atomwaffenherstellern beschränken oder ausschließen. Mindestens 77 Finanzinstitute haben bereits Regeln verabschiedet, die ihre Geschäftsbeziehungen mit Atomwaffenherstellern auf ein Minimum begrenzen. 36 davon haben bereits umfassende Regelwerke eingeführt (­keinerlei Investitionen in als Atomwaffenhersteller identifizierte Unternehmen). Diese offiziellen Regelwerke signalisieren unmissverständlich, dass Atomwaffen inakzeptabel sind und niemand von ihrer Herstellung profitieren darf.

Und in Deutschland?

In fünf europäischen Ländern sind momentan vermutlich 180 Atomwaffen des Typs B61 stationiert (auf den Luftwaffenstützpunkten Kleine Brogel in Belgien, Büchel in Deutschland, Aviano und Ghedi in Italien, Volkel in den Niederlanden und Incirlik in der Türkei). Obwohl eine Mehrheit der Menschen in diesen Ländern gegen die Stationierung dieser Waffen ist, wird in den USA momentan an einer neuen Version dieser Bomben gearbeitet, an der B61-12. Aufgrund technischer Probleme werden die neuen Bomben wohl zwei bis fünf Jahre später als geplant stationiert, aber es gibt bereits Pläne für die Entwicklung des Typs B61-13 ab 2038 (Kristensen 2019).

An der Herstellung der B61-12-Bombe sind mindestens drei Unternehmen beteiligt: Boeing fertigt im Rahmen eines 185-Mio.-US$-Vertrages das Heckleitwerk (das entspricht 163 Mio. Euro). Honeywell International betreibt und managt das Sandia National Laboratory, das die neue Hardware für die Bombe entwickelt. Huntington Ingalls Industries ist für die Nuklearkomponenten und deren Fertigung zuständig. Der Vertrag sah vor, dass die Heckleitwerke im Mai 2019 verfügbar sein sollten (DoD 2019). Ein weiteres Unternehmen, Atlantic CommTech, erhielt 2016 einen Vertrag zur Umrüstung der »Weapon Storage and Security Systems« (zur unterirdischen Lagerung der B61-12 in den Flugzeughangars) an den europäischen Stationierungsorten; diese Arbeiten sollen im Oktober 2020 abgeschlossen sein (DoD 2016).

Zu den deutschen Investoren in diese drei Unternehmen gehören Allianz, BayernLB, Commerzbank, Deutsche Bank, DZ Bank und Siemens. Bei der Bank für Kirche und bei Caritas hingegen gelten umfassende Regelwerke, die jegliche Finanzierungsbeziehungen mit Atomwaffenherstellern ausschließen. Auch die Deutsche Bank hat inzwischen Regeln im Hinblick auf Atomwaffen aufgestellt, die allerdings (noch) nicht umfassend und (noch) nicht vollständig in Kraft sind.

Schlussfolgerungen

Eine Risikoanalyse, die lediglich die Maximierung des Gewinns im Blick hat, ist nicht mehr zureichend. In einer Welt, die mit existenziellen Bedrohungen konfrontiert ist, müssen weitere Faktoren berücksichtigt werden, um der Treuhandpflicht eines Finanzinstituts gerecht zu werden und um angemessene Entscheidungen treffen zu können. Angesichts von Billionen Dollar, die kontinuierlich in nachhaltige Investments fließen, dürfen Investitionen nicht nur profitabel sein, sondern sie müssen auch Gutes tun.

Die Finanzinstitute, die immer noch Profit mit Atomwaffen machen, sind ebenso wie die wenigen Länder, die immer noch an die Nützlichkeit von Atomwaffen glauben, zunehmend isoliert und stigmatisiert. Wir alle können mithelfen, die Profite aus der Atomwaffenherstellung auszutrocknen. Das bringt uns der atomwaffenfreien Welt ein bisschen näher.

Literatur

Boeing (o.J.): Overview – Board of Directors. boieing.com, Stand 30.1.2020.#lit Rohrlich, J. (2019): the US has started a »new nuclear arms race< since Trump pulled out of the INF Treaty. Quartz, 2.5.2019.

Houwelingen, E.v. (2018): ABP Pension Fund excludes tobacco and nuclear weapons. ABP Press Release, 11.1.2018.

Kristensen, H.K. (2019): NNSA Plan Shows Nuclear Warhead Cost Increases and Expanded Production. Federation of American Scientists, Security Blog, 5.11.2018.

Sengupt, S.; Gladstone, R. (2017): United States and Allies Protest U.N. Talks to Ban Nuclear Weapons. New York Times, 27.3.2017.

U.S. Department of Defense/DoD (2016): Daily contracts – Modification P00007 to contract FA2103-16-C-0061. 16.6.2016; dod.defense.gov.

U.S. Department of Defense/DoD (2016): Contracts for September 9, 2016. defense.gov.

Susi Snyder koordiniert die Recherchen und die Kampagne »Don’t Bank on the Bomb« (dontbankonthebomb.com; in Deutschland »Atomwaffen – ein Bombengeschäft«, atombombengeschaeft.de). Sie vertritt die niederländische Friedensorganisation PAX im Steering Committee der International Campaign to Abolish Nuclear Weapons (ICAN), die 2017 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde.

Aus dem Englischen übersetzt von ­Regina Hagen.

Frieden in Bewegung

Frieden in Bewegung

von Michael Müller

Die Rüstungsausgaben erreichen heute neue Rekordhöhen, die weit über denen von 1988 liegen, dem letzten Jahr der noch in Ost und West gespaltenen Welt. Ein neuer Nationalismus macht sich breit. Das Kriegsgerassel wird lauter; die NATO führt immer größere Manöver durch; entlang der 1.700 km langen Grenzen zwischen der EU und Weißrussland/Russland vervielfacht sich die Stationierung von Militär; die Militärübungen haben sich in kurzer Zeit verfünffacht. Und jetzt wird es bis Mai 2020 mit »Defender Europe 20« auch noch ein provokantes US-Manöver mit Unterstützung
von NATO und Bundeswehr geben. 75 Jahre nach Kriegsende ist dies ein schauerliches Signal einer geschichtsvergessenen Politik.

Deutschland ist die zentrale Drehscheibe für das Manöver. 37.000 Soldat*innen aus 16 NATO-Staaten sowie Finnland und Georgien, darunter 29.000 GIs mit schwerem Gerät, werden an die russische Grenze transportiert. Operativ zuständig sind das Heereskommando der U.S. Army in Europe in Wiesbaden und das U.S. European Command in Stuttgart. Die Datenkoordinierung erfolgt über die US-Airbase Ramstein. Ziele sind die Zurschaustellung militärischer Überlegenheit und die Erprobung einer schnellen Verlegung großer Kampfverbände Richtung Osten. Diese militärische Kraftmeierei ist das Gegenteil von
Friedenspolitik.

Der Widerspruch zwischen den wachsenden militärischen Gefahren und der immer noch zurückhaltenden öffentlichen Debatte ist eklatant. Schleichend verschiebt sich die öffentliche Meinungsbildung. Die öffentlichen und viele politische Meinungsmacher fordern, dass sich die Bundeswehr noch stärker an weltweiten Militäreinsätzen beteiligt, dies läge in der nationalen Verantwortung.

Was für ein Irrsinn abläuft, zeigt die neue Rüstungsspirale. Auf die ersten zehn der rund 200 Länder der Erde entfallen knapp 75 Prozent der Militär­ausgaben. Weit an der Spitze liegen die USA, gefolgt von China und Saudi-Arabien. Deutschland erreicht Platz acht; in den letzten fünf Jahren erhöhte die Bundesregierung den Rüstungsetat um 34 Prozent. Sollte die angekündigte Erhöhung auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts Wirklichkeit werden, so stiege je nach wirtschaftlicher Entwicklung unser Land auf Platz drei oder vier weltweit auf. Die Rüstungslobbyisten würden jubeln, die
öffentlichen Haus­halte ächzen.

Dieser Militarisierung wollen wir entgegentreten: Es ist Zeit für die Stärkung der Friedensbewegung und für eine neue Entspannungspolitik. Können doch die neuen Bedrohungen, insbesondere die Folgen der globalen Erderwärmung, nicht militärisch verhindert werden. Im Gegenteil: Die doppelte Gefahr eines Selbstmordes der Menschheit wird real. Da ist zum einen der schnelle Selbstmord durch die neue Hochrüstung und die aggressive Konfrontation mit Stellvertreterkriegen in vielen Regionen der Welt, zum anderen der langsame Selbstmord durch die globale Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen.
Der Klimawandel wird schon in wenigen Jahrzehnten, vielleicht sogar Jahren, kritische Werte überschreiten.

Wir brauchen eine neue Gemeinsamkeit und das ernsthafte Bemühen um Zusammenarbeit, auf staatlicher wie auf bürgerschaftlicher Ebene. Notwendig sind eine starke Friedensbewegung und neue Initiativen für eine weltweite Friedenskultur. Deshalb veranstalten die Naturfreunde Deutschlands, die in diesem Jahr 125 Jahre alt werden, eine große Friedenswanderung. Schon in den 1950er Jahren hatten die Naturfreunde und die Naturfreundejugend die Anti-Atom-Bewegung unterstützt und später die Ostermärsche mitbegründet.

Auch heute setzen wir uns für eine globale Abrüstung und Rüstungskon­trolle ein, für ein Verbot von Rüstungsexporten, für eine atomwaffenfreie Welt und eine neue Friedens- und Entspannungspolitik. Die Friedenswanderung findet statt von 30. April bis 18. Juli diesen Jahres. Unter dem Motto »Frieden in Bewegung« wandern wir in 80 Etappen für eine friedliche Zukunft durch unser Land, von der dänischen Grenze bis zum Bodensee (siehe ­frieden-in-bewegung.de).

Überall auf den rund 1.750 Kilometern wollen die Naturfreunde zusammen mit Friedens- und Umweltgruppen auf die schrecklichen historischen Folgen von Kriegstreiberei hinweisen, neue Kriegsgefahren aufzeigen und Rüstungsexporte verurteilen. Auch Rüstungsstandorte werden angelaufen.

Wir setzen uns für Frieden in Bewegung, weil das »soziale Wandern« zu unserer Geschichte gehört. Mit der Wanderung sollen das Netzwerk der Natur- und Friedensengagierten und der Wille nach einem weltweiten Frieden gestärkt werden. Und wir sagen »Nein« zu Militärmanövern wie Defender Europe 20.

Michael Müller ist Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschlands.

Rüstungsrekord 2018


Rüstungsrekord 2018

von Jürgen Nieth

„Die Militärausgaben haben im Jahr 2018 mit weltweit geschätzt 1822 Milliarden Dollar einen Höchststand erreicht und sind gegenüber dem Vorjahr um 2,6 Prozent gewachsen. Das geht aus einer jährlichen Untersuchung hervor, die das Friedensforschungsinstitut SIPRI am Montag (29.05.2019) in Stockholm veröffentlicht hat. Mit Abstand am meisten Geld wendeten die USA für Verteidigung auf: 649 Milliarden Dollar. Das entsprach 36 Prozent der weltweiten Ausgaben […].

An zweiter Stelle folgt China mit geschätzt 250 Milliarden, was einer Steigerung von fünf Prozent entspricht. Es folgen Saudi-Arabien (geschätzt 67,6 Milliarden Dollar), Indien (66,5 Milliarden) und Frankreich (63,8 Milliarden). Russland liegt mit 61,4 Milliarden Dollar auf Platz sechs und damit erstmals nicht mehr unter den ersten fünf. Deutschland gab demnach 49,5 Milliarden Dollar für Verteidigung aus, 1,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Damit überholte die Bundesrepublik Japan und liegt auf Platz acht.“ (SZ 30.4.19, S. 7)

Diese Fakten aus dem SIPRI-Bericht werden fast gleichlautend auch in den anderen ausgewerteten Presseorganen (siehe unten) wiedergegeben. Die NZZ (29.4.19, S. 2) ergänzt, dass die Schweiz mit 4,8 Milliarden Franken wie im Vorjahr auf Rang 38 platziert ist.

SIPRI wertet Daten von 155 Ländern aus und stützt sich seit 1988 – als dem Stockholmer Institut erstmals globale Vergleichsdaten zur Verfügung standen – in seinen jährlichen Berichten nicht nur auf offizielle Regierungsangaben zum Rüstungshaushalt, es berücksichtigt auch andere Quellen, wie Statistiken der Zentralbanken und der NATO sowie Regierungsantworten auf Anfragen der Vereinten Nationen. Die Zahlen werden von SIPRI unbewertet veröffentlicht.

Die Bewertung wäre also Aufgabe der berichtenden Redakteur*innen. Aber auch hier ergibt unsere Auswertung vielfach nur eine Wiedergabe der Zahlen, allerdings mit unterschiedlichen Schwerpunkten.

„Trump-Zeit ist Rüstungszeit“

lautet die Headline im nd (30.4.19, S. 6). Die meisten Berichte beleuchten die Rüstungskostensteigerung der USA, allerdings ohne sie kritisch zu kommentieren. Die taz (29.4.19, S. 8) hält fest, die USA steckten trotz niedrigerem Wirtschaftswachstum 4,6 Prozent mehr ins Militär, insgesamt 649 Milliarden Dollar“. Und bei faz.net (29.4.19) heißt es: „Das entspricht mehr als einem Drittel (36 Prozent) der weltweiten Militärausgaben und ist fast so viel wie alle Investitionen der acht darauffolgenden Länder zusammengerechnet.“ Na ja, Fakten sprechen manchmal ja auch für sich.

Russland hinter Frankreich

Das gilt auch für die Tatsache, dass Frankreich 2018 mehr für Rüstung ausgab als Russland. Dazu Die Welt (29.4.19, S. 9): „Dieser Positionswechsel ergibt sich, obwohl Paris seine Militärausgaben leicht verkleinerte (minus 1,5 Prozent). Doch Moskau kürzte noch viel stärker (minus 3,5 Prozent). Dadurch rutschte Russland mit 61,4 Milliarden Dollar Militärausgaben von Platz vier auf sechs ab.“ Und die taz (s.o.) hält fest: „In der globalen Topliste der Militärmächte hatte Russland vor zwei Jahren noch auf dem dritten Platz gelegen, nun ist es hinter Saudi-Arabien, Indien und Frankreich.“ Russlands Militärausgaben entsprachen „weniger als einem Zehntel der US-amerikanischen oder 88 Prozent der osteuropäischen Staaten.“ Denn Letztere rüsteten 2018 mächtig auf: „Polen beispielsweise mit einem Plus von 8,9 Prozent gegenüber 2017, bei der Ukraine waren es 21 Prozent und in Staaten wie Lettland, Litauen, Rumänien und Bulgarien zwischen 18 und 24 Prozent“.

Gäbe Deutschland zwei Prozent seines Bruttosozialprodukts für Rüstung aus, wie von Trump gefordert und von Ministerin von der Leyen immer wieder als Notwendigkeit betont, würde auch die BRD mit rund 80 Milliarden weit vor Russland liegen und hinter den USA und China auf Platz drei.

239 Dollar pro Kopf

1.822 Millionen Dollar für Rüstung, 2018 waren das 239 Dollar pro Kopf der Weltbevölkerung und damit neun Dollar mehr als 2017. „Nach einem Abwärtstrend nach dem Kalten Krieg liegen die globalen Rüstungsausgaben 2018 nun 76 Prozent höher als 1998.“ (taz, s.o.) Und die Welt (s.o.) hält für die Jahre 2009 bis 2018 fest: „Zu den größten Wachstumstreibern im Zehnjahresvergleich gehören China (plus 83 Prozent) und die Türkei (65 Prozent).“ Die Stuttgarter Nachrichten (29.4.19, S. 4) gehen auf regionale Verschiebungen ein: „Die Militärausgaben Asiens und Ozeaniens sind nach Sipri-Angaben seit 1988 jährlich gestiegen. Mittlerweile machen sie 28 Prozent der weltweiten Investitionen ins Militär aus – nach nur 9 Prozent vor 30 Jahren. Als Grund für den kontinuierlichen Anstieg sieht Sipri auch den Konflikt zwischen China und den USA.“

Kritik aus der Zivilgesellschaft

findet nur in zwei Zeitungen Beachtung. Das nd (30.4.19, S. 6) zitiert Martina Fischer, »Brot für die Welt«-Referentin: Höhere Militärausgaben machten die Welt nicht sicherer. Wollte die Bundesregierung ihren eigenen Ansprüchen genügen, „muss deutlich mehr in zivile Krisenprävention und Friedensförderung investiert werden“. Ähnlich auch die Forderung der abrüstungspolitischen Sprecherin der Linken, Sevim Dagdelen: „Deutschland sollte bei der Bekämpfung des Hungers Spitze sein, nicht bei den Ausgaben für Militär und Rüstung.“ (nd, s.o)

Die FR (30.4.19, S. 5) zitiert wie das nd Martina Fischer und Sevim Dagdelen. Darüber hinaus Lucas Wirl vom Internationalen Peace Bureau: Drei Prozent der diesjährigen Rüstungsausgaben würden ausreichen, um das UN-Nachhaltigkeitsziel einer weltweiten universellen Bildung bis mindestens zur zehnten Klasse zu gewährleisten.“ Und Thomas Breuer, Leiter des Friedensteams von Greenpeace: „Ein Teil der Militärausgaben würde reichen, um die Energiewende zu finanzieren und damit den Klimawandel zu bremsen. Nötig seien [dafür] jährliche Investitionen von 1,42 Billionen US-Dollar.“

Zitierte Presseorgane: faz.net – frankfurter allgemeine online, FR – Frankfurter Rundschau, nd – neues deutschland, NZZ – Neue Zürcher Zeitung, StZ – Stuttgarter Zeitung, StN – Stuttgarter Nachrichten, SZ – Süddeutsche Zeitung, süddeutsche-online, taz – die tageszeitung, Die Welt.

Das Zwei-Prozent- Ziel der NATO


Das Zwei-Prozent- Ziel der NATO

Deutsche Aufrüstung und kein Ende?

von Lühr Henken

Drei markante Entscheidungen – Trendwenden für ihre Befürworter, Kriegsvorbereitungen für ihre Kritiker – sprechen dafür, dass kein Ende der deutschen Aufrüstung zu erkennen ist: die dreifache Anzahl von Bundeswehrsoldaten in Kriegsmanövern, nämlich 12.000, im letzten Jahr; die Ankündigung Ursula von der Leyens, die Truppe bis zum Jahr 2025 um 25.000 auf 203.000 Soldat*innen zu vergrößern; und die höchste Steigerung des Bundeswehrhaushalt 2019 seit 1955: um 4,7 Mrd. auf 42,3 Mrd. Euro. Diese Entscheidungen sind Vorboten für das, was sich im Beschluss des NATO-Gipfels von Wales 2014 verbirgt, die Militärhaushalte aller NATO-Staaten (außerhalb der USA) möglichst auf zwei Prozent ihres Bruttoinlandproduktes (BIP) hochzufahren.

Bis zur Krise um die Ukraine 2014 hatten sich die Bundesregierungen bezüglich einer Erhöhung des Rüstungshaushalts zurückgehalten.1 Jedoch, so war es dem SPIEGEL zu entnehmen, „war [es] die Bundesregierung, die im Nato-Rat mehrere Vorschläge machte, um die Mitglieder zu höheren Militärausgaben zu animieren“.2 Also nicht US-Präsident Obama und schon gar nicht sein Nachfolger Trump hatten, wie immer behauptet wird, auf das Zwei-Prozent-Ziel gedrängt – treibender Faktor sind und waren nationale deutsche Ambitionen.

In der Gipfelvereinbarung von Wales wurde kein absoluter Wert vorgegeben: „Die Bündnispartner, deren Anteil vom BIP für Verteidigungsausgaben gegenwärtig unter diesem Richtwert liegt, werden darauf abzielen, sich innerhalb von zehn Jahren auf den Richtwert von zwei Prozent zuzubewegen.3 Das heißt: Man kann auch darunter bleiben, das Bemühen um die Erreichung des Zieles muss aber erkennbar sein.

Bei strikter Anwendung der Zwei-Prozent-Vorgabe der NATO, so errechneten Forscher der zwei regierungsnahen Institute Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik und Stiftung Wissenschaft und Politik, wird der deutsche Militärhaushalt im Jahr 2024 nach »NATO-Kriterien« bei 85 Milliarden Euro liegen.4 Das wäre eine Verdopplung der Ausgaben gegenüber heute. Nun legte sich Verteidigungsministerin von der Leyen (CDU) mit Zustimmung des Regierungspartners SPD Mitte Mai 2018 darauf fest, 2024 1,5 Prozent des BIP für die Bundeswehr ausgeben zu wollen, und meldete dies der NATO als Ziel.5 Damit wäre der Beschluss von Wales formal erfüllt. Laut SPIEGEL, dem ein internes Papier des Verteidigungsministeriums vorliegt, wären das 62,5 Milliarden Euro nach »NATO-Kriterien«.6 Gegenüber 2014 wäre das ein sehr saftiger Anstieg um 80 Prozent in zehn Jahren (von 34,75 auf 62,5 Mrd. Euro).

Aber von der Leyen reicht das nicht. Schon im Juni 2018 verkündete sie, sie wolle für 2021 und 2022 zusammen 25 Milliarden Euro mehr.7 Würde sich von der Leyen damit durchsetzen, wäre der Anteil von 1,5 Prozent am BIP bereits am Ende dieser Legislaturperiode, also 2021, erreicht. Hierfür gibt es von der SPD aber bisher noch keine Unterstützung.

Es stellt sich die Frage, wofür die Regierung – hier vor allem die CDU/CSU – eigentlich das viele Geld will? Als Gründe werden angegeben: Schutz vor Russland und die schlechte Ausrüstung der Bundeswehr.

Bedrohliches Russland vs. NATO-Übermacht

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg malt ein bedrohliches Bild von Russland. Er sagte im Juni 2016, „Russland versuche mit militärischen Mitteln einen Einflussbereich aufzubauen. Das [NATO-] Bündnis beobachte eine massive russische Aufrüstung an der eigenen Grenze – in der Arktis, im Baltikum, im Schwarzen Meer bis zum Mittelmeer.8 Unterschlagen wird hier das krasse Ungleichgewicht der Kräfteverhältnisse zugunsten der NATO.

Die Deutsche Welle veröffentlichte im Februar 2018 einen Kräftevergleich.9 Demnach verfügt die NATO mit knapp 3,5 Mio. Soldaten über die 4,4-fache Anzahl Russlands, die NATO hat 25 Prozent mehr Kampfpanzer, sie hat das 2,8-fache an Kampfhubschraubern, das Vierfache an Kampfflugzeugen, das 2,7-fache an Zerstörern, Fregatten und Korvetten und das 2,6-fache an U-Booten. Während die NATO-Staaten 27 Flugzeugträger nutzen, hat Russland nur einen. Nur in einem einzigen Rüstungsbereich hat Russland mehr als die NATO: Es hat acht Prozent mehr Artilleriesysteme.

Bei den Militärausgaben ist die NATO-Übermacht noch deutlicher: 2018 schätzte die NATO ihre Ausgaben auf 1.013 Mrd. US$.10 Das ist etwa das 15-fache Russlands. Russland senkt seine Militärausgaben seit 2016, in 2017 sogar um 20 Prozent auf 66 Mrd. US. 11

Es zeigt sich: Der von NATO-Seite vorgegebene Grund für das Zwei-Prozent-Ziel, eine russische Bedrohung mit entsprechender Aufrüstung, ist gegenstandslos. Von Russland ist kein Angriff zu erwarten.

Arme Bundeswehr vs. Aufrüsten für weltweite Schlagkraft

Der zweite Grund: die angeblich schlechte Ausrüstung der Bundeswehr. So schlecht kann es um sie nicht bestellt sein, denn die Bundeswehr setzte sich eine Norm für die tägliche durchschnittliche Einsatzbereitschaft ihrer Hauptwaffensysteme. Das sind 70 Prozent. Die erreichte sie nach eigenen Angaben 2017.12 Und das war 2014, dem ersten Jahr in dieser Statistik, nicht anders. Die folgende Aussage des Heeresinspekteurs Jörg Vollmer vom Februar 2016 unterstreicht das. Er sagte, das Heer verfüge „über modernes Gerät, welches uns angesichts sehr unterschiedlicher Bedrohungslagen in den verschiedenen Einsatzgebieten flexibel, reaktionsfähig, vor allem aber durchsetzungsfähig macht. Wir verfügen gerade hier über eine weitgehend bedarfsgerechte Ausstattung“.13

Trotzdem gab von der Leyen 2015 bekannt, dass bis 2030 insgesamt 130 Milliarden Euro für neue Ausrüstungen und Waffen benötigt würden.14 Wofür?

2013, also noch vor der Ukraine-Krise, schlug Deutschland der NATO das »Rahmennationen-Konzept« vor, das 2014 beim NATO-Gipfel in Wales verabschiedet wurde. Demnach gibt es unter den europäischen NATO-Staaten drei »Rahmennationen«: Deutschland, Großbritannien und Italien. Um sie herum gruppieren sich jeweils kleinere Armeen mit speziellen Funktionen. In jeder Gruppe übernimmt die »Rahmennation« die Führung und Koordination. Zudem stellt sie Logistik und Kampfverbände zur Verfügung.

Erste handfeste Auswirkung der »Rahmennation« ist die deutsche Rolle in der Schnellen Eingreiftruppe der NATO, der NATO Response Force (NRF), die in den letzten drei Jahren auf 40.000 Soldat*innen verdreifacht wurde. In dieser beteiligte sich die Bundeswehr 2015 maßgeblich am Aufbau der Very High Readiness Joint Task Force (VJTF), auf Deutsch bündig »Speerspitze« genannt. Die hat eine Truppenstärke von 5.000 bis 8.000 Soldat*innen, die binnen zwei bis sieben Tagen weltweit komplett verlegbar sein sollen.15 Die Führung dieser »Speerspitze« übernimmt Deutschland 2019 und 2023 jeweils für ein Jahr. Auch das sind von der Bundesregierung selbst übernommene Aufgaben.

Das »Bühler-Papier«

Der Chef des Planungsstabes der Bundeswehr, Generalleutnant Erhard Bühler, hingegen gab im April 2017 einen anderen Kurs vor: Man habe den Fokus bisher zu sehr auf Auslandseinsätze gelegt. Angesichts der Gefahr durch Russland müsse künftig die »Landes- und Bündnisverteidigung« gleichwertig im Fähigkeitsprofil berücksichtigt werden, hieß es. Bühler spricht von einer fundamentalen Änderung des Maßstabes. Das »Bühler-Papier« bildet die konzeptionelle Grundlage für das geheime »Fähigkeitsprofil der Bundeswehr«, das Generalinspekteur Eberhard Zorn im September 2018 unterzeichnete. Teile seines Inhalts wurden durch exklusive Berichte über das »Bühler-Papier« in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung öffentlich.16

Ab 2031 soll demnach das deutsche Heer über zehn voll ausgerüstete Brigaden verfügen und Deutschland als »Rahmennation« insgesamt 15 Brigaden führen können. Heute verfügt es über sieben nicht voll ausgerüstete Brigaden, darunter eine Lehrbrigade, sowie über Anteile an der Deutsch-französischen Brigade. Die erste komplette Brigade soll 2023 die »Speerspitze« der NRF stellen.

Was beinhaltet die volle Ausrüstung von zehn Brigaden? Dafür gibt das »Bühler-Papier« folgendes preis: ein Plus von 27 Bataillonen. Ein Bataillon umfasst 600 bis 800 Soldaten. Das bedeutet den Ausbau der Artillerie auf fast das Fünffache – nämlich von drei auf 14 Bataillone.17 Dafür werden neue Artilleriesysteme angeschafft. Hinzu kommt der Ausbau der Infanterie. Die braucht fünfmal so viele Radpanzer wie heute. Zudem würden mehr Kampf- und mehr Schützenpanzer ebenso benötigt wie mehr Militärtransportflugzeuge A400M und Drohnen. Dazu kommen sollen bis zu 60 schwere Transporthelikopter.18 Zudem soll Seekrieg aus der Luft wieder möglich gemacht werden.

Deutlich wird: Es handelt sich hier nicht um neue Ausrüstung, wie es die Kanzlerin behauptet,19 sondern es ist eine massive Aufrüstung.

Das Verteidigungsministerium machte gegenüber der NATO dann Nägel mit Köpfen. Anfang 2018 wurde bekannt, dass die Bundeswehr ab 2027 eine voll einsatzbereite schwere Division für die »Landes- und Bündnisverteidigung« vorhalten will, die aus drei Brigaden mit je 4.000 bis 5.000 Soldaten besteht. „Ab 2032 hat Deutschland der NATO dann sogar drei voll einsatzbereite Divisionen zugesagt.20 Das sind die zehn Brigaden aus dem »Bühler-Papier« und entsprechen ca. 60.000 Heeressoldaten, die sehr kurzfristig einsatzbereit sein sollen. Hier wurden ehrgeizige nationale Zusagen gemacht, ohne dass die Finanzierung in Höhe von Zig-Milliardenbeträgen gewährleistet ist.

EU-Militarisierung mit Deutschland an der Spitze

Die Steigerung der deutschen Militärausgaben auf zwei Prozent des BIP wirken sich auch massiv auf die Stellung Deutschlands in der militärischen Zusammenarbeit der EU aus.

Die deutsche Wirtschaft ist mehr als 40 Prozent stärker als die der zweitgrößten Wirtschaftsmacht in der EU, Frankreich.21 Geben beide Staaten zwei Prozent des BIP für ihr Militär aus, entspricht dies in Deutschland über 40 Prozent mehr. Deutschland wird so zur stärksten Militärmacht in der EU und zugleich unter den europäischen NATO-Staaten, denn die britische Wirtschaft ist ähnlich stark wie die französische.

Und so haben die lächerlichen 0,8 Prozentpunkte Mehrausgaben des Militärhaushalts von 2014 bis 2024 eine durchschlagende Wirkung. Das wollen die Friedensbewegten unseres Landes nicht. Deshalb ist es weiterhin wichtig, Unterschriften unter den Appell »Abrüsten statt Aufrüsten« zu sammeln.22

Anmerkungen

1) Aus Zahlen von SIPRI (auf der Basis des Dollarkurses von 2016) ergibt sich zwischen 1998 und 2017 eine minimale Schwankung der Bundeswehrausgaben von höchstens zwölf Prozent zwischen etwa 38,5 Mrd. US$ (in den Jahren 2006, 2007, 2013 , 2014) und 43 Mrd. US$ (in den Jahren 1999 und 2017). Zahlen aus SIPRI Military Expenditure Database, hier »Data for all countries 1949 -2017« in kon­stan­ten (2016) US$.

2) Von Hammerstein et al. (2018): Ein bisschen Frieden. DER SPIEGEL, Nr. 13/2017 vom 25.3.2017, S. 30.

3) NATO (2014): Wales Summit Declaration, Issued by the Heads of State and Government participating in the meeting of the North Atlantic Council in Wales. 5.9.14, Absatz 14.

4) Gebauer, M. et al. (2018): Eklat mit Ansage. DER SPIEGEL, Nr. 28/2018 vom 7.7.2018, S. 36.

5) süddeutsche.de, 11.6.2018.

6) spiegel.de, 14.5.18. Nach »NATO-Kriterien« zählen die Ausgaben für die Bundespolizei als Militärausgaben (ca. 4,5 Mrd. Euro 2024). Die Bundeswehr würde demnach 58 Mrd. Euro erhalten.

7) zeit.de, 16.6.2018.

8) spiegel.de, 16.6.2016.

9) Deutsche Welle, 8.2.2018.

10) NATO (2018): Defence Expenditure of NATO Countries 2011-2018. Press Release PR/CP(2018)091 vom 10.7.2018, S. 7.

11) SIPRI (2018): Global military spending remains high at $1.7 trillion. Press release vom 2.5.2018.

12) Bundesministerium der Verteidigung (2018): Bericht zur materiellen Einsatzbereitschaft der Hauptwaffensysteme der Bundeswehr. Anlage zu Parl Sts bei der Bundesministerin der Verteidigung Grübel – 1980003-V07 vom 26.2.2018.

13) Vollmer, J. (2016): Schnell, Durchsetzungsfähig, Kampfstark – Elemente der Ausrichtung des Deutschen Heeres. Infobrief Heer, Nr. 1/2016, S. 2.

14) heb/dpa/AFP (2018): Von der Leyen will 130 Milliarden Euro investieren. spiegel.de, 26.1.2016.

15) Stabenow, M. (2018): Geld ist doch nicht alles Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.7.2018.

16) Seliger, M. (2017): Der Kalte Krieg läst grüßen. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7.4.2017.
Leithäuser, J.; Seliger, M. (2017): Bis zu den Sternen. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9.4.2017.

17) Seliger, FAZ 7.4.2017, op.cit.

18) Bieterwettbewerb reloaded – Bundeswehr bekommt bis zu 60 schwere Transporthubschrauber. faz.net, 15.12.2017.

19) Merkel zur Bundeswehr: „Ausrüstung, nicht Aufrüstung“. Deutsche Welle, 7.7.2018.

20) Neuer Bundeswehr-Panzer zu alt – »Puma«-Aufrüstung kostet 500 Millionen. n-tv.de, 25.1.2018.

21) BIP Deutschlands (2017) 3.263 Mrd. Euro, BIP Frankreichs (2017) 2.288 Mrd. Euro. Das deutsche BIP liegt um 42,85 % über dem französischen. Fischer Weltalmanach 2019, S. 105 bzw. S. 165. Berechnungen des Autors.

22) https://abruesten.jetzt.

Lühr Henken, Berlin, ist einer der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag.

Ein Jahr Präsident Trump

Ein Jahr Präsident Trump

Mehr Rüstung, weniger Vereinte Nationen

von Simon Schulze

Der vorliegende Artikel zieht ein Zwischenfazit der strategischen Ausrichtung der Politik der Regierung Trump: Auf welchen Feldern setzt die US-amerikanische Administration neue Akzente und wie sind die Folgen einzuschätzen? Ist tatsächlich das »Make America great again«-Mantra das Problem oder vielleicht eher die sprunghafte und inkonsistente Politik der Trump-Administration? Eine Antwort versucht dieser Artikel zu geben, indem er zwei Aspekte näher beleuchtet, die zentral für die Pläne der US-Regierung sind und langfristige, womöglich nicht intendierte Folgen haben werden: die Politik der USA in Bezug auf die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren bei den Vereinten Nationen sowie die Verteidigungspolitik.

Seit dem überraschenden Sieg Donald Trumps bei den US-Präsidentschaftswahlen 2016 ist mehr als ein Jahr vergangen. Nicht nur in großen Teilen der Weltöffentlichkeit sorgte sein Wahlerfolg für Unverständnis und Bestürzung, auch in akademischen Fachkreisen wurden die möglichen außenpolitischen Auswirkungen überwiegend negativ eingeschätzt. Manche spekulierten gar, das Ende der derzeitigen Weltordnung sei nahe (Foreign Affairs 2016).

Die größten Effekte von Trumps Politik lassen sich bisher allerdings in der Innenpolitik feststellen und betreffen somit überwiegend das Leben der US-Amerikaner*innen. Besonders in der Wirtschafts-, Sozial und Umweltpolitik zeigt sich, dass Trump alle Möglichkeiten ausschöpft, das Vermächtnis seines Vorgängers Barack Obama zu beseitigen (Baker 2017). Dennoch sind die Ideen, Äußerungen und Programme des US-Präsidenten auch auf der internationalen Ebene von größter Bedeutung. Mit Sorge werden die strategische Ausrichtung seiner nationalistischen Politik und seine erratische und unberechenbare Persönlichkeit wahrgenommen.

In den Vereinigten Staaten wurden bereits einige Analysen durchgeführt, die eine Einschätzung erlauben, ob und inwieweit der 45. US-Präsident tatsächlich die Stabilität des gegenwärtigen internationalen Systems gefährdet. Richard Gowan, Professor für internationale Politik an der Columbia University in New York, kommt zu dem Urteil, dass in erster Linie die Chancen für multilaterale Kooperationen und verbindliche Abkommen schwänden, da die USA nicht mehr als verlässlicher Akteur wahrgenommen würden (Gowan 2017). Besorgt ist Bruce Jentleson, der an der Duke University in North Carolina Politikwissenschaft lehrt, im Hinblick auf die Zukunft der Vereinten Nationen, die sich aufgrund der Reformpolitik des neuen Generalsekretärs António Guterres und der Forderungen von Donald Trump strukturell und inhaltlich neu ausrichten müssten (Jentleson 2017). Amitav Acharya, Professor für Internationale Beziehungen an der American University in Washington, D.C., sieht sogar die liberale Weltordnung in einer fundamentalen Legitimationskrise, die durch die Person Donald Trumps verstärkt würde, auch wenn die Ursachen struktureller Natur seien (Acharya 2017). Insgesamt ziehen die ersten Arbeiten daher ein recht negatives Resümee über die Außenpolitik der neuen US-Regierung, stellen jedoch den Fortbestand des internationalen Systems nicht in Frage.

Die Trump-Administration und die Vereinten Nationen

Nicht nur durch ihre formelle Position als Botschafterin bei den Vereinten Nationen ist Nikki Haley neben Trump die herausragende Person der US-Außenpolitik. Die persönlichen Überzeugungen und Präferenzen von Haley und Trump decken sich vielfach, außerdem genießt sie einen direkten Zugang zum Präsidenten und übt so einen größeren Einfluss auf ihn aus als andere Minister*innen. Dadurch bestimmt sie die Leitlinien der US-Außenpolitik entscheidend mit (Johnson 2017). Der vom Ralph Bunche Institute der City University New York herausgegebene Blog »PassBlue« stellt mit seinem »Nikki Haley Watch« ein hilfreiches Instrument zur Verfügung, das aktuelle Entwicklungen, Hintergrundinformationen und Einschätzungen zur Haleys Person und Politik festhält (PassBlue 2017). Denn die gewichtigen Folgen ihres Einflusses lassen sich bei mehreren Themen erkennen, u.a. bei dem Wunsch nach Reformen innerhalb der Vereinten Nationen und bei der Zusammenarbeit – oder Konfrontation – im Sicherheitsrat.

Zu den größten Kontinuitätslinien der US-amerikanischen Außenpolitik unter Donald Trump gehört der Wunsch nach einer grundlegenden Neuausrichtung der Weltorganisation. Dieses in der Vergangenheit vielfach geäußerte Anliegen wiederholte er in seiner Rede vor der Generalversammlung am 19. September 2017 (Trump 2017) und kritisierte dabei besonders die angeblich ausufernde Bürokratie und Behäbigkeit der Vereinten Nationen. Die Organisation, so Trump, müsse sich grundlegend ändern, um ihren Aufgaben gerecht zu werden und ihre Ziele zu erreichen.

Zwei konkrete Kernanliegen Trumps dürften erheblichen Einfluss auf die zukünftige Arbeitsweise der Vereinten Nationen haben: die Reform des Menschenrechtsrats und die Senkung der Beitragszahlungen der Vereinigten Staaten für Friedensmissionen der Vereinten Nationen.

Das Verhältnis der USA zu den Mitgliedern des Sicherheitsrats, insbesondere zu den anderen Vetomächten, hat sich im Jahr 2017 erkennbar verschlechtert. Im Verlauf des Jahres konnte sich der Sicherheitsrat auf 60 Resolutionen einigen, während es im Jahr zuvor noch 77 waren (United Nations Security Council 2016 und 2017). Wichtig ist aber weniger die Anzahl der Beschlüsse, sondern deren thematische Ausrichtung. Es fallen vor allem zwei Schwerpunkte auf, die im Sicherheitsrat debattiert und erfolgreich zum Abschluss gebracht werden konnten: Ein Fokus lag auf regionenspezifischen Fragen von Sicherheit und Frieden, wobei besonders Afrika und der Nahe Osten im Mittelpunkt standen. Das andere herausragende Thema war die Bekämpfung terroristischer Organisationen. Weitere internationale Herausforderungen, wie Pandemien oder der Klimawandel, spielten dagegen keine prominiente Rolle. Dazu kommt, dass auch 2017 keine Einigung über mögliche Lösungsansätze hinsichtlich der Konflikte in Syrien, im Jemen oder in der Ukraine erzielt werden konnte. Hingegen verabschiedete der Sicherheitsrat vier Resolutionen, welche die nukleare Aufrüstung Nordkoreas verurteilen und das Land mit Sanktionen belegen (S/RES/2345, 2356, 2371 und 2375). Dies spiegelt die inkohärente Zusammenarbeit zwischen den Vetomächten mit ihren oft entgegengesetzten Interessenslagen wider.

Dabei war Trump überzeugt, die Interessen der USA gegenüber den anderen Großmächten besser als Obama durchsetzen zu können. Dazu sollten zukünftig bilaterale Absprachen mit Russland und China Präferenz haben vor multilateralen Abkommen. Diese Ideen finden sich auch in Trumps Rede vor der Generalversammlung wieder. Der US-Präsident begreift sich als Verteidiger eines dogmatischen Souveränitätsverständnisses. An 21 Stellen verwendet er in dieser Rede den Begriff »Souveränität«, der zweifellos konstitutiv für die Stabilität der Beziehungen zwischen den Staaten ist. Bizarr wirkt allerdings weniger die Präferenz Trumps für gerade dieses Strukturprinzip der internationalen Politik, während z.B. Menschenrechte oder die Verantwortung der Staaten für ihre eigene Bevölkerung für ihn kaum eine Rolle spielen. Vielmehr fällt seine selektive Akzeptanz des Souveränitätsgedankens bei ausgewählten Konflikten auf. Bestimmte Länder, wie Nordkorea, Iran, Venezuela oder Kuba, deklariert er zu Feindesstaaten, für die das Souveränitätsprinzip aufgrund ihres Bedrohungspotentials für die USA und ihrer Unterdrückung der einheimischen Bevölkerung nicht zu gelten scheint. Dagegen lobt er andere autoritäre Regime, wie Saudi-Arabien, dezidiert.

Eine vergleichbar diffuse Haltung wie zu zentralen Akteuren und Prinzipien der internationalen Politik findet sich auch in der Verteidigungspolitik der US-Regierung wieder.

Die Verteidigungspolitik der Trump-Administration

Eines der wichtigsten Ziele der derzeitigen US-Regierung ist die Aufrüstung des eigenen Militärs, einschließlich des Nuklearwaffenarsenals. Waren die Verteidigungsausgaben der USA von 2009 bis zum Ende der Amtszeit Obamas kontinuierlich auf 600 Mrd. US$ gesunken (Mutschler 2017, S. 6), steigen sie mit Donald Trumps erstem Haushalt, dem für das Finanzjahr 2018, auf knapp 700 Mrd. US$ (626 Mrd. für den allgemeinen Verteidigungshaushalt sowie 66 Mrd. für laufende Militäreinsätze) (Garamone 2017), allerdings steht die Verabschiedung des Haushaltsgesetztes 2018 durch den Kongress noch aus.1 Die Erhöhung des Militäretats wird mit der allgemeinen Gefahrenlage für die Vereinigten Staaten begründet, die sich gegenüber feindlich gesinnten Staaten und terroristischen Organisationen schützen müssten.

Eine kohärente, im US-Kabinett abgestimmte Sicherheitsstrategie legte Trump mit der »National Security Strategy« (White House 2017) einen Tag nach Unterzeichnung des Verteidigungshaushaltes und fast zeitgleich mit der Abfassung dieses Artikels vor. Deshalb lassen sich die langfristigen Auswirkungen dieser Neuausrichtung noch schwer abschätzen.

Kurzfristig sind für eine mögliche Aufrüstungsspirale und eine Eskalation zwei konkrete Konflikte entscheidend. So zählt zu den Konstanten der Regierung von Donald Trump, dass das Atomabkommen mit dem Iran in Frage gestellt und die fragile Situation auf der koreanischen Halbinsel durch undiplomatische Affronts angeheizt wird. Trump interpretierte auch in seiner Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen die Vereinbarung, die den Iran davon abhalten soll, Atomwaffen zu entwickeln, als „Schande für die USA (Trump 2017). Außerdem bezeichnete er in der gleichen Rede die nordkoreanische Führungsriege um Kim Jong-un als „suizidale Kriminelle“. Sowohl Iran als auch Nordkorea stellen aus seiner Sicht aufgrund ihrer Aufrüstungsprogramme eine Gefahr für den Weltfrieden dar. Auf der anderen Seite gibt es Hinweise dafür, dass die US-Administration selbst eine aktivere Rüstungspolitik betreiben und mehr militärische Infrastruktur an ausgewählte Verbündete exportieren wird. Da Donald Trump institutionalisierten Kooperationsregimen, wie der NATO, skeptisch gegenübersteht, kann man davon ausgehen, dass es keine weiteren Abkommen und Vereinbarungen auf dem Gebiet der multilateralen Rüstungskontrolle geben wird. So wird in der »National Security Strategie« nur davon gesprochen, die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen zu verhindern (White House 2017, S. 8) und das bestehende nukleare Nichtverbreitungsregime in Ostasien zu erhalten (ebenda, S. 47). Eine weiterführende, proaktive Politik scheint nicht beabsichtigt.

Auf die langfristigen Gefahren dieser Politik verwies bereits kurz vor Trumps Amtsantritt Jeffrey Knopf, Leiter eines Studienprogramms zu Nichtverbreitung in Monterey, Kalifornien (Knopf 2017). Seiner Ansicht nach macht die US-Regierung mehrere Fehler, die die hegemoniale Stellung der USA gefährdeten. Demokratisch verfasste Verbündete könnten sich nicht mehr auf die Sicherheitsgarantien der USA verlassen, weil eine Interessen- und Wertgemeinschaft für Trump nicht existiere. Dadurch bestehe die Gefahr, dass Staaten wie Japan und Südkorea selbst aufrüsten würden. Diese Entwicklung würde »realistischen« Überlegungen der Internationalen Beziehungen widersprechen und auf eine widersprüchliche und inkonsistente Politik hindeuten. Außerdem erkennten Staaten wie Nordkorea, dass Abrüstungsvereinbarungen mit den USA sinnlos seien, wenn sie unter fadenscheinigen Vorwänden aufgekündigt werden sollten, wie es die US-Regierung mit dem Iran-Abkommen anstrebe.

Fazit

Nach knapp einem Jahr an der Spitze des mächtigen Staates ist es möglich, eine erste Zwischenbilanz über die außenpolitischen Aktivitäten der Trump-Regierung zu ziehen und einen Ausblick zu wagen.

Auf der einen Seite zeigt sich, dass übertrieben pessimistische Einschätzungen nicht eingetroffen sind. Das Fundament der internationalen Ordnung zeigt eine außerordentliche Resistenz. Der Trump-Administration war es bislang nicht möglich, zentrale Institutionen der Vereinten Nationen, wie den Menschenrechtsrat, nach eigenem Gutdünken umzugestalten. Auf der anderen Seite haben die USA durch ihre Zahlungskraft ein gewichtiges Mittel zur Verfügung, um die Arbeitsweise der Weltorganisation entscheidend zu beeinträchtigen. Die Auswirkungen werden sich beispielweise bei zukünftigen Friedensmissionen der Vereinten Nationen zeigen. Ähnliches wird auch im Hinblick auf die Arbeit des Sicherheitsrats deutlich. Dieser erfüllt seine Aufgabe, Sicherheit und Frieden im internationalen System zu garantieren, weiterhin nur unzureichend. Zwar beschlossen die ständigen Mitglieder im Fall von Nordkorea weitere Sanktionen, wodurch dessen weitere Aufrüstung erschwert werden könnte. In anderen Krisenfeldern, wie Syrien, Jemen oder der Ukraine, ist hingegen keine Annäherung zwischen den USA, Russland und China erkennbar. Hier zeigt sich, dass die Vereinigen Staaten auch unter Trump andere wirkungsmächtige Akteure nicht zu Verhaltensänderungen bewegen können.

Inwieweit sich durch Trump bestimmte normative Strukturen und Prinzipien in den Internationalen Beziehungen verändern werden, lässt sich noch schwer abschätzen. Womöglich erlebt ein klassisches Souveränitätsverständnis eine verstärkte Renaissance. Da die US-Regierung diesen Ansatz sehr selektiv auslegt und den eigenen Interessen gemäß anwendet, bleibt abzuwarten, ob diese Tendenzen langfristig Bestand haben werden.

Dauerhafte Auswirkungen wird sicherlich die neue Verteidigungspolitik der USA haben. Hier deutet sich an, dass die USA selbst die Leidtragenden ihrer widersprüchlichen Politik sein könnten, wenn sich die Beziehungen zu Verbündeten verschlechtern, ohne dass sich das Verhältnis zu Rivalen, wie Russland und China, entspannt. Außerdem könnten sich die Vereinigten Staaten genötigt sehen, manche Aufgaben von Friedensmissionen der Vereinten Nationen zu übernehmen, die aufgrund der Budgetkürzungen in ihrer Arbeit eingeschränkt werden. Dies würde Trumps Zielsetzung, weniger internationales Engagement zu zeigen, ad absurdum führen.

Die US-Administration betreibt also keine kühl durchdachte und interessengeleitete, sondern eine unkalkulierbare und widersprüchliche Politik. Dies spiegelt sich in den Persönlichkeiten der führenden Protagonist*innen Donald Trump und Nikki Haley wider.

Anmerkung

1) Kurz bevor dieser Text in Satz ging, wurde Trumps Haushaltsentwurf für das Finanzjahr 2019 veröffentlicht. Dort sind für das Pentagon 686 Mrd. US$ vorgesehen, das sind 99 Mrd. mehr als in seinem Entwurf für 2018 (dpa: Hunderte Milliarden Dollar zusätzlich für Waffen und Abschottung; handelsblatt.com, 12.2.2019). Zum tatsächlichen Militäretat ­siehe William D. Hartung: Mehr als eine Billion Dollar. S. 10 in dieser W&F-Ausgabe. [die Redakteurin]

Literatur

Acharya, A. (2017): After Liberal Hegemony – The Advent of a Multiplex World Order. Ethics & International Affairs, Vol. 31, No. 3, S. 271-285.

Arieff, I. (2017): On Iran Nuclear Deal, Haley’s Dark Side Beckons. passblue.com, 3.9.2017.

Baker, P. (2017): Trump Adopts Obama Approach While Seeking to Undo a Legacy. New York Times, 13.10.2017.

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Garamone, J. (2017): Trump Signs Fiscal Year 2018 Defense Authorization. DoD News, Defense Media Activity, 12.12.2017.

Gowan, R. (2017): The unintended international consequences of Donald J. Trump. Zeitschrift für Politikwissenschaft, Vol. 27, No. 3, S. 371-377.

Jentleson, B.W. (2017): Global Governance, the United Nations, and the Challenge of Trumping Trump. Global Governance: A Review of Multilateralism and International Organizations, Vol. 23, No. 2, S. 143-149.

Johnson, E. (2017): Nikki Haley was Trump‘s Iran whisperer. Politico, 13.10.2017.

Kirkpatrick, L.E. (2017): On a Light Note – 10 Tips for Nikki Haley, New US Ambassador to UN. passblue.com, 9.2.2017.

Knopf, J.W. (2017): Security assurances and proliferation risks in the Trump administration. Contemporary Security Policy, Vol. 38, No. 1, S. 26-34.

Mutschler, M.M. (2017): Globaler Militarisierungsindex 2017. Bonn: Bonn International Center for Conversion.

PassBlue (2017): Nikki Haley Watch; passblue.com/category/nikki-haley-watch.

Trump, D.J. (2017): Remarks by President Trump to the 72nd Session of the United Nations General Assembly, 19.9.2017. Washington; whitehouse.gov.

United Nations Security Council (2016): Resolutions adopted by the Security Council in 2016.

United Nations Security Council (2017): Resolutions adopted by the Security Council in 2017.

White House (2017): National Security Strategy of the United States of America. Washington, 18.12.2017.

Simon Schulze, M.A., ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Internationale Beziehungen und Außenpolitik der Universität Trier.

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Ursachen und Ausprägungen des EU-Rüstungsschubs

von Jürgen Wagner

Forderungen nach einer »Weltmacht EUropa« und einem Ausbau des EU-Militärapparates gibt es schon lange, seit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten im November 2016 werden sie aber besonders lautstark artikuliert. Allerdings handelt es sich nun nicht mehr um rhetorische Absichtsbekundungen, vielmehr haben sich die EU-Staats- und Regierungschefs in einem schwindelerregenden Tempo darangemacht, die »Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik« (GSVP) voranzutreiben. Im Folgenden werden die wichtigsten aktuellen GSVP-Projekte – Hauptquartier, PESCO und Rüstungshaushalt – vorgestellt und die Ursachen für die Geschäftigkeit untersucht. Dabei zeigt sich, dass sämtliche Vorhaben bereits vor der Wahl Donald Trumps auf den Weg gebracht wurden, auch wenn er gerne als Rechtfertigung herangezogen wird. Insofern liegt es nahe, dass der aktuelle EU-Rüstungsschub weniger mit einem neuen Präsidenten im Weißen Haus als mit anderen Ursachen zu tun hat.

Unmittelbar nach der Wahl Donald Trumps meldete sich die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini geradezu trotzig folgendermaßen zu Wort: „In den kommenden Monaten und Jahren – man kann sogar sagen: in diesen Stunden – wird es eine zunehmende Nachfrage nach Europa geben von unseren Nachbarn und unseren Partnern in der Welt. Die Forderung nach einem von Prinzipien geleiteten globalen »Sicherheits-Dienstleister« wird wachsen. Die Forderung nach einer Supermacht, die an mehrseitige Bündnisse und Zusammenarbeit glaubt.“ 1 Fast genau so klingt auch die »Entschließung zur Umsetzung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik«, die das Europäische Parlament am 14. Dezember 2016 verabschiedete: „Das Europäische Parlament […] betont, dass die EU ihre Sicherheits- und Verteidigungsfähigkeiten stärken muss, da sie ihr volles Potenzial als Weltmacht nur nutzen kann, wenn sie ihre einzigartige »Soft Power« im Rahmen eines umfassenden EU-Ansatzes mit »Hard Power« kombiniert.“ 2

Ganz ähnliche Forderungen werden verstärkt auch in den Medien geäußert, wobei sich besonders ein Artikel mit dem vielsagenden Titel »Weltmacht! Echt jetzt?« hervortat, der von nicht weniger als zehn Redakteur*innen der Wochenzeitung »DIE ZEIT« gezeichnet wurde: „Nach der Wahl Donald Trumps erkennen die Europäer, dass sie künftig selbst ihre Interessen durchsetzen und ihre Sicherheit garantieren müssen – und was dem noch alles im Wege steht. […] Europa muss nicht »Weltmacht« werden im amerikanischen Sinne, mit Flugzeugträgergruppen, die stählern durch alle Weltmeere pflügen. […] Europa hat Interessen in Afrika, in einem Teil von Asien (Syrien! Afghanistan!) und an all seinen Außengrenzen, vom Balkan bis Marokko, vom Atlantik bis tief ins südliche Mittelmeer. Hier Mitverantwortung zu übernehmen, weit über den eigenen Kontinent hinaus – auch das ist Weltmacht. Regional begrenzte Weltmacht ganz gewiss, aber auch zum Glück. Aber für eine ziemlich große Region.“ 3

Obwohl es schon seit einiger Zeit Bestrebungen gibt, die für erforderlich gehaltene »hard power« zur Unterfütterung der eigenen Weltmachtansprüche aufzubauen, kamen diesbezügliche Versuche viele Jahre nur schleppend voran. Der wohl wichtigste Grund hierfür: Großbritannien erstickte aus Sorge um seine eigene militärpolitische Bewegungsfreiheit nahezu alle entsprechenden Initiativen schon im Keim. Hieraus erklärt sich die kaum verhohlene Freude, die manche Militärpolitiker*innen angesichts des bevorstehenden EU-Austritts Großbritanniens an den Tag legten. So meldete sich etwa Elmar Brock, damals Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Europaparlaments, unmittelbar nach dem britischen Austrittsreferendum am 23. Juni 2016 folgendermaßen zu Wort: „Der Brexit hat auch gute Seiten. […] Jahrelang haben uns die Briten aufgehalten. Jetzt geht es endlich voran.“ 4

Globalstrategie und Bratislava-Agenda

Lediglich fünf Tage nach dem britischen Austrittsreferendum nahm der EU-Rat am 28. Juni 2016 eine neue Globalstrategie an, die seither das wichtigste Rahmendokument für die EU-Außen- und Militärpolitik ist. Das Dokument nennt als „Interessen“ ein „offenes und faires Wirtschaftssystem“ und den „Zugang zu Ressourcen“. Dies beinhalte den „Schutz“ von Handelswegen „im Indischen Ozean“, „im Mittelmeer“, am „Golf von Guinea“ bis hin zum „Südchinesischen Meer“ und der „Straße von Malakka“. In diesen Regionen sieht sich EUropa berufen, – notfalls militärisch – für »Ordnung« zu sorgen, insbesondere in seinem unmittelbaren Umfeld: „Die EU wird sich – praxisorientiert und auf Prinzipien gestützt – für die Friedenskonsolidierung einsetzen; dabei werden wir die Bemühungen auf unsere östlichen und südlichen Nachbarregionen konzentrieren, während weiter entfernte Einsätze von Fall zu Fall erörtert werden.

Hierfür sollen Kapazitäten für „autonome“ – also unabhängig von der NATO und damit den USA durchführbare – Militärinterventionen aufgebaut werden: „Die Mitgliedstaaten [benötigen] bei den militärischen Spitzenfähigkeiten alle wichtigen Ausrüstungen, um auf externe Krisen reagieren und die Sicherheit Europas aufrechterhalten zu können. Dies bedeutet, dass das gesamte Spektrum an land-, luft-, weltraum- und seeseitigen Fähigkeiten, einschließlich der strategischen Grundvoraussetzungen, zur Verfügung stehen muss. […] Eine tragfähige, innovative und wettbewerbsfähige europäische Verteidigungsindustrie ist von wesentlicher Bedeutung für die strategische Autonomie Europas und eine glaubwürdige GSVP.“ 5

Noch einen Tag vor Annahme der EU-Globalstrategie gaben die damaligen Außenminister Deutschlands und Frankreichs, Frank-Walter Steinmeier und Jean-Marc Ayrault, die Richtung vor, als sie am 27. Juni 2016 das Papier »Ein starkes Europa in einer unsicheren Welt« vorlegten. In ihm wurde gefordert, Deutschland und Frankreich müssten, nicht zuletzt indem sie ihre „Anstrengungen auf dem Gebiet der Verteidigung verstärken“, vorangehen, um „die EU Schritt für Schritt zu einem unabhängigen und globalen Akteur zu entwickeln“.6 Am 12. September 2016 wurde ein zweites deutsch-französisches Papier veröffentlicht, diesmal von den damaligen Verteidigungsministern beider Länder. Daraufhin knotete EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker die deutsch-französischen Vorschläge in seiner »Rede zur Lage der Union«7 am 14. September 2016 zu einem Bündel zusammen, das fortan als »Bratislava-Agenda« der Öffentlichkeit präsentiert wurde.

Ein Hauptquartier für mehr EU-Kriege

Auffällig an Junckers »Rede zur Lage der Union« war der scharfe Ton, den der Kommissionspräsident anschlug: „Mit zunehmenden Gefahren um uns herum reicht Soft Power allein nicht mehr aus. […] Europa muss mehr Härte zeigen. Dies gilt vor allem in unserer Verteidigungspolitik. Europa kann es sich nicht mehr leisten, militärisch im Windschatten anderer Mächte zu segeln oder Frankreich in Mali allein zu lassen. Wir müssen die Verantwortung dafür übernehmen, unsere Interessen und die europäische Art zu leben zu verteidigen.“

Wenn sich die EU bisher zu einem Militäreinsatz entschied, konnte sie nicht auf stehende Planungs- und Führungskapazitäten zurückgreifen. Stattdessen musste zunächst bei den Einzelstaaten abgefragt werden, welches Land denn bereit wäre, ein Hauptquartier zur Verfügung zu stellen. Da hierdurch reibungslose und vor allem häufige Einsätze erheblich erschwert wurden, bestand eine erste Forderung Junckers darin, diesen »Missstand« zu beheben: „In den letzten zehn Jahren haben wir uns in über 30 zivilen und militärischen EU-Missionen von Afrika bis Afghanistan engagiert. Doch ohne dauerhafte Struktur können wir nicht wirksam agieren. Dringende Operationen verzögern sich. Es ist an der Zeit, dass wir für diese Operationen ein gemeinsames Hauptquartier einrichten.

Bereits am 6. März 2017 verständigte sich der Rat, ein solches Hauptquartier unter dem Namen »Militärische Planungs- und Führungsfähigkeit« ins Leben zu rufen. Eine Zeitlang sperrte sich Großbritannien noch gegen das Vorhaben, lenkte aber schließlich ein, sodass der endgültige Beschluss Anfang Juni 2017 gefällt wurde. Anfangs darf das Hauptquartier nur nicht-exekutive Einsätze (vor allem Trainings- und Ausbildungsmissionen) leiten. Doch dürfte diese Einschränkung längerfristig kaum Bestand haben, wie etwa SPIEGEL ONLINE schreibt: „Insbesondere Deutschland wünscht sich noch größere Fortschritte, hieß es in Diplomatenkreisen. So könnte die neue Zentrale später auch »exekutive« EU-Militäreinsätze führen – also nicht nur Trainings- und Beratungsmissionen, sondern auch Einsätze mit möglicher Waffengewalt wie etwa die Anti-Piratenmission »Atalanta« und die Marinemission »Sophia« im Mittelmeer. Sie werden bisher von den Hauptquartieren in den Mitgliedstaaten geleitet.“ 8

PESCO: Historischer Rüstungsschub?

Als zweiter wichtiger Baustein für den Ausbau des EU-Militärapparates forderte Juncker in seiner »Rede zur Lage der Union« die Aktvierung der »Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit«, englisch »Permanent Structured Cooperation« oder PESCO. Sie wurde zwar theoretisch bereits 2009 mit dem Vertrag von Lissabon eingeführt, aber ebenfalls lange von Großbritannien blockiert. Mit PESCO können Teile der EU-Militärpolitik per Mehrheitsentscheidung auf Gruppen ausgelagert werden, die nicht alle Staaten umfassen, was einer Aushebelung des in diesem Bereich geltenden Konsensprinzips gleichkommt. Erschwerend kommt hinzu, dass Länder, die sich an PESCO beteiligen wollen, bestimmte »Teilnahmekriterien« erfüllen müssen. Hierüber soll ein zusätzlicher Rüstungsdruck ausgeübt werden. Es ist daher kein Zufall, dass eine Studie der »Generaldirektion Auswärtige Politik« des Europaparlaments die PESCO-Verpflichtungen mit den Maastricht-Kriterien der Eurozone verglich.9

Bei PESCO handelt es sich vor allem um ein deutsch-französisches Projekt, das aus nachvollziehbaren Gründen bei einigen kleinen und mittleren Mitgliedstaaten auf erhebliche Skepsis stieß. Dies erklärt, weshalb deutsche Spitzenpolitiker PESCO freudig begrüßten, als das Konzept am 13. November 2017 im Grundsatz beschlossen wurde. Noch am selben Tag meldete sich Außenminister Sigmar Gabriel zu Wort und sprach von einem „Meilenstein der europäischen Entwicklung“ und einem großen „Schritt in Richtung Selbstständigkeit und Stärkung der Sicherheits– und Verteidigungspolitik der EU“. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini stufte die Entscheidung sogar als einen „historischen Moment für die europäische Verteidigung“ ein.10

Über die PESCO-Teilnahmebedingungen wurde lange und intensiv gestritten; sie wurden schließlich im »Aktivierungspapier«11 festgelegt, das am 13. November 2017 von 23 Ländern unterzeichnet wurde. Mit dem am 8. Dezember 2017 vorgelegten und wenige Tage später verabschiedeten Ratsbeschluss zur Begründung von PESCO wurde das Projekt endgültig auf den Weg gebracht.12 Mit dem Ratsbeschluss schlossen sich auch Portugal und Irland PESCO an, sodass nur noch Dänemark, Malta und Großbritannien abseits bleiben. Rüstungsnahe Stimmen äußerten sich eher enttäuscht ob der der getroffenen Vereinbarungen, was vor allem an der teils schwammigen Formulierung der jeweiligen PESCO-Verpflichtungen liegt. Näher betrachtet hat das Dokument aber durchaus das Potenzial, den EU-Militarisierungsprozess weiter voranzutreiben.

Zu den relativ unverbindlichen Formulierungen gehören etwa die Verpflichtung, die Militärausgaben regelmäßig inflationsbereinigt zu erhöhen, oder das Bekenntnis, die Rüstungsinvestitionen sukzessive auf mindestens 20 % des Militärbudgets anzuheben. Auch bei anderen Passagen, wie etwa denen zur Bereitstellung strategischer Fähigkeiten oder zur »besseren« Finanzierung von EU-Rüstungsprojekten und EU-Einsätzen, fehlten genaue Angaben, wozu sich die Länder eigentlich verpflichtet haben.

Auf der anderen Seite müssen teilnahmewillige Länder aber beispielsweise verpflichtend Truppen für die EU-Battlegroups bereitstellen, um bei PESCO mitmachen zu dürfen. Verbindlich ist auch die Verpflichtung, sich an mindestens einem PESCO-Projekt zum Aufbau strategisch relevanter Militärkapazitäten zu beteiligen. Im Dezember 2017 drangen Details zur deutschen Beteiligung an die Öffentlichkeit: „Deutschland übernimmt in der neuen EU-Verteidigungszusammenarbeit die Führung bei vier von insgesamt 17 Militärprojekten. Unter deutscher Koordinierung sollen ein Sanitätskommando, Logistikdrehscheiben, ein Zentrum für Trainingsmissionen sowie eine Stelle zum Aufbau schnellerer Krisenreaktionskräfte geschaffen werden.13

Um den »Erfolg« von PESCO zu garantieren, müssen die teilnehmenden Länder die Einhaltung ihrer Zusagen künftig extern durch die EU-Verteidigungsagentur »evaluieren« lassen. Im »Aktivierungspapier« heißt es dazu: „Dieser [Evaluierungs-] Bericht wird detailliert über den Stand der PESCO-Implementierung Auskunft geben, einschließlich der Einhaltung der Verpflichtungen jedes Mitgliedsstaates in Übereinstimmung mit seinem Nationalen Implementierungsplan.14 Unklar ist, wie mit PESCO-Mitgliedern umgegangen werden soll, deren Rüstungsbemühungen »negativ« evaluiert werden. Ob über diese Prüfberichte genug Druck erzeugt werden kann, dass die Teilnehmerstaaten in die »richtige« Richtung rüsten, dürfte deshalb maßgeblich darüber entscheiden, ob mit PESCO wirklich ein »historischer« Militarisierungsschritt eingeleitet wurde.

Milliarden für die Rüstung

Die letzte Ankündigung Junckers in seiner »Rede zur Lage der Union« vom September 2016, die in diesem Artikel thematisiert werden soll, ist zugleich die spektakulärste: „Eine starke europäische Verteidigung braucht eine innovative europäische Rüstungsindustrie. Deshalb werden wir noch vor Jahresende einen Europäischen Verteidigungsfonds vorschlagen, der unserer Forschung und Innovation einen kräftigen Schub verleiht.15 Dabei handelt es sich um alles andere als eine Selbstverständlichkeit, schließlich verbietet Artikel 41(2) des Lissabon-Vertrages die Verwendung des EU-Haushalts für „Maßnahmen mit militärischen oder verteidigungspolitischen Bezügen“.16

Dennoch legte die EU-Kommission wenige Wochen später, am 30. November 2016, mit dem »Verteidigungs-Aktionsplan« erste Details für den besagten EU-Rüstungshaushalt vor. Im Kern enthält er den kurz darauf, im Dezember 2016, vom Europäischen Rat grundsätzlich gebilligten Vorschlag, im nächsten EU-Haushalt (für die Jahre) 2021-2027 jährlich 500 Mio. Euro für Rüstungsforschung und satte fünf Mrd. Euro für die Beschaffung von Rüstungsgütern auszuloben – zusammen also 38,5 Mrd. Euro.17 Am 7. Juni 2017 veröffentlichte die EU-Kommission weitere Einzelheiten: Der Start des Fonds soll um zwei Jahre auf 2019 vorverlegt und bis einschließlich 2020 der Betrag von 2,59 Mrd. Euro bereitgestellt werden. Danach soll es bei den beschriebenen 5,5 Mrd. Euro jährlich bleiben, wovon jedes Jahr 1,5 Mrd. aus dem EU-Haushalt und der Rest von den Mitgliedsstaaten stammen sollen. Die Kommission legte am selben Tag einen entsprechenden Verordnungsvorschlag vor, der von Parlament und Rat im Laufe des Jahres 2018 als prioritäres Projekt verabschiedet werden soll.18 Um das Ganze legal zu gestalten, stellte die Kommission den Rüstungshaushalt auf die Rechtsgrundlage der Wettbewerbsförderung, da diesbezügliche Maßnahmen im Gegensatz zur Militärpolitik aus dem EU-Budget finanziert werden können.19

Rüstung mit oder gegen Trump?

Wie aus der vorigen Darstellung klar geworden sein sollte, entwickelt sich der EU-Militärbereich in jüngster Zeit überaus dynamisch. Somit drängt sich die Frage auf, inwieweit es sich hier um Maßnahmen handelt, die auch oder womöglich sogar primär gegen die USA gerichtet sind. Dabei lässt sich zunächst festhalten, dass die USA in einem machtpolitisch rauer werdenden Klima schon länger nicht mehr in der Lage sind, die westlichen Interessen in dem Ausmaß weitgehend im Alleingang durchsetzen zu können, wie dies früher der Fall war. Dies hat wenig mit Donald Trump und viel mit den veränderten internationalen Machtverhältnissen zu tun, wie Außenminister Sigmar Gabriel im Dezember 2017 verdeutlichte: „Der US-Rückzug geht nicht auf die Politik eines einzelnen Präsidenten zurück. Er wird sich auch nach der nächsten Wahl nicht grundlegend ändern. […] Wir müssen einsehen: Entweder wir versuchen selbst in dieser Welt zu gestalten oder wir werden vom Rest der Welt gestaltet. […] Die heute noch fehlende Machtprojektion der Europäischen Union hat jedenfalls dazu geführt, dass überall dort, wo sich die USA tatsächlich oder scheinbar zurückgezogen haben, keine Hinwendung zu Europa erfolgt ist, sondern zu anderen Staaten, von denen operationalisierte Macht weit eher erwartet wird: im Nahen Osten z.B. zu Russland und in Afrika zu China.20

Weiter lässt sich feststellen, dass – auch wenn es innerhalb des Establish­ments durchaus die eine oder andere Stimme gibt, die unter Verweis auf Donald Trump für einen Bruch mit den USA plädiert – es für die Mehrheit der deutschen und europäischen Entscheidungsträger*innen weiterhin viele Gründe für ein enges Bündnis mit den USA gibt, Trump hin oder her. So erteilte beispielsweise der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, Plänen zur »Gegenmachtbildung« mit folgenden Argumenten eine Absage: „Erstens würden wir die vielen Millio­nen Amerikaner ignorieren, die eben nicht Donald Trump gewählt haben. […] Anstatt uns pauschal von den USA abzuwenden, sollten wir mit all jenen zusammenarbeiten, die an einer Bewahrung der transatlantischen Wertegemeinschaft interessiert sind. […] Zweitens ist es nicht so, dass überall auf der Welt Partner Schlange stünden, die mit Europa die liberale Weltordnung verteidigen wollten. […] Langfristig wird die liberale Weltordnung nur Bestand haben, wenn sie von beiden Pfeilern der transatlantischen Partnerschaft gestützt wird. Drittens übersehen jene, die jetzt zu einer europäischen Gegenmachtbildung zu den USA aufrufen, dass diese Option in Wahrheit gar nicht besteht. Die Europäer können kurz- und mittelfristig nicht auf die US-amerikanische Sicherheitsgarantie verzichten.“ 21

Ischinger ist mit seiner Meinung nicht allein: „Mit 521 Führungsspitzen aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung ist das F.A.Z.-Capital-Elite-Panel die am ranghöchsten besetzte repräsentative Umfrage in Europa. Unter den Teilnehmern sind 85 Vorstände von Unternehmen mit mehr als 20000 Beschäftigten, 24 Minister und Ministerpräsidenten und 33 Leiter von Bundes- und Landesbehörden. [… Die Umfrage kommt zu dem Ergebnis], dass die allermeisten Führungskräfte bisher nicht glauben, dass das deutsch-amerikanische Verhältnis durch Trump dauerhaften Schaden erleidet. […] Eine Erhöhung der deutschen Verteidigungsausgaben hält eine Mehrheit gleichwohl für wichtig oder sehr wichtig.22

Es geht also darum, im Verbund der EU die USA beim Erhalt der westlichen Machtposition zu unterstützen. Dies erfordert größere militärische Beiträge, die sich in Form von mehr Mitspracherechten im Bündnis auszahlen sollen. Zwar eröffnet der Brexit nun die Möglichkeit, lange geplante Rüstungsvorhaben umzusetzen, sie müssen aber dennoch gegenüber einer skeptisch eingestellten Bevölkerung legitimiert werden. Und hier zeigt sich der eigentliche »Wert« Donald Trumps, denn unter Verweis auf ihn argumentieren derzeit die einen, es sei nun zwingend erforderlich aufzurüsten, um nicht länger auf die USA angewiesen zu sein. Andere hingegen plädieren für ein verstärktes militärisches Engagement mit dem Verweis, Trump könnte seine Drohung wahr machen und das Engagement der USA in NATO und Europa substanziell reduzieren.

Egal wie Trump in der derzeitigen Debatte also gedreht und gewendet wird, es läuft stets auf die Forderung nach einem Ausbau des EU-Militärapparates hinaus.

Anmerkungen

1) Zitiert nach Küster, K. (2016a): Mehr Sicherheit mit einer europäischen Armee? Deutschlandfunk, 14.11.2016.

2) Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14.12.2016 zur Umsetzung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (2016/2036(INI)): europaparl.europa.eu.

3) Bittner, J. u.a. (2016): Weltmacht! Echt jetzt? ZEIT ONLINE, 19.11.2016.

4) Zitiert nach Küstner, K. (2016b): Deutsch-französische Strategie zur Verteidigungspolitik. Deutschlandfunk, 13.9.2016.

5) Rat der Europäischen Union: Gemeinsame Vision, gemeinsames Handeln – Ein stärkeres Europa. Eine Globale Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union (EUGS), Brüssel, 28.6.2016; europa.eu.

6) Ayrault, J.-M.; Steinmeier, F.-W. (2016): Ein starkes Europa in einer unsicheren Welt. 27.6.2016; auswaertiges-amt.de.

7) Juncker, J.C. (2016): Rede zur Lage der Union: Hin zu einem besseren Europa – Einem Europa, das schützt, stärkt und verteidigt. Straßburg, 14.9.2016; europa.eu.

8) Becker, M. (2017): EU wächst militärisch zusammen – zumindest ein bisschen. SPIEGEL ONLINE, 6.3.2017.

9) European Parliament – Directorate-General for External Policies (2017): Permanent Structured Cooperation – national perspectives and state of play. Study, July 2017, S. 30; europarl.europa.eu.

10) EU-Staaten bauen an Verteidigungsunion. ­heute.de, 13.11.2017.

11) Notification on Permanent Structured Co­operation (PESCO), 23.11.2017; consilium.europa.eu.

12) Council of the European Union (2017): COUNCIL DECISION establishing Permanent Structured Cooperation (PESCO) and determining the list of Participating Member States. Dokumentnr. 14866/17, 8.12.2017, S. 1.

13) Deutschland soll vier Militärprojekte anführen. n-tv, 9.12.2017.

14) Notification …, op.cit.

15) Juncker (2016), op.cit.

16) Vertrag über die Europäische Union (Konsolidierte Fassung). In: Amtsblatt der Europäischen Union vom 26.10.2012, S. 37.

17) Europäische Kommission (2016): Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Europäischer Verteidigungs-Aktionsplan. Brüssel, 30.11.2016, Dokument COM(2016) 950 final; ec.europa.eu.

18) Siehe dazu Wagner, J.; Lösing, S. (2017): EU-Rüstung ohne Rechtsgrundlage. Blätter für deutsche und internationale Politik. 10/2017, S. 41-44.

19) Wagner, J.; Lösing S. (2017), op.cit.

20) Gabriel, S. (2017): Europa in einer unbequemeren Welt. Rede vom 5.12.2017; auswaertiges-amt.de.

21) Ischinger, W. (2017): Einbinden, Einfluss nehmen. Süddeutsche Zeitung, 15.2.2017.

22) Göbel, H. (2017): Die EU kann alles – nur keine Sicherheit. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.7.2017.

Jürgen Wagner ist geschäftsführendes Vorstands­mitglied der Tübinger ­Informationsstelle Militarisierung (imi-online.de).

Der militärisch-industrielle Komplex

Der militärisch-industrielle Komplex

Neuinterpretation in Zeiten von Trump

von Andrew Lichterman

Schon lange wird in Friedenskreisen sowohl für analytische als auch für politische Zwecke der Begriff »militärisch-industrieller Komplex« genutzt. Das Konzept erlangte auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges durch den Ex-General und US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower Prominenz – dabei war er selbst ein führender Vertreter des gewaltigen Konglomerats, das dieser Begriff umschreibt. Ebenso wie das Konglomerat selbst hat auch das Konzept des militärisch-industriellen Komplexes viel Beharrungsvermögen bewiesen, wird aber auch oft zu leichtfertig zitiert. Denn als Werkzeug ist es zwar bequem, wird aber selten geschärft, verändert, überarbeitet. Dieser Text unternimmt eine Interpretation des militärisch-industriellen Komplexes, die zu den USA in Zeiten eines US-Präsidenten Donald Trump passt.

Die gewaltigen Militärapparate, Rüstungsindustrien und intellektuellen Unterstützungsapparate, die wir gemeinhin als militärisch-industriellen Komplex bezeichnen, begleiten uns in den USA schon seit einem dreiviertel Jahrhundert. In diese Zeit fällt der Aufstieg der Militärmacht USA, aber auch der Beginn ihres Abstiegs. Der militärisch-industrielle Komplex hatte seine Geburtsstunde vor dem Kalten Krieg, den er prägend mit verursachte und am Laufen hielt. Er überdauerte ihn ebenso wie eine kurze Phase der Verwirrung in einer »Nach-Kalte-Krieg-Zeit«, die inzwischen definitiv vorbei ist. In diese Zeitspanne fällt gleichermaßen der Aufstieg der US-Wirtschaft zu ihrer Spitzenposition in puncto Technologie, Fertigungskapazität und Dominanz auf den internationalen Märkten sowie ihr Abstieg, der schneller erfolgt als der Verfall der militärischen Vorherrschaft der USA.

Die Rolle des militärisch-industriellen Komplexes blieb über all die Jahre nicht statisch, und seine langfristige Rolle bei der Gestaltung der Wirtschaft ist tatsächlich sehr relevant. Im Moment sollte aber – wie schon im Kalten Krieg – Priorität haben, einen unmittelbar drohenden Krieg zwischen nuklear bewaffneten Großmächten zu verhindern. Daher müssen wir uns fragen, ob der Verweis auf den »militärisch-industriellen Komplex« noch hilfreich ist, um die kriegstreibenden Kräfte zu verstehen, oder ob dadurch andere – für die jetzige Situation wesentliche – Aspekte aus den Augen geraten.

Eine durch und durch militarisierte Außenpolitik

Oberflächlich betrachtet hat der militärisch-industrielle Komplex der USA nichts an Stärke verloren. Donald Trumps bisherige Amtszeit lässt darauf schließen, dass die laufenden Waffen­entwicklungs- und Beschaffungsprogramme, wenn auch mit höherem Etat, im Wesentlichen weiterlaufen werden. Trumps Entwurf für den Militärhaushalt 2018 lag etwas über dem, den Obama vorgesehen hatte. Das Militär braucht aber eine erhebliche Steigerung des Rüstungshaushalts, wenn Obamas ambitionierte Programme zur Aufrüstung von Atomwaffen fortgesetzt und Trumps Pläne zur Ausweitung und Aufrüstung des übrigen Militärs umgesetzt werden sollen.

Genauere Informationen über Trumps Militärprogramm wird es erst geben, wenn sein Etatentwurf für das Haushaltsjahr 2019 vorliegt – der erste, der zur Gänze von ihm und seiner Administration verantwortet wird.1 Die Zusammensetzung seines Mitarbeiterstabs und Kabinetts lässt eine durch und durch militarisierte Außenpolitik erwarten. Trump besetzte die Posten des Verteidigungsministers, des Nationalen Sicherheitsberaters und des Stabschefs des Weißen Hauses, die üblicherweise Zivilisten vorbehalten sind, mit Berufsoffizieren. Er berief Führungskräfte von Rüstungsunternehmen auf Schlüsselpositionen im Verteidigungsministerium, darunter Vorstandsmitglieder von Lockheed Martin, Boeing, Raytheon und Textron. Trumps ernannte Rick Perry zum Chef des Energieministeriums, das die nuklearen Bomben und Sprengköpfe der USA entwickelt und baut. Perry, bis 2015 Gouverneur von Texas, bringt für diesen Job reichlich wenig Erfahrung mit: Vor seiner Ernennung wusste er nicht, dass das Energieministerium für die Atomwaffen zuständig ist, und hatte gar seine Abschaffung gefordert.2 Mangels Kompetenz an der Ministeriumsspitze werden die Vorgaben zum Thema Atomwaffen wohl buchstäblich ungefiltert von den langjährigen Insidern des Atomwaffenkomplexes kommen, vor allem aus den Atomwaffenlabors von Livermore und Los Alamos. Da es keine kohärente Außenpolitik gibt – oder auch nur einen Stab kundiger Zivilbeamter in den höheren Rängen der Regierung, die eine formulieren könnten –, werden die laufenden Programme zur Modernisierung des Militärs wohl einfach weiterlaufen, mit steigendem Etat.

Im Kongress gibt es kaum Widerstand gegen die Erhöhung des Militäretats, ganz im Gegenteil werden dort teils noch deutlich höhere Beträge gefordert. Für 2018 wurde vom Kongress mit überwältigender Mehrheit ein Pentagon-Budget in Höhe von fast 700 Mrd. US$ verabschiedet, im Repräsentantenhaus stimmten auch Zweidrittel der oppositionellen Demokraten zu, im Senat sogar fast alle.3 Die Republikaner und die Demokraten haben zwar seit Jahren Mühe, den Gesamtetat der US-Regierung festzulegen und Haushaltssperren zu vermeiden, letztlich eint sie aber der Wille, die Mittel für das Militär bereitzustellen. Dass das gelingt, ist nicht zuletzt auch im Interesse des militärisch-industriellen Komplexes und ein Indikator für dessen Einfluss auf die Abgeordneten.

Die vier Phasen des militärisch-industriellen Komplexes

Der militärisch-industrielle Komplex der USA hat mindestens vier Phasen durchlaufen. Die erste Phase war geprägt durch die Fließbandproduktion im Zweiten Weltkrieg, in der Zehntausende Arbeiter*innen für die Millionen Soldaten auf den Schlachtfeldern Luft-, Land- und Wasserfahrzeuge bauten. In dieser Zeit begann auch die enorme, institutionalisierte staatliche Finanzierung von Forschung und Entwicklung; das Manhattan-Projekt zum Bau der Atombombe ist dafür nur das prominenteste Beispiel.

Nach einem gewissen Nachkriegseinbruch setzte der militärisch-industrielle Komplex unter dem Vorzeichen des Kalten Krieges die Massenproduktion von Waffen fort, um ein Militär auszurüsten, dass Millionen Mann unter Waffen hielt, während für das nukleare Wettrüsten gleichzeitig ein paralleler Komplex entstand, der die Regierung, Wirtschaftsunternehmen und Universitäten umfasste. Die Führungsspitze der USA setzte die Militärausgaben zur Steuerung der Nachkriegswirtschaft ein und initiierte im Namen der nationalen Verteidigung gigantische Infrastrukturprojekte, z.B. die Interstate Highways [das Gegenstück zu den europäischen Autobahnen]. Dieses Konglomerat meinte Eisenhower mit »militärisch-industriellem Komplex«. Dessen Aktivitäten wie die Etats erreichten ihren Höchststand während des Korea- und des Vietnamkrieges, als die USA große Landkriege führten sowie ihr Atomwaffenarsenal weiterentwickelten und massiv ausbauten.

Nach dem Vietnamkrieg gab es eine kurze Phase der Entspannung zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion. Zu Beginn der 1980er Jahre fuhren die USA die Waffenforschung und -produktion schon wieder hoch, entwickelten neue Generationen Atomwaffen und Trägersysteme und verfolgten mehrere technologische Pfade für Raketenabwehr. Die UdSSR zog mit, so gut sie es vermochte. In dieser Phase schien das weitverzweigte und in Jahrzehnten gefestigte Netzwerk von Waffenlabors und -fabriken das Wettrüsten in einem Ausmaß voranzutreiben, das nicht nur mit den Profitinteressen der Rüstungsunternehmen oder dem langfristigen Streben der USA nach Ausweitung seiner ohnehin schon dominierenden Wirtschaftsmacht zu erklären ist. Der britische Historiker Edward Thompson schrieb damals: „So betrachtet, haben die USA und die UdSSR keinen militärisch-industriellen Komplex – sie sind dieser Komplex. Der »führende Sektor« (Waffensysteme und ihre Stützen) nimmt in der Gesellschaft nicht viel Raum ein und die offizielle Geheimhaltung sorgt für eine geringe Sichtbarkeit, dennoch prägt er die gesamte Gesellschaft. Und er lenkt die Richtung des Wachstums.4

Trotz des Impulses durch das Wettrüsten und der offenkundigen Dominanz der Kommandohöhen der US-Wirtschaft durch den militärisch-industriellen Komplex sanken die Militärausgaben in Prozent des Bruttosozialprodukts zu dieser Zeit; der Höhepunkt war bereits in den 1950er und 1960 Jahren erreicht. Das Ende des Kalten Krieges läutete ein Jahrzehnt ein, in dem der Verteidigungshaushalt sogar in absoluten Zahlen niedriger war als im Kalten Krieg, d.h. der Anteil des militärisch-industriellen Komplexes an der US-Wirtschaft insgesamt verringerte sich.

Diese dritte Phase des militärisch-industriellen Komplexes endete am 11. September 2001, in dessen Folge die Ausgaben für konventionelle Rüstung und den Ausbau von Kampftruppen für die wechselnde Abfolge von Besatzungs- und Aufstandbekämpfungskriegen weltweit stiegen. Noch ist nicht eindeutig zu erkennen, ob diese vierte Phase des militärisch-industriellen Komplexes in zwei Unterphasen unterteilt ist oder ob wir uns einer ganz neuen, klar unterscheidbaren fünfte Phase nähern. In den frühen 2000er Jahren konzentrierte sich das US-Militär auf die klassischen Probleme, die die Aufrechterhaltung eines ausgedehnten Imperiums mit sich bringt: Wie nutzt man den eigenen Vorsprung in punkto Mobilität, Kommunikation, Überwachung und Feuerkraft aus, um gegenüber vielen schlechter organisierten Gegnern an einer Vielzahl von Schauplätzen die Oberhand zu behalten? Spätestens mit Obamas »pivot to Asia« – der militärischen Prioritätensetzung Richtung Asien – und dem Beginn des Ukrainekrieges fingen die nationalen Sicherheitseliten und der militärisch-industrielle Komplex wieder ernsthaft damit an, sich auf eine Konfrontation mit anderen nuklear bewaffneten Großmächten vorzubereiten.

Die relative Macht des militärisch-industriellen Komplexes

Die Rückkehr von Spannungen zwischen Großmächten und ein gewisses strategisches Wettrüsten bedeuten allerdings nicht, dass der militärisch-industrielle Komplex der USA ein Wiedergänger von dem aus Zeiten des Kalten Krieges ist. Zu sehr haben sich die Streitkräfte der Großmächte und deren Ausrüstung geändert, und in noch größerem Maße die Struktur der globalen Wirtschaft, die Rolle und Wirtschaftskraft der USA. All dies beeinflusst die Fähigkeit der USA, ihre militärische Dominanz aufrecht zu erhalten. All dies beeinflusst aber auch die relative Macht des militärisch-industriellen Komplexes in der Wirtschaft und Politik der USA sowie die Fähigkeit der US-Eliten, den militärisch-industriellen Komplex als Vehikel für tecnologische Entwicklung und die Regulierung der Wirtschaft zu nutzen.

Der sinkende Militärhaushalt wurde in den 1990er Jahren begleitet von einer rasanten Konsolidierung der Rüstungsindustrie und der Schließung militärischer Standorte im Inland.5 Die Streitkräfte wurden professionalisiert; auch die Waffentechnologie unterlag einem Wandel. Entsprechend wurde die Truppe verkleinert, dafür mit leistungsfähigeren, aufwendigeren und teureren Waffensystemen ausgerüstet. Dadurch litt die bis dato beherrschende geographische und wirtschaftliche Präsenz des Militärs und der Rüstungsindustrie.

Die geringere Relevanz des militärisch-industriellen Komplexes für die US-Wirtschaft und die parallelen Umbrüche der ökonomischen Struktur insgesamt lassen den Einfluss des militärisch-industriellen Komplexes auf die gesamte technologische Entwicklung und Wirtschaftssteuerung vermutlich sinken. Das Verteidigungsministerium hat seine führende Rolle als Auftraggeber für Forschung und Entwicklung bereits verloren.6 Forschung und Entwicklung profitieren von der Nähe zu den Produktionsstätten der relevanten Industriezweige. Viele US-Unternehmen verlagerten ihre Produktion aber ins Ausland, solche Synergien fallen also zunehmend weg. Außerdem werden auch durch technische Innovationen kaum neue Jobs im Inland geschaffen, auch nicht als Ergebnis von Forschung und Entwicklung für das Militär.

Rüstungsproduktion als Steuerungsmittel für die Makroökonomie und die Schaffung neuer Arbeitsstellen verspricht also nicht mehr viel Erfolg. In einer zunehmend polarisierten Wirtschaft, sei es global oder national, haben ältere und kleinere Industriestandorte und ländlich geprägte Regionen im Hinterland das Nachsehen. Als Subunternehmer für die teuren Hightech-Waffen werden eher Firmen in den Ballungsräumen beauftragt, weil sich die Unternehmen der neuen Technologien vorzugsweise dort ansiedeln. Dies fördert im Umkehrschluss die weitere Integration der Ballungsräume in die globalen Handels- und Investitionsstrukturen. Neue militärische Tätigkeitsfelder, die an Privatunternehmen vergeben werden, z.B. im Bereich Aufklärungs-, Spionage- und Informationstechnologie, konzentrieren sich ebenfalls eher in bereits »globalisierten« Ballungsräumen. Die alten Industriezentren werden also kaum von steigenden Militärausgaben profitieren, sich stattdessen mit örtlichen Militärstützpunkten oder schon lange regional etablierten Fabriken und Lieferketten begnügen müssen. In den diversifizierten und globalisierten Ballungsräumen aber spielen selbst steigende Militärausgaben für die Wirtschaftskraft keine so große Rolle.

Widersprüchliche Dynamiken

Allerdings gibt es zu dieser Entwicklung auch einige Gegentrends. Der allgemeine Niedergang der Fertigungsindustrie in den USA könnte dazu führen, dass der Fertigung von Rüstungsgütern in diesem schrumpfenden Sektor in Zukunft eine unverhältnismäßig große Rolle zukommt. Auch der Export von Rüstungsgütern war für die US-Rüstungsindustrie immer ein wichtiger Faktor. Rüstungsexporte werfen in der Regel mehr Profit ab als Waffenverkäufe an das inländische Militär und finden häufig antizyklisch statt, so dass die Fertigungskapazität durchgehen aufrechterhalten werden kann und die Rüstungsunternehmen auch dann profitabel arbeiten, wenn das US-Militär vorübergehend weniger Aufträge vergibt.7 Die Expansion der quasi-militärischen »Homeland Security«, von der allgegenwärtigen Überwachung bis hin zur Militarisierung der Bundes- und Ortspolizei, schafft neue Absatzmärkte für militärtaugliche Technologien und eine engere Verbindung zwischen dem für innere Sicherheit zuständigen Sektor und dem Militär.

Weitere gegenläufige Trends ergeben sich aus dem Zusammenspiel der politischen Landschaft mit der sich wandelnden ökonomischen Landschaft. Sofern es nicht zu einem deutlichen Strukturwandel kommt, sind Militärstandorte und Rüstungsfabriken im ländlichen Raum und in den älteren Zentren der verarbeitenden Industrie eine der wenigen Optionen für Wirtschaftswachstum und feste, gut bezahlte Arbeitsplätze, die nicht so einfach ins Ausland verlagert werden können. Durch die Schließung von Militärstützpunkten in den 1990er und frühen 2000er Jahren sind die inländischen Militärbasen jetzt vor allem im Südosten der USA konzentriert.8 Die Zusammensetzung des US-Kongresses und des »Wahlmännerkollegiums« gibt gering bevölkerten Staaten ein überproportionales Gewicht, und die Republikaner nutzten die langen Jahre, in denen sie die Bundespolitik schon dominieren, um Wahlbezirke neu aufzuteilen, in denen sie stark sind, z.B. rund um Militärstandorte und Rüstungsfabriken. Dem militärisch-industriellen Komplex kommt bei der Politikgestaltung damit noch mehr Bedeutung zu; das kompensiert in gewissen Ausmaß seine eher bescheidene Bedeutung für die Ökonomie. Die US-Politik wird auf diese Weise immer weiter polarisiert und blockiert – auf längere Frist ein zuverlässiger Ausgangspunkt für all diejenigen, die für Nationalismus und Militarismus offen sind.

Die verbliebene Stärke des militärisch-industriellen Komplexes und die steigenden Militärausgaben unter Trump könnten ein Faktor sein, der die USA in den Krieg treibt. Für die Kriegsgefahr spielen andere Faktoren aber wohl eine wichtigere und unmittelbarere Rolle. Dazu gehört der Wettlauf um Rohstoffe und Märkte, der an die Kämpfe zwischen den Großmächten im frühen 20. Jahrhundert erinnert, und das in einer Zeit, in der das Wirtschaftswachstum, die Akkumulation und Konzentration von Reichtum und die Globalisierung von Handel und Investitionen ihren Zenit bereits erreicht haben. Die Öffnung der Länder des ehemaligen Ostblocks als neue Märkte und billige, qualifizierte Arbeitskräftereservoirs hielt den Konflikt zwischen den Großmächten nach dem Kalten Krieg zunächst unter der Decke. Dazu trug auch die relative Schwäche der herrschenden Schichten in Russland und China während der ideologischen und wirtschaftlichen Turbulenzen infolge des Zusammenbruchs der Sowjetunion bei. Inzwischen streben die Führungseliten in beiden Ländern nach mehr Kontrolle sowohl ihrer inländischen Wirtschaft als auch des nahen Auslandes.

Diese widersprüchlichen Dynamiken, denen der militärisch-industrielle Komplex in den USA unterliegt, sind Ausdruck eines erheblichen Ungleichgewichts zwischen einem nach wie vor mächtigen US-Militär und einer US-Wirtschaft im Niedergang. Es besteht die Gefahr, dass diese fundamentale Diskrepanz die herrschenden wirtschaftlichen und politischen Kreise der USA zu gefährlichen Verhaltensmustern verleitet. Spitzenpolitiker die glauben, ihr Land habe den Zenit erreicht und falle nun gegenüber ihren Hauptrivalen zurück, könnten versucht sein, ihren schwindenden militärischen Vorteil nochmals maximal auszunutzen und Kriege zu riskieren oder sogar gezielt vom Zaun zu brechen.9

Selbst wenn Trump einmal nicht mehr im Amt ist, verbleiben die Kräfte, die ihn ins Amt brachten. Für die herrschenden Kreise der Vereinigten Staaten wird es zunehmend schwieriger, wie gewohnt ihren Vermögensanteil aus der globalen Wirtschaft zu ziehen und gleichzeitig genug Wohlstand zu verteilen, um im Inneren den Frieden aufrecht zu erhalten. Das verleitet auch im Inneren zu riskanteren Politikstrategien. Das Einsickern eines Blut-und-Boden-Nationalismus von den politischen Rändern in die politische Mitte ist vielleicht ein Zeichen für die Angst in Teilen der Elite vor dem Niedergang der USA. Die ungleiche Verteilung von Reichtum, die Erosion der Demokratie und die unbekümmerten Attacken auf die sozialen Schutzsysteme schaffen ein enormes Potential für Ressentiments. Militarismus und extremer Nationalismus sind das ideologische Werkzeug, um diese Wut zu kanalisieren und zugleich Repression im Inneren und konfrontative Politik nach außen zu rechtfertigen.

Nachdenken tut not

Wir beginnen erst langsam, den heutigen militärisch-industriellen Komplex zu verstehen; das ist aber Voraussetzung, um darüber nachzudenken, welche Strategien wir brauchen. Heute ist vieles anders als im Kalten Krieg, aber manche unerfreulichen Aspekte sind unverändert geblieben. Wir müssen erkennen, dass unsere Priorität zuallererst auf der Verhinderung eines neuen katastrophalen Krieges liegen muss. Trumps Aufstieg hat uns daran erinnert, vor welchen Gefahren wir stehen. Das zentrale und gleichbleibende Charakteristikum militärisch-industrieller Komplexe ist ihre permanente Mobilisierung für Kriege von potentiell zivilisationsbeendendem Ausmaß. Sowohl der Historiker Edward P. Thompson als auch der Soziologe C. Wright Mills mahnten uns schon vor Langem, „der unmittelbare Anlass für den Dritten Weltkrieg ist seine Vorbereitung.10 Dabei muss kein zusätzlicher Cent in Militärbasen, Streitkräfte oder die Aufrüstung von Atomwaffen fließen, um die Maschinerie für unser aller Auslöschung zu schaffen – diese existiert schon jetzt.

Anmerkungen

1) Kurz bevor dieser Text in Satz ging, wurde Trumps Haushaltsentwurf für das Finanzjahr 2019 veröffentlicht. Dort sind für das Pentagon 686 Mrd. US$ vorgesehen, das sind 99 Mrd. mehr als in seinem Entwurf für 2018 (dpa: Hunderte Milliarden Dollar zusätzlich für Waffen und Abschottung; handelsblatt.com, 12.2.2019). Zum tatsächlichen Militär­etat ­siehe William D. Hartung: Mehr als eine ­Billion Dollar. S. 10 in dieser W&F-Ausgabe. [die Übersetzerin]

2) Davenport, C. (2017): Rick Perry Regrets Call to Close Energy Department. The New York Times, 19.1.2017.

3) U.S. House of Representatives: Final Vote Results For Roll Call 631. Role call vote on HR 2810, The National Defense Authorization Act for Fiscal Year 2018. 14.11.2017.
U.S. Senate roll call vote, H.R.2810 as amended, National Defense Authorization Act for Fiscal Year 2018. 18.9.2017.

4) Thompson, E.P. (1980): Notes on Exterminism, the Last Stage of Civilization. New Left Review, No. 121, May/June 1980, S. 23.

5) Cronberg, C.; Aeroe, A.; Seem, E. (1996): Technological Powers in Transition – Defense Conversion in Russia and the U.S. 1991-1994. Copenhagen: Afademisk Forlag A/S, S. 94f.

6) National Academy of Engineering and National Research Council (2012): Assuring the U.S. Department of Defense a Strong Science, Technology, Engineering, and Mathematics (STEM) Workforce. Washington, D.C.: ­National Academy Press, S. 1.

7) Markusen, A.; Yudken, J. (1992): Dismantling the War Economy. New York: Basic Books, S. 79, 211.

8) Kromm, C. )2005): Base Closings and the South. Facing South, 13.5.2005.

9) Siehe dazu Copeland, D.C. (2000): The Origins of Major War. Ithaca: Cornell University Press.

10) Thompson, E.P. (1980): Notes on Extermin­ism, the Last Stage of Civilization. New Left Review, No. 121, May/June 1980, S. 22; dort zitiert er Mills, W.C. (1958): The Causes of World War III. New York: Literary Licensing, S. 47.

Andrew Lichterman ist Politikanalyst und Jurist bei der Western States Legal Foundation (Oakland, Kalifornien) und Vorstandsvorsitzender der Campaign for Peace, Disarmament and Common Security (Cambridge, Massachusetts).

Aus dem Englischen übersetzt von ­Regina Hagen.

Mehr als eine Billion Dollar

Mehr als eine Billion Dollar

Das Budget der USA für Militär, Rüstung und Verteidigung

von William D. Hartung

Bei all dem Geschrei nach mehr Geld durch Militär, Politik und den Präsidenten sollte man nicht glauben, dass es dem Pentagon nie besser ging. Das Verteidigungsministerium der USA erhält weit mehr als eine halbe Billion Dollar pro Jahr, mit steigender Tendenz. Inflationsbereinigt ist der Verteidigungsetat höher als in den 1980er Jahren, als der damalige US-Präsident Ronald Reagan den Etat massiv aufstockte, und nähert sich wieder den Spitzenwerten seit dem Zweiten Weltkrieg. Dabei ist das allenfalls die halbe Wahrheit, denn für »Verteidigung« werden zusätzlich Hunderte Milliarden Dollar ausgegeben, die nicht im Haushalt des Pentagon auftauchen. Auch wenn die Angaben vom Juli 2017 stammen – die Absurditäten des US-Sicherheitsstaates haben nicht erst mit Donald Trump begonnen.

Um einen Eindruck von den wahren Kosten für unsere bisherigen, heutigen und künftigen Kriege zu bekommen, müssen wir uns die entsprechenden Budgetzahlen genau anschauen. Die für diesen Zweck aufgewandten Gelder sind das Lebenselixier des nationalen Sicherheitsstaates. Dabei geht es um insgesamt zehn Kategorien nationaler Sicherheitsausgaben – und nur eine davon ist für das Pentagon. Wappnen Sie sich also für eine Tour durch das Billionen-Dollar-Budget der USA für »nationale Sicherheit«. Angesichts der Neigung des Pentagon, Geld zu verschwenden, und der Tendenz unserer Regierung, ohne Ende Kriege zu führen, die gefährlich und töricht sind, ist eines von Anfang an klar: Der größte Teil dieser horrenden Summen, die von unseren Steuergeldern bezahlt werden, dient in keiner Weise dazu, uns sicherer zu machen.

1. Das Pentagon-Budget

Der offizielle Etat des Pentagon umfasst die Kosten für Ausbildung, Ausrüstung und den laufenden Betrieb des US-Militärs sowie für die zahlreichen Zivilangestellten des Pentagon zu Friedenszeiten. Wenn Verschwendung ein Garten Eden ist, dann sind wir hier im Paradies.

Der Haushalt des Pentagon ist geprägt von Verschwendung, was kaum verwundert angesichts der einzigen großen Regierungsbehörde, die noch nie einer Rechnungsprüfung unterzogen wurde. So befand letztes Jahr z.B. das Defense Business Board, ein Beratungsgremium des Verteidigungsministeriums, dass das Pentagon über fünf Jahre 125 Mrd. US$ sparen könnte, wenn es seine überbordende Bürokratie stutzt. Und jüngst zeigte der Generalinspekteur des Pentagon in einer Studie auf, dass das Ministerium Hunderte Empfehlungen ignorierte, die zu Einsparungen von mehr als 33,6 Mrd. US$ geführt hätten.

Das Pentagon kann noch nicht einmal genaue Zahlen nennen, wie viele Mitarbeiter privater Subunternehmen es beschäftigt, es sind aber auf jeden Fall mehr als 600.000, und viele von ihnen sind mit Aufgaben betraut, die viel besser von Regierungsangestellten erledigt würden. Mit einer Reduzierung der hohen Zahl von Vertragsbeschäftigten um 15 % könnte das Pentagon pro Jahr 20 Mrd. US$ sparen – und das wäre erst der Anfang, wenn es darum geht, die überflüssige doppelte Stellenbesetzung durch Regierungsangestellte und private Arbeitskräfte zu beseitigen.

Das sind nur die offensichtlichsten Beispiele unsinniger Ausgaben im Verteidigungsministerium. Die Einsparungen könnten noch viel größer sein, würde das Pentagon seine globalen Ambitionen zurückfahren, die in den letzten 15 Jahren nichts als Ärger brachten und dafür sorgten, dass das US-Militär im Irak, in Afghanistan, in Syrien und anderswo im Nahen und Mittleren Osten und in Afrika verheerende und kontraproduktive Kriege führt. Ben Friedman vom libertären Cato Institute schätzt, das Pentagon könnte im nächsten Jahrzehnt eine ganze Billion Dollar sparen, wenn Washington seine interventionistischen Instinkte zügeln und sich einfach auf die Kerninteressen der USA konzentrieren würde.

Bekanntermaßen bewarb sich Donald Trump um die Präsidentschaft als Geschäftsmann, der aufräumen und in der Regierung eine noch nie dagewesene Effizienz durchsetzen würde. Stattdessen hat er sich seit seinem Amtsantritt vor allem dadurch hervorgetan, dass er die chronischen Probleme im Pentagon ignoriert und für 2018 eine deftige Etaterhöhung auf 575 Mrd. US$ vorgeschlagen hat. Und selbst diese expansive Finanzplanung für das Militär wirkt bescheiden im Vergleich zu den Wünschen übereifriger Mitglieder der Armed Services Committees [Verteidigungsausschüsse] von Repräsentantenhaus und Senat des US-Kongresses. Demokraten ebenso wie Republikaner wollen das Pentagon-Budget 2018 auf mindestens 600 Mrd. US$ hochtreiben. Da die Kämpfe im Kongress über das endgültige Budget weitergehen, belassen wir es für den Moment bei den von Trump geforderten Ausgaben.1

2. Das Kriegsbudget

Die Kriege dieses Jahrhunderts, von Irak bis Afghanistan und darüber hinaus, wurden überwiegend nicht aus dem regulären Pentagon-Budget finanziert, sondern über ein Sonderkonto. Das Kriegsbudget – in der antiseptischen Sprache des Pentagon als »Overseas Contingency Operations« [Notfalleinsätze im Ausland] bekannt – erreichte seinen Höchststand von 180 Mrd. US$ während der bewaffneten Irak-Intervention der Regierung Bush [jr.].

Die Truppenzahl im Irak und in Afghanistan ist seither von etlichen Hunderttausend auf etwa 15.000 Soldat*innen stark zurückgegangen, das Kriegsbudget hingegen ist wundersamerweise nicht annähernd so stark gefallen. Für dieses gilt noch nicht einmal die bescheidene Deckelung des regulären Pentagon-Budgets, die vom Kongress 2011 im Rahmen des Haushaltsstreits und einem Deal zur Aufrechterhaltung der Regierungstätigkeit verhängt und bis heute nicht aufgehoben wurde.

Vielmehr hat sich das Kriegsbudget in den letzten fünf Jahren zum Reptilienfond entwickelt, aus dem das Pentagon Dutzende von Milliarden Dollar für Posten bezahlt, die mit Kriegsführung nicht das Geringste zu tun haben. Die Trump-Regierung fordert für dieses Budget für das Finanzjahr 2018 64,4 Mrd. US$. Einige Kongressmitglieder würden gerne noch 10 Mrd. US$ oben drauf packen. Für diese Zusammenstellung nehmen wir hier auch die von Trump geplanten Zahlen.

3. Atomsprengköpfe (und mehr)

Die Kosten für Forschung, Entwicklung, Aufrechterhaltung und »Modernisierung« der 6.800 US-Atomwaffen fallen bei einer obskuren Behörde an, die zum Energieministerium gehört: der National Nuclear Security Administration. Die NNSA ist auch zuständig für Atomreaktoren der US Navy, für die Sanierung der durch die Atomwaffenfabriken verseuchten Umwelt und für die Finanzierung der drei Atomwaffenlabors. Dafür stehen pro Jahr mehr als 20 Mrd. US$ zur Verfügung.

4. »Sonstige Verteidigung«

Dieser Sammelbegriff umschreibt mehrere verteidigungsbezogene Finanzströme, die nicht an das Pentagon, sondern an andere Behörden gehen, und umfasst pro Jahr etwa 8 Mrd. US$. In den letzten Jahren wurden etwa Zweidrittel dieser Gelder für »Homeland Security«-Aktivitäten des FBI ausgewiesen – das entspricht mehr als dem halben Jahresetat dieser Behörde.

Die vier bislang genannten Kategorien machen das aus, was das Budget Office [Haushaltbüro] des Weißen Hauses insgesamt für »nationale Verteidigung« ausweist. Die 677,6 Mrd. US$ erzählen aber bei Weitem nicht die ganze Geschichte.

5. Heimatschutz

Nach den Terrorangriffen vom 11. September 2001 schuf der Kongress eine Mega-Behörde: das Department of Homeland Security [Ministerium für Heimatschutz]. Ihm wurden 22 existierende Einheiten unterstellt, die alle mit innerer Sicherheit und Grenzschutz zu tun haben. Dieses wuchernde Ministerium hat inzwischen 240.000 Beschäftigte. Wer es genau wissen will, unter dem Dach des Heimatschutzministeriums sind momentan u.a. folgende Einrichtungen angesiedelt: Coast Guard [Küstenwache], Federal Emergency Management Agency [Bundesagentur für Katastrophenschutz], Federal Law Enforcement Training Center [Bundespolizeiakademie], Domestic Nuclear Detection Office [Amt für die Detektion nuklearer Strahlung im Inland], Citizenship and Immigration Services [Einwanderungs- und Ausländerbehörde], Customs and Border Protection Agency [Zoll und Grenzschutz], Transportation Security Agency [Amt für Verkehrssicherheit], Secret Service [u.a. zuständig für den Schutz der Regierungsmitglieder], Immigration and Customs Enforcement Agency [Amt für Einwanderungs- und Zollkontrolle] und Office of Intelligence Analysis [Amt für Aufklärungsanalyse]. Letzteres ist der einzige von 17 US-Geheimdiensten, der tatsächlich in den originären Aufgabenbereich des Heimatschutzministeriums passt.

Wie viele dieser Behörden machen uns wirklich sicherer? Darüber ließe sich trefflich streiten, wenn tatsächlich jemand Interesse an dieser Debatte hätte. Das Amt für Einwanderungs- und Zollkontrolle – in den USA zuständig für Abschiebungen – z.B. hat viel mehr Leid verursacht als uns vor Kriminellen und Terroristen geschützt. Andererseits ist es beruhigend, dass es eine Behörde gibt, die den Auftrag hat herauszufinden, ob sich in unserer Mitte eine Atombombe oder eine radioaktive »schmutzige« Bombe befindet.

Auch wenn es schwer ist, das Pentagon zu übertrumpfen, hat das Heimatschutzministerium seine eigene Bilanz fragwürdiger Ausgaben für große und kleine Posten. Sie reichen von 1.000 US$ Gebühr pro Teilnehmer*in für Konferenzen in Wellnesshotels über den Kauf von Dudelsäcken für Grenzschutzbeamte bis hin zu Dutzenden erstaunlich fetter Gehälter für Bürokraten der Behörde. Am zehnten Jahrestag der Gründung des Heimatschutzministeriums kritisierte der Kongressabgeordnete Jeff Cuncan (Republikaner, South Carolina) heftig, das Ministerium sei »voller Verschwendung«, und verwies dabei u.a. auf einen Bericht des Generalinspekteurs der Behörde, der über eine Milliarde Dollar Fehlausgaben anprangerte.

Das Heimatschutzministerium sollte eigentlich Kräfte bündeln, um die Vereinigten Staaten vor inneren Bedrohungen zu schützen. Inzwischen scheint es aber wie ein Magnet immer mehr Ausgaben für planlose, verfehlte und zuweilen sogar gefährliche Vorhaben anzuziehen. Dazu gehört z.B. ein Programm, das lokalen Polizeibehörden den Kauf von Ausrüstung ermöglicht , die für militärische Zwecke ausgelegt ist – nicht etwa zum Einsatz gegen Terrorist*innen, sondern gegen Bürger*innen, die gegen Unrechtsakte just der Behörden protestieren, die vom Heimatschutzministerium mit Waffen ausgerüstet werden.

Die Regierung Trump forderte für das Finanzjahr 2018 einen Etat in Höhe von 50 Mrd. US$ für das Ministerium.

6. Militärhilfe

Die Programme der US-Regierung für Militärhilfe wurden in diesem Jahrhundert deutlich ausgeweitet. Die Vereinigten Staaten führen Dutzende Waffen- und Trainingsprogramme für mehr als 140 Länder durch. Dies summiert sich auf über 18 Mrd. US$ pro Jahr, etwa 40 % davon aus dem Etat des State Department [Außenministerium]. Der Anteil des Pentagon an diesen Programmen ist im regulären Verteidigungshaushalt enthalten, die 7 Mrd. US$ des Außenministeriums nicht. Dabei kann es sich solche Ausgaben kaum leisten, da sein Etat von der Trump-Administration ohnehin ausgehöhlt wird.

7. Geheimdienste

Die Regierung der Vereinigten Staaten unterhält 16 separate Geheimdienste: Central Intelligence Agency [CIA, ziviler Auslandsgeheimdienst]; National Security Agency [NSA; militärischer Auslandsgeheimdienst, zuständig für die weltweite Überwachung, Entschlüsselung und Auswertung elektronischer Kommunikation; der Chef der NSA ist gleichzeitig Chef des US Cyber Command]; Defense Intelligence Agency [militärischer Nachrichtendienst]; FBI [fungiert u.a. als Inlandsgeheimdienst]; State Department Bureau of Intelligence and Research [Amt für Aufklärung und Forschung des Außenministeriums]; Department of Homeland Security Office of Intelligence Analysis [Büro für Nachrichtenanalyse des Heimatschutzministeriums]; Drug Enforcement Administration Office of National Security Intelligence [Nationaler Geheimdienst der Drogenbehörde]; Treasury Department Office of Intelligence and Analysis [Geheimdienst des Finanzministeriums]; Department of Energy Office of Intelligence and Counterintelligence [Büro für Aufklärung und Gegenspionage des Energieministeriums]; National Reconnaissance Office [Nationales Amt für Aufklärung, betreibt die militärischen Spionagesatelliten]; National Geospatial Intelligence Agency [Nationale Agentur für Fernaufklärung]; Air Force Intelligence, Surveillance, and Reconnaissance [Spionage, Überwachung und Aufklärung der Luftwaffe]; Army Military Intelligence [Heeresnachrichtendienst]; Office of Naval Intelligence [Marinenachrichtendienst]; Marine Corps Intelligence [Nachrichtendienst der Marineinfanterie]; Coast Guard Intelligence [Nachrichtendienst der Küstenwache]. Über ihnen allen thront das Office of the Director of National Intelligence [Büro des Leiters der US-Geheimdienste], der dieses weitgespannte Geheimdienstnetz koordinieren soll. Das macht zusammen also 17 Geheimdienstorganisationen.

Die USA werden 2018 mehr als 70 Mrd. US$ für diese Geheimdienste ausgeben. Der größte Brocken davon, einschließlich der Budgets für die CIA und die NSA, kommt aus dem Etat des Pentagon. Aus anderen Etats kommen bestenfalls ein paar Milliarden Dollar; aus Gründen der Geheimhaltung gibt es dazu keine genauen Informationen. Der Einfachheit halber setzen wir an dieser Stelle also einfach null Dollar an.

8. Unterstützung für Veteranen

Die Zahl der Veteranen erhöht sich durch die Kriege im Irak und in Afghanistan ständig, sodass die Kosten für die Unterstützung der Veteranen nach ihrer Rückkehr in die USA dramatisch steigen. Viele der Veteranen sind versehrt, manche brauchen ihr Leben lang medizinische Behandlung. Für 2018 beläuft sich der Etatantrag des Bundesamtes für Kriegsveteranen auf 186 Mrd. US$ – das ist mehr als dreimal so viel wie vor der militärischen Intervention in Afghanistan 2001.

9. Renten und Pensionen für militärisches Personal

Der Treuhandfonds, der die Bezüge von Militärangehören im Ruhestand und von hinterbliebenen Familienmitgliedern decken soll, reicht nicht annähernd aus, um alle Ansprüche zu decken. Daher wird dieser Fonds im Rahmen des allgemeinen Haushaltsgesetzes regelmäßig aufgestockt, inzwischen um etwa 80 Mrd. US$ pro Jahr.

10. Anteil der Militärausgaben an den Schuldzinsen der USA

Bekanntlich weist der Haushalt der US-Regierung regelmäßig ein Defizit aus, und die Staatsschulden wachsen. Inzwischen belaufen sich die Zinszahlungen für diese Schulden auf etwa 500 Mrd. US$ pro Jahr. Das Project on Government Oversight [eine Nichtregierungsorganisation] hat ausgerechnet, dass der Anteil der Militärausgaben an den Schuldzinsen des Landes mehr als 100 Mrd. US$ pro Jahr beträgt.

Mehr als eine Billion

Insgesamt kommen also knapp 1,1 Billionen US$ zusammen, um die vergangenen Kriege zu bezahlen, die laufenden Kriege zu finanzieren und für künftige militärische Auseinandersetzungen vorzusorgen. Das ist fast das Doppelte des offiziellen Haushaltsansatzes für das Pentagon für das Finanzjahr 2018. Die meisten Steuerzahler*innen haben keine Ahnung, dass mehr als eine Billion pro Jahr für die so genannte »nationale Verteidigung« ausgegeben wird – die heutzutage besser »nationale Unsicherheit« genannt werden sollte.

Wenn Sie also wieder mal den Präsidenten, den Verteidigungsminister, den Generalstabsvorsitzenden oder Falken aus dem Kongress jammern hören, dass das US-Militär mangels Finanzen praktisch vor dem Kollaps stehe, glauben Sie kein Wort. Donald Trump mag letztlich eine Plutokratie im Weißen Haus etabliert haben, die militärische Variante davon hat es sich im Pentagon und dem übrigen nationalen Sicherheitsstaat aber schon lange bequem gemacht. Um in der Terminologie des US-Präsidenten zu bleiben: Eines ist sicher – Pentagon & Co. gehören zum oberen ein Prozent.

Haushaltsansatz 2018 der US-Regierung für Militär, Rüstung und Verteidigung

Pentagon-Budget (siehe Endnote 1)

575 Mrd. US$

Kriegsbudget (Auslandseinsätze)

64,6 Mrd. US$

Atomsprengköpfe (Energieministerium)

20 Mrd. US$

»Sonstige Verteidigung«

8 Mrd. US$

Heimatschutzministerium

50 Mrd. US$

Militärhilfe (Außenministerium)

7 Mrd. US$

Geheimdienste

70 Mrd. US$ (überwiegend im Pentagon-Etat, Rest geheim, daher hier nicht mitgezählt)

Veteranen

186 Mrd. US$

Ruhestandsbezüge
(zusätzlich zum Treuhandfond)

80 Mrd. US$$

Anteil an den Schuldzinsen der USA

100 Mrd. US$

Gesamt

1.090 Mrd US$ ˜ 1,1 Billionen US$

Anmerkung

1) Am 12.12.2017 verabschiedete der US-Kongress für das Finanzjahr 2018 einen Verteidigungshaushalt in Höhe von 695,9 Mrd. US$, mit 613,8 Mrd. US$ Grundfinanzierung, 74,6 Mrd. US$ für Auslandseinsätze (Overseas Contingency Operations; siehe »2. Kriegsbudget« in diesem Artikel) sowie 7,5 Mrd. US$ für »mandatory spending« (pflichtgemäße Ausgaben). Siehe H.R. 2810 – National Defense Authorization Act for Fiscal Year 2018; govtrack.us/congress/bills/115/hr2810. [die Übersetzerin]

William D. Hartung ist Geschäftsführer des Arms and Security Project am Center for International Policy (ciponline.org) in Washington, D.C. und Autor zahlreicher Studien und Publikationen. 2010 veröffentlichte er »Prophets of War – Lockheed Martin and the Making of the Military-Industrial Complex« (New York: PublicAffairs, 304 S.).
Die Originalfassung dieses Text enthält zahlreiche Links zu Quellen, auf die sich der Autor stützt; siehe »Tomgram: William Hartung, The Trillion-Dollar National Security Budget« vom 25. Juli 2017 auf tomdispatch.com.

Aus dem Englischen übersetzt von Regina Hagen; die Erläuterungen in eckigen Klammern wurden von ihr hinzugefügt.

Rüstungsschub, Brexit & Bratislava-Agenda

Rüstungsschub, Brexit & Bratislava-Agenda

von Sabine Lösing

Spätestens seit 1999 auf den Ratsgipfeln in Köln und Helsinki die Aufstellung einer Schnellen Eingreiftruppe in Korpsgröße (60.000 Soldaten) beschlossen wurde, kann von der viel beschworenen »Zivilmacht EUropa« eigentlich keine Rede mehr sein. Zwar wurden seither über 30 Einsätze im Rahmen der so genannten »Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik« (GSVP) durchgeführt, dennoch gehen vielen die diesbezüglichen »Fortschritte« nicht weit genug. Als ein wesentliches Hindernis für den weiteren Ausbau des EU-Militärapparates galt bislang Großbritannien, das viele Initiativen blockierte, aus Sorge, dies könnte eine Einschränkung der eigenen macht- und militärpolitischen Beinfreiheit zur Folge haben. Dies erklärt, warum zahlreiche Militarisierungsbefürworter angesichts des bevorstehenden EU-Austritts den Briten kaum eine Träne nachzuweinen scheinen. So äußerte etwa Elmar Brok, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Europaparlaments: „Der Brexit hat auch gute Seiten. […] Jahrelang haben uns die Briten aufgehalten. Jetzt geht es endlich voran.

Und in der Tat, lange ließ man sich nicht Zeit, um Nägel mit Köpfen zu machen. Unmittelbar nach dem britischen Referendum am 23. Juni 2016 wurde eine neue EU-Globalstrategie verabschiedet, die das ehrgeizige Ziel vorgibt, dass der Union „das gesamte Spektrum an land-, luft-, weltraum- und seeseitigen Fähigkeiten, einschließlich der strategischen Grundvoraussetzungen, zur Verfügung stehen muss“. Vier Tage danach stellten die Außenminister Deutschlands und Frankreichs das offensichtlich lange vorher erarbeitete Papier »Ein starkes Europa in einer unsicheren Welt« vor. Darin forderten sie nicht nur einen massiven Ausbau des EU-Militärapparates, sondern auch eine diesbezügliche deutsch-französische Führungsrolle. Nach der Sommerpause präsentierte auch die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini ähnliche Vorschläge, und kurz danach, am 12. September 2016, veröffentlichten Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und ihr französischer Kollege Jean-Yves Le Drian das Papier »Erneuerung der GSVP«.

Schließlich griff EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker den Großteil der kursierenden Vorschläge in seiner Rede zur Lage der Union am 14. September 2016 auf, die es allein schon wegen des ungewohnt militaristischen Tonfalls in sich hatte: „Mit zunehmenden Gefahren um uns herum reicht Soft Power allein nicht mehr aus. […] Europa muss mehr Härte zeigen. Dies gilt vor allem in unserer Verteidigungspolitik. Europa kann es sich nicht mehr leisten, militärisch im Windschatten anderer Mächte zu segeln oder Frankreich in Mali allein zu lassen. Wir müssen die Verantwortung dafür übernehmen, unsere Interessen und die europäische Art zu leben zu verteidigen.

Konkret forderte Juncker u.a. eine profiliertere Rolle der EU in Krisengebieten sowie die Schaffung des symbolträchtigen Postens eines EU-Außenministers. Da als ein Haupthindernis für – noch – mehr EU-Einsätze fehlende stehende Planungskapazitäten gelten, plädierte der Kommissionspräsident ferner für die Schaffung eines EU-Hauptquartiers. Bislang verfügt die EU außerdem über keine eigenen militärischen Mittel, sie werden »bei Bedarf« von einzelnen Mitgliedsstaaten gestellt – auch das soll sich künftig ändern: „Außerdem sollten wir uns auf gemeinsame militärische Mittel hinbewegen, die in einigen Fällen auch der EU gehören sollten. Und weil dies alles reichlich Geld verschlingen dürfte, schlug Juncker in seiner Rede die Einrichtung eines EU-Rüstungshaushalts vor, was gegen Artikel 41(2) des EU-Vertrags verstößt, der es verbietet, „Maßnahmen mit militärischen oder verteidigungspolitischen Bezügen“ aus dem EU-Haushalt zu bestreiten: „Eine starke europäische Verteidigung braucht eine innovative europäische Rüstungsindustrie“, so Juncker. „Deshalb werden wir noch vor Jahresende einen Europäischen Verteidigungsfonds vorschlagen, der unserer Forschung und Innovation einen kräftigen Schub verleiht.

Abschließend verständigten sich die die EU-Staats- und Regierungschefs beim informellen (d.h. ohne Großbritannien durchgeführten) Treffen in der Slowakei am 16. September 2016 auf die so genannte »Bratislava-Agenda«: Bis zum 60-jährigen EU-Jubiläum im März 2017 sollen die bisherigen Vorschläge konkretisiert und zur Abstimmung gebracht werden.

Es ist eine bittere Ironie, dass die wichtigste Schlussfolgerung aus dem Brexit und der Unzufriedenheit (nicht nur) der britischen Bevölkerung darin zu bestehen scheint, kostspielige Militarisierungsinitiativen voranzutreiben, anstatt sich endlich der wirklichen Sorgen und Nöte der Menschen anzunehmen.

Sabine Lösing ist Abgeordnete der linken Fraktion im Europaparlament.