Ein Jahr Präsident Trump

Ein Jahr Präsident Trump

Mehr Rüstung, weniger Vereinte Nationen

von Simon Schulze

Der vorliegende Artikel zieht ein Zwischenfazit der strategischen Ausrichtung der Politik der Regierung Trump: Auf welchen Feldern setzt die US-amerikanische Administration neue Akzente und wie sind die Folgen einzuschätzen? Ist tatsächlich das »Make America great again«-Mantra das Problem oder vielleicht eher die sprunghafte und inkonsistente Politik der Trump-Administration? Eine Antwort versucht dieser Artikel zu geben, indem er zwei Aspekte näher beleuchtet, die zentral für die Pläne der US-Regierung sind und langfristige, womöglich nicht intendierte Folgen haben werden: die Politik der USA in Bezug auf die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren bei den Vereinten Nationen sowie die Verteidigungspolitik.

Seit dem überraschenden Sieg Donald Trumps bei den US-Präsidentschaftswahlen 2016 ist mehr als ein Jahr vergangen. Nicht nur in großen Teilen der Weltöffentlichkeit sorgte sein Wahlerfolg für Unverständnis und Bestürzung, auch in akademischen Fachkreisen wurden die möglichen außenpolitischen Auswirkungen überwiegend negativ eingeschätzt. Manche spekulierten gar, das Ende der derzeitigen Weltordnung sei nahe (Foreign Affairs 2016).

Die größten Effekte von Trumps Politik lassen sich bisher allerdings in der Innenpolitik feststellen und betreffen somit überwiegend das Leben der US-Amerikaner*innen. Besonders in der Wirtschafts-, Sozial und Umweltpolitik zeigt sich, dass Trump alle Möglichkeiten ausschöpft, das Vermächtnis seines Vorgängers Barack Obama zu beseitigen (Baker 2017). Dennoch sind die Ideen, Äußerungen und Programme des US-Präsidenten auch auf der internationalen Ebene von größter Bedeutung. Mit Sorge werden die strategische Ausrichtung seiner nationalistischen Politik und seine erratische und unberechenbare Persönlichkeit wahrgenommen.

In den Vereinigten Staaten wurden bereits einige Analysen durchgeführt, die eine Einschätzung erlauben, ob und inwieweit der 45. US-Präsident tatsächlich die Stabilität des gegenwärtigen internationalen Systems gefährdet. Richard Gowan, Professor für internationale Politik an der Columbia University in New York, kommt zu dem Urteil, dass in erster Linie die Chancen für multilaterale Kooperationen und verbindliche Abkommen schwänden, da die USA nicht mehr als verlässlicher Akteur wahrgenommen würden (Gowan 2017). Besorgt ist Bruce Jentleson, der an der Duke University in North Carolina Politikwissenschaft lehrt, im Hinblick auf die Zukunft der Vereinten Nationen, die sich aufgrund der Reformpolitik des neuen Generalsekretärs António Guterres und der Forderungen von Donald Trump strukturell und inhaltlich neu ausrichten müssten (Jentleson 2017). Amitav Acharya, Professor für Internationale Beziehungen an der American University in Washington, D.C., sieht sogar die liberale Weltordnung in einer fundamentalen Legitimationskrise, die durch die Person Donald Trumps verstärkt würde, auch wenn die Ursachen struktureller Natur seien (Acharya 2017). Insgesamt ziehen die ersten Arbeiten daher ein recht negatives Resümee über die Außenpolitik der neuen US-Regierung, stellen jedoch den Fortbestand des internationalen Systems nicht in Frage.

Die Trump-Administration und die Vereinten Nationen

Nicht nur durch ihre formelle Position als Botschafterin bei den Vereinten Nationen ist Nikki Haley neben Trump die herausragende Person der US-Außenpolitik. Die persönlichen Überzeugungen und Präferenzen von Haley und Trump decken sich vielfach, außerdem genießt sie einen direkten Zugang zum Präsidenten und übt so einen größeren Einfluss auf ihn aus als andere Minister*innen. Dadurch bestimmt sie die Leitlinien der US-Außenpolitik entscheidend mit (Johnson 2017). Der vom Ralph Bunche Institute der City University New York herausgegebene Blog »PassBlue« stellt mit seinem »Nikki Haley Watch« ein hilfreiches Instrument zur Verfügung, das aktuelle Entwicklungen, Hintergrundinformationen und Einschätzungen zur Haleys Person und Politik festhält (PassBlue 2017). Denn die gewichtigen Folgen ihres Einflusses lassen sich bei mehreren Themen erkennen, u.a. bei dem Wunsch nach Reformen innerhalb der Vereinten Nationen und bei der Zusammenarbeit – oder Konfrontation – im Sicherheitsrat.

Zu den größten Kontinuitätslinien der US-amerikanischen Außenpolitik unter Donald Trump gehört der Wunsch nach einer grundlegenden Neuausrichtung der Weltorganisation. Dieses in der Vergangenheit vielfach geäußerte Anliegen wiederholte er in seiner Rede vor der Generalversammlung am 19. September 2017 (Trump 2017) und kritisierte dabei besonders die angeblich ausufernde Bürokratie und Behäbigkeit der Vereinten Nationen. Die Organisation, so Trump, müsse sich grundlegend ändern, um ihren Aufgaben gerecht zu werden und ihre Ziele zu erreichen.

Zwei konkrete Kernanliegen Trumps dürften erheblichen Einfluss auf die zukünftige Arbeitsweise der Vereinten Nationen haben: die Reform des Menschenrechtsrats und die Senkung der Beitragszahlungen der Vereinigten Staaten für Friedensmissionen der Vereinten Nationen.

Das Verhältnis der USA zu den Mitgliedern des Sicherheitsrats, insbesondere zu den anderen Vetomächten, hat sich im Jahr 2017 erkennbar verschlechtert. Im Verlauf des Jahres konnte sich der Sicherheitsrat auf 60 Resolutionen einigen, während es im Jahr zuvor noch 77 waren (United Nations Security Council 2016 und 2017). Wichtig ist aber weniger die Anzahl der Beschlüsse, sondern deren thematische Ausrichtung. Es fallen vor allem zwei Schwerpunkte auf, die im Sicherheitsrat debattiert und erfolgreich zum Abschluss gebracht werden konnten: Ein Fokus lag auf regionenspezifischen Fragen von Sicherheit und Frieden, wobei besonders Afrika und der Nahe Osten im Mittelpunkt standen. Das andere herausragende Thema war die Bekämpfung terroristischer Organisationen. Weitere internationale Herausforderungen, wie Pandemien oder der Klimawandel, spielten dagegen keine prominiente Rolle. Dazu kommt, dass auch 2017 keine Einigung über mögliche Lösungsansätze hinsichtlich der Konflikte in Syrien, im Jemen oder in der Ukraine erzielt werden konnte. Hingegen verabschiedete der Sicherheitsrat vier Resolutionen, welche die nukleare Aufrüstung Nordkoreas verurteilen und das Land mit Sanktionen belegen (S/RES/2345, 2356, 2371 und 2375). Dies spiegelt die inkohärente Zusammenarbeit zwischen den Vetomächten mit ihren oft entgegengesetzten Interessenslagen wider.

Dabei war Trump überzeugt, die Interessen der USA gegenüber den anderen Großmächten besser als Obama durchsetzen zu können. Dazu sollten zukünftig bilaterale Absprachen mit Russland und China Präferenz haben vor multilateralen Abkommen. Diese Ideen finden sich auch in Trumps Rede vor der Generalversammlung wieder. Der US-Präsident begreift sich als Verteidiger eines dogmatischen Souveränitätsverständnisses. An 21 Stellen verwendet er in dieser Rede den Begriff »Souveränität«, der zweifellos konstitutiv für die Stabilität der Beziehungen zwischen den Staaten ist. Bizarr wirkt allerdings weniger die Präferenz Trumps für gerade dieses Strukturprinzip der internationalen Politik, während z.B. Menschenrechte oder die Verantwortung der Staaten für ihre eigene Bevölkerung für ihn kaum eine Rolle spielen. Vielmehr fällt seine selektive Akzeptanz des Souveränitätsgedankens bei ausgewählten Konflikten auf. Bestimmte Länder, wie Nordkorea, Iran, Venezuela oder Kuba, deklariert er zu Feindesstaaten, für die das Souveränitätsprinzip aufgrund ihres Bedrohungspotentials für die USA und ihrer Unterdrückung der einheimischen Bevölkerung nicht zu gelten scheint. Dagegen lobt er andere autoritäre Regime, wie Saudi-Arabien, dezidiert.

Eine vergleichbar diffuse Haltung wie zu zentralen Akteuren und Prinzipien der internationalen Politik findet sich auch in der Verteidigungspolitik der US-Regierung wieder.

Die Verteidigungspolitik der Trump-Administration

Eines der wichtigsten Ziele der derzeitigen US-Regierung ist die Aufrüstung des eigenen Militärs, einschließlich des Nuklearwaffenarsenals. Waren die Verteidigungsausgaben der USA von 2009 bis zum Ende der Amtszeit Obamas kontinuierlich auf 600 Mrd. US$ gesunken (Mutschler 2017, S. 6), steigen sie mit Donald Trumps erstem Haushalt, dem für das Finanzjahr 2018, auf knapp 700 Mrd. US$ (626 Mrd. für den allgemeinen Verteidigungshaushalt sowie 66 Mrd. für laufende Militäreinsätze) (Garamone 2017), allerdings steht die Verabschiedung des Haushaltsgesetztes 2018 durch den Kongress noch aus.1 Die Erhöhung des Militäretats wird mit der allgemeinen Gefahrenlage für die Vereinigten Staaten begründet, die sich gegenüber feindlich gesinnten Staaten und terroristischen Organisationen schützen müssten.

Eine kohärente, im US-Kabinett abgestimmte Sicherheitsstrategie legte Trump mit der »National Security Strategy« (White House 2017) einen Tag nach Unterzeichnung des Verteidigungshaushaltes und fast zeitgleich mit der Abfassung dieses Artikels vor. Deshalb lassen sich die langfristigen Auswirkungen dieser Neuausrichtung noch schwer abschätzen.

Kurzfristig sind für eine mögliche Aufrüstungsspirale und eine Eskalation zwei konkrete Konflikte entscheidend. So zählt zu den Konstanten der Regierung von Donald Trump, dass das Atomabkommen mit dem Iran in Frage gestellt und die fragile Situation auf der koreanischen Halbinsel durch undiplomatische Affronts angeheizt wird. Trump interpretierte auch in seiner Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen die Vereinbarung, die den Iran davon abhalten soll, Atomwaffen zu entwickeln, als „Schande für die USA (Trump 2017). Außerdem bezeichnete er in der gleichen Rede die nordkoreanische Führungsriege um Kim Jong-un als „suizidale Kriminelle“. Sowohl Iran als auch Nordkorea stellen aus seiner Sicht aufgrund ihrer Aufrüstungsprogramme eine Gefahr für den Weltfrieden dar. Auf der anderen Seite gibt es Hinweise dafür, dass die US-Administration selbst eine aktivere Rüstungspolitik betreiben und mehr militärische Infrastruktur an ausgewählte Verbündete exportieren wird. Da Donald Trump institutionalisierten Kooperationsregimen, wie der NATO, skeptisch gegenübersteht, kann man davon ausgehen, dass es keine weiteren Abkommen und Vereinbarungen auf dem Gebiet der multilateralen Rüstungskontrolle geben wird. So wird in der »National Security Strategie« nur davon gesprochen, die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen zu verhindern (White House 2017, S. 8) und das bestehende nukleare Nichtverbreitungsregime in Ostasien zu erhalten (ebenda, S. 47). Eine weiterführende, proaktive Politik scheint nicht beabsichtigt.

Auf die langfristigen Gefahren dieser Politik verwies bereits kurz vor Trumps Amtsantritt Jeffrey Knopf, Leiter eines Studienprogramms zu Nichtverbreitung in Monterey, Kalifornien (Knopf 2017). Seiner Ansicht nach macht die US-Regierung mehrere Fehler, die die hegemoniale Stellung der USA gefährdeten. Demokratisch verfasste Verbündete könnten sich nicht mehr auf die Sicherheitsgarantien der USA verlassen, weil eine Interessen- und Wertgemeinschaft für Trump nicht existiere. Dadurch bestehe die Gefahr, dass Staaten wie Japan und Südkorea selbst aufrüsten würden. Diese Entwicklung würde »realistischen« Überlegungen der Internationalen Beziehungen widersprechen und auf eine widersprüchliche und inkonsistente Politik hindeuten. Außerdem erkennten Staaten wie Nordkorea, dass Abrüstungsvereinbarungen mit den USA sinnlos seien, wenn sie unter fadenscheinigen Vorwänden aufgekündigt werden sollten, wie es die US-Regierung mit dem Iran-Abkommen anstrebe.

Fazit

Nach knapp einem Jahr an der Spitze des mächtigen Staates ist es möglich, eine erste Zwischenbilanz über die außenpolitischen Aktivitäten der Trump-Regierung zu ziehen und einen Ausblick zu wagen.

Auf der einen Seite zeigt sich, dass übertrieben pessimistische Einschätzungen nicht eingetroffen sind. Das Fundament der internationalen Ordnung zeigt eine außerordentliche Resistenz. Der Trump-Administration war es bislang nicht möglich, zentrale Institutionen der Vereinten Nationen, wie den Menschenrechtsrat, nach eigenem Gutdünken umzugestalten. Auf der anderen Seite haben die USA durch ihre Zahlungskraft ein gewichtiges Mittel zur Verfügung, um die Arbeitsweise der Weltorganisation entscheidend zu beeinträchtigen. Die Auswirkungen werden sich beispielweise bei zukünftigen Friedensmissionen der Vereinten Nationen zeigen. Ähnliches wird auch im Hinblick auf die Arbeit des Sicherheitsrats deutlich. Dieser erfüllt seine Aufgabe, Sicherheit und Frieden im internationalen System zu garantieren, weiterhin nur unzureichend. Zwar beschlossen die ständigen Mitglieder im Fall von Nordkorea weitere Sanktionen, wodurch dessen weitere Aufrüstung erschwert werden könnte. In anderen Krisenfeldern, wie Syrien, Jemen oder der Ukraine, ist hingegen keine Annäherung zwischen den USA, Russland und China erkennbar. Hier zeigt sich, dass die Vereinigen Staaten auch unter Trump andere wirkungsmächtige Akteure nicht zu Verhaltensänderungen bewegen können.

Inwieweit sich durch Trump bestimmte normative Strukturen und Prinzipien in den Internationalen Beziehungen verändern werden, lässt sich noch schwer abschätzen. Womöglich erlebt ein klassisches Souveränitätsverständnis eine verstärkte Renaissance. Da die US-Regierung diesen Ansatz sehr selektiv auslegt und den eigenen Interessen gemäß anwendet, bleibt abzuwarten, ob diese Tendenzen langfristig Bestand haben werden.

Dauerhafte Auswirkungen wird sicherlich die neue Verteidigungspolitik der USA haben. Hier deutet sich an, dass die USA selbst die Leidtragenden ihrer widersprüchlichen Politik sein könnten, wenn sich die Beziehungen zu Verbündeten verschlechtern, ohne dass sich das Verhältnis zu Rivalen, wie Russland und China, entspannt. Außerdem könnten sich die Vereinigten Staaten genötigt sehen, manche Aufgaben von Friedensmissionen der Vereinten Nationen zu übernehmen, die aufgrund der Budgetkürzungen in ihrer Arbeit eingeschränkt werden. Dies würde Trumps Zielsetzung, weniger internationales Engagement zu zeigen, ad absurdum führen.

Die US-Administration betreibt also keine kühl durchdachte und interessengeleitete, sondern eine unkalkulierbare und widersprüchliche Politik. Dies spiegelt sich in den Persönlichkeiten der führenden Protagonist*innen Donald Trump und Nikki Haley wider.

Anmerkung

1) Kurz bevor dieser Text in Satz ging, wurde Trumps Haushaltsentwurf für das Finanzjahr 2019 veröffentlicht. Dort sind für das Pentagon 686 Mrd. US$ vorgesehen, das sind 99 Mrd. mehr als in seinem Entwurf für 2018 (dpa: Hunderte Milliarden Dollar zusätzlich für Waffen und Abschottung; handelsblatt.com, 12.2.2019). Zum tatsächlichen Militäretat ­siehe William D. Hartung: Mehr als eine Billion Dollar. S. 10 in dieser W&F-Ausgabe. [die Redakteurin]

Literatur

Acharya, A. (2017): After Liberal Hegemony – The Advent of a Multiplex World Order. Ethics & International Affairs, Vol. 31, No. 3, S. 271-285.

Arieff, I. (2017): On Iran Nuclear Deal, Haley’s Dark Side Beckons. passblue.com, 3.9.2017.

Baker, P. (2017): Trump Adopts Obama Approach While Seeking to Undo a Legacy. New York Times, 13.10.2017.

Foreign Affairs (2017): Out of Order? The Future of the International System. Vol. 96, No. 1, January/February 2017.

Garamone, J. (2017): Trump Signs Fiscal Year 2018 Defense Authorization. DoD News, Defense Media Activity, 12.12.2017.

Gowan, R. (2017): The unintended international consequences of Donald J. Trump. Zeitschrift für Politikwissenschaft, Vol. 27, No. 3, S. 371-377.

Jentleson, B.W. (2017): Global Governance, the United Nations, and the Challenge of Trumping Trump. Global Governance: A Review of Multilateralism and International Organizations, Vol. 23, No. 2, S. 143-149.

Johnson, E. (2017): Nikki Haley was Trump‘s Iran whisperer. Politico, 13.10.2017.

Kirkpatrick, L.E. (2017): On a Light Note – 10 Tips for Nikki Haley, New US Ambassador to UN. passblue.com, 9.2.2017.

Knopf, J.W. (2017): Security assurances and proliferation risks in the Trump administration. Contemporary Security Policy, Vol. 38, No. 1, S. 26-34.

Mutschler, M.M. (2017): Globaler Militarisierungsindex 2017. Bonn: Bonn International Center for Conversion.

PassBlue (2017): Nikki Haley Watch; passblue.com/category/nikki-haley-watch.

Trump, D.J. (2017): Remarks by President Trump to the 72nd Session of the United Nations General Assembly, 19.9.2017. Washington; whitehouse.gov.

United Nations Security Council (2016): Resolutions adopted by the Security Council in 2016.

United Nations Security Council (2017): Resolutions adopted by the Security Council in 2017.

White House (2017): National Security Strategy of the United States of America. Washington, 18.12.2017.

Simon Schulze, M.A., ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Internationale Beziehungen und Außenpolitik der Universität Trier.

Eine verpasste Chance?

Eine verpasste Chance?

Die 8. Überprüfungskonferenz des Biowaffenübereinkommens

von Mirko Himmel

Das Biowaffenübereinkommen (BWÜ) hat das Ziel des Verbots der Entwicklung, Herstellung und Lagerung von Bio- und Toxinwaffen sowie der weltweiten Abrüstung dieser Waffen. Es soll die missbräuchliche Nutzung biologischer Agenzien für nichtfriedliche Zwecke nachhaltig verhindern. Alle fünf Jahre soll im Rahmen einer Überprüfungskonferenz festgestellt werden, ob neue politische, militärische und insbesondere auch wissenschaftlich-technische Entwicklungen, z.B. in der Biotechnologie, eine Adaption des Vertrages oder der Interpretation seiner Umsetzung erforderlich machen. Im November 2016 fand die 8. Überprüfungskonferenz zum BWÜ statt.

Im Jahr 1975 trat das »Übereinkommen über das Verbot biologischer Waffen« (BWÜ) in Kraft – als erster Abrüstungs- und Rüstungskontrollvertrag, der eine ganze Kategorie von Massenvernichtungswaffen verbietet. Aktuell sind 178 Staaten Mitglied im BWÜ (zum Vergleich: das Chemiewaffenübereinkommen/CWÜ von 1997 umfasst derzeit 192 Mitgliedsstaaten). In Verbindung mit dem Genfer Protokoll von 1925, welches den Einsatz chemischer und biologischer Waffen im Kriege verbietet, und dem im BWÜ festgelegten Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung von Bio- und Toxinwaffen stellt dieser Vertrag das wesentliche Element zur Ächtung der biologischen Kriegsführung und des Missbrauchs der Biotechnologie für nichtfriedliche Zwecke dar. Damit ist das BWÜ ein zumindest zum Teil erfolgreicher Rüstungskontrollvertrag, der zur weltweiten Abrüstung staatlicher Biowaffenarsenale beitrug.1

Zudem stellten die seit 2003 zweimal jährlich stattfindenden Experten- und Staatentreffen eine wichtige Plattform für den Informations- und Meinungsaustausch zwischen den Vertragsstaaten dar, was für einen rüstungskontrollpolitischen Bereich, in dem sich wissenschaftliche und (bio-) technologische Erkenntnisse und Fähigkeiten rapide vermehren, ein nicht zu unterschätzender Aspekt ist. Leider ist es bisher nicht gelungen, eine dem BWÜ von Anfang an mitgegebene Schwäche auszugleichen: das Fehlen eines Überprüfungsmechanismus. So beruht die Einschätzung der Vertragstreue der Mitgliedsstaaten innerhalb des BWÜ auf eher intransparenten oder wenig entwickelten Methoden, wie der freiwilligen Einreichung und Veröffentlichung formulargestützter Deklarationen, so genannter Vertrauensbildender Maßnahmen (VBM), anstatt auf einem strukturierten, transparenten und in sich nachvollziehbaren Verifikationsmechanismus. In diesem Zusammenhang stellen die wiederkehrenden Überprüfungskonferenzen eine wichtige Möglichkeit dar, den gegebenenfalls erforderlichen Interpretations- oder Weiterentwicklungsbedarf einzelner Artikel des BWÜ oder des VBM-Mechanismus zu klären.

Die 8. Überprüfungskonferenz in Genf

Am 7.-25. November fand die 8. Überprüfungskonferenz zum BWÜ am Sitz der Vereinten Nationen in Genf statt. Diese Konferenz wurde von vielen Beobachter*innen mit Spannung erwartet, bot sie doch die Gelegenheit, viele bereits während der Vorbereitungstreffen (Meeting of the Preparatory Committee) diskutierte Vorschläge umzusetzen.2 Viele Delegationen erwarteten, dass bei allen Schwierigkeiten – wie der kaum zu erwartenden Vereinbarung eines rechtlich verbindlichen Verifikationsmechanismus – doch in einigen Bereichen eine Einigung möglich sein würde, z.B. bei der Frage nach einer personell besseren Ausstattung der BWÜ-Implementierungsunterstützungseinheit (Implementation Support Unit, ISU) oder der Einrichtung eines wissenschaftlichen Beratungsgremiums (Scientific Advisory Committee) sowie regelmäßig tagender Arbeitsgruppen zu Schwerpunktthemen der Umsetzung und Ausgestaltung ausgewählter Artikel des BWÜ.

Leider wurden selbst diese zurückhaltenden Erwartungen enttäuscht. Bereits in der zweiten Woche der Konferenz wurden Beobachter*innen (Vertreter*innen von Nichtregierungsorganisationen, Staaten mit Beobachterstatus, wie Syrien, oder Vertreter*innen der Europäischen Union) auf Antrag eines einzelnen Landes – in den sozialen Medien wurde berichtet, es handele sich um den Iran -von der Teilnahme an den Sitzungen des »Committee of the Whole« ausgeschlossen; damit wurde ihnen eine wichtige Informationsquelle für die Einschätzung der Verhandlungen entzogen. Am Ende einer, wie informell berichtet, sehr anstrengenden Diskussions- und Verhandlungsphase wurde mit der Abschluss­erklärung3 ein Minimalkonsens gefunden, der zwar ein formelles Scheitern der 8. Überprüfungskonferenz verhinderte, aber keine inhaltliche Substanz bot.

Bei der Konferenz wurden im Wesentlichen folgende Ergebnisse erzielt:

  • Es gab eine erneute Einigung auf den Fünfjahresrythmus zur Abhaltung der Überprüfungskonferenzen. Damit bleibt eine wesentliche Eckklammer für die inhaltliche Überprüfung und gegebenenfalls Aktualisierung des BWÜ erhalten.
  • Die Anzahl der jährlichen Sitzungstage wurde reduziert, sodass nun nicht mehr genug Zeit für das bislang übliche jährliche Expertentreffen bleibt. Auf die im Vorfeld diskutierte Einrichtung von Arbeitsgruppen zu wissenschaftlich-technischen Themen konnten sich die Vertragsstaaten ebenfalls nicht einigen.
  • Eine personelle Verstärkung der ISU in Genf war nicht konsensfähig, obschon deren wichtige Rolle bei der Unterstützung der Vertragsstaaten in administrativen Fragen nicht in Frage gestellt wurde.
  • Immerhin wurde die Vereinbarung erzielt, im Dezember 2017 in Genf zu einem Treffen der Mitgliedsstaaten zusammenzukommen, um über das weitere Prozedere bis zur nächsten Überprüfungskonferenz zu debattieren.

Diese Ergebnisse sind unbefriedigend und eine große Enttäuschung für die akademischen Kolleg*innen, die im Vorfeld den Mitgliedstaaten teils sehr umfangreiche Analysen und Optimierungsvorschläge zur Verfügung gestellt hatten. Wie konnte das passieren?

Auswirkungen des politischen Umfeldes

Der Eindruck aus der Beobachtung des »Committee of the Whole« während der ersten Sitzungswoche ist, dass dies weniger an fehlendem Interesse der Mitgliedsstaaten – vor allem der politisch in diesem Übereinkommen stets besonders aktiven – lag, sondern an äußeren Entwicklungen. So stellt sich beispielsweise die Frage, inwieweit die Ankündigung des zukünftigen US-Präsidenten Donald Trump, das Abkommen mit dem Iran über die Sicherstellung der friedlichen Nutzung der Kernenergie (Joint Comprehensive Plan of Action) aufkündigen zu wollen, den Iran als wichtiges Mitglied der blockfreien Staaten (NAM) zu einem diplomatisch vorsichtigeren Vorgehen bewog, obwohl diesmal auch die US-Delegation im Vorfeld erkennen ließ, sie sei für Gespräche über alle Themen im BWÜ-Kontext offen. Allerdings könnte sich am Ende die Entscheidung als weise herausstellen, in einer Phase der (zumindest von einzelnen Staaten, wie Iran, so wahrgenommenen) Unklarheit keine weitreichenden Zugeständnisse zu machen, sondern eine mögliche Neuausrichtung der US-amerikanischen Außendiplomatie abzuwarten. Dennoch war deutliche Kritik seitens einiger NAM-Mitgliedsstaaten zu vernehmen, die (gemäß den Gepflogenheiten bei UN-Konferenzen ohne namentliche Nennung) einer Delegation aus ihrem Kreise den Missbrauch der Konsensregel aus egoistischen Motiven vorwarfen.4

Dieses Ergebnis ist sehr bedauerlich, da das Biowaffenübereinkommen wesentlich mehr internationaler Aufmerksamkeit bedarf, um auch zukünftig die Aufrechterhaltung des Verbots biologischer Waffen und damit einhergehend der biologischen Kriegsführung sicherstellen zu können.

Der Fall Syrien zeigt, dass selbst die Durchsetzung einer so eindeutig definierten und international breit akzeptierten Verbotsnorm wie die des Chemiewaffenübereinkommens in Gefahr geraten kann – eine Vorstellung, die noch vor wenigen Jahren als abwegig angesehen worden wäre.5 Die Mitgliedsstaaten des Biowaffenübereinkommens haben nun im Dezember 2017 die Gelegenheit und hoffentlich auch den Willen, die in der Vorbereitung der 8. Überprüfungskonferenz zusammengetragenen Vorschläge für eine Weiterentwicklung des Vertragsregimes umzusetzen.

Anmerkungen

1) Die weltweite und vollständige Abrüstung staatlicher Biowaffenarsenale wird seit Mitte der 1990er Jahre als gegeben angenommen. Eine finale Verifizierung dieses Zustandes, z.B. im Rahmen des Biowaffenübereinkommens, wurde aber nie durchgeführt. In öffentlich zugänglichen Quellen finden sich Behauptungen, dass offensive Biowaffenprogramme in einigen Ländern, wie beispielsweise Nordkorea (nicht Mitglied im BWÜ), existieren sollen; diese sind bisher aber nicht eindeutig belegt.

2) Siehe Himmel, M.: Das Biowaffenübereinkommen – Fit für die Zukunft? W&F 3-2016, S. 42-45.

3) Die vorläufige Version des Abschlussdokuments findet sich auf unog.ch.

4) Mehr Details finden sich z.B. in den täglichen Berichten zum Fortgang der Überprüfungskonferenz, erstellt von Dr. Richard Guthrie im Namen des BioWeapons Prevention Project; cbw-events.org.uk/RC16-combined.pdf.

5) Besonders beachtlich ist an der Entwicklung in Syrien (seit 2013 Mitglied im CWÜ und seit 1972 Signatarstaat, aber nicht Mitglied des BWÜ), dass die syrische Regierung 2014 im Zuge einer Nachdeklaration von Einrichtungen ihres Chemiewaffenprogramms eine Stätte zur Produktion des Toxins Rizin sowie die angeblich bereits erfolgte Vernichtung der bis dato hergestellten Bestände meldete – kurz bevor das Gelände in die Hände der Rebellen gelangte. Als besonders potentes Pflanzengift wird Rizin nicht nur durch die Verbotsbestände des BWÜ erfasst, sondern ist auch im CWÜ explizit aufgeführt. Welche Absichten die syrische Regierung mit den Arbeiten an diesem hochpotenten Toxin verfolgte, ist nicht bekannt. Die Erklärung, das Rizin sei für die medizinische Forschung bestimmt gewesen, erscheint ob der Umstände eher fragwürdig. Weitere Informationen siehe Jeremias, G.; Himmel, M.; Bino, T.; Hersch, J.: Guest Post – Spotlight on Syria’s biological weapons. Armscontrolwonk.com, 8.2.2016.

Dr. Mirko Himmel ist Biochemiker und arbeitet in der Forschungsstelle Biologische Waffen und Rüstungskontrolle am Carl Friedrich von Weizsäcker-Zentrum für Naturwissenschaft und Friedensforschung der Universität Hamburg.

Open-ended Working Group der UNO


Open-ended Working Group der UNO

UN-Arbeitsgruppe zu völkerrechtlichen Maßnahmen für nukleare Abrüstung, Genf, Februar und Mai 2016

von Leo Hoffmann-Axthelm

Von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, ist eine als »Open-ended Working Group« (OEWG) bezeichnete Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen dabei, die Grundlagen dafür zu schaffen, dass schon 2017 Verhandlungen über ein völkerrechtliches Verbot von Atomwaffen starten könnten.

US-Präsident Obama forderte bei seinem historischen Besuch in Hiroshima am 27. Mai 2016 – dem ersten Besuch eines US-Präsidenten in dieser Stadt überhaupt – eine moralische Revolution für nukleare Abrüstung, während er gleichzeitig Initiativen zur Stigmatisierung von Atomwaffen boykottiert und für die nächsten 30 Jahre insgesamt eine Billion (also 1.000 Mrd.) US-Dollar für die Erneuerung der US-Atomwaffen einplant.

Die deutsche Abrüstungspolitik ist ähnlich widersprüchlich: Offiziell fordert die Bundesregierung eine atomwaffenfreie Welt, tatsächlich lehnt sie ein Verbot von Atomwaffen aber bisher ab. Sie sollen zwar eigentlich verschwinden, aber dazu die elementaren rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, dazu ist die Bundesregierung nicht bereit. In Deutschland gibt es zwar einen gesellschaftlichen Konsens gegen diesen letzten noch nicht völkerrechtlich verbotenen Typus von Massenvernichtungswaffen.1 Seit dem Ende des Kalten Krieges wird das Thema hierzulande aber kaum diskutiert, und auch die Bundesregierung geht den Weg des geringsten Widerstandes: Atomwaffen in Frage zu stellen, würde innerhalb der NATO einen diplomatischen Kraftakt voraussetzen.

Kein Wunder also, dass ein großer Teil der Staatengemeinschaft die Geduld verliert. Die 2013 und 2014 in Norwegen, Mexiko und Österreich abgehaltenen Konferenzen über die humanitären Auswirkungen von Atomwaffen2 haben den internationalen Diskurs um Atomwaffen verändert. 127 Staaten schlossen sich der von Österreich lancierten »Humanitären Selbstverpflichtung« (Humanitarian Pledge) an, die völkerrechtliche Lücke in Bezug auf nukleare Abrüstung zu schließen – das heutige Völkerrecht, insbesondere der Nichtverbreitungsvertrag (NVV), setzt den Fokus auf die Nichtverbreitung.

Nach dem Scheitern der NVV-Überprüfungskonferenz 2015 setzten die Staaten der Humanitären Initiative daher über die UN-Generalversammlung ein temporäres Unterorgan ein, welches im Februar und Mai 2016 insgesamt drei Wochen lang in Genf getagt hat und seine Arbeit Mitte August 2016 in einer weiteren Sitzungswoche abschließen wird: die »ergebnisoffene Arbeitsgruppe« (Open-ended Working Group). Anders als bei der ständigen UN-Abrüstungskonferenz und bei den NVV-Konferenzen gelten hier die Regeln der Generalversammlung, d.h. Mehrheitsabstimmungen statt Konsens. Darüberhinaus wurde die allen Staaten offen stehende OEWG mit einem klaren Mandat ausgestattet: neue Maßnahmen zu diskutieren, die nukleare Abrüstung vorantreiben würden. In der OEWG schälte sich deutlich eine Präferenz für einen völkerrechtlichen Vertrag zum generellen Verbot von Atomwaffen heraus.

Zwar haben die atomar bewaffneten Staaten dieses Forum boykottiert und ihren mangelnden Willen zur nuklearen Abrüstung damit ein weiteres Mal unter Beweis gestellt. Einige von ihnen wurden aber von NATO-Staaten wie Deutschland vertreten, die in der OEWG versuchten, vom Verbotsvertrag abzulenken und die alten, seit Jahrzehnten ein ums andere Mal per Konsens angenommenen, aber nie implementierten Schritte des so genannten »step-by-step process« als einzigen gangbaren Weg darzustellen. Unter einem neuen Titel („progressive approach“) wurde nun versichert, es handle sich bei 20 Jahre alten Ideen (Inkraftsetzen des Umfassenden Teststopp-Vertrags, Vertrag zu spaltbaren Materialien, Appelle für mehr Transparenz und zügigere Reduktionen der Atomwaffenarsenale) um etwas anderes als den Status quo.

Eine deutliche Mehrheit der teilnehmenden Staaten kritisierte dieses Vorgehen der Atomwaffenstaaten und ihrer Alliierten. Ihr Unwille, neue Schritte, wie einen Verbots­vertrag, überhaupt nur in Erwägung zu ziehen, spornt die Mehrheit der Staatengemeinschaft erkennbar an, nun erst recht nicht auf die Einwilligung der nuklear Bewaffneten zu warten, um das Projekt eines internationalen Verbots voranzubringen.

Zehn Staaten, darunter auch größere Länder wie Argentinien, Brasilien, Mexiko, Indonesien und die Philippinen, schlugen im Arbeitspapier WP.34 einen Verhandlungsbeginn im Jahr 2017 vor. Etliche weitere schlossen sich dieser Forderung mündlich an. Alle Staaten Lateinamerikas sowie die Afrikanische Union forderten explizit eine Ächtung von Atomwaffen. Irland, Österreich, Mexiko und Neuseeland taten sich mit besonders eloquenten Argumenten hervor, ebenso kleinere Staaten, wie Jamaika, Nicaragua und Palau. Insgesamt forderten 127 Regierungen – zwei Drittel der Staatengemeinschaft – im ArbeitspapierWP.36, „dringend“ mit Verhandlungen über ein völkerrechtliches Verbot zu beginnen. Die österreichischen Autoren des Papiers wurden noch deutlicher und unterstrichen, dass die Mehrheit ein Verbot „so schnell wie möglich“ anstrebt.

Der Zuspruch für einen Verbotsvertrag war in der OEWG so groß, dass es mittlerweile unwichtig erscheint, was genau im abschließenden Bericht der OEWG stehen wird, der bei dem dritten Treffen Mitte August verabschiedet werden soll. Der Bericht soll der Generalversammlung eine Empfehlung über geeignete Maßnahmen für nukleare Abrüstung geben; die Generalversammlung könnte sodann mittels einer neuen Resolution tatsächlich Verhandlungen über einem Verbotsvertrag mandatieren. Spätestens dann müsste auch die Bundesregierung Farbe bekennen: Votiert sie für den Beginn der Verhandlungen oder wird sie sich enthalten?

Jamaika erklärte unlängst: Die nukleare Abrüstung wird endlich demokratisiert. Die bislang schweigende Mehrheit übernimmt die Initiative und erkennt an: Man darf nicht auf die Raucher warten, wenn man ein Rauchverbot einführen will. Nun werden die nuklear bewaffneten Staaten nicht länger um Erlaubnis gebeten, indem man ihnen ein Veto einräumt bei der Entscheidung über Vertragsverhandlungen. Einige Staaten haben die Bio- und Chemiewaffenkonventionen von 1975 bzw. 1993 bis heute nicht ratifiziert, dennoch konnten sie die Verhandlungen über die Ächtung dieser Waffengattungen nicht aufhalten. Der österreichische Botschafter unterstrich in Genf: Historisch gesehen wurden Waffensysteme stets verboten, bevor die mühsame Arbeit der Reduzierung und Abschaffung begann.

Die überwiegende Mehrheit der Staaten fordert nun, dass ihre Sicherheitsinteressen ebenfalls berücksichtigt werden – und zwar durch eine drastische Reduzierung und mittelfristig die Abschaffung der Atomwaffen. Die Sicherheit aller Menschen, und nicht nur jene einiger privilegierter Staaten, bildet den Kern der Humanitären Initiative und des wieder aufgeflammten Kampfes für unverzügliche Fortschritte bei der Reduzierung der Rolle von Atomwaffen.

Die Argumente gegen ein Verbot sind letztlich deshalb so unhaltbar, weil sie den wahren Grund für die Ablehnung verbergen sollen, kommt dieeser doch einem Bruch der NVV-Verpflichtung zur nuklearen Abrüstung gleich: Die Atomwaffenstaaten und ihre Alliierten haben schlicht und ergreifend keinerlei Pläne, abzurüsten.

Die OEWG hat ein weiteres Stück Klarheit geschaffen: Welche Staaten sind wirklich für eine atomwaffenfreie Welt und welche behauptet dies nur, während sie ansonsten auf Zeit spielen?

Anmerkungen

1) Forsa-Umfrage vom 17./18. März 2016.

2) Siehe dazu Englert, M.; Kütt, M.; Löpsinger, A.: Oslo, Nayarit und Wien – Humanitäre Aspekte in der nuklearen Abrüstungsdebatte. W&F 2-2015, S. 42-45.

Leo Hoffmann-Axthelm

Das Biowaffenübereinkommen


Das Biowaffenübereinkommen

Fit für die Zukunft?

von Mirko Himmel

Das internationale »Übereinkommen über das Verbot biologischer Waffen« (BWÜ) trat 1975 in Kraft und verbietet die Entwicklung, Herstellung und Lagerung von Bio- und Toxinwaffen. Allgemein wird davon ausgegangen, dass die Biowaffenarsenale vollständig abgerüstet sind; daher findet das BWÜ im Vergleich zu anderen Rüstungskontrollverträgen gegenwärtig international relativ wenig politische Aufmerksamkeit. Das mag ein Zeichen für ein aktuell als gering empfundenes Bedrohungspotential sein, ist aber vor dem Hintergrund eines fehlenden Mechanismus zur Überprüfung des BWÜ nicht wirklich zu rechtfertigen. Die 8. Überprüfungskonferenz bietet daher die Möglichkeit, bestehende Defizite anzugehen und das BWÜ vor dem Hintergrund neuer Entwicklungen in der Bio- und Gentechnologie angemessen fortzuentwickeln.

Mit der im November 2016 stattfindenden 8. Überprüfungskonferenz zum BWÜ endet die fünfjährige Arbeitsphase, der so genannte intersessionale Prozess, zwischen den regelmäßig stattfindenden Überprüfungskonferenzen. Es ist also Zeit, einmal zurück zu blicken auf bisher Erreichtes und die Frage zu stellen, was von der kommenden Überprüfungskonferenz zu erhoffen ist.1

Das BWÜ: Abrüstung und Rüstungskontrolle biologischer Waffen

Biologische Waffen werden aufgrund ihres enormen Schadpotentials für Menschen, Tiere und Pflanzen zu den Massenvernichtungswaffen gezählt.2 Nach aktuellem Wissensstand kam es bisher nicht zu einem Einsatz dieser Waffen bei Kriegshandlungen zwischen Staaten.3

Das »Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen und von Toxinwaffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen«4 wurde während der Abrüstungsverhandlungen über biologische und chemische Waffen in den 1960er Jahren als eigener Vertrag ausgekoppelt, am 10. April 1972 verabschiedet und trat am 26. März 1975 in Kraft. In Verbindung mit dem Genfer Protokoll von 1925, das den Einsatz chemischer und biologischer Waffen im Kriege verbietet, zielt das BWÜ also auf das Verbot biologischer Waffen ab. Es ist damit der erste Rüstungskontrollvertrag, der eine ganze Kategorie von Massenvernichtungswaffen verbietet.

Inzwischen wird davon ausgegangen, dass sämtliche Biowaffenbestände vollständig abgerüstet und Anlagen zur Entwicklung, Testung und Produktion biologischer Waffen demontiert oder für eine zivile Nutzung konvertiert wurden. Es gibt gegenwärtig keine sicheren Anzeichen oder Hinweise auf offensive Biowaffenforschung, daher wird die Bedrohung durch staatliche Biowaffenprogramme als gering angesehen. Das BWÜ ist somit vor allem noch ein präventiver Rüstungskontrollvertrag.

Wie wahrscheinlich ist eine Wiederaufrüstung mit biologischen Waffen?

Eine Antwort auf diese Frage zu geben ist nicht ganz einfach. Aus öffentlich zugänglichen Quellen ergeben sich keine Belege für Intentionen und (politische) Motivationen, biologische Rüstungsvorhaben wieder aufzunehmen. Geheimdienstliche Einschätzungen und Analysen aus Expertenkreisen weisen dennoch immer wieder auf eine Reihe verdächtiger Staaten hin, die im Verborgenen an biologischen Waffen forschen sollen – oder vielleicht auch nicht. Solange keine eindeutigen, nachvollziehbaren Belege vorgelegt werden, sind solche Informationen mit Skepsis zu behandeln. Zurzeit werden einschlägige Informationen aus öffentlich zugänglichen Quellen ohnehin nur außerhalb des BWÜ-Regimes systematisch erfasst und ausgewertet (z.B. durch Nachrichtendienste und einige wenige Nichtregierungsorganisationen), weil es im BWÜ hierfür keinen vertraglich vereinbarten Mechanismus gibt.5 Der Abwehr möglicher bioterroristischer Aktivitäten wird gegenwärtig ein großer Stellenwert beigemessen, was unter dem Gesichtspunkt des Vorsorge- und Schutzprinzips nicht zu kritisieren ist, solange die Investitionen in Abwehrforschung und Abwehrmaßnahmen in Relation zum Bedrohungspotential bleiben.6

Welche Überprüfungsmecha­nismen stehen zur Verfügung?

An dieser Stelle drängt sich die Frage auf, welchen Beitrag das BWÜ leisten kann, um zu erkennen, ob ein Staat an biologischen Waffen für Offensivzwecke arbeitet. Die illegitime Fortsetzung des sowjetischen Biowaffenprogramms beispielsweise wurde erst dann eindeutig bekannt, als die Sowjetunion (einer der Depositarstaaten des Abkommens!) 1992 selbst die Fortexistenz des Programms zugab und die Einstellung aller entsprechenden Arbeiten ankündigte. Hier wird eine der großen Schwächen des BWÜ offenbar: das Fehlen eines Mechanismus zur Überprüfung der Vertragstreue innerhalb des BWÜ-Regimes. Dem Vertrag wurde 1972 kein entsprechendes Instrument mit auf dem Weg gegeben. Es wurde zwar versucht, diese Schwäche nachträglich durch ein Zusatzprotokoll zu korrigieren. Die entsprechenden Verhandlungen scheiterten jedoch nach über sechs Jahren im Juli 2001 aus technischen, politischen und ökonomischen Erwägungen, u.a. am Widerstand der USA.7 Das ist um so bedauerlicher, weil heute nahezu alle in der Biotechnologie führenden Nationen Mitglied im BWÜ sind, sodass ein entsprechender Überprüfungsmechanismus ein mächtiges Werkzeug zur Kontrolle des BWÜ sein könnte.

Grundsätzlich ist die Arbeit an krankmachenden Mikroorganismen, Toxinen oder anderen, potentiell gefährlichen biologischen Stoffen auch nach dem BWÜ nicht verboten, sofern diese Arbeiten friedlichen Zwecken einschließlich der Verteidigung dienen. Die Defensivforschung findet allerdings in einer Grauzone statt: Sie ist erlaubt, es wurden aber keine Grenzen definiert für Art und Umfang dieser teils sehr laborintensiven Arbeiten, die auch Tests in Versuchskammern oder im Freien beinhalten können, also Arbeiten, wie sie in offensiven Biowaffenprogrammen ebenfalls durchgeführt würden.8 Dieses Dilemma der präventiven biologischen Rüstungskontrolle wird sich vermutlich nicht auflösen lassen, und es bleibt abzuwarten, ob die anstehende Überprüfungskonferenz durch verbindliche Regeln mehr Klarheit schaffen wird.

Gibt es neuartige BWÜ-relevante biologische Bedrohungen?

Nationale Experten, Vertreter aus dem akademischen Sektor und Mitglieder internationaler Organisationen berichten bei den Treffen zum BWÜ über aktuelle Entwicklungen, z.B. in der Gentechnologie, durch die neue Risikopotentiale entstehen könnten. Ein Beispiel ist das CRISPR/Cas9-System, eine künstliche Kombination von in der Natur vorkommenden Abwehrstoffen, die von Bakterien zum Abbau eingedrungener Fremd-DNA eingesetzt wird.9 Die legitime Anwendung dieser Technologie, z.B. in der Grundlagenforschung, erlaubt eine Veränderung des Erbgutes der Zielzellen mit einer Qualität und Schnelligkeit, wie sie bisher nicht möglich war. Ein Missbrauch des Verfahrens zur gezielten Veränderung krankmachender Mikroorganismen für nicht-friedliche Zwecke ist denkbar. Ähnlich wie in den späten 1960er/frühen 1970er Jahren, als die Gentechnik aufkam und gleichzeitig das Biowaffenübereinkommen verhandelt wurde, steht offenbar wieder der Eintritt in eine neue Phase der Nutzung von Biotechnologie bevor. Dabei fehlen dem BWÜ immer noch Instrumente zur Überprüfung der Vertragstreue – eine wiederkehrend frustrierende Situation!

Welche aktuellen Ansätze zur Verbesserung des BWÜ gibt es?

Im Jahr 2014 begann die Delegation der Russischen Föderation für den Vorschlag zu werben, wieder an einem Entwurf für ein Zusatzprotokoll zu arbeiten.10 Darunter ist nicht zwingend ein ausgefeilter Überprüfungsmechanismus für das BWÜ zu verstehen, weil dieser Punkt immer noch sehr strittig sein dürfte. Vielmehr setzen die Vorschläge auf eine Bündelung verschiedener Maßnahmen, beispielsweise die Einrichtung einer Organisation für das Verbot biologischer Waffen (OVBW) und politischer Entscheidungsgremien, wie eines Exekutivrates und einer Mitgliedsstaatenkonferenz. Ein Technisches Sekretariat könnte umfangreiche Aufgaben wahrnehmen, wie die Unterstützung der Mitgliedsstaaten bei der nationalen Implementierung des BWÜ, die Untersuchung eines vermeintlichen Einsatzes biologischer Waffen oder die kontinuierliche Beobachtung neuer Entwicklungen in Wissenschaft und Technik. Diese Vorschläge sind an den Aufbau und die Funktion der in Den Haag ansässigen »Organisation für das Verbot chemischer Waffen« (OVCW) angelehnt. Ob die einzurichtende OVBW im Detail eine andere Struktur und Aufgabenverteilung benötigte, wäre Bestandteil der Verhandlungen über ein Zusatzprotokoll.

Dieser Vorschlag Russlands bringt einerseits neue Bewegungen in die notwendige Diskussion über die Stärkung des BWÜ, andererseits wird er von einigen Mitgliedsstaaten kritisch beurteilt. So tun sich bereits jetzt Schlupflöcher auf, beispielsweise wenn die Mitgliedsstaaten wie vorgeschlagen dem Zusatzprotokoll nach dem Prinzip der Freiwilligkeit beitreten. Das birgt die Gefahr, ein »Übereinkommen« eigener Art innerhalb des BWÜ zu schaffen, und kann angesichts der erforderlichen, teilweise intrusiven Elemente eines wirksamen Zusatzprotokolls keine Lösung sein. Der Vorschlag Russlands ist zwar nicht die einzige Aktivität von Mitgliedsstaaten bzw. -gruppen im Vorfeld der 8. Überprüfungskonferenz, kommt aber zumindest in den Formulierungen den erforderlichen substantiellen Verbesserungen des BWÜ nahe.

Ein Zusatzprotokoll ohne Überprüfungsmechanismen?

Bislang werden offene Fragen, z.B. zur Intention hinter bestimmten Aktivitäten in der Bioverteidigungsforschung oder zu Biotechnologiekapazitäten mit potentiell doppeltem, zivil-militärischem Einsatzzweck in einem Land, durch bi- und multilaterale Konsultationen geklärt. Solche Klärungen gestalten sich aber für nicht direkt Beteiligte innerhalb und außerhalb des BWÜ-Regimes vollkommen intransparent. Ein Überprüfungsmechanismus, der z.B. vertraglich vereinbarte Inspektionen erlaubt, wird aber weiterhin auf Widerstand stoßen, weil technische Probleme oder Fragen zum Schutz von intellektuellem Eigentum in der Biotechnologie oder zur Übernahme von Inspektionskosten nicht einfach zu lösen sind. Um effektiv zu sein, wären vereinbarte Maßnahmen so intrusiv wie möglich zu formulieren, auch das wird z.Z. kaum durchsetzbar sein.

Ein vorläufiger Kompromiss wäre die Fokussierung auf die Inspektion ausgewählter biotechnologischer Anlagen (einschließlich relevanter Impfstoffproduktionseinrichtungen), in denen beispielsweise Mikroorganismen unter kontrollierten Bedingungen in einem Bioreaktor und in Volumina oberhalb des üblichen Labormaßstabes kultiviert werden.11 Dieser Vorschlag mag Lücken aufweisen und würde nicht zwangsläufig zur Aufdeckung vertraglich verbotener Aktivitäten führen. Für einen (staatlichen) Akteur mit nicht-friedlichen Absichten würden aber die Kosten für umfänglich zu verschleiernde Forschungs-, Entwicklungs- und Produktionsaktivitäten erheblich steigen.

Es wäre daher abzuwägen, ob die finanziellen und politischen Kosten für Inspektionsmaßnahmen am Ende nicht marginal sind im Verhältnis zu dem Zugewinn an Sicherheit und vor allem an Transparenz, ohne die Vertrauensbildung zwischen den Akteuren im BWÜ schwierig zu erzielen bleibt.

Was ist von der 8. Überprüfungs­konferenz zu erwarten?

Aufgrund der gegenwärtig volatilen außen- und sicherheitspolitischen Lage weltweit lässt sich schwer abschätzen, zu welchen Ergebnissen die 8. Überprüfungskonferenz kommen wird. Von einer zurückhaltenden Fortentwicklung des Übereinkommens bis hin zu überraschenden Vorstößen einzelner Staaten bzw. Staatengruppen ist alles möglich. Folgende Entwicklungen könnten einzeln oder in Kombination eintreten:

  • Der bisher nur beschränkt erfolgreiche intersessionale Prozess wird mangels Alternative bis zur 9. Überprüfungskonferenz fortgeführt, ggf. mit veränderter Agenda und Schwerpunktthemen. Dies käme einem Stillstand im Entwicklungsprozess des BWÜ gleich.
  • Der intersessionale Prozess wird ersetzt durch die Einrichtung einer/mehrerer Offener Arbeitsgruppen zur Bearbeitung konkreter Themen (z.B. Entwicklung eines Mechanismus zur Gewinnung und Nutzbarmachung von Informationen aus Wissenschaft und Technik innerhalb des BWÜ-Regimes). Deutschland und die EU sind bereits aktive Unterstützer dieses begrüßenswerten Ansatzes.
  • Der so genannte Peer-Review-Prozess wird weitergeführt mit dem Ziel, eine steigende Anzahl Vertragsstaaten in das freiwillige System wechselseitiger Vor-Ort-Besuche von relevanten Einrichtungen einzubinden und so die Transparenz im BWÜ zu erhöhen. Dieser Ansatz könnte durch die Weiterführung gemeinsamer Übungen zur Untersuchung vermeintlicher Einsätze biologischer Waffen im Rahmen des Generalsekretärsmechanismus der Vereinten Nationen ergänzt werden. In beiden Fällen bringt Deutschland sich bereits aktiv ein und stärkt somit diese interessanten Ansätze.
  • Die Stärkung der kleinen BWÜ-Implementationsunterstützungseinheit (ISU, ausgestattet mit drei Personen) durch mehr personelle und infrastrukturelle Mittel würde die Wahrnehmung erweiterter Aufgaben, wie Informationssammlung und Aufbereitung für die Nutzung durch die Vertragsstaaten, innerhalb des BWÜ ermöglichen. Die ISU ist prädestiniert dafür, eine verbesserte und entsprechend mandatiert auch aktivere Rolle in der Koordination von Aktivitäten im BWÜ zu übernehmen.
  • Die Implementierung klar definierter Maßnahmen, um die internationale Zusammenarbeit in der friedlichen Nutzung der Biotechnologie im Sinne von Artikel X des BWÜ zu stärken, wird vereinbart. Die Diskussionen um Artikel X verliefen in der Vergangenheit nicht unproblematisch, bieten aber die Chance, einen weiteren Mehrwert des BWÜ für einige Mitgliedsstaaten zu generieren, indem ihr Kooperationsbedarf besser mit den verfügbaren Angeboten in Ländern mit gut entwickelter Biotechnologie zusammengebracht wird. Das Kooperationsgebot im BWÜ war sicherlich auch als Lockmittel gedacht, um möglichst viele Staaten in den Vertrag zu holen (selbst wenn sie kein Biowaffenprogramm hatten), und weniger als ein Instrument der Entwicklungshilfe angelegt. Dieser kooperative Geist könnte für Verhandlungen über Maßnahmen zur Stärkung des BWÜ wieder belebt werden.
  • Es wird tatsächlich eine Arbeitsgruppe mit dem Mandat zur Ausarbeitung von Entwürfen für vertraglich bindende Instrumente zur Stärkung des BWÜ (z.B. durch ein Zusatzprotokoll) ausgestattet, und diese Arbeitsgruppe arbeitet die Entwürfe bis zur 9. Überprüfungskonferenz aus. Das sollte für alle Vertragsstaaten weiterhin das anzustrebende Ziel bleiben!

Die zurückliegenden Erfahrungen mit den Treffen zum BWÜ lassen es als wenig wahrscheinlich erscheinen, dass der intersessionale Prozess einfach wie gehabt fortgesetzt wird. Vielleicht gelingt es den Mitgliedsstaaten vor diesem Hintergrund bei dieser Überprüfungskonferenz, die Chance für eine substanzielle Stärkung des Biowaffenübereinkommens wirklich zu nutzen. Die Welt hätte einen verbesserten Schutz vor einer Wiederaufrüstung biologischer Waffen verdient!

Anmerkungen

1) Der Beitrag spiegelt die eigene Meinung des Autors wieder.

2) Biologische Waffen bestehen aus einem biologischen Kampfstoff (v.a. Bakterien, Viren, Pilze oder biologische Toxine, die jeweils waffentauglich gemacht wurden) und einem Träger- und Ausbreitungssystem (z.B. zum Versprühen lungengängiger Biokampfstoffe).

3) Jeremias, G; Himmel, M. (2015): Biologische Waffen. In: Jäger, T. (Hrsg.): Handbuch der Sicherheitsgefahren. Wiesbaden: Springer Fachmedien, S. 275-285.

4) Eine deutsche Übersetzung des BWÜ stellt die Schweizerische Eidgenossenschaft unter admin.ch/ch/d/sr/c0_515_07.html zur Verfügung.

5) Es bleibt den Mitgliedstaaten allerdings vorbehalten, unter Verwendung relevanter Informationen innerhalb des BWÜ aktiv zu werden, um z.B. bestimmte Erkenntnisse untereinander zu debattieren, Deklarationen abzugeben oder einen politischen Entscheidungsprozess zu initiieren.

6) Es mag als Paradoxon biologischer Waffen gelten, dass sie einerseits von vielen Experten für im Grunde untauglich für die moderne Kriegsführung gehalten werden, andererseits aber ihre bloße Erwähnung als Begründung für massive Abwehrforschung dient, deren Ausmaß in einigen Staaten, beispielsweise in den USA, über das für einen potentiellen Bioterroristen technisch Machbare überraschend deutlich hinauszugehen scheint.

7) Zu den Hintergründen und Implikationen dieser Entscheidung siehe z.B. Hunger, I. (2005): Biowaffenkontrolle in einer multipolaren Welt – Zur Funktion von Vertrauen in internationalen Beziehungen. Frankfurt/New York: Campus.

8) Es soll den Wissenschaftlern und Militärangehörigen in diesen Forschungseinrichtungen sowie den politisch Verantwortlichen keinesfalls die Fähigkeit zur Entscheidung über die (ethisch) vertretbaren Grenzen dieser Arbeiten abgesprochen werden. Aber gelegentlich drängt sich der Eindruck auf, dass dies die einzige Sicherheitsbarriere wäre, die in der Praxis greifen würde, um einen ausufernden Wettlauf zwischen der Generierung neuer biologischer Bedrohungspotentiale und der Entwicklung entsprechender Abwehrmechanismen zu verhindern. Das BWÜ würde dazu formal keinen Beitrag leisten.

9) Ledford, H. (2015): CRISPR, the Disruptor. Nature Bd. 522 Nr. 7554, S. 20-24.

10) Das Papier »Strengthening the BWC through a legally binding instrument« ist auf der Webseite des Genfer Büros der Vereinten Nationen (unog.ch) unter »BWC Meeting of Experts 2014« und dort unter dem »Side Event« vom 5. August 2014 zu finden.

11) Der Einsatz von Bioreaktoren ist keinesfalls zwingend für die Biokampfstoffproduktion. Eine Alternative wäre es z.B., eine Batterie von Schüttelkolben oder bei viralen Erregern eine große Anzahl Hühnereier zur Anzucht zu verwenden. Schwellenwerte vorzugeben ist zudem eine unflexible Maßnahme und sollte nicht über die Unsicherheit hinwegtäuschen, ob damit wirklich alle relevante Anlagen erfasst werden, erscheint aber aus regulatorischer Sicht als ein tragbarer Kompromiss.

Dr. Mirko Himmel ist Biochemiker und arbeitet in der Forschungsstelle Biologische Waffen und Rüstungskontrolle am Carl Friedrich von Weizsäcker-Zentrum für Naturwissenschaft und Friedensforschung der Universität Hamburg.

Begrenzte Transparenz

Begrenzte Transparenz

Open-Skies-Flüge und OSZE-Beobachter in der Ukraine

von Hartwig Spitzer

Krisenbewältigung braucht geeignete Instrumente zur Herstellung von Transparenz für alle Beteiligten. In der Ukrainekrise konnte dafür anfangs – wenn auch mit begrenztem Erfolg – auf Beobachtungsflüge im Rahmen des Open-Skies-Vertrages zurückgegriffen werden. Als weitaus ergiebiger erwiesen und erweisen sich trotz erheblicher Einschränkungen die Beobachtungen und täglichen Berichte der Beobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Der folgende Artikel stellt beide Instrumente, ihre Leistungen und ihre Grenzen vor.

Die Annexion der Krim durch Russland im Frühjahr 2014 sowie der verdeckte Einsatz regulärer russischer Streitkräfte zur Etablierung zweier »Volksrepubliken« im ukrainischen Donbass haben die Beziehungen zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine sowie vielen westlichen Staaten schwer beschädigt. Vor allem lösten sie einen verlustreichen Krieg aus, der de facto die Teilung des Landes zur Folge hat. Gleichzeitig weist die russische Führung öffentlich jede Verantwortung für den angeblich internen ukrainischen Konflikt zurück. Dabei beruft sie sich darauf, selbst internationale Beobachtungen hätten keine Beweise für eine russische Verwicklung in den Konflikt erbracht. Sie verweigert sich dem Einwand, dass die verfügbaren internationalen Beobachtungsinstrumente entweder ungeeignet oder durch mangelnde Kooperationsbereitschaft in der Ostukraine zu eingeschränkt einsetzbar sind, um umfassende Erkenntnisse über die russische Rolle und irreguläre Kräfte im Krieg in der Ukraine gewinnen zu können. Exemplarisch deutlich wird dies bei der kooperativen Luftraumbeobachtung nach dem Vertrag über den Offenen Himmel (OH, engl. Treaty on Open Skies) sowie bei der Sonderbeobachtermission der OSZE in der Ukraine.

Open-Skies-Flüge in der Ukrainekrise

Der Vertrag über den Offenen Himmel öffnet seit 2002 den gesamten Luftraum der beteiligten Staaten für kooperative Beobachtungsflüge im Rahmen begrenzter Quotenkontingente. Beteiligt sind 34 Parteien, darunter alle NATO-Staaten außer Albanien, sowie Russland, die Ukraine und etliche neutrale Staaten. Zugelassen sind u.a. Luftbildkameras mit einer Auflösung von 30 Zentimetern. Dies erlaubt es, schweres militärisches Gerät im Freien, wie Lastwagen oder Panzer, zu erkennen und oft auch den Typ zu identifizieren.1 Die Umsetzung erfolgt grundsätzlich im gegenseitigen Einvernehmen, d.h. Flüge können nicht gegen den Willen einer Vertragspartei erfolgen. Vertreter des beobachtenden und des beobachteten Staates sind an Bord. Jede Seite bekommt eine Kopie der Bilder. Darüber hinaus können nicht am Flug beteiligte OH-Vertragsstaaten diese Bilder käuflich erwerben. Die Aus- und Bewertung der Bilder erfolgt getrennt und vertraulich. Insgesamt zielt der OH-Vertrag darauf ab, gegenseitig Transparenz zu schaffen und so zur Vertrauensbildung beizutragen.

Angesichts der sich ab März 2014 überschlagenden Ereignisse in der Ukraine lag die Durchführung von zusätzlichen OH-Flügen nahe. Bereits am 27. Februar waren Regierungsgebäude in Simferopol, der Hauptstadt der Krim, von (pro-) russischen Bewaffneten besetzt worden.2 Am 28. Februar besetzten (russische) Truppen in Uniformen ohne Kennzeichen die Flughäfen der Halbinsel. Am 1. März ermächtigte der russische Föderationsrat Präsident Putin, Gewalt zum Schutz russisch sprechender Bürger der Ukraine einzusetzen. Am 18. März unterzeichneten nach einem Sezessionsreferendum auf der Krim Präsident Putin und politische Führer der Krim einen Beitrittsvertrag der Krim zu Russland. Die ukrainische Regierung in Kiew erbat vor diesem Hintergrund internationale Unterstützung, u.a. durch Entsendung von Inspektoren im Rahmen des Wiener Dokuments über vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen und durch Beobachtungsmissionen im Rahmen des Open-Skies-Vertrages.3

Anhang L des OH-Vertrages sieht vor, dass Staaten auf freiwilliger bilateraler Basis Beobachtungsflüge durchführen können, zusätzlich zu den schon vereinbarten verpflichtenden Flügen. Schweden und die USA führten am 12. und 14. März 2014 auf Einladung der Ukraine entsprechende Flüge über der West- und Zentralukraine durch und stellten die Bilder der ukrainischen Regierung zur Verfügung. Die USA führten am 21. Mai einen weiteren Flug durch, der bis an die russische Grenze im Osten der Ukraine führte. Zu dieser Zeit wurde am Boden schon geschossen.

Ein weiter Schwerpunkt westlicher Open-Skies-Staaten war die mehrfache Überfliegung von Russland im Grenzgebiet zur Ukraine im Rahmen verfügbarer Pflichtquoten.

Begrenzte Transparenz

Dennoch trugen Open-Skies-Flüge insgesamt recht wenig zur Aufklärung der militärischen Kräfte im russisch-ukrainischen Grenzgebiet bei.4 Dies ist allerdings kein überraschendes, sondern vielmehr ein aufgrund der Vertragsmodalitäten und der genutzten Geräte zu erwartendes Ergebnis:

  • Der Flugplan von Open-Skies-Flügen muss dem beobachteten Staat bis zu 24 Stunden vor Flugbeginn vorgelegt werden. Das lässt genug Zeit, um mobile Verbände aus dem beobachtbaren Streifen von maximal 20 Kilometern Breite zu verlegen, der mit den zur Zeit verwendeten Kameras photographiert werden kann. Ein Kreisen des Flugzeugs über ausgedehnten Gebieten ist vertraglich nicht erlaubt.
  • Nach dem Abschuss mehrerer ukrainischer Militärflugzeuge über der Ostukraine und insbesondere nach dem Abschuss des malaysischen Zivilflugzeuges (Flug MH17) am 17. Juli 2014 wird bei Open-Skies-Flügen im westlichen Russland in der Regel ein Sicherheitsabstand von ca. 40 km von der russisch-ukrainischen Grenze eingehalten. Auf Flüge über der Ostukraine wird bis heute aus Sicherheitsgründen verzichtet.
  • Eine weitere Begrenzung besteht in der Funktionsweise der hauptsächlich verwendeten Luftbildkameras. Sie liefern nur bei Tag und wolkenarmem Himmel (bzw. bei Flügen unter den Wolken) brauchbare Bilder. Das Durchdringen von Bauwerken und Unterständen ist damit nicht möglich.
  • Die erreichbare Transparenz ist auch durch das Vertragsverständnis begrenzt. Es besagt, dass die Bilder und die daraus gewonnenen Informationen von den Vertragsstaaten regierungsamtlich genutzt, nicht aber an Dritte, wie Gremien der OSZE, weitergegeben werden können.

Insgesamt sind Open-Skies-Flüge besser geeignet, mittelfristige Veränderungen von militärischen Standorten und bei ziviler Infrastruktur zu beobachten, als kurzfristig taktische Aufklärung zu betreiben. Dennoch war trotz aller bekannten Einschränkungen der Versuch, durch Nutzung des OH-Vertrags Aufklärung zu betreiben, angesichts der unklaren und sich überstürzenden Lageentwicklung folgerichtig.

Die Beobachtermission der OSZE in der Ukraine

Nach etlichen Monaten Maidan-Protesten und der Flucht des ukrainischen Präsidenten Janukowitsch aus Kiew am 22. Februar 2014 ging alles sehr schnell. Bereits am 25. Februar schlug der damalige Vorsitzende der OSZE, der Schweizer Präsident und Außenminister Didier Burkhalter, im UN-Sicherheitsrat drei Maßnahmen vor:5

  • die Einrichtung einer speziellen Beobachtermission der OSZE in der Ukraine,
  • die Schaffung einer Kontaktgruppe unter Einschluss der Ukraine und der Russischen Föderation und
  • die Benennung eines persönlichen Beauftragten und Vertreters des OSZE-Vorsitzenden für die Ukraine.

Alle drei Vorschläge wurden umgesetzt. Das Konfliktverhütungszentrum des Sekretariats der OSZE arbeitete ein Konzept für eine Beobachtermission aus. Der Ständige Rat der OSZE, in dem alle 57 mitwirkenden Staaten vertreten sind, fasste am 21. März einen entsprechenden Beschluss.67 Die Mission – mit anfänglich 100 und inzwischen 542 zivilen Beobachtern sowie 310 Unterstützungskräften (Stand 30.8.2015) – soll in allen Regionen der Ukraine tätig sein und vier Hauptaufgaben durchführen:

  • Informationssammlung und Berichterstattung über die Sicherheitslage in der Region,
  • Berichte über Vorfälle, insbesondere über mutmaßliche Verletzungen fundamentaler Prinzipien der OSZE sowie von Menschenrechten,
  • Herstellung von Kontakten mit lokalen, regionalen und nationalen Stellen, Vertretern der Zivilgesellschaft und Mitgliedern der Bevölkerung sowie
  • Vermittlung von Dialogen zur Verminderung von Spannungen und zur Normalisierung der Situation.

Das Konfliktverhütungszentrum war gut vorbereitet.8 Bereits einen Tag später, am 22. März, konnte das erste Vorausteam seine Arbeit in Kiew aufnehmen. Am 22. April waren bereits 100 Beobachter vor Ort, die Mehrzahl in der Ostukraine mit Standorten in Donezk, Lugansk und Mariupol. Die Beobachter führen Inspektionsfahrten durch, inzwischen rund um die Uhr an sieben Tagen der Woche. Sie registrieren militärische Aktivitäten und führen Gespräche mit Verantwortlichen und Betroffenen vor Ort. Die Zentrale der Beobachtermission in Kiew stellt täglich Berichte ins Internet. Diese beschränken sich allerdings – auf Insistieren von Russland – auf die Wiedergabe von Beobachtungen ohne zusammenfassende Bewertung.

Die Beobachterteams arbeiten in den Separatistengebieten unter schwierigen Bedingungen. Trotz des von Russland unterstützten Mandats werden sie immer wieder an Straßensperren aufgehalten oder zurückgewiesen.9 Fahrzeuge gerieten mehrfach unter Beschuss. Zwei Teams wurden im Juni 2014 vier Wochen lang von Bewaffneten festgehalten. Im Juli und August 2015 verzeichnete die Beobachtermission einen erheblichen Anstieg an sicherheitsrelevanten Vorfällen, die sich gegen die Mission selbst richteten. Sie kulminierten in einem Brandanschlag auf OSZE-Fahrzeuge in der Stadt Donezk. Erstmals wurde auch ein Beobachter durch direkten Beschuss verletzt. Der Chef der Beobachtermission, Botschafter Ertugrul Apakan, macht hauptsächlich die »pro-russischen Rebellen« für die Übergriffe verantwortlich. Sie führen zu starken Einschränkungen der Bewegungs- und damit auch der Beobachtungsfreiheit der Beobachter, die ohnehin nur in einem begrenzten Teil des Separatistengebiets und kaum entlang der ukrainisch-russischen Grenze patrouillieren können. Im Hintergrund dieser Ereignisse stehen Vorwürfe der Parteilichkeit, die (pro-) russische Kräfte an die Beobachtermission richten. Bei jedem Bericht muss die Mission abwägen, wie deutlich Verletzungen der Minsker Vereinbarungen dargestellt werden können, ohne die Sicherheit der Beobachter zu gefährden.

Trotz der großen Einschränkungen leisten die OSZE-Beobachter Beachtliches. Sie begeben sich – oft unter Lebensgefahr – an Orte nahe der Kampfhandlungen und liefern im Rahmen des Möglichen wichtige Informationen. Gerade der durch die (pro-) russischen Kräfte auf sie ausgeübte Druck zeigt, dass sie hierbei erfolgreicher sind, als Moskau und die Separatisten erwartet hatten.

Drohnen im Einsatz

Dies zeigt sich besonders auch beim zivilen Drohneneinsatz der Beobachtermission.

Die Aufgaben der Beobachtermission wurden durch die Vereinbarung in Minsk vom 12. Februar 2015 (»Minsk II«) konkretisiert.10 Laut der Vereinbarung soll die OSZE eine „effektive Beobachtung und Verifikation des Waffenstillstandsregimes und des Rückzugs schwerer Waffen vom ersten Tag des Rückzuges an sicherstellen unter Nutzung aller erforderlichen technischen Ausrüstung, wie Satelliten, Drohnen und Radargeräten“. Diese Ausrüstung wurde in zwei Schritten zugänglich gemacht, durch die Indienststellung von Beobachtungsdrohnen am 23. Oktober 2014 und durch zwei Vereinbarungen mit Satellitenbetreibern.11

Die vier Drohnen, so genannte CamCopter vom Typ S-100, hat das Sekretariat der OSZE von der österreichischen Firma Schiebel gemietet. Diese Drohnen können senkrecht starten und dann horizontal fliegen. Die Geräte werden von Experten betrieben, die in Mariupol stationiert sind. Die Flugreichweite beträgt etwa 150 km in Flughöhen bis 5.500 m. Damit kann das Hinterland der kampfreichen »Front« zwischen Mariupol und Donezk abgedeckt werden. Flüge können theoretisch bis 5 km an die russische Grenze führen. Die Drohnen tragen eine Videokamera vom Typ MX-10 der Firma WESCAM, die hochwertige Bilder mit einer Auflösung von besser als 30 Zentimetern liefern kann, sowie ein Wärmebildgerät, das auch bei Nacht abbilden kann. Bei gutem Wetter werden durch Mehrfacheinsatz 15-18 Flugstunden erreicht.

Die Drohnen stellen zurzeit die wichtigste Informationsquelle dar. Die Einsätze sind allerdings hochriskant. Sie werden immer wieder durch professionelle Störsender beider Seiten behindert (Jamming). Eine Drohne wurde im Februar 2015 abgeschossen. Eine zweite Drohne ging im Juli 2015 bei einer Notlandung nach Jamming zu Bruch. Zwei weitere gingen im August verloren, davon eine durch Abschuss über dem Gebiet der so genannten Volksrepublik Donezk. (Pro-) russische Kräfte verhinderten den Zugang von OSZE-Beobachtern zu den Trümmern des Flugapparats. Zwei Tage zuvor hatte dieselbe Drohne in der Nähe der Abschussstelle ein Boden-Luft-Raketensystem des russischen Typs 9K35 »Strela 10« aufgeklärt. Die verlorenen Drohnen wurden ersetzt.

Fazit

Im Leistungsvergleich bei der Herstellung von Transparenz in der Ukraine schneidet die Beobachtermission der OSZE deutlich besser ab als der Ertrag von Open-Skies-Flügen. Sie ist aber ebenfalls starken Einschränkungen unterworfen. Die eigentliche Stärke des Open-Skies-Vertrages liegt auf einer höheren Ebene: Der »Offene Himmel« ist eines der wenigen militärischen und sicherheitspolitischen Regime, die weiterhin zwischen Russland und NATO-Staaten praktiziert und modernisiert werden.12

Die große Stärke der OSZE-Beobachtermission ist ihre Präsenz vor Ort und in der Fläche. Sie berichtet täglich. Sie vermittelt lokale Waffenruhen zur Reparatur lebenswichtiger Versorgungseinrichtungen. Sie vermittelte den Zugang internationaler Fachleute zur Spurensicherung nach dem Abschuss des Fluges MH17. Die Leiter der Beobachtermission halten regelmäßig Pressekonferenzen in Kiew und Donezk ab und erreichen damit auch die Medien der Separatistengebiete. Selbst wenn die Berichte nur Beobachtungen und keine Lagebewertungen enthalten, kann davon ausgegangen werden, dass die Verantwortlichen der OSZE, wie der Vorsitzende und der Generalsekretär, ein differenziertes Bild erhalten. Das wiederum stärkt die wichtige Rolle der OSZE in diesem äußerst verfahrenen blutigen Konflikt.

Anmerkungen

1) Hartwig Spitzer (2009): News from Open Skies. London: Verification Research, Training and Information Centre, VERTIC Brief 8, February 2009.

2) International Peace Institute (2015): Timeline – OSCE Operational Engagement in Ukraine 2013/2014. Auftragsarbeit für den Schweizer OSZE-Vorsitz, nicht veröffentlicht; liegt dem Autor vor.

3) Hartwig Spitzer (2014): Open Skies Update – Cooperative transparency agreement works in stormy times. London: VERTIC, Trust & Verify No.146.

4) Aus NATO-Kreisen wurde in diesem Zeitraum von großen Truppenkonzentrationen an der ukrainischen Grenze berichtet. Entscheidend für die militärische Eskalation der Kämpfe in der Ostukraine war jedoch neben der ukrainischen Offensive mit schweren Waffen wohl eher das »Hereinsickern« von Personal, insbesondere von Spezialisten für die Bedienung schwerer Waffen, sowie von Gerät und Nachschub in kleineren Einheiten aus Russland.

5) Panel of Eminent Persons (2015): Lessons Learned for the OSCE from its Engagement in Ukraine – Interim Report and Recommendations of the Panel of Eminent Persons on European Security as a Common Project. June 2015.

6) Claus Neukirch (2015): The Special Monitoring Mission to Ukraine – Operational Challenges and New Horizons. In: Institute for Peace Research and Security Policy at the University of Hamburg (ed.): OSCE Yearbook 2014. Baden-Baden: Nomos, S.183-197.

7) Mandat und tägliche Berichte der Beobachtermission sind abrufbar über osce.org/ukrainemonitoring.

8) Claus Neukirch, op.cit..

9) Auch im ukrainisch kontrollierten Gebiet werden Beobachter gelegentlich an Straßensperren aufgehalten oder am Zugang zu Waffendepots gehindert.

10) Siehe z.B. Bundeszentrale für politische Bildung: Ukraine-Analysen – Dokumentation: Das Minsker Abkommen vom 12. Februar 2015. 26.2.2015.

11) Im März und April 2015 unterzeichnete das Sekretariat der OSZE mit der Europäischen Union sowie den Regierungen von Deutschland und Frankreich Vereinbarungen über die Bereitstellung von Ergebnissen der Auswertungen von Satellitenbildern. Demgemäß erhält die Beobachtermission täglich ca. zwei bis drei sicherheitsrelevante Auswertungen von Satellitenbildern, die Gebiete von jeweils ca. 10×10 Kilometern in den Separatistengebieten der Ostukraine abdecken. Diese Auswertungen stellen derzeit die zweitwichtigste Informationsquelle der Beobachtermission über militärisch relevante Geräte und Befunde dar.

12) Hartwig Spitzer (2014), op.cit.

Hartwig Spitzer ist Professor i.R. im Fachbereich Physik der Universität Hamburg. Seit 2005 arbeitet er in der Sensorgruppe der »Beratungskommission Offener Himmel«, dem Entscheidungsgremium der Vertragsstaaten in Wien, mit.

Konflikt und Umwelt im Sudan

Konflikt und Umwelt im Sudan

Aus dem Bericht der UN-Umweltprogramms 2007

von UNO, Albert Fuchs

Im Juni 2007 hat das UN-Umweltprogramm (UNEP) einen umfänglichen Bericht über Umweltprobleme und militärische Konfliktaustragung im Sudan vorgelegt.1 Im Vorwort wird betont, damit solle nicht zuletzt eine Grundlage geschaffen werden für »recovery, reconstruction and development«, nachdem Anfang 2005 nach einem rund 20-jährigen Krieg zwischen dem vorwiegend arabisch-muslimischen Norden und dem schwarzafrikanisch-christlichen Süden ein umfassendes Friedensabkommen (Comprehensive Peace Agreement/CPA) zustande gekommen war. UNEP sieht »recovery, reconstruction and development« zwar durch den anhaltenden und seit 2006 verschärften Darfur-Konflikt weiterhin gefährdet, erhofft sich jedoch von seiner Analyse auch einen Beitrag zur Regelung dieses Konfliktes. Wir veröffentlichen die wesentlichen Teile des zentralen Kapitels 4 des UNEP-Reports. Es könnte ein Korrektiv darstellen für die herrschende undifferenzierte und voreingenommen moralisierende Sicht der Dinge.

Der Sudan wurde über die meiste Zeit des letzten halben Jahrhunderts von Bürgerkriegen und regionalen Auseinandersetzungen heimgesucht und aktuell wütet ein größerer Konflikt in Darfur. Zur gleichen Zeit leidet der Sudan unter gravierenden Umweltproblemen innerhalb wie außerhalb der aktuellen und historischen Konfliktzonen. Nach Einschätzung des UN-Umweltprogramms sind die Konflikt-Umwelt-Zusammenhänge komplex und tiefgreifend. Viele Konflikte entstanden teilweise aus Spannungen um gemeinsam in Anspruch genommene Ressourcen und zugleich werden diese Ressourcen durch die Konflikte in Mitleidenschaft gezogen. Im Folgenden geht es zunächst um einen geschichtlichen Überblick über Konflikte jüngeren Datums im Sudan. Sodann wird die Rolle natürlicher Ressourcen für Entstehung und Fortdauer historischer und aktueller Konflikte dargestellt. Schließlich werden die direkten und indirekten ökologischen Konfliktauswirkungen kurz dargestellt. Dabei ist davon auszugehen, dass die Grenzen zwischen chronischen und konflikt-bezogenen Umweltproblemen vielfach unklar sind.

Konflikte im Sudan

Konflikte haben in den letzten 50 Jahren im Sudan mehr als 60 Prozent des Landes direkt betroffen und seine Entwicklung erheblich beeinflusst. Um die Konflikt-Umwelt-Verbindungen zu klären, muss man das bestehende komplexe Konflikt-Mosaik zur Kenntnis nehmen.

Konflikttypen

Zu Stammes- und nur mit Kleinwaffen ausgetragenen Konflikten geringer Reichweite kam es immer wieder in der Geschichte des Sudan. Kein Teil des Landes blieb verschont davon; aber in den letzten dreißig Jahren konzentrierten sie sich auf den Süden, den Westen und den Norden des Landes. Ihre Ursachen sind im Allgemeinen nur dürftig erfasst, darunter jedoch Viehdiebstahl, Streit um Wasser und Weideland, lokalpolitische Auseinandersetzungen. Viele – keineswegs alle – Konflikte großer Reichweite sind mit Friktionen auf Stammesebene verbunden.

Die meisten größeren Konflikte im Sudan waren länger (fünf oder mehr Jahre) andauernde Konfrontationen zwischen Streitkräften auf Seiten der Zentralregierung in Khartum und einer Vielzahl von regierungsfeindlichen Kräften. Die Regierungsseite umfasste konventionelle Land- und Luftstreitkräfte und alliierte Milizen. Die gegnerischen Kräfte bestanden aus lokalen Milizen, die sich – im Falle der Sudan People’s Liberation Army (SPLA) im Süd-Sudan – zu einer vereinigten Armee mit paralleler Regierungs- und Verwaltungs-Struktur (dem Sudan People’s Liberation Movement, SPLM) – entwickelten. Größer Konflikte erfassten zeitweise bis zu 60 Prozent des Territoriums, vor allem in den südlichen Teil-Staaten, aber auch im Westen (alle drei Darfur-Staaten), im Zentrum (die Staaten Blauer Nil und Süd-Kordofan), im Osten (Kassala) und im Nord-Osten (Roter Nil). Insgesamt waren mehr als 15 Millionen Menschen direkt davon betroffen, nicht eingeschlossen die ungefähr 6 Millionen, die z.Z. in Darfur noch davon betroffen sind. Die Gesamtzahl der konfliktbedingten Opfer ist unbekannt, wird aber von mehreren Quellen auf zwei bis drei Millionen geschätzt. Obwohl die Regierungs-Streitkräfte über Panzer und schwere Artillerie verfügen, wurden die Kämpfe hauptsächlich mit leichten Waffen wie AK47 Sturm-Gewehren ausgetragen. Die gegnerischen Kräfte waren durchgehend nur leicht bewaffnet, abgesehen von ein paar Panzern und anderen schweren Waffen. Nur die Regierungskräfte verfügten über eine Luftwaffe. In den meisten größeren Konflikten wurde ausgiebig von Landminen Gebrauch gemacht. In der Folge leidet der Sudan unter einer gravierenden Landminen-Hinterlassenschaft, die immer noch zivile Opfer fordert.

Hauptkonflikte

Aus der Sicht von UNEP stellen sich Geschichte und Stand der Dinge in jedem der Hauptkonfliktgebiete wie folgt dar:

Darfur

Die Kämpfe in Darfur ziehen sich mit Unterbrechungen seit wenigsten 30 Jahren hin. Bis 2003 waren sie im Wesentlichen auf eine Reihe teilweise zusammenhängender tribaler und lokaler Auseinandersetzungen beschränkt. In den ersten Monaten des Jahres 2003 eskalierten diese Feindseligkeiten zu einer regelrechten militärischen Konfrontation in allen drei Darfur-Staaten, die vielfach auf den benachbarten Tschad und die Zentralafrikanische Republik übergreift. Charakteristisch für den aktuellen Konfliktverlauf ist die von Milizen über ausgedehnte Gebiete angewandte Strategie der »verbrannten Erde«. Sie führt zu einer weiträumigen Zerstörung von Dörfern und Wäldern und zur Vertreibung in Schutz- und Versorgungslager. Die Zahl der Vertriebenen beläuft sich z.Z. auf mehr als zwei Millionen, die Opferzahl wird von verschiedenen Quellen auf 200 000 bis 500 000 geschätzt.

Süd-Sudan

In den 50 Jahren seit der Unabhängigkeit des Sudan hat der Süden nur 11 Jahre Frieden genossen. Während der längsten Zeit des Bürgerkriegs hielt die zentralsudanesische Regierung mehrere größere Städte besetzt und startete Luftangriffe und in Trockenzeiten Bodenoffensiven in die Umgebung. Die gegnerischen Streitkräfte der SPLA und ihre Verbündeten rekurrierten auf Guerilla-Aktionen, belagerten Städte und führten in Regen- wie in Trockenzeiten Bodenoffensiven durch. Ländliche Gegenden bekamen großteils keine oder wenig Militäraktivität zu Gesicht. Die Frontlinien, an denen anhaltend aktiv gekämpft wurde, waren beschränkt auf die zentral-nördlichen Grenzregionen und die belagerten Städte. Zu den härtesten Kämpfen kam es in den 1990er Jahren, als der Frontverlauf ständig wechselte und mehrere Städte oftmals eingenommen wurden. Der Konflikt griff über auf Gebiete in Zentral-Sudan, wie Abyei-Distrikt, Blauer Nil und Nuba-Berge in Süd-Kordofan. Diese sog. »Drei Gebiete« sind immer noch politisch hoch instabil. Zu kleineren, der ugandischen Lord’s Resistance Army (LRA) zuzuschreibenden Konflikten kam es hin und wieder im tiefen Süden auch nach Unterzeichnung des Comprehensive Peace Agreement (CPA) im Januar 2005, und eine gewissen Instabilität besteht weiter in anderen Grenzgebieten, insbesondere am Oberen Nil.

Nuba-Berge

Die Nuba-Berge waren in den 1990er Jahren eine Hochburg der SPLA. Sie hatte die Wald- und Berggebiete in Besitz, während die Regierungs-Streitkräfte das offene Gelände und die Ebenen in der Umgebung weitgehend kontrollierten. Das Gebiet war ausgedehnten Kämpfen und Bombardierungen ausgesetzt.

Kassala/Ostfront

Die Gegend an der Grenze zu Eritrea im Teil-Staat Kassala war fest im Besitz der mit der SPLA verbündeten Bedscha. Der Konflikt loderte in den 1990er Jahren auf, aber im Oktober 2006 wurde ein als Eastern Sudan Peace Agreement bekannter Separat-Friedensvertrag zwischen der Zentralregierung und den Streitkräften im Osten geschlossen.

Rotes Meer/Eritrea

Das Gebiet Tokar im Staat Rotes Meer wurde von einem 1992 einsetzenden und 12 Jahre andauernden Konflikt geringer Intensität zwischen Sudan und Eritrea und lokalen Verbündeten in Mitleidenschaft gezogen. Die Feindseligkeiten erloschen erst mit dem Abschluss des CPA.

Uganda/LRA

Ursprünglich verankert in Nord-Uganda, unmittelbar südlich von Ost-Äquatorial-Sudan, kämpft die Lord’s Resistance Army (LRA) seit über 20 Jahre gegen die Streitkräfte Ugandas. 2005 und 2006 breitete sich der Konflikt nach Süd-Sudan und in die Demokratische Republik Kongo aus. Seit Juni 2007 ist ein Waffenstillstand in Kraft, aber Friedensverhandlungen sind festgefahren und sporadisch wird der Konflikt weiter ausgetragen.

Umweltfaktoren als Konfliktdeterminanten

Viele Faktoren tragen zu Konfliktkonstellationen im Sudan bei, die wenig oder nichts mit der Umwelt oder natürlichen Ressourcen zu tun haben. Dazu zählen politische, religiöse, ethnische und Stammes- und Clan-Spaltungen, ökonomische Faktoren, unzulängliche Landbesitztitel, historische Fehden. Wo zudem Umweltfragen und Fragen der Ressourcenbewirtschaftung von Bedeutung sind, handelt es sich im Allgemeinen um Kontextfaktoren, nicht um (alleinige) Konfliktursachen.

Konfliktrelevanz von Ressourcen im Allgemeinen

Vier Kategorien natürlicher Ressourcen stehen im Sudan in enger Beziehung zu den Konflikten: Öl- und Gasreserven, Nilwasser, Nutzholz sowie offenes Weideland und nicht bewässertes Ackerland. Potenzielle Konflikte wegen Öl, Nilwasser und Hart-Nutzholz sind eine landesweite Angelegenheit. Konflikte um Weide- und nicht bewässertes Ackerland sind grundsätzlich lokaler Natur, können aber eskalieren und Konflikte anderen Ursprungs so verschärfen, dass sie zu landesweiten Problemen werden, wie z.Z. im Fall Darfur.

Öl- und Gasreserven: Obwohl der große Nord-Süd-Konflikt lange vor der Entdeckung von Öl in Zentral-Sudan einsetzte, war die Konkurrenz um den Besitz der Öl- und Gasreserven des Landes und die Beteiligung am Gewinn daraus doch eine Triebfeder und bleibt bis heute eine Quelle politischer Spannungen. Diese Verbindung gilt allerdings hauptsächlich als wirtschaftliche, politische und soziale Frage und wird daher hier nicht eingehender thematisiert. Von größerer Bedeutung für UNEP sind hier die Auswirkungen der Ölindustrie auf die Umwelt und das daraus resultierende Konfliktpotenzial.

Wasserrechte und Nil-Nutzung: Konkurrenz um den Gewinn aus der Nutzung von Oberflächenwasser trug ebenfalls in bedeutsamer Weise zum Bürgerkrieg bei, wie aus dem Jonglei Kanal-Projekt hervorgeht, das sowohl Ursache wie »Opfer« des Konflikts war, der 1983 in Süd-Sudan aufloderte.2 Die Bedeutung dieser Angelegenheit hat mit der Zeit nicht abgenommen und nach wie vor bestehen starke Spannungen wegen der Versuche, das Projekt wieder in Gang zusetzen

Nutzholz und Kriegsökonomie: Zwar gibt es keine Hinweise darauf, dass Nutzholz wesentlich zur Konfliktentstehung im Sudan beigetragen hat, wohl aber eindeutige Belege dafür, dass Einkünfte aus dem Verkauf von Hart-Nutzholz mit dazu geführt haben, den Nord-Süd-Bürgerkrieg in Gang zu halten. Nutzholz war Teil der Kriegökonomie und das scheint sich jetzt in Darfur mit der Holzkohle zu wiederholen. Insgesamt aber gilt die Nutzholz-Konflikt-Verbindung eher als Aspekt umweltbezogener Konfliktauswirkungen, weniger als Aspekt der Konfliktauslösung.

Weideland und nicht-bewässertes Ackerland: Zu lokalen Auseinandersetzungen um Weideland und nicht-bewässertes Ackerland kam es während der gesamten aufgezeichneten Geschichte des Sudan. Bei demographischer Stabilität und ohne Umweltveränderung gelten solche Konflikte in der Regel als gesellschaftliche, politische oder wirtschaftliche Angelegenheiten, die aus rein umweltbezogenen Gründen keine besondere Beachtung rechtfertigen. Umweltfragen wie Desertifikation, Landdegradation und Klimawandel werden allerdings mehr und mehr zu bedeutsamen Konfliktfaktoren.

Umweltfaktoren und lokale Konflikte

Umweltprobleme beeinträchtigen zwar Weideland und nicht-bewässertes Ackerland im gesamten Sudan, stehen jedoch nur in einer geringen Anzahl von Fällen und Regionen eindeutig und fest mit Konflikten in Verbindung. Belastbare Evidenz für einen starken Zusammenhang von Umweltschäden bei Weideland und nicht-bewässertem Ackerland und lokalen Konflikten jüngeren Datums gibt es für die trockeneren Gegenden.

Die wissenschaftliche Erforschung und Erörterung der Rolle von Ressourcenknappheit als Konfliktursache hat sich im Laufe der letzten 10 Jahre bedeutsam entwickelt. Vor dem Hintergrund der Darfur-Krise ist der Sudan ein herausragendes Beispiel für Bedeutung, Komplexität und Brisanz dieses Themas. Zur Strukturierung der Diskussion wurden die im Zusammenhang von Konflikten um Weideland und nicht-bewässertes Ackerland relevanten Umweltfaktoren von führenden Forschern in diesem Bereich in vier Gruppen eingeteilt: a) Bestand: die verfügbaren Ressourcen als solche beeinflussende Faktoren, b) Bedarf: den Ressourcenbedarf beeinflussende Faktoren, c) Land-Verwendung: die Verfügung über verbleibende Ressourcen beeinflussende Veränderung und d) Institutionelle und Entwicklungsfaktoren. Während alle Umweltfaktoren im engeren Sinn zum Thema Bestand gehören, müssen sie doch in den Kontext von Bedarf und institutionellen Bedingungen gesetzt werden.

Alle Umweltprobleme, die für die Landwirtschaft im Sudan von Bedeutung sind, führen zu einem abnehmenden Ressourcen-Bestand:

Desertifikation, Bodenerosion und Bodenerschöpfung verringern die landwirtschaftliche Produktivität und entziehen das Land auf längere Sicht der landwirtschaftlichen Nutzung.

Waldzerstörung, vor allem in den Trockengebieten, hat zu einem nahezu kontinuierlichen Ressourcenverlust geführt.

Bisheriger Klimawandel hat in einigen Gebieten die Produktivität aufgrund abnehmenden Niederschlags vermindert.

Absehbarer Klimawandel wird aufgrund abnehmenden Niederschlags und zunehmender Niederschlagsvariabilität, insbesondere in der Sahel-Zone, die Produktivität weiter vermindern. Für die am meisten betroffenen Gebiete wird ein Rückgang um 70 Prozent erwartet.

Der Ressourcen-Bedarf nimmt aufgrund eines kontinuierlichen Bevölkerungswachstums ständig zu. Der Sudan hat eine Gesamtwachstumsrate von jährlich 2,6 Prozent, unter der allerdings viel höhere lokale Raten verbergen. Damit einher geht starke Vergrößerung des Viehbestands seit den 1960er Jahren. Man schätzt, dass er zwischen 1961 und 2004 allein in Nord- und Zentral-Sudan um 400 Prozent zugenommen hat.

Land-Verwendung: Die Ausbreitung des Ackerbaus in früheres Weideland oder Waldgebiet über die letzten vier Jahrzehnte ist wohlbekannt. Die Ausbreitung von Regen-Feldbau nach Norden in Randgebiete, die historisch nur zu Weidezwecken verwandt wurden, ist besonders schädlich. Hinzu kommt, dass die Ausbreitung des Ackerbaus die Wanderrouten des Viehs zwischen den weit auseinander liegenden Trocken- und Regenzeit-Weiden versperrt und ebenso die Wege zu den täglichen Wasserstellen. Zudem halten sesshafte Bauern zunehmend ihr eigenes Vieh und sind daher immer weniger bereit, umherziehenden Nomaden Weiderechte einzuräumen.

Die ländlichen Bezirke sind schließlich auch belastet durch eine Kombination problematischer Reform- und Entwicklungsprogramme und durch gesetzgeberische Reformen und mangelhafte Umweltverwaltung. Ein zentrales Problem besteht darin, in einer ethnisch komplexen, mit sesshaften Bauern und Nomaden durchmischten Gesellschaft ein brauchbares gerechtes und stabiles System des bäuerlichen Landbesitzes zu entwickeln und implementieren. Dieses Problem ist im Sudan bisher nicht gelöst. Außerhalb der größeren städtischen Gebiete ist der Sudan weiterhin sehr arm und unterentwickelt. Die Landbevölkerung hat demnach kaum Möglichkeiten, die landwirtschaftlichen Krisen zu bewältigen. Setzt man die verschiedenen Elemente in Beziehung zueinander, ergibt sich ein eindeutiger Trend: Eine signifikante Zunahme des Viehbestands und die gleichzeitige Abnahme des Gesamtweidelands sowie seiner Erreichbarkeit und Qualität. Im Hinblick auf die Umwelt bedeutet das Netto-Ergebnis Überweidung und Landzerstörung, im Hinblick auf die Gesellschaft kontinuierlicher Verlust von Lebensgrundlagen und tief verwurzelte Armut.

Viehhüter-Gesellschaften im Sudan waren infolge unregelmäßigen Niederschlags immer vergleichsweise anfällig für den Verlust ihrer Lebensgrundlagen. Die skizzierte Faktorenkombination hat jedoch viele Viehhüter in eine Negativspirale von Armut, Verdrängung und, im schlimmsten Fall, Gewaltkonflikten getrieben.

Auswirkungen von Konflikten auf die Umwelt

Unter diesem Titel geht es darum, ob und wie sich bewaffnete Konflikte im Sudan negativ oder positiv auf die Umwelt ausgewirkt haben. Hier werden direkte Auswirkungen sowie indirekte Folgen und konfliktbezogene Schlüsselfragen unterschieden. Direkte Auswirkungen ergeben sich unmittelbar und allein aus militärischen Aktionen. Dazu gehören: Landminen und explosionsgefährliche Kriegsrelikte, Angriffszielzerstörungen, Verteidigungsanlagen, gezielte Ressourcenvernichtung. Indirekte und sekundäre Auswirkungen können insgesamt oder in Teilen verlässlich auf Konflikte und die damit verbundene Kriegsökonomie zurückgeführt werden, ohne direkt daraus hervorzugehen. Dazu gehören: Umweltveränderung im Zusammenhang von Flucht und Vertreibung, Ressourcenplünderung und kriegsökonomische Ressourcenausbeutung, defizitäre Umweltverwaltung und Informationsversorgung, Finanzierungskrisen und Stornierung von Entwicklungs- und Naturschutzprogrammen.

Direkte Auswirkungen

Landminen und explosionsgefährliche Kriegsrelikte stellen ein großes Problem dar. Zweiunddreißig Prozent des Landes gelten als dadurch beeinträchtig, mit Schwerpunkt im Süden. Mindestens 21 der 25 Bundesstaaten dürften betroffen sein. Das wahre Ausmaß des Landminen-Problems ist allerdings unbekannt ist, da bisher noch keine umfassende Untersuchung der Frage durchgeführt wurde. Die Zahl der registrierten und dokumentierten Landminen-Opfer in den letzten 5 Jahren beläuft sich auf 2.200 – wobei es abermals keine systematische Datenerhebung und -überprüfung gibt. Abgesehen von den Opfern beeinträchtigen Landminen seit Jahrzehnten für Mensch und Vieh den Zugang zu ausgedehnten Gebieten in vielen Landesteilen.

In allen Regionen außer den besonders trockenen führte diese eingeschränkte Zugänglichkeit allerdings zu einem relativ ungehinderten Wachstum der Vegetation. Dieser Neubewuchs kann einen günstigen Einfluss auf die betroffenen Gebiete haben und insbesondere auf den Bestand wild lebender Tiere, aber die Vorteile für die Bevölkerung halten sich in der Regel in engen Grenze, da die Ressourcen (wie Wasser, Brennholz, Futter) nicht verfügbar sind.

Beim Thema Angriffszielzerstörungen geht es um Auswirkungen auf die Umwelt infolge militärischer Aktionen gegen bestimmte Ziele, gleichgültig welcher Art. Die physische Umweltzerstörung durch konventionelle Waffen (Bomben, Artilleriegranaten und Mörser) besteht grundsätzlich in Kraterbildung, Beschädigung oder Zerstörung von Gebäuden, Bäumen, Industrieanlagen. Obwohl vom Minenräum-Personal über Kraterbildung im Süd-Sudan berichtet wurde, gibt es keine Hinweise, dass mehr als ein paar Hektar an jedem Austragungsort betroffen sind. Ebenso ist die Zerstörung des Baumbestands durch direkte militärische Aktionen im Vergleich zu anderen Ursachen der Entwaldung vernachlässigbar. Anhaltende Umweltschäden sind auch nicht aufgrund der Zerstörung von Gebäuden zu erwarten, abgesehen von Entwaldung durch Schutterzeugung. Weder die Ölfelder im Süden noch die Pipeline nach Port Sudan wurden jemals so effektiv attackiert, dass bedeutsame Umweltschäden entstanden wären. Das Fehlen militärisch angreifbarer industrieller Ziele hat verhindert, dass irgendeine größere Umweltverschmutzung durch Chemieunfälle entstanden ist.

Verteidigungsanlagen wie Schützengräben- und Bunkersysteme gibt es im gesamten Land offensichtlich nicht, aber das Minenräum-Personal im Süd-Sudan berichtete über begrenzte Verteidigungsanlagen in Außenbezirken belagerter Garnisonsstädte. Gemeinden im Süden haben verlässlich berichtet, dass Regierungsstreitkräfte Bäume aus der Peripherie von Garnisonsstädten beseitigt haben, um Angreifern keine Deckung zu lassen.

Durch Berichte von NGOs und der AU-Mission im Sudan sind in Darfur gezielte Angriffe auf mit natürlichen Ressourcen in Verbindung stehende Infrastruktur wie ländliche Wasserpumpanlagen gut belegt. Von Lokalbevölkerungen in Darfur wird auch über zahlreiche Fälle gezielter Ressourcenzerstörung bei Milizüberfällen berichtet. Vor allem geht es dabei um den Baumbestand, Ernten und Viehweiden. Ernten und Viehweiden werden niedergebrannt, Bäume abgeholzt. Mangels statistischer Daten auf der Basis von Felduntersuchungen lässt sich die Tragweite dieses Phänomens kaum einschätzen.

Indirekte und sekundäre Auswirkungen

Nach den getöteten und verletzten Zivilisten sind Flucht und Vertreibung die bedeutendste Konfliktfolge für die Bevölkerung. Man schätzt, dass bis zum Zeitpunkt der Erhebungen für den vorliegenden Bericht fünf Millionen (das sind 7 bis 12 Prozent der vermutlichen Gesamtbevölkerung) vertrieben wurden und weniger als eine Million zurückgekehrt sind. Die Zahl steigt aufgrund des anhaltenden Konflikts in Darfur. Die meisten Vertriebenen kommen aus ländlichen Gegenden und zogen in Lager in den Außenbezirken von Ortschaften und Städten, über zwei Millionen in die Hauptstadt Khartum.

Zu den ernsten und komplexen Auswirkungen auf die Umwelt gehören:

Entwaldung in Lagerbereichen;

Zerstörung der Vegetation in Lagerbereichen;

nicht-nachhaltiger Grundwasserentnahme in den Lager;

Wasserverschmutzung in Lagerbereichen;

unkontrolliertes Wachstum der städtischen Elendsviertel;

Entwicklung einer Fürsorge-Ökonomie (die den lokalen Bedarf an natürlichen Ressourcen verschlimmern kann);

Neubildung von Brachland und Unkrautflächen;

rückkehr- und wiederaufbaubedingte Entwaldung.

Nicht jede Umsiedlung im Sudan ist allerdings konfliktbedingt; Dürre und ökonomische Faktoren tragen in großem Ausmaß ebenfalls dazu bei.

Unter Ressourcenplünderung und -ausbeutung versteht man die unkontrollierte und vielfach illegale Entnahme von Naturschätzen, die zu Zeiten ausgedehnter Konflikte zu beobachten ist. Die Ressourcen unterliegen dann Beeinträchtigungen und begünstigen zugleich die Aufrechterhaltung des Konflikts. Im Sudan sind die fraglichen Ressourcen Nutzholz (Bauholz und Holzkohle), Elfenbein und Wildfleisch. Obwohl Öl ein im Sudan umstrittener Bodenschatz ist, kann es hier unberücksichtigt bleiben, weil es keine Belege für unkontrollierte, geheime oder illegale Förderung gibt.

Zur Plünderung von Nutzholz kam es im Nord-Süd-Konflikt auf beiden Seiten. Die bedeutsamsten Entnahmen betrafen hochwertiges Nutzholz im Süden und Brennholz zur Holzkohlegewinnung in den Nuba-Bergen. Die Elefantenpopulation im Süd-Sudan wurde während des Nord-Süd-Konflikts dezimiert. Obwohl das Elfenbein sehr wahrscheinlich großteils nach Khartum, dem Zentrum der Elfenbeinschnitzerei in der gesamten Gegend, befördert wurde, gibt es keine verlässliche Information über die Hauptakteure der Elefanten-Wilderei und des Elfenbeintransports. Bemerkenswerterweise war Rhinozeroshorn zwar während der frühen Konfliktphasen ein Ziel von Wilderei im Süd-Sudan, der Handel damit wurde aber eingestellt, als die Auslöschung des Nashorns in der Region bevorstand. UNEP fand keine Belege für einen ausgedehnten kommerziellen Handel mit Wildfleisch; Einheimische im Süd-Sudan berichteten allerdings, beide Parteien hätten ihre Streitkräfte mit Wildfleisch ernährt, so dass die größeren essbaren Säugetiere wie Büffel, Giraffen, Zebras und Antilopen in bestimmten Gebieten eines großen Teils von Süd-Sudan ausgelöscht sind. Alles in allem gab es ohne Zweifel Plünderung natürlicher Ressourcen, die zu gravierenden Schäden führte. Die Unterzeichnung des CPA hat das Ausmaß solcher Aktivitäten verringert. Gleichwohl bleibt Ressourcenplünderung ein Problem in Darfur und in gewissem Maße auch in den Nuba-Bergen.

Konfliktzonen leiden in der Regel unter dem Fehlen einer stabilen Amtsgewalt und unter nur beschränkter Beachtung rechtlicher Regelungen. Das bedeutet vollkommenes Fehlen von Umweltschutz und Straflosigkeit für alle – ob Militär oder andere –, die Naturschätze unkontrolliert entnehmen oder verarbeiten oder die Umwelt anderweitig schädigen. Konfliktzonen sind zudem für gewöhnlich unzugänglich für wissenschaftliche Datenerhebungen. Im Sudan war der Umweltwissenschaft der Zugang zu mehr als der Hälfte des Landes über zwei Jahrzehnte wegen konflikt-bezogener Sicherheitsbeschränkungen verwehrt. Infolgedessen ist der tatsächliche Zustand umweltbasierter Ressourcen unbekannt oder Gegenstand von bloßen Vermutungen. Rationales Entscheiden zum Zweck der Ressourcen-Bewirtschaftung und des Ressourcen-Schutzes ist demnach nur begrenzt möglich.

Ausgedehnte und gravierende Konflikte kanalisieren schließlich den Fluss nationaler Mittel und können zur Isolation auf internationaler Ebene führen. Der jahrzehntelange Krieg im Sudan hat dazu beigetragen, dass das Land eins der ärmsten Länder geblieben ist. Politische Streitfragen haben auch den Fluss weltweit verfügbaren Wissens und internationaler Unterstützung eingeschränkt. Umweltschutz und nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen wurden infolgedessen seit der Unabhängigkeit nicht priorisiert. Und selbst wenn sie berücksichtigt wurden, wurden sie im Allgemeinen nicht hinreichend finanziert, um ein positiven Wandel herbeizuführen. Die finanzielle Belastung durch die effektiv ununterbrochene Kriegführung und die daraus resultierende Armut ist mit eine der Hauptursachen für die herrschende Umweltmisere im Sudan.

Schlussfolgerungen und Empfehlungen

Die Konflikt-Umwelt-Beziehungen im Sudan sind zweifältig. Einerseits hat die lange Konfliktgeschichte des Landes bedeutsame Auswirkungen auf die Umwelt gehabt. Zu den gravierendsten gehören bis heute die indirekten Auswirkungen über Flucht und Vertreibung, konflikt-bezogene Ressourcen-Ausbeutung und fehlende Investitionen in nachhaltige Entwicklung. Anderseits trugen und tragen Umweltfragen zur Konfliktentstehung bei. Konkurrenz um Öl- und Gasreserven, Nil-Wasser und Nutzholz sowie Landnutzungsfragen sind wichtige Faktoren für Ausbruch und Fortdauer von Konflikten. Auseinandersetzungen um Weideland und nicht-bewässertes Ackerland in den trockeneren Landesteilen exemplifizieren besonders eindrucksvoll die Verbindung zwischen Ressourcenknappheit und Gewaltkonflikten. Umweltaspekte sind allerdings durchgehend verwoben mit zahlreichen anderen sozialen, politischen und ökonomischen Faktoren.

Nach der UNEP-Analyse besteht im Darfur-Konflikt eine sehr starke Verbindung zwischen Landdegradation, Wüstenbildung und Konflikt. Nord-Darfur – wo ein exponentielles Bevölkerungswachstum und eine entsprechende Umweltbelastung die Voraussetzungen dafür darstellen, dass Konflikte durch politische, tribale und ethnische Differenzen hervorgerufen und in Gang gehalten werden – kann als tragisches Beispiel für sozialen Zusammenbruch infolge eines ökologisches Zusammenbruchs gelten. Anhaltender Frieden in dieser Region ist nur möglich, wenn die zugrundeliegenden und in enger Beziehung dazu stehenden Umwelt- und Lebensunterhaltprobleme gelöst werden.

Die Analyse der Konflikt-Umwelt-Verbindung im Sudan war bisher weitgehend auf akademische Kreise beschränkt. Nur USAID hat ausdrücklich Peacebuilding in sein umweltpolitisches Programm in Süd-Sudan integriert.3 Diese Diskussion muss so erweitert werden, dass Zentral-Regierung und Vereinte Nationen einbezogen sind. Im Besonderen müssen Internationale Peacekeeping-Initiativen und Aufbau-Organisationen wie AMIS (African Union Mission to Sudan) und UNMIS (United Nations Mission to Sudan) diese Thematik berücksichtigen.

Über die politischen Lösungen hinaus sind dringend praktische Maßnahmen zur Verminderung der Konkurrenz um natürliche Ressourcen erforderlich, um aktuelle Konflikte einzudämmen und dem ländlichen Raum in Darfur eine realistische langfristige Entwicklungsperspektive zu geben. Im übrigen Sudan sollten die Anstrengungen auf klar erkannte Umwelt-Schwachstellen konzentriert werden, d.h. auf spezifische Probleme, die den Konflikt erneut auslösen könnten. Zu den bedeutendsten Schwachstellen dieser Art gehören die ökologischen Auswirkungen der Öl-Industrie, aber auch der Holzkohle-Industrie in Zentral-Sudan, die Elfenbein-Wilderei und die Entwicklung einer Nutzholz-Mafia in Süd-Sudan. Mögliche Maßnahmen schließen agrarpolitische Reformen ein, die Entwicklung einer Nutzholzindustrie und eine Stärkung der Umweltverwaltung. Solche Maßnahmen sollten als grundlegende Investitionen in Konflikt-Prävention und -Lösung gelten und nicht nur als Umweltschutzprojekte.

Anmerkungen (Red.)

1) United Nations Environmental Programme (UNEP) (Ed.) (2007): Sudan – Post-Conflict Environmental Assessment. Nairobi, Kenya. URL: http://www.unep.org/sudan

2) Der Jonglei-Kanal ist ein seit 1974 in Bau befindlicher Kanal am Weißen Nil. Er soll schließlich sich über 360 km erstrecken und die Städte Bur und Malakal verbinden. Aufgrund des Bürgerkriegs ist der Bau jedoch ins Stocken geraten und bis dato (2009) erst zu 70% fertig gestellt.

3) United States Agency for International Development (USAID): US-amerikanische Behörde für internationale Entwicklung – koordiniert die gesamten Aktivitäten der Vereinigten Staaten im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit.

Das Umweltprogramm der UNO (UNEP) wurde 1972 als »Stimme der Umwelt« bei den Vereinten Nationen ins Leben gerufen. Hauptssitz: Nairobi, Kenia.

Übersetzung und Bearbeitung: Albert Fuchs

NATO First – UNO ade!?

NATO First – UNO ade!?

von Alexander Neu

Im Frühjahr 2009 wird die NATO ihr 60. Jubiläumsfeier im deutsch-französischen Grenzgebiet feiern. Für den Frieden in der Welt ist das kein Grund zum Feiern: 60 Jahre NATO heißen Kalter Krieg, atomare und konventionelle Aufrüstung, Wettrüsten, Stellvertreterkriege, Blockbildung auch nach dem Kalten Krieg gegen Russland und China, imperialer Angriffskrieg und Zerschlagung Jugoslawiens, militärische Besatzungen (ehemaliges Jugoslawien und Afghanistan), die Abwicklung der UNO und OSZE. Die NATO ist wahrlich keine zivilisatorische Errungenschaft. Sie ist und bleibt eine Militärmaschinerie, die tut, was sie kann: Krieg führen und die Androhung desselben als Mittel der Politik.

Eine »Neue Weltordnung« unter US-amerikanischer Führung forderte der damalige US-Präsident George H. W. Bush am 11. September 1990 noch während der Auflösungsperiode des Ostblocks. Zu diesem Zeitpunkt wurde eine neue Epoche, die bis heute herrschende monopolare Weltordnung eingeläutet. Den Vereinten Nationen (UNO) wurde dabei eine mitwirkende Zukunft vorausgesagt. Endlich, so der Tenor, könne die UNO ihre Aufgabe als System gegenseitiger kollektiver Sicherheit wahrnehmen, da sie nicht mehr oder zumindest nicht mehr so häufig durch den »Missbrauch« des Vetorechts, gemeint war die UdSSR, blockiert werde.

Diese Zukunftsperspektive der UNO wurde allerdings auf die Funktion begrenzt, den USA hinsichtlich der Umsetzung ihrer »Neuen Weltordnung« als legitimationsstiftendes Hilfsorgan zu assistieren.1 Tatsächlich ging der Gebrauch des Vetos durch das am Boden liegende Russland der Jelzin-Ära zunächst zurück: Irak/Kuwait 1990/91, Somalia 1992 und Jugoslawien 1991-1995 – alle diese Konflikte wurden im Rahmen von durch die USA oder Großbritannien eingebrachten UNO-Sicherheitsratsresolutionen behandelt, die militärische Interventionen des Westens (entweder durch die NATO oder durch einzelne NATO-Staaten) beinhalteten oder eigenmächtige Resolutionsinterpretation (beispielsweise »Flugverbotszonen« im Irak) zur Folge hatten. Dabei stießen sie im Gegensatz zu den Zeiten des Kalten Krieges auf keinen Widerstand durch die UdSSR/Russland oder China. Die Schwäche Russlands und die noch bescheidene Stärke Chinas ermöglichten es den westlichen UNO-Sicherheitsratsmitgliedern in den 1990er Jahren, ihre »nationalen Interessen« durch eine von ihnen dominierte UNO absegnen zu lassen. Unter Anwendung dieses vordergründigen Multilateralismus wurden westliche, zuvörderst US-amerikanische Interessen, als Willen der »Internationalen Gemeinschaft« der Weltöffentlichkeit verkauft. Erst im Zuge des Konfliktes in und mit der Bundesrepublik Jugoslawien 1998/1999 begann Russland wieder schrittweise eine eigene Außenpolitik aufzubauen und verhinderte, wenn auch nicht den NATO-Angriffskrieg auf die BR Jugoslawien selbst, so aber zumindest seine scheinbare völkerrechtliche Absegnung. Ähnlich verhielt es sich mit dem US-Angriffskrieg auf den Irak im Jahre 2003 – auch hier konnten die USA trotz erheblicher Nötigung gegenüber dem UNO-Sicherheitsrat, dessen ständige Mitglieder Frankreich, Russland und China nicht bewegen, dem imperialen Krieg ein scheinvölkerrechtliches Feigenblatt zu verleihen. Dies änderte jedoch nichts an der NATO- bzw. US-Terminologie, es handele sich bei beiden militärischen Maßnahmen um den Willen der Internationalen Gemeinschaft – gänzlich unbeeindruckt von der Tatsache, dass der Wille zum Angriffskrieg lediglich ein Wille der US-geführten NATO (Jugoslawien1999) und der US-geführten »Koalition der Willigen« (Irak 2003) gewesen ist.

Diese einleitend aufgezeigte reale Entwicklung oder Abwicklung der UNO unter den Bedingungen einer monopolaren Weltordnung, bei der die einzige Supermacht mit mehr oder minder großer Unterstützung von Vasallenstaaten (NATO-Verbündete und »Koalition der Willigen«) eine neue, eine US-amerikanische Weltordnung installieren will, weicht gefährlich von den eigentlichen und friedenspolitisch erforderlichen Pflichten, Aufgaben und Aufgabenverteilung zwischen der UNO als System gegenseitiger kollektiver Sicherheit und ihren Mitgliedsstaaten sowie anderen regionalen Regierungsorganisationen wie der NATO als Verteidigungsbündnis ab. Im Folgenden soll die eigentliche Funktion der UNO als Sicherheitskollektiv, die der NATO als Verteidigungskollektiv sowie die realen Entwicklungen skizziert werden. Abschließend wird auf den aktuellen Stand der Diskussion und das gefährliche Wunschdenken über die künftige Gestaltung internationaler Politik aus Sicht US-amerikanischer Politikeliten eingegangen.

UNO – Das globale System gegenseitiger kollektiver Sicherheit

Die UNO wurde als institutionalisiertes Interaktions- und Konfliktregulierungsforum gegründet, um der Staatenanarchie und der ihr inhärenten Tendenz zu Kriegen ein Ende zu bereiten: „Wir, die Völker der Vereinten Nationen – Fest entschlossen, künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat (…)2 Die Akzeptanz der UNO-Mitgliedsstaaten – die Schrecken des Zweiten Weltkrieges noch klar vor Augen, wie die Präambel der UNO-Charta unterstreicht –, das ius ad bellum als Angriffsvariante an den UNO-Sicherheitsrat zu delegieren – ihm also das Gewaltmonopol treuhänderisch zu überantworten (Art. 24 UNO-Charta) und somit für die Sicherheit der Mitgliedsstaaten auch unter Zuhilfenahme militärischer Mittel Sorge zu tragen (Art. 42 – 47 UNO-Charta) – sollte eine neue, auf die Friedensverpflichtung angelegte Epoche des Völkerrechts und somit eine qualitative Veränderung der internationalen Politik bedeuten. Doch die zunächst vielversprechende Gründung der UNO mit ihrer weitreichenden Kompetenz als Kollektiv gegenseitiger Sicherheit mit global wirkendem Gewaltmonopol wurde von Anfang an überschattet durch machtpolitische Erwägungen. Diese machtpolitischen Momente fanden selbst in der UNO-Charta ihren Niederschlag und schaden der UNO bis heute eher als sie ihr nutzen, da sie die rechtlich-normativ sicherheitspolitisch zentrale Relevanz der UNO durch mangelnde politische und materielle Unterfütterung aufweichen:

Bereits bei der Gründung der UNO wurde deutlich, dass die UNO-Gründerstaaten – entgegen ihrer ausdrücklichen Verpflichtung (Artikel 43-47 UNO-Charta) – keine Bereitschaft zeigten – und diese bis dato nicht an den Tag legen –, der UNO eigene militärische Kapazitäten zur Verfügung zu stellen, um diese zu befähigen, ihre Aufgabe der Gewährung kollektiver Sicherheit gerecht werden zu können. Um dennoch der UNO den Anschein eines global wirksamen Sicherheitskollektivs zu verleihen, wurden zwei Ersatzklauseln (Art. 48 und Art. 53 Abs. 1) formuliert, die es dem UNO-Sicherheitsrat erlauben, einzelne Staaten oder regionale Einrichtungen mit deren Einverständnis „unter seiner Autorität in Anspruch“ zu nehmen.

Die Gründerstaaten traten zwar das ius ad bellum in der Angriffsvariante an die UNO ab, behielten sich allerdings dessen Verteidigungsvarianten vor. Das „naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung“ wurde Bestandteil der UNO-Charta (Art. 51). Zwar soll dieser Norm in der Logik eines funktionierenden Sicherheitskollektivs nur eine rückversichernde und somit substituierende Qualität für den Fall zukommen, dass die UNO nicht fähig oder willens ist, einem angegriffenen Staat zur Hilfe zu eilen und seine Sicherheit wiederherzustellen. Jedoch ließen die realpolitischen Momente des Kalten Krieges, die damit einhergehende Institutionalisierung zweier sich gegenüberstehender kollektiver Verteidigungsbündnisse (Warschauer-Pakt und NATO) sowie die sich gegenseitig blockierenden Supermächte im UNO-Sicherheitsrat, der UNO keinen Freiraum, um tatsächlich kollektive Sicherheit materialisieren zu können. Vor diesem Hintergrund ist die eigentlich nur als Rückversicherung gedachte Norm des „naturgegebenen Rechts zur Selbstverteidigung“ in der politischen Realität zur vorrangigen Norm aufgestiegen.

Mit beiden Rechtsnormen und der Wirkkraft der politischen Praxis wurde im Prinzip der Sinn der UNO als global wirkendes Sicherheitskollektiv ad absurdum geführt. Obschon es von Beginn an deutlich war, dass in dem staatenzentrierten internationalen System die UNO keine eigenständige Akteursqualität erhalten würde, sondern ihre Handlungsfähigkeit immer nur durch die sie tragenden Staaten herleiten konnte und kann, widerspricht dieser Status als Exekutivorgan aus normativer und struktureller Perspektive nicht der Möglichkeit, sie zur Gewährung kollektiver Sicherheit zu befähigen. Dass die UNO aber derart an der kurzen Leine geführt wird, ist der politischen Motivation der Staaten geschuldet, deren visionäre Kraft trotz der Erfahrungen des zweiten Weltkrieges eben nicht über die Ebene eines bloß staatenzentrierten Weltbildes hinausreicht. Das Festhalten an einem derartigen Weltbild indiziert den bloß instrumentellen Charakter der UNO vor allem für die Großmächte. Bezeichnenderweise wurde im Entwurf des Weißbuchs der deutschen Bundesregierung im Jahre 2006 die Funktion der UNO wie folgt formuliert: „Die einzigartige Bedeutung der Vereinten Nationen besteht darin, einen notwendig werdenden Einsatz militärischer Gewalt mit der völkerrechtlichen Legitimität zu versehen.“ 3

NATO – Ein Verteidigungsbündnis mit weltweiter Berufung

Die NATO ihrerseits stellte ursprünglich und gemäß ihrem Statut, dem Nordatlantikvertrag, ein institutionalisiertes Verteidigungskollektiv dar, dessen Zweck (Präambel & Art. 5) ausschließlich die gemeinsame bündnisterritoriale Abwehr potentieller Angriffe durch Drittstaaten gewesen ist. Nach dem Ende der bipolaren Weltordnung „drohte die NATO allerdings Opfer ihres eigenen Erfolges“ zu werden, wie allenthalben den sicherheitspolitischen Diskursen der transatlantischen Fangemeinde zu entnehmen war. Diese neue Situation beförderte die NATO samt umfassendem Mitarbeiterapparat in Brüssel jedoch in eine Identitätskrise. Anstatt sich mangels verteidigungspolitischer Notwendigkeiten aufzulösen, drängte und drängt die hochgerüstete Militärmaschinerie nach neuen Aufgaben, jenseits der klassischen Landes- und Bündnisverteidigung, um dem transatlantischen Bündnis eine neue sinnstiftende Identität zu verleihen. Hierbei erfreut sie sich der tatkräftigen Unterstützung einer nach wie vor den außen- und sicherheitspolitischen Diskurs dominierenden transatlantisch orientierten und ergebenen politischen Elite.

Noch 1991 verabschiedete sie zunächst das neue »Strategische Konzept«, um sich der Notwendigkeit ihrer Fortexistenz zu versichern. Darin artikulierte sie bereits ein neues diffuses Bedrohungsszenario wie „Terrorismus“, „Waffenproliferation“ oder die „Unterbrechung des Flusses vitaler Ressourcen“, welches den künftigen Aktionsradius jenseits der bisherigen Territorialverteidigung schon erahnen ließ.4

Die NATO empfahl sich der UNO als militärischer Arm (gemäß Art. 53 Abs. 1 UNO-Charta) in den Bürgerkriegswirren des auseinanderfallenden Jugoslawiens. Schon bald manifestierte sich aber ein mangelnder Unterordnungswillen des Bündnisses unter das globale Sicherheitskollektiv UNO und die faktische Übernahme bzw. Ablösung der UNO-Blauhelmmission ab 1994/95 durch eigenmächtiges NATO-Handeln.5

Im April 1999 verabschiedete die NATO ein »Neues Strategisches Konzept«. Darin wurde die „Autorität“ des UNO-Sicherheitsrates bei der Ausführung militärischer Operationen geltend gemacht.6 Allerdings rückte man mit weiteren Erklärungen diese „Autorität“ in einen breiten Interpretationsansatz: Das Bündnis werde „bei der Erfüllung seines Ziels und seiner grundlegenden Sicherheitsaufgaben (…) die friedliche Beilegung von Streitigkeiten in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen anstreben“.7 Die Wortwahl „anstreben“ bedeutet jedoch keine definitive Unterordnung, sondern lediglich, »wenn möglich mit, wenn nötig ohne UNO«, womit die Gültigkeit des UNO-Gewaltmonopols fortan den Opportunitätserwägungen der US-geführten NATO untergeordnet wurde.

Auch eine weitere Formulierung, die zwar sehr eng an die UN-Charta Art. 24 Abs. 1 angelehnt ist, zielt auf eine Relativierung des UNO-Gewaltmonopols zu Gunsten der NATO: Das »Strategische Konzept« erwähnt eine „primäre Verantwortung“ statt eine „Hauptverantwortung“ (Art. 24 Abs. 1 UN-Charta) der UNO für die „Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit“.8 Ein Differenzierungsversuch beider Begriffe mag zunächst ein wenig theoretisch und irrelevant wirken. Betrachtet man indes den realpolitischen Kontext, dass nämlich das »Strategische Konzept« exakt zu jenem Zeitpunkt verabschiedet wurde, als die NATO Jugoslawien ohne UNO-Segen bombardierte, so gewinnt die Interpretation der Formulierung „primäre Verantwortung“ doch an Konturen: Sie wird als eine Art Reserveverantwortung der NATO für die Wahrung kollektiver Sicherheit für den Fall interpretiert, dass die UNO ihre Funktion gemäß den Erwartungen des Westens nicht gerecht wird – sprich die Verabschiedung entsprechender UNO-Sicherheitsratsresolutionen, die sämtlichen interessengeleiteten Vorhaben der NATO ein völkerrechtliches Deckmäntelchen verleihen. Dabei darf natürlich nicht übersehen werden, dass die Ignoranz gegenüber dem Völkerrecht und der UNO kein Privileg der die NATO dominierenden USA ist. Auch die europäischen Staaten zeichnen sich immer stärker durch einen eklatanten Völkerrechtsnihilismus aus – sei es innerhalb der NATO oder der EU.

Die in Art. 24 UN-Charta gewählte Formulierung der „Hauptverantwortung“ bedeutet hingegen nicht, dass den Staaten eine Reserveverantwortung für die Wahrung der kollektiven Sicherheit dergestalt zugewiesen wird, dass diese im Falle einer Handlungsblockade des UNO-Sicherheitsrats per Veto die Verantwortung und das Handeln der UNO eigenmächtig substituieren dürften. Der Vetomechanismus ist nicht bloß eine fixe Idee gewesen, damit die Russen die USA »ärgern« können (und umgekehrt). Das Veto-Instrument hatte während der Ost-West Konfrontation eine mächtebalancierende Funktion und hat unter der derzeitigen weltpolitischen Konstellation zumindest die Funktion, westlicher Gewaltpolitik nicht auch noch permanent eine scheinbare völkerrechtliche Legitimität zu verleihen. Die Interpretation einer zulässigen Reserveverantwortung für einzelne Staaten oder regionalen Organisationen erschließt sich definitiv nicht aus dem Kontext der UN-Charta, da dies das Veto-Instrument im Besonderen und das UNO-System im Allgemeinen noch mehr als bislang – wie bereits oben ausgeführt – ad absurdum führte. Zwar wird die Regelung sicherheitspolitischer Probleme gemäß Art. 52 UN-Charta auch subsidiären Strukturen eingeräumt, jedoch nur unter explizitem Ausschluss militärischer Maßnahmen (Art. 53 UN-Charta).

Insgesamt verweisen sowohl das »Neue Strategische Konzept« als auch die politische Praxis auf eine »Neue NATO«, die sich nicht mehr als klassisches Verteidigungsbündnis unter der Maßgabe eines eng gefassten Verteidigungsbegriffs, der Landes- und Bündnisverteidigung, oder dem geltendem UNO-Völkerrecht untergeordnet verstanden wissen will. Die »Neue NATO« definiert sich über einen geographisch entgrenzten Verteidigungsbegriff und erhebt – unter Beibehaltung des Begriffs „Verteidigungsbündnis“ – im Ergebnis die Allianz zu einem globalen Interventionsbündnis neben und über der UNO ohne völkerrechtliche Legitimation. Dennoch kann es sich die US-geführte NATO derzeit noch nicht leisten, auf das UNO-Völkerrecht zu verzichten und die UNO-Institution komplett zu versenken – zu stabilitätsprojizierend ist das geltende Völkerrecht immer noch und das auch im Sinne der NATO. Sie wird auf absehbare Zeit nicht befähigt sein, ihre imperialen Weltordnungsvorstellungen auch durch eigene allgemeinverbindliche Rechtsnormen den übrigen Staaten aufzunötigen, um damit einen repressiven Ordnungsrahmen zu schaffen. Irak und Afghanistan zeigen die Möglichkeiten und Grenzen imperialer Gewaltpolitik auf. Des Weiteren sind erste Anzeichen einer gegenläufigen Tendenz, nämlich einer beginnenden Erosion der monopolaren Weltordnung durch die Herausbildung neuer Kraftzentren, den so genannten BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China), zu beobachten, die am UNO-Völkerrecht festhalten wollen.9 Der russisch-georgische Krieg im August 2008 ist – neben dem unmittelbaren Anlass des Konflikts: der Überfall Georgiens auf Südossetien – auch im Kontext der sich verschiebenden Machtverteilung hin zu einem multipolaren Koordinatensystem zu interpretieren: Russland hat unter Anwendung militärischer Mittel dem westlichen Expansionsdrang erstmals die Grenzen aufgezeigt. Angesichts dieser Entwicklungstendenz einer sich langfristig abzeichnenden Multipolarisierung der internationalen Politik einerseits, jedoch der mittelfristigen Aufrechterhaltung der globalen Hegemonialstellung der NATO andererseits, wird der instrumentelle Umgang der NATO mit der UNO gemäß der Formel, wenn möglich mit, wenn nötig ohne UNO auf absehbare Zeit das bestimmende Muster westlicher Machtordnungspolitik – auch unter einer US-Administration Obama – bleiben. Noch sind die BRIC-Staaten zu schwach, um die NATO-Staaten zur Einhaltung des Völkerrechts zu zwingen.

NATO auf der Suche nach neuer Legitimationsquelle

Vor dem Hintergrund des Auflösungsprozesses der monopolaren Weltordnung, der damit einhergehenden Erfordernis der Einbindung weiterer Vasallen über den euro-atlantischen Raum hinaus, um den sich anbahnenden Multipolarisierungsprozess aufzufangen, zumindest aber zu verlangsamen sowie die mangelnden Legitimationsgrundlagen für militärische Machtprojektionen aufgrund fehlender UNO-Sicherheitsresolutionen vor Augen, wird in der politischen Klasse der USA ein neues »multilaterales« Projekt in verschiedenen Facetten und unter diversen Titeln wie »Bund der Demokratien«, »Liga der Demokratien« oder »Konzert der Demokratien« unter Führung der Mutter aller Demokratien diskutiert.10

Alle diese Bezeichnungen verdeutlichen, dass es sich im Kern um eine Assoziation (»Bund«, »Liga«), mindestens aber Kooperation (»Konzert«) von demokratisch verfassten Staaten gemäß westlichem Verständnis handeln soll. Die Assoziations- oder Kooperationsebene soll über den euro-atlantischen Raum hinausgehen, d.h. auch »demokratische Staaten« einbinden, die nicht Mitglied der transatlantischen Militärallianz sind, und parallel zur UNO wirken oder sie gar ersetzen. Das Ziel ist es, eine alternative Legitimationsquelle für westliche Interventionen militärischer und nicht-militärischer Art zu formen. Die legitimatorische Herleitung einer »notwendigen Intervention« soll nicht mehr den Charakter einer moralischen Legitimation hinsichtlich eines verwerflichen Zustandes oder Prozesses (beispielweise angeblicher Völkermord oder Terrorismus) oder eine völkerrechtlich-institutionelle Legitimation (Zustimmung des UNO-Sicherheitsrates oder der Mehrheit der UNO-Generalversammlung) besitzen, da sie argumentionsaufwändig und unzuverlässig sind. Vielmehr soll es sich um eine permanente moralische Legitimationsquelle, sozusagen um eine institutionalisierte Moral, handeln, die sich aus der demokratischen Verfasstheit der Staaten ableitet.11 Der dahinterstehende Gedanke greift auf die politische Ideenlehre des Liberalismus zurück, wonach demokratisch verfasste Herrschaftssysteme über moralische Legitimität verfügten, hingegen nicht-demokratisch verfasste Herrschaftssysteme keine innere Legitimität für sich ableiten könnten – somit autoritäre und diktatorische Regime folgerichtig auch keine internationale Legitimität geltend machen könnten, da ihnen die innere, die demokratische Legitimation fehle.

Dieser theoretische Ansatz ist nicht neu, sondern stellt eine Neuauflage der Rechtsfigur des »bellum iustum« (»Gerechter Krieg«) in der Tradition des mittelalterlichen Theologen Thomas von Aquin dar. Aquin formulierte drei Kriterien für die Rechtmäßigkeit der Kriegsführung: Das Vorhandensein eines »legitimen Herrschers« (autoritas principis), einer »rechten Absicht« (recta intentio) und eines »gerechten Grundes« (iusta causa).

Der »Bund der Demokratien« oder ähnliche zwischenstaatliche Assoziationsformen stellt sich in seinem Selbstverständnis bzw. im Verständnis seiner Protagonisten als weltweit einzigartig legitime Herrschaftsinstanz im Gegensatz zu den illegitimen, weil autoritären Staaten dar. Die »rechte Absicht« hinsichtlich der Führung militärischer und nicht-militärischer Interventionen leitet sich kontinuierlich aus der moralischen Legitimität als Demokratien ab, da demokratische Staaten per se keine bösen Absichten hegen. Den »gerechten Grund« für Interventionen gegen nicht-legitime Staaten, liefern diese ebenfalls per se, da sie undemokratisch verfasst sind.

Es bleibt festzuhalten, dass eine erfolgreiche Umsetzung eines solchen binären – in seinem Wesen »demokratisch«-imperialistischen – Projektes zur Gestaltung der internationalen Politik die internationale Staatengemeinschaft erneut in eine gefährliche Bipolarität zwischen vermeintlichen »good guys« (demokratische Staaten gemäß westlichem Verständnis) und ebenso vermeintlichen »bad guys« (autoritäre Staaten gemäß westlichem Verständnis) spalten würde.12

Die Institutionalisierung eines so ambitionierten imperialen Projekts ist allerdings angesichts der Interessenheterogenität allein innerhalb der »demokratischen Staatenwelt« auch langfristig eher unwahrscheinlich. Näherliegend ist die Herausbildung einer »Koalition der Willigen« unter Leitung der US-geführten NATO, deren Formalisierungsgrad nur unwesentlich über der Qualität einer ad hoc-Koalition stehen wird. Für die UNO bedeutet dies auch weiterhin nichts Gutes, sie wird ihr instrumentelles Nischendasein auf absehbare Zeit fortführen.

Anmerkungen

1) Woit, Ernst: Kolonialkriege für eine »Neue Weltordnung«, http://www.sicherheitspolitik-dss.de/autoren/woit/ap6402ew.htm [download 26. Juli 2008].

2) Präambel der Charta der Vereinten Nationen.

3) Weißbuch – Entwurf – http://www.geopowers.com/Machte/Deutschland/doc_ger/vorl._WB_2006.pdf, S.35. [download 14. August 2006].

4) The Alliance’s New Strategic Concept, Rom 1991, http://www.nato.int/docu/basictxt/b911108a.htm.

5) Nassauer, Otfried u.a. (1994): NATO, Peacekeeping, and the United Nations, http://www.bits.de/ [download 26.Juli 2008].

6) »Das Strategische Konzept des Bündnisses« (1999). Washington: Absatz 31.

7) Ebd.: Absatz 11.

8) Ebd.: Absatz 15.

9) UNO aus russischer Sicht von zentraler Bedeutung, http://de.rian.ru/world/2000715/114026768.html [download 24. Juli 2008].

10) Rudolf, Peter: Ein Bund der Demokratien: Amerikas neuer globaler Multilateralismus?, SWP-Aktuell, Berlin, April 2008.

11) Paech, Norman: Auf Bush folgt der demokratische Imperialismus, in: Freitag 27, 04.07.2008.

12) Kagan, Robert: Russland und China betrachten den Westen als feindlich, Interview in: SpiegelOnline, 16. Juli 2008, http://www.spiegel.de/kultur/literatur/0,1518,druck-566165,00.html.

Dr. Alexander Neu ist Politologe, Referent für Sicherheitspolitik der Bundestagsfraktion »Die Linke« und freier Journalist. Seit 2006 ist er Mitglied der W&F-Redaktion.

Editorial

Editorial

von Paul Schäfer

Ja, es ist ein Ärgernis, dass sich Diktatoren und Menschenrechtsverletzer hinter dem Gebot der Nichteinmischung verschanzen. Die Begrenzung innerstaatlicher Souveränität durch internationale Strukturbildung ist längerfristig ein vernünftiges Projekt. Dazu gehören die Stärkung der Vereinten Nationen und der OSZE wie der Ausbau internationale Gerichtsbarkeit. Auf der Grundlage größtmöglicher Legitimation – und das heißt auch ungeteilter Moral – kann über Einmischungen geredet werden. Auch über peacekeeping-Einsätze, wenn Völkermord droht. Sonst nicht.

Der für Kriegsfragen zuständige Minister in Bonn hat in diesen Tagen ausgeführt, wie sehr es ihn damals betroffen gemacht habe, dass man nicht habe helfen können, 1980 beim Arbeiteraufstand in Danzig und Stettin. Oder 1968 beim Einmarsch der Warschauer Pakt-Staaten in Prag. Dies sei nunmehr anders geworden. Man könne den betroffenen Menschen helfen. Wie wir sehen, schließt diese »Hilfe« Angriffskriege ein. Was für eine Nothilfe, die das Elend der Hilfebedürftigen vervielfacht!

Mir fallen andere Beispiele ein: Was war mit Hilfe 1973 beim Militärputsch in Chile? Hat man nicht die Putschgeneräle und Henker von Montevideo bis Santiago in den siebziger Jahren nicht nur gewähren lassen, sondern sie erst an die Macht gebracht? Man habe »Fehler« gemacht, hat die US-Außenministerin eingeräumt. Würde heute eine vom Volk gewählte Allende-Regierung in Ruhe gelassen oder gar großzügig mit Wirtschaftshilfen bedacht? Wahrscheinlicher ist, dass Minister Scharping mit seinem US-amerikanischen Amtskollegen die ersten Krisengespräche aufgenommen hätte.

„Wir müssen dafür sorgen, dass Milosevic wegkommt“, sagt der Vertreter der Grünen in einer Diskussionsrunde. Wer ist »Wir«? Wir Grüne? Wir Deutsche? Wir NATO? Was ist mit dem serbischen Volk?

„Die Pinochets dieser Welt sollen künftig zittern“, rief ein Redner unter starkem Beifall auf dem Kosovo-Parteitag der Grünen aus. Bravo!

Die Liste der Staaten, die die Menschenrechte verletzen ist, ist lang (auch die USA sind dort vertreten). Man geht von weltweit über 20 Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen aus. Anlässe für »humanitäre Interventionen« gibt es wahrlich genug. Und doch kann einem angesichts der in Mode gekommenen moralisierenden Rhetorik eingreifender Außenpolitik angst und bange werden. Da darf in Talkshows ungeniert über die Ermordung eines dreimal gewählten Staatsoberhauptes räsoniert werden. Da werden Überlegungen angebracht, wie man das serbische Volk umerziehen müsse, damit es endlich am Tisch der Zivilisierten Platz nehmen dürfe. Da fließt der Begriff »Protektoratslösung« wieder flott von den Lippen. Würde dieser moralische Rigorismus Programm, stünde ein Totalitarismus des Guten ins Haus, in dessen Konsequenz die Heilsbringer den Bösewichtern immer ähnlicher werden.

Und ob es den jeweils Beteiligten bewusst ist oder nicht: Die Grundlage der humaninterventionistischen Gestaltungsphantasien bildet die Übermacht der westlichen Allianz; eine Macht, die sich nicht zuletzt auf ihre überlegene High-Tech-Militärmaschinerie stützt. Sollen wir zukünftig gutgläubig dem Militärblock der Starken und Reichen vertrauen, wenn es um die uneigennützige Verteidigung der Moral gehen soll?

Seitdem Präsident Bush 1991 die Neue Weltordnung ausrief, ist es Mode geworden, der Einmischung in »innere Angelegenheiten« das Wort zu reden. „Wir laufen in eine Phase hinein, in der die Souveränität eines Landes in Frage getellt wird“,so der Staatssekretär im Auswärtigen Amt Ischinger. Er fügt zur Selbstberuhigung hinzu, dass man nicht in das Stadium der Willkür übergehen dürfe. Doch die Definitionsmacht über die Grenzen bzw. Nichtgrenzen haben alleine diejenigen, die qua eigener Machtfülle die Einschränkung der Souveränität exekutieren können.

So gesehen ist der Angriffskrieg der NATO gegen Jugoslawien tatsächlich ein Präzedenzfall. Das Recht zum Kriege (ius ad bellum) wird wieder in die Hände souveräner Nationalstaaten zurückgelegt, die sich erlauben können, die Souveränität anderer Länder zu verletzen. Interveniert wird selektiv. Die Türkei als strategischer Partner innerhalb der NATO wird gehätschelt, Serbien als Störfaktor abgestraft.

Der Münchener Soziologe Ulrich Beck hat es exakt herausgearbeitet: „Im Zuge der neuen westlichen Politik ethischer und wirtschaftlicher Globalisierung werden die Souveränitätsrechte der nationalstaatlichen Moderne entkernt und dem Zugriff »globaler Verantwortung« geöffnet. Gerade weil das weltweite Einklagen von Grundrechten hoch legitim ist und entsprechende Interventionen, wie im Kosovo, als selbstlos gelten, bleibt oft unerkannt, dass sie sich deswegen auf das wundervollste verzahnen lassen mit den altmodischen Zielen imperialistischer Weltpolitik.“

Paul Schäfer

Das Absägen einer Vision

Das Absägen einer Vision

Zum Verhältnis zwischen USA und UN

von Alice Slater • Christopher McCavitt

Als der Zweite Weltkrieg sich dem Ende näherte, bildete Präsident Franklin Roosevelt eine Sonderarbeitsgruppe, die die Grundlagen für eine internationale Organisation als Priorität amerikanischer Nachkriegspolitik legen sollte. Roosevelt und sein Nachfolger Harry Truman mobilisierten die ganze Breite amerikanischen Einflusses für dieses Projekt, und 1945 wurden in San Francisco die Vereinten Nationen (UN) mit der Erwartung gegründet, daß unter ihrem Dach die Nationen gemeinsam für eine gerechte und friedvolle Welt auf der Grundlage der zuerst in der amerikanischen Verfassung verkündeten und jetzt in die UN-Charta eingebrachten universellen Werte zusammenarbeiten sollten. Die Unterstützung der USA für die UN markierte eine dramatische Wende in der US-Politik, weil die USA damit ihre vorherige isolationistische Politik aufgaben. Ausschlaggebend für diese Wende waren die Erfahrung des Krieges sowie die Überzeugung, daß das Kriegsende den alliierten Mächten eine geschichtliche Chance zur Neugestaltung der Welt eröffnet hatte.

Tragischerweise kam der Kalte Krieg dazwischen, und US-Politiker verloren die visionären Ziele der UN aus dem Blickfeld. Die Organisation, durchsetzt mit den Idealen der Menschlichkeit, wurde in vieler Hinsicht auf eine Bühne diplomatischer Konfliktaustragung reduziert. Obwohl die UN weiterhin durch ihre verschiedenen wirtschaftlichen und sozialen Unterorganisationen funktionieren konnte und herausragende Leistungen wie die Ausrottung der Pocken durch die Weltgesundheitsorganisation und weltweite Unterstützung für das Ende der Apartheid erreichte, verblaßte der Traum eines dauerhaften Weltfriedens, der bei ihrer Entstehung im Mittelpunkt gestanden hatte.

Nach dem Fall der Berliner Mauer und der Auflösung der Sowjetunion finden sich die USA wieder allein als die dominierende Nation auf dem Globus, und eine neue Generation amerikanischer Politiker sieht sich vor die Herausforderung einer in Bewegung geratenen Welt gestellt. Wie bei ihren Vorgängern 50 Jahre zuvor suggerieren ihre Reden ehrgeizige Pläne für die UN. Eine erweitere Rolle für eine zu einem gewichtigen Faktor in den internationalen Beziehungen erneuerte UN ist Präsident Clintons erklärtes Ziel seit seinem Wahlkampf 1992. Doch in der Praxis stellt sich heute die Frage, ob wieder eine Gelegenheit ausgelassen wird. Letztlich wird die Politik eines Staates von seinen Handlungen bestimmt und nicht von Worten. Und hier muß gesagt werden, daß die USA vom Nichtbezahlen ihrer Schulden bei der UN über die Steuerung der UN-Reform bis hin zur Neubestimmung der Rolle der UN ihrer Rolle nicht gerecht geworden sind.

Die Zahlungskrise

Die Clinton-Administration kann mit Recht sagen, daß die UN-Finanzkrise nicht ihre Schuld ist. Die gegenwärtigen Beitragsaußenstände der USA haben ihre Wurzeln in den späten 70er Jahren, als die politische Rechte in den USA, mißtrauisch gegenüber dem Einfluß der Dritte-Welt Staaten auf den UN-Haushalt, die US-Beitragszahlungen zu kritisieren begann. Insbesondere die Reagan-Ära war eine schwierige Zeit, weil die Administration in einer Reihe von Fällen Beitragszahlungen zurückhielt, um die UN zum Einlenken auf US-Positionen zu bewegen.

Abgesehen von diesem geschichtlichen Erbe, vernachlässigen die USA auch heute noch ihre finanziellen Verpflichtungen. Präsident Clinton hatte im Wahlkampf versprochen, eine Lösung der Zahlungskrise zu finden, aber bis zu diesem Tag sind die USA größter Schuldner der UN mit Außenständen von ca. 900 Millionen US-Dollar. Gegenwärtig gibt es im Ausschuß für internationale Beziehungen des Repräsentantenhauses zwar keine konkreten Pläne zur Anwendung der Resolution 934, aber das Gesetz, das Zahlungen an die UN verbietet, bis angebliche Zuvielzahlungen den USA gutgeschrieben werden, existiert weiter. Es besteht die Möglichkeit, daß dieses Gesetz auch in der Zukunft als Druckmittel gegen die UN benutzt wird.

Einen Großteil der Verantwortung an der Zahlungskrise trägt sicherlich der uneinsichtige US-Kongreß, aber Schuld liegt auch bei der Regierung, die in diesem Bereich generell nicht bereit ist, sich für die UN einzusetzen. Dabei stellen die US-Schulden bei der UN, verglichen mit dem Haushalt der USA, nur eine verschwindend geringe Summe dar. Der jährliche Beitragsanteil der US am UN-Budget ist sogar noch geringer, er beträgt lediglich 312 Millionen US-Dollar. Das gesamte UN-Budget ist mit einer Höhe von 1,2 Milliarden US-Dollar geringer als der Haushalt der New Yorker Feuerwehr. 4

Das Scheitern der Reform

Die Handlungsfähigkeit der UN ist von der finanziellen Krise ernsthaft bedroht. Die UN mußte sich von Peacekeeping-Konten Geld leihen, um ihre regulären Ausgaben decken zu können. Sie konnte deshalb die Kosten von Peacekeeping-Operationen den beteiligten Ländern nicht zurückerstatten. Der gegenwärtige Haushalt zwingt die UN, mit 252 Millionen US-Dollar weniger zu arbeiten als ihr im vergangenen Zweijahreszyklus zur Verfügung standen.

Der steigende Bedarf an UN-Missionen, insbesondere im Bereich des Peacekeeping, hat die Situation noch verschlimmert. Aber die UN-Krise geht weit über den praktischen / finanziellen Bereich hinaus. 1995 erklärte der damalige UN-Generalsekretär Boutros-Ghali in seiner Eröffnungsansprache vor der Generalversammlung, daß die Finanzmisere nur das Symptom eines viel ernsthafteren Problems sei: „Mitgliedsstaaten sehen die UN einfach nicht als Priorität an.“1

Obwohl Meinungsumfragen in den USA regelmäßig große Mehrheiten für ein Lösen der internationalen Probleme durch die UN ergeben, behält die isolationistische Fraktion im Kongreß einen unverhältnismäßigen Einfluß auf die Haushaltsplanung und streicht Mittel für die Zurückzahlung der US-Schulden. Der Historiker Arthur Schlesinger argumentiert, daß das Verhältnis zwischen USA und UN an einem Wiedererstarken des tiefverwurzelten Isolationismus leide, der seit der Gründung der USA eine der Determinanten der US-Außenpolitik gewesen sei. Weil die derzeitigen Bewohner des Weißen Hauses nicht bereit sind, in die Bresche zu springen, ist es den amerikanischen Gegnern der UN gelungen, die Eckpunkte der Auseinandersetzung abzustecken. So ist zur Streitfrage geworden, ob die USA überhaupt Beiträge an die UN zahlen sollen, und wenn ja, um wieviel der US-Anteil gekürzt werden soll. Weiterreichende Fragen nach der Reform der UN und nach der Entwicklung eines neuen strategischen Konzepts für das nächste Jahrhundert wurden und werden unterdrückt.

In vieler Hinsicht ist der Mangel an Visionen bloß ein weiterer Ausdruck der Unfähigkeit amerikanischer Politiker, die Dynamik des Umbruchs, der sich gegenwärtig in der Welt vollzieht, nachzuvollziehen oder dazu Position zu beziehen. Unglücklicherweise scheint es nicht, als ob die Geschichte auf sie warten wollte. Beunruhigende Entwicklungen, besonders das Zunehmen von Bürgerkriegen und aggressivem Nationalismus, bedrohen die internationale Stabilität. Diese Probleme erfordern globale Lösungen, die nur von einer aufgewerteten UN erwartet werden können.

Mit dem Scheitern von Boutros Boutros-Ghalis »Agenda für den Frieden«-Reforminitiative wurde die Chance auf eine wirkliche Reform der UN vertan. Das Programm von Boutros-Ghali war ein ernstzunehmender und vorwärtsdenkender Versuch, die UN am Aufbau einer neuen Weltordnung zu beteiligen. Das Ende des Kalten Krieges nutzend und der Gründungsvision der UN folgend, meldete es den Anspruch der UN auf eine führende Rolle in der zukünftigen Sicherheitspolitik an. Es versuchte, einen Rahmen zu finden, in dem sich die beiden potentiell destruktiven Prozesse der Globalisierung und Fragmentierung konfrontieren ließen.

Traurigerweise spielte es auch in die Hände der Republikaner. Boutros-Ghalis Überlegungen, z.B. über die Notwendigkeit einer stehenden UN-Armee und über die abnehmende Rolle des Nationalstaats in der internationalen Politik wurden als Beweis ausgelegt, daß die Vereinten Nationen unter seiner Führung außer Kontrolle geraten seien. In einem Beitrag für die einflußreiche Zeitschrift Foreign Affairs ging Jesse Helms, Republikanischer Senator aus North-Carolina, so weit zu behaupten, daß sich „zur Jahrtausendwende der Virus der Zentralisierung global ausbreitet, und die UN ist ihr Träger.2

In diesem Fall unterließ es die Clinton-Administration nicht nur, sich der Republikanischen Demagogie als wirkungsvolles Gegengewicht entgegen zu stellen, sie setzte sich sogar 1996 vehement gegen eine zweite Amtszeit von Boutros-Ghali ein. Davon ausgehend, daß Boutros-Ghali in den Augen der US-Öffentlichkeit über die Grenzen des Erlaubten hinausgegangen war, ließ sie ihn zugunsten des annehmbareren und nachgiebigeren Koffi Annan fallen.

Annans eigene Reformpläne, enthusiastisch von den USA und den anderen westlichen Staaten begrüßt, sind bis jetzt sehr viel bescheidener geblieben. Das Programm, das Maßnahmen zu Haushalt, Organisation und Management der UN beinhaltet und das wichtigere Fragen wie die Reform des Sicherheitsrates aufschiebt, mag helfen, die Arbeitsweise der UN zu »begradigen« und die Effizienz der Organisation zu steigern, aber in seiner Summe ähnelt es mehr der Verkleinerung eines Unternehmens als einer institutionellen Erneuerung. In vielen Fällen stellen sich die Maßnahmen lediglich als kosmetisches Herumgeschiebe von Abteilungen und als Umbenennungen heraus. Anscheinend sind sie schon mit den Forderungen der wirtschaftsorientierten Republikanischen Rechten im Hinterkopf ersonnen worden. Und sie helfen Präsident Clinton, sich in seiner Lieblingsrolle als »Reformer« darzustellen, ohne freilich dabei ein Risiko einzugehen.

Unnötig zu sagen, daß diese Kombination aus Drücken vor Verantwortlichkeit und Unbeholfenheit nicht wenig Zorn in den Reihen der Generalversammlung ausgelöst hat. Das zeigt sich auch an der jetzt stattfindenden Debatte über den Plan, eine neue Abteilung für Abrüstung und Rüstungskontrolle einzurichten, die das Center für Abrüstungsangelegenheiten ersetzen soll. Offenbar sollte die Reorganisation eine Struktur schaffen, die der wachsenden Besorgnis der Mitgliedsstaaten über die gegenwärtige Abrüstungspolitik besser Rechnung tragen kann. Aber der Plan ist Gegenstand einer bürokratischen Schlacht geworden, die die Länder außerhalb des westlichen Blocks gegen die USA aufgebracht hat. Teilweise stammt die Unzufriedenheit der ersteren daher, daß das Reformpaket als nicht verhandelbare Einheit präsentiert wurde, aber es geht auch um Sachfragen. Wesentlicher Bestandteil der neuen Abteilung ist ein einseitiger Fokus auf Non-Proliferation, es fehlt eine Erklärung, die die atomare Abrüstung als das wichtigste Thema der Abrüstungsbemühungen der Vereinten Nationen hervorhebt. Dieser Ansatz begünstigt eindeutig die diskriminierende Unterscheidung des Non-Proliferation-Treaty, der zwar atomare Abrüstung verspricht, aber bis jetzt noch zu keiner wirklichen Bewegung des »nuklearen Clubs« in diese Richtung geführt hat. Es gibt heute weltweit 40.000 Atomwaffen, Zehntausende mehr als 1970, als das Versprechen gemacht wurde, sie abzuschaffen. Die Großmachttaktik der USA, die sich an ihr Atomwaffenarsenal klammert und die nicht bereit ist, darüber zu diskutieren, wie dieses unrühmliche Kapitel des Kalten Krieges beendet werden kann, kommt kaum verhohlen in Annans umstrittenen Vorschlag zum Ausdruck.

Eine neue Weltordnung – ohne die UN

Obwohl viele der Fehler im Umgang der USA mit der UN entweder auf Schwäche oder auf Inkompetenz zurückzuführen sind, sind auch nationale Interessen von Belang. Es gibt zwar über die zukünftige Rolle der USA in der Welt keinen allgemein anerkannten Konsens innerhalb der politischen Klasse der USA, aber es läßt sich der alarmierende Trend feststellen, US-Hegemonie anzustreben und unter dem Deckmantel »einzig verbliebene Supermacht« gewaltige Militärprojekte wie zu Zeiten des Kalten Krieges in Auftrag zu geben. Währenddessen wird die Rolle der Vereinten Nationen, der einzigen global akzeptierten Institution, die internationale Konflikten vermeiden und lösen kann, untergraben.

Diese Haltung der USA spiegelt sich in der Größe des UN-Peacekeeping-Budgets wieder. Obwohl es seit 1988 über 30 Peacekeeping-Operationen gegeben hat (einige von ihnen sehr erfolgreich), sind die bereitgestellten Mittel gemessen am Bedarf verschwindend gering. 1996 beliefen sich die Peacekeeping-Ausgaben auf gerade mal 1,6 Milliarden US-Dollar – bei einem US-Verteidigungshaushalt von 268 Milliarden US-Dollar. Die Peacekeeping-Fähigkeiten der UN bleiben ernsthaft unterentwickelt. Die UN befinden sich in einem Teufelskreislauf, in dem das Ausbleiben von Beitragszahlungen das Zurückgreifen auf Peacekeeping-Gelder nach sich zieht, was wiederum zur Folge hat, daß Mitgliedsstaaten nicht für ihre Peacekeeping-Ausgaben entschädigt werden können und diese Staaten sich dann unvermeidlich bei zukünftigen Peacekeeping-Aktionen zurückhalten werden.

Eine Wiederholung von tragischen Fiaskos, wie kürzlich in der Zentralafrikanischen Republik, wo der Westen wegsah, als Hunderttausende abgeschlachtet wurden, wird ohne finanziell abgesicherte UN Peacekeeping-Einsätze schwer zu vermeiden sein. Einige afrikanische Staaten haben den Versuch gemacht, ein eigenes Peacekeeping-Kontingent aufzustellen, aber fehlende Mittel und Interessengegensätze schmälern die Wirksamkeit dieses Unternehmens.

Die andere Seite der Meinungsverschiedenheiten zwischen UN und USA betrifft Gebiete, in denen die USA ihre Vorherrschaft nicht aufgeben wollen. In Europa zum Beispiel verhindern die USA die Bildung einer effektiven Sicherheitsorganisation, sei es unter dem Dach der UN oder anderweitig, denn solche Entwicklungen würden den Einfluß der NATO, in der die USA eine führende Rolle spielen, vermindern.

Wieder könnte die Politik der USA desaströse Folgen haben. Die kürzlich auf US-Betreiben gefallene Entscheidung, mit der Erweiterung der NATO zu beginnen, hat bereits tiefsitzendes Mißtrauen in Rußland erzeugt. Die Duma sträubt sich gegen die Ratifizierung des START<0> <>II-Vertrags, so daß weitere Reduzierungen der gewaltigen Atomwaffenarsenale aus der Zeit des Kalten Krieges blockiert sind. Das Versprechen von nuklearer Abrüstung, mit so vielen Hoffnungen beladen, mündet in einer Sackgasse.

Zusammenfassung

Nach dem Ende des Kalten Krieges ist die Politik der USA gegenüber der UN bislang kurzsichtig gewesen und hat die großen Hoffnungen auf Weltfrieden und Wohlstand betrogen. Trotz der überwältigenden Unterstützung der US-Bürger (83% sagen, daß die USA ein »aktives Mitglied« der UN sein sollten, und eine Mehrheit glaubt, daß die USA mehr Geld an die UN zahlen sollten)3, haben die, die es besser wissen müßten, isolationistischen Kräften erlaubt, die Kontrolle über die Debatte zu gewinnen anstatt die Bürger zu mobilisieren. Das Fenster der Gelegenheit, die Gründungsvision der UN endlich zu verwirklichen, könnte sich schnell wieder schließen. Wenn die USA in dieser Situation nicht Führungsstärke zeigen und die Chance ungenutzt vorbeigehen lassen, wird die jetzige Generation amerikanischer Politiker sehr viel ungünstiger von der Geschichte beurteilt werden als die Generation von 1945, die die UN als eine Institution gründeten, die die höchsten Hoffnungen der Menschheit verwirklichen sollte.

Alice Slater ist Präsidentin des Global Resource Action Center for the Environment (GRACE), ein Gründungsmitglied des Abolition 2000 Networks für die Abschaffung von Atomwaffen; Christopher McCavitt ist Kommunikationsdirektor von GRACE.

Anmerkungen

1) Rede von Generalsekretär Boutros Boutros-Ghali anläßlich der Eröffnung der UN-Generalversammlung am 22. Oktober 1995 Zurück

2) Foreign Affairs, Oktober-September 1996, V75:5 Zurück

3) Crisis and Reform in United Nations Financing, UNA-USA Report, 1992, p.2 Zurück

Übersetzung aus dem Englischen: Lutz Hager

Kein spektakulärer Erfolg, aber Spannungen reduziert

Kein spektakulärer Erfolg, aber Spannungen reduziert

Die OSZE in der Republik Moldova

von Stefan Troebst

Die sich mit der politischen Wende von 1989 von der »Konferenz« zur »Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa« wandelnde KSZE/OSZE hat sich seitdem verstärkt den neu aufbrechenden Mehrheiten-Minderheiten-Konflikten in Osteuropa zugewandt. Stefan Troebst schildert die Instrumentarien und Bemühungen, Erfolge und Enttäuschungen, Möglichkeiten und Grenzen des internationalen Engagements zur Verhütung bzw. Beilegung dieser Konflikte am Beispiel der OSZE-Mission in Moldova.

Bei den Bemühungen der KSZE/ OSZE um eine Entschärfung ethnopolitischen Konfliktpotentials in der Osthälfte Europas kommen auf unterschiedlichen Ebenen unterschiedliche Vorgehensweisen zur Anwendung. Im Bereich der Normsetzung auf zwischen- und binnenstaatlicher Ebene versucht die KSZE/OSZE, mit politischen Mitteln einer Durchsetzung minderheitenrechtlicher Mindeststandards den Weg zu ebnen. Im Rahmen ihrer ständigen Gremien sowie spezieller Foren ist die KSZE/OSZE bestrebt, latente wie akute interethnische Konflikte in den Mitgliedsstaaten sowie deren Nachbarländern öffentlich zu verhandeln sowie nach Möglichkeit einvernehmliche Regelungen herbeizuführen. Mit dem Amt eines Hochkommissars für Nationale Minderheiten hat die KSZE/OSZE 1992 ein bislang einzigartiges politisches Instrument eigens zur konfliktmindernden Intervention in interethnischen Spannungslagen geschaffen. Das Mandat des Hochkommissars beinhaltet weitreichende Vollmachten. Ebenfalls operativ, jedoch permanent vor Ort tätig, ist das Dutzend von Langzeitmissionen, das die KSZE/OSZE seit dem Sommer 1992 in zahlreiche, von ethnopolitischer Hochspannung gekennzeichnete Staaten und Regionen Osteuropas entsandt hat. (Die von langer Gewalttradition gekennzeichneten Mehrheiten-Minderheiten-Konflikte in Westeuropa – Ulster, Baskenland, Korsika – und in Zypern sind für die KSZE/OSZE und ihr Instrumentarium zur Konfliktminderung bislang noch tabu.) Die Mandate der Missionen variieren stark gemäß örtlichen Konfliktlagen. Sie reichen von bloßer Beobachtung zu Frühwarnzwecken über präventive bzw. nachsorgende Diplomatie und Vermittlungsangebote bis zur friedlichen Konfliktbeilegung.

Zusätzlich zu diesen Hauptaufgaben sollen die Missionen aus KSZE/OSZE-Sicht folgende Funktionen erfüllen:

  • als Ombudsmann für Gekränkte fungieren, Annahmestelle sein, wenn Konfliktparteien ihre Beschwerden über diejenigen, die örtlich oder landesweit die Macht ausüben, loswerden wollen,
  • <~>als die politischen Antennen der KSZE fungieren, die das leiseste Beben eines drohenden politischen Umsturzes oder einer militärischen Konfrontation registrieren,
  • <~>als Mittelsmann beim Herstellen von Kontakten zwischen den betroffenen Parteien sowie als Berater in verschiedenen Angelegenheiten wirken,
  • <~>Vermittler sein, die Konfliktparteien von den Vorteilen, dem Rahmen und den Details einer auf dem Verhandlungswege erreichten Konfliktregelung überzeugen. (Ugglas, 1994).

Mittlerweile liegen etliche Beschreibungen und Analysen zu Aufgabenstellung und Aktionsformen der KSZE/OSZE-Missionen in den ethnopolitischen Brennpunkten Osteuropas vor (vgl. Troebst 1997). Ihnen kann man entnehmen, daß die sehr hohen Erwartungen, die mit der Entsendung der ersten Missionen 1992/93 nach Serbien, Makedonien, Estland und Moldova verknüpft wurden, aus unterschiedlichen Gründen nicht zur Gänze erfüllt wurden. Aber auch die pessimistischen Prognosen, mit der seinerzeit diese Unternehmungen begleitet wurden, haben sich nicht bewahrheitet. Einen spektakulären Erfolg hat die KSZE/OSZE in keinem der ethnopolitischen Brennpunkte im Osten Europas vorzuweisen, doch ist gleichzeitig nirgendwo, wo eine ihrer Langzeitmissionen vor Ort ist, ein ethnischer Konflikt ausgebrochen oder weiter eskaliert.

Kein spektakulärer Erfolg der OSZE, doch ist gleichzeitig nirgendwo, wo eine ihrer Langzeitmissionen vor Ort ist, ein ethnischer Konflikt ausgebrochen oder weiter eskaliert.

Ganz besonders gut läßt sich dieses ambivalente Ergebnis anhand der Moldova-Mission demonstrieren: Hier zeichnet sich im Konflikt zwischen der Zentralregierung in der Hauptstadt Chisianau und der transnistrischen separatistischen Führung in Tiraspol auf dem östlichen Dnjestr-Ufer eine Lösung ab, die nicht zuletzt durch die Ko-Vermittlung der KSZE/OSZE-Mission in Moldova herbeigeführt wurde; aber gleichzeitig läßt der eben dadurch in greifbare Nähe gerückte entscheidende Durchbruch seit nunmehr drei Jahren auf sich warten.

Das Moldova-Engagement der KSZE/OSZE geht zurück auf das Frühjahr 1992, als die Spannungen zwischen der moldauischen Republiksführung und der selbsternannten Transnistrischen Moldavischen Republik« immer gewalttätigere Formen annahmen (vgl. Büscher, 1996). Eine Fact-finding-Mission der KSZE kam zu alarmierenden Ergebnissen (Rotfeld, 1994), was wiederum den Konfliktverhütungsmechanismus dieser internationalen Organisation auslöste. Sonderlich gut geölt war dieser Mechanismus damals noch nicht, so daß der Gang der Ereignisse, namentlich die militärische Eskalation im Dnjestr-Tal im Juni 1992, den noch im Beratungsstadium befindlichen Wiener Areopag der Diplomaten gleichsam überrollte. Erst nachdem die in Transnistrien stationierte 14. Rußländische Armee unter Generalleutnant Aleksandr Lebed im Juli den Konflikt mit Waffengewalt eingefroren hatte, konnte die KSZE wieder tätig werden. Am 4. Februar 1993 beschloß ihr »Ausschuß Hoher Beamter« (heute: »Hoher Rat«) die Entsendung einer achtköpfigen Langzeitmission nach Chisinau, Tiraspol und in den rechtsufrigen, aber von Transnistrien kontrollierten Spannungsschwerpunkt Bendery/Tighina. Am 25. April traf die aus Diplomaten, Militärs und Regionalfachleuten bestehende zivile »CSCE Mission to Moldova« in ihrer Einsatzregion ein.

Das bis heute gültige und formal unveränderte Mandat der Mission lautet in der durch die KSZE autorisierten deutschen Übersetzung wie folgt: „Die Mission (verfolgt) das Ziel, das Zustandekommen einer dauerhaften und umfassenden politischen Lösung des Konflikts … in all seinen Aspekten auf der Grundlage der KSZE-Prinzipien und -Verpflichtungen zu erleichtern…

Zu diesem Zweck wird die Mission …

  • den Konfliktparteien bei der Weiterführung von Verhandlungen über eine dauerhafte politische Lösung des Konflikts, der Festigung der Unabhängigkeit und Souveränität der Republik Moldau begleitet von einem Übereinkommen über einen Sonderstatus für die Region jenseits des Dnjestr behilflich sein,
  • <~>Informationen über die Lage in der Region, einschließlich der militärischen Situation, einholen und weitergeben, konkrete Zwischenfälle untersuchen und deren politische Auswirkungen beurteilen,
  • <~>die betroffenen Teilnehmerstaaten zur Weiterführung von Verhandlungen über ein Abkommen betreffend den Status und den ehestmöglichen geordneten und vollständigen Rückzug ausländischer Truppen ermutigen,
  • <~>in Teilaspekten einer politischen Lösung wie etwa der gewissenhaften Einhaltung internationaler Verpflichtungen betreffend Menschen- und Minderheitenrechte, dem demokratischen Wandel, der Rückführung von Flüchtlingen, der Festlegung eines Sonderstatus für die Region jenseits des Dnjestr Ratschläge erteilen und ihr Fachwissen einbringen sowie den Rahmen für anderweitige Beiträge bieten,
  • <~>in der Region für eine sichtbare KSZE-Präsenz sorgen und Kontakte zu allen Konfliktparteien, zu örtlichen Behörden und zur örtlichen Bevölkerung herstellen“. (Wiener AHB-Gruppe, 1993).

OSZE-Mandat setzt drei Schwerpunkte: Konfliktregelung, Truppenabzug, Menschenrechte und demokratische Reforme<14>n

Der Kölner Politologe und Osteuropafachmann Klemens Büscher hat die Möglichkeiten und Grenzen des OSZE-Konfliktmanagements in Moldova aufgrund dieses Mandates folgendermaßen interpretiert: „Inhaltlich setzt das Mandat drei Schwerpunkte: die Regelung des Transnistrienkonflikts, die Verhandlungen über den Abzug der russischen 14. Armee (auch wenn diese nicht explizit erwähnt wird) sowie Fragen der Menschenrechte und der demokratischen Reformen in Moldova. Die Aufgabenstellung hinsichtlich des Truppenabzugs wurde auch nach dem Abschluß des moldauisch-russischen Abkommens über den Rückzug der russischen Truppen (Oktober 1994) nicht modifiziert. Allerdings heißt es im Beschluß des Budapester KSZE-Gipfels vom Dezember 1994, die KSZE wird ‚die Dienste ihrer Mission in Moldova anbieten, um die Durchführung dieses Abkommens durch beide Seiten genau zu verfolgen‘, was einer bedingten Ergänzung des ursprünglichen Mandats nahekommt. Der dritte Schwerpunkt zielt auf die Aspekte der ,menschlichen Dimension`, die im OSZE-Rahmen insbesondere in den Aufgabengebieten des Hochkommissars für Nationale Minderheiten und des Warschauer Büros für Demokratische Institutionen und Menschenrechte (BDIMR) zum Ausdruck kommen. Explizit wird hier die Einhaltung von Verpflichtungen im Bereich der ‚menschlichen Dimension‘ als Bestandteil der Konfliktregelung im konkreten Fall Transnistriens definiert.“ (Büscher, 1995)

Derselbe Autor moniert als eine zentrale Lücke im Mandat, daß „die Mission … zur politischen Beilegung des Konflikts beitragen, nicht jedoch die Konfliktursachen ermitteln oder beseitigen (soll). Die Zurückhaltung in dieser heiklen Frage ist dadurch motiviert, daß die Position eines unabhängigen Vermittlers durch Schuldzuweisungen an die Konfliktparteien, insbesondere an die aktuellen Verhandlungspartner, ernsthaft gefährdet wird. Eine auf Vertrauensbildung und guten Willen beider Seiten basierende Konfliktmediation kann sich kein öffentliches Aufrechnen vergangener und gegenwärtiger Fehlleistungen aller Beteiligten leisten. Hinzu kommt, daß auch aktuelle OSZE-Mitgliedsländer (außer Moldova vor allem Rußland und Rumänien) selbst kein Interesse am Aufdecken ihrer Verantwortung für die Entstehung und Eskalation des Transnistrienkonflikts haben.“ (Büscher, 1995)

K. Büschers Resümee lautet: „Bei der Umsetzung des Mandates durch die bisherigen Missionsleiter und -mitglieder ergaben sich naturgemäß unterschiedliche Schwerpunkte. Dennoch lassen sich fünf Elemente des OSZE-Konfliktmanagements in Moldova zusammenfassen:

  • Mediation bei den Verhandlungen um den Status Transnistrien in Moldova;
  • Diplomatie des Runden Tisches;
  • <~>Aktivitäten im Bereich der ,menschlichen Dimension`;
  • <~>Aufgaben im militärischen Bereich;
  • <~>Information und Berichterstattung.“ (Büscher, 1995)

Wie die Mission seit dem Frühjahr 1993 bestrebt ist, diese fünf Hauptelemente in ihrem Mandat praktisch umzusetzen, geht detailliert aus ihrer informellen Berichttätigkeit und überblicksartig aus einigen Erfahrungsberichten neueren Datums hervor (vgl. Büscher, 1995/Welberts, 1995/Troebst, 1995, 1997/Mark, 1995) Die Zwischenbilanz zum Jahresende 1996 sieht dabei, wie gesagt, teils ermutigend, teils enttäuschend aus:

  • In Sachen Mediation bei den Verhandlungen um den Status Transnistriens innerhalb Moldovas hat die Mission zwei unbestreitbare Erfolge vorzuweisen: Ihr (ausnahmsweise veröffentlichter) Entwurf eines Autonomiestatus (Missionsbericht Nr. 13, 1993) ist nicht zuletzt auf den Druck des zweiten Vermittlers, der Rußländischen Föderation, von Chisinau wie von Tiraspol im Dezember 1993 als Grundlage akzeptiert worden; und am 28. April 1994 kündigten der moldavische Präsident M. Snegur und sein selbsternannter transnistrischer Kollege I. Smirnov in Anwesenheit des KSZE-Missionsleiters die Einsetzung einer gemeinsamen Expertengruppe an, die informelle bilaterale Gespräche über den künftigen Status Transnistriens innerhalb Moldovas aufnehmen sollte. Seit ihrem ersten Treffen am 27. Juli 1994 hat diese Gruppe einschließlich verschiedener Untergruppen zu Bereichen wie Verkehr, Wirtschaft, Währungspolitik und Finanzen in mehr oder weniger größeren Abständen getagt (vgl. Welberts, 1995 und Büscher, 1995) und eine Übereinkunft über Transnistrien als »staatliches Gebilde in Form einer Republik innerhalb der Grenzen Moldovas« erzielt, die am 20. Juni 1996 von M. Snegur und I. Smirnov gebilligt wurde (FAZ, 1996). Jedoch wurde weder dieses Dokument unterzeichnet noch kam es zur Unterzeichnung eines flankierenden moldavisch-rußländisch-ukrainischen Abkommens am 1. Juli (FAZ, 1996b und Ionescu, 1996).

Wohl zur Erleichterung der Hardliner in Tiraspol verschob der damals im Wahlkampf befindliche B. El'cin die Unterzeichnung, gefolgt von einem taktischen Rückzieher seines transnistrischen Kollegen (Rüb, 1996). Die Abwahl des moldavischen Präsidenten am 1. Dezember 1996 und der Sieg seines stark auf die GUS orientierten Rivalen P. Lucinschi haben die Chancen für einen moldavisch-transnistrischen Ausgleich zwar wieder verbessert, doch ist in Tiraspol aus der mit großer Wahrscheinlichkeit manipulierten Präsidenschaftswahl vom 23. Dezember 1996 der Hardliner und Amtsinhaber I. Smirnov mit 71,9 Prozent der Stimmen als Sieger hervorgegangen (Hoischen, 1996b). Die höchst unübersichtliche Machtverteilung in Transnistrien (vgl. Ionescu, 1996b und Büscher, 1996) sowie das aus der katastrophalen wirtschaftlichen Lage resultierende soziale Konfliktpotential dort (vgl. Ionescu, 1996c) machen Prognosen über den Kurs der Führung Transnistriens so gut wie unmöglich. Ob es in absehbarer Zukunft zu einer moldavisch-transnistrischen Übereinkunft kommt, die die Außengrenzen der ehemaligen Sowjetrepublik Moldavien wiederherstellt, muß daher offen bleiben.

Diplomatie des »Runden Tisches« erbrachte gemischte Resultat<16>e

  • Der von der OSZE-Mission stipulierte Versuch des Herbeiführens eines direkten Dialoges zwischen Chisinau und Tiraspol auf mehreren hierarchischen und thematischen Ebenen, also die sogenannte Diplomatie des »Runden Tisches«, hat gleichfalls gemischte Resultate erbracht. Zwar beteiligte sich die transnistrische Führung an einer von der OSZE organisierten Chisinauer Konferenz über Dezentralisierung, Autonomie und Föderalismus im November 1994, doch die angestrebte Einbeziehung breiterer Berufsgruppen in den bilateralen Dialog wurde von Tiraspol torpediert. (vgl. Büscher, 1996) Vor allem der Versuch, die unter der wirtschaftlichen Selbstisolation leidende transnistrische Geschäftswelt in den politischen Diskurs mit einzubeziehen, stieß auf Mißtrauen und Ablehnung seitens I. Smirnovs. Folglich ist es noch immer ausschließlich die separatistische Führungsriege Transnistriens, die OSZE, Moskau und Chisinau als Dialogpartner zur Verfügung steht, und dementsprechend existiert als Grunddilemma fort, daß jeder Dialog eine politische Aufwertung eben dieser Gruppe bewirkt.
  • Was die Aktivitäten im Bereich der »menschlichen Dimension« betrifft, so hat die OSZE-Mission in Moldova Fortschritte, in Transnistrien eindeutig Rückschläge zu verzeichnen (zur Ausgangssituation von 1993-1994 siehe Welberts, 1996): In Moldova hat sich sowohl die Menschenrechtssituation insgesamt wie gerade auch der Stand der Minderheitenrechte positiv verändert. Dies trifft vor allem für die Sprachgesetzgebung, aber auch für den Minderheitenschutz im allgemeinen und für die Lage einzelner Minderheitengruppen zu (Hausleitner, 1995 und Troebst, 1995a). Zum einen hat Chisinau die Europäische Rahmenkonvention zum Schutz von Minderheiten nicht nur unterzeichnet, sondern als einer von ganz wenigen Mitgliedsstaaten des Europarates am 20. November 1996 auch ratifiziert, und zum anderen ist der 1990 aufgebrochene Konflikt mit der militanten Minorität der Gagausen im Süden des Landes mittels eines Status über eine überaus weitreichende Territorialautonomie für Gagausien Ende 1994 erfolgreich und gleichsam im Stillen gelöst worden (vgl. Mark, 1995b und King, 1994). Ganz anders die Lage in Transnistrien, wo ein demokratisch kaum legitimiertes Regime die Bevölkerung insgesamt unter Druck setzt und besonders die Rechte der romanischsprachigen Moldavier verletzt. Der noch zu Sowjetzeiten 1989 erfolgte landesweite Übergang von der Kyrilliza zur Lateinschrift ist von Tiraspol 1992 rückgängig gemacht worden; seitdem sind zahlreiche Schulen geschlossen worden, in denen Moldavisch weiterhin mit lateinischen Buchstaben gelehrt wurde. Massenproteste moldavischer Eltern im Herbst 1994 wurden zwar durch geringfügige Konzessionen beendet, doch ist das Problem keineswegs gelöst. Zugleich ist auch die politische Opposition in Transnistrien Fememaßnahmen des Regimes ausgesetzt, das überdies keine freie Berichterstattung durch Print- oder andere Medien duldet.
  • Fortschritte wurden bezüglich der Aufgaben im militärischen Bereich erzielt, doch ist man auch hier noch weit entfernt von einer erfolgreichen Umsetzung des Mandates (vgl. zu den Ausgangsbedingungen von 1993-1994 Welberts, 1995): Die noch ca. 7.000 Mann starke 14. Rußländische Armee, inzwischen wohl aus kosmetischen Gründen in »Operativgruppe der Bewaffneten Streitkräfte der Rußländischen Föderation« umbenannt, ist weiterhin in Transnistrien stationiert; die Gemeinsame Kontrollkommission über die im Sommer 1992 entlang des Dnjestr-Tals errichtete trilaterale moldavisch-rußländisch-transnistrische Sicherheitszone gewährt der OSZE-Mission auch weiterhin keine uneingeschränkte Teilnahme an ihrer Arbeit; die transnistrische Armee unterhält weiterhin illegale Stütz- und Kontrollpunkte innerhalb der Sicherheitszone; und die aus osmanischer Zeit stammende und weiterhin genutzte Festung im transnistrisch kontrollierten rechtsufrigen Bendery/Tighina, das eine »Zone erhöhter Sicherheit« innerhalb der Sicherheitszone darstellt, ist für die OSZE noch immer unzugänglich.
  • In den Bereichen Information und Berichterstattung hat die KSZE/OSZE-Mission von 1994 an eine insofern größere Breitenwirkung entfaltet, als seitdem die Zweiwochenberichte des Missionsleiters zwar nicht veröffentlicht, aber doch allen interessierten Instanzen in der Einsatzregion zugänglich gemacht werden. Nahezu gänzlich gescheitert ist die Mission indes mit ihrem Ziel, auch die Bevölkerung Transnistriens regelmäßig über ihre Aufgaben und Tätigkeit zu informieren. Die strikte transnistrische Zensur hat dem einen Riegel vorgeschoben.

Insgesamt muß die Zwischenbilanz von knapp vier Jahren KSZE/OSZE-Missionstätigkeit rechts und links des Dnjestr also durchwachsen ausfallen: Vieles, möglicherweise gar deutlich mehr als 1993 mit Fug und Recht zu erwarten war, ist erreicht worden; doch liegt das Endziel, nämlich die abschließende Beilegung des transnistrisch-moldavischen Konflikts, in mehr oder weniger weiter Ferne. Die sämtlich verhalten positiven Resultate, zu denen die drei Verfasser detaillierterer Untersuchungen zur Tätigkeit der »CSCE/OSCE Mission to Moldova« gekommen sind, sind aufgrund ihrer persönlichen Beteiligung an eben dieser Mission nur eingeschränkt aussagekräftig (Welberts, 1995, Büscher, 1995, Troebst, 1995). »Neutrale« Einschätzungen liegen bedauerlicherweise bisher nicht vor.

Nur partiell besser steht es um das Gesamturteil zum Instrument der Langzeitmission an sich. Immerhin ist mittlerweile nicht nur in Diplomatenzirkeln, sondern auch unter Politologen unbestritten, daß die OSZE durch hohe Bodenhaftung und Visibilität vor Ort, durch ungewöhnliche Flexibilität, innovative Methoden sowie moralisches Prestige in zahlreichen Nachfolgestaaten der UdSSR und der SFR Jugoslawien zur Reduzierung interethnischer Spannungen – oder doch zumindest zum Verhindern eines weiteren Anwachsens – beigetragen hat (vgl. OSZE-Jahrbuch, 1995, Lucas, 1993 und Troebst, 1997 sowie als zusätzliches Fallbeispiel Troebst: Präventive Friedenssicherung durch internationale Beobachtermissionen? Das Beispiel der KSZE-Spillover-Monitormission in Makedonien 1992-1993, in: Seewann, 1995). Mehr ist möglicherweise im immer noch starken Kräftefeld des Epochenjahrs 1989 auch gar nicht zu erwarten.

Literatur

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FAZ (1996b): Abkommen über den Status der Dnjestr-Republik. In: FAZ vom 1. Juli 1996, S. 5.

Hatschikjan, Margaditsch A./Peter R. Weilemann, Hrsg.(1995): Nationalismen im Umbruch, Ethnizität, Staat und Politik im neuen Osteuropa, Köln.

Hausleitner, Mariana (1995): Nationalitätenprobleme in der Moldaurepublik und die Beziehungen zu den Nachbarstaaten. In: Hatschikjan (1995), S. 105-121.

Hoischen, Oliver (1996): Weiter im Schatten Rußlands. Auch der nächste Präsident Moldovas bleibt auf enge Beziehungen zu Moskau angewiesen. In: FAZ vom 15. November 1996, S. 16.

Hoischen, Oliver (1996b): Smirnow als Präsident Transnistriens bestätigt. In: FAZ vom 24. Dezember 1996, S. 4.

Ionescu, Dan (1996): Playing the „Dniester Card“ In and After the Russian Elections. In: Transition, vol. 2, no. 17, 23 August 1996, S. 26-28.

Ionescu, Dan (1996b): Lethal Expansion in the Dniester Security Ministry. In: Transition, vol. 2, no. 22, 1 November 1996, S. 6-8.

Ionescu, Dan (1996c): Life in the Dniester „Black Hole“. In: Transition, vol. 2, no. 20, 4 October 1996, S. 12-14.

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Lucas, Michael (Hrsg.) (1993): The CSCE in the 1990s: Constructing European Security and Cooperation. Baden-Baden.

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Mark, Rudolf A. (1995b): Das Gesetz über die besondere Rechtsstellung von Gagausien (Gagauz-Yeri) in der Republik Moldova. In: WGO. Monatshefte für Osteuropäisches Recht 37 , S. 291-306.

Missionsbericht 13 (1993): Doklad No 13 missii SBSE v Moldove (13 nojabrja 1993 g.). In: Makler-Telegraf (Chisinau), Nr. 4 (32), 3. Februar 1994, S. 1 und 3-5.

Rotfeld, Adam Daniel (1994): In Search of a Political Settlement – The case of Conflict in Moldova. In: The Challenge of Preventive Diplomacy. The Experience of the CSCE. Ed. Staffan Carlson. Stockholm, S. 100-137.

Rüb, Matthias (1996): Zu Besuch in der »Schwesterrepublik«. Rumäniens Präsident Iliescu würdigt die Unabhängigkeit Moldovas. In: FAZ vom 8. Juli 1996, S. 5.

Seewann, Gerhard (Hrsg.) (1995): Minderheiten als Konfliktpotential in Ostmittel- und Südosteuropa. Vorträge der Internationalen Konferenz der Südosteuropa-Gesellschaft (München), des Südost-Instituts (München) und des österreichischen Studienzentrums für Frieden und Konfliktlösung (Stadtschlaining, Burgenland) auf Burg Schlaining, 19.-22. Oktober 1993, München 1995, S. 282-331.

Troebst, Stefan (1995): Internationale Vermittlungsbemühungen zwischen Moldova und der selbsternannten »Transnistrischen Moldavischen Republik«. Als KSZE-Diplomat beiderseits des Dnjestr. In: Berliner Osteuropa Info, H. 5, S. 18-22.

Troebst, Stefan (1995a): Die bulgarische Minderheit Moldovas zwischen nationalstaatlichem Zentralismus, gagausischem Autonomismus und transnistrischem Separatismus (1991-1995). In: Südosteuropa 44 , H. 9-10, S. 560-584.

Troebst, Stefan (1997): Dicke Bretter, schwache Bohrer. Die Langzeitmissionen der OSZE. In: Frieden machen. Hrsg. Dieter Senghaas. Frankfurt/M., S. 147-165.

Ugglas, Margareta (1994): Conditions for Successful Preventive Diplomacy. In: The Challenge of Preventive Diplomacy. The Experimence of the CSCE. Ed. Staffan Carlsson. Stockholm, S. 11-32.

Welberts, Rolf, 1995: Der Einsatz der OSZE in der Republik Moldau. In: OSZE-Jahrbuch 1, S. 193-210.

Wiener AHB-Gruppe (1993), Journal Nr. 7, 11. März 93.

Dr. Stefan Troebst ist Privatdozent für Ost- und Südosteuropäische Geschichte an der FU Berlin sowie Gründungsdirektor des »European Centre for Minority Issues« in Flensburg. 1994-1995 war er im Auftrag des Auswärtigen Amtes deutsches Mitglied der CSCE Mission to Moldova.