Die Vision im Eimer – das Projekt geht weiter
Nach fünf Jahren- das SDI Programm am Ende oder auf dem Weg zum „Initial Deployment“?
von Rainer Rilling
I. Zur Bewertung des SDI-Programms
Was SDI sein könnte, hat – gerade die wissenschaftliche – Offentlichkeit von Beginn an fasziniert. Heftig diskutiert wurden die militärischen Optionen, die durch den Aufbau eines Raketenabwehrsystems einst eröffnet werden könnten; die Möglichkeiten ökonomischer Sekundäreffekte (Spin-Off) des Großprojekts spielten – vielleicht bei der Motivation, sicher aber bei der Legitimation -einer bundesdeutschen Beteiligung an dem Vorhaben eine große Rolle. Auch die Kritik des Projekts konzentrierte sich auf die Fragen der technischen (Un-) Möglichkeit. Zur möglichen finanziellen Belastung durch das SDI-Projekt wurden Abschätzungen vorgelegt. Der Bezugspunkt all dieser Diskussionen war in der Regel die von der Regierung vorgebrachte SDI-Programmatik.
Derlei Diskussionen haben natürlich ihren guten Sinn: die Abschätzung von Möglichkeiten ist ein zentraler Bestandteil von Technologiefolgenbewertung. Oft haben sie freilich zwei Eigenheiten: wo es sich über Zukünfte trefflich spekulieren läßt, können die Diskurse endlos sein. Und wo, wie im Falle SDI, Kritiker glauben, die Unmöglichkeit der technischen oder militärischen Realisierbarkeit des Programms nachgewiesen zu haben, verlagert sich das Problem in den politischen Bereich. Gefragt wird nur noch, warum eine Regierung ein nichtrealisierbares Projekt verfolgt.
Beides führt dazu, die Befassung mit der wirklichen Entwicklung zu vernachlässigen -zumal diese oft weit weniger eindeutig ist als die fein elaborierten Modelle möglicher Zukünfte.
Die gegenwärtige, offenbare Beurteilungsunsicherheit in Sachen SDI-Programm hat mit der hier skizzierten Anlage des SDI-Diskurses zu tun, ein Diskurs über Programmatik und bloße Möglichkeiten zu sein. Doch, wie der amerikanische Präsident jüngst (am 13.4.88) sagte: „SDI ist keine Phantasie.“ Der Verlauf dieses Diskurses zeigt aber auch, daß er ganz einfach Bestandteil der allgemeineren Einschätzung des „Reaganismus“ selbst ist.
Nachdem bis 1984 von einem weitreichenden „Realignment“, einer grundlegenden Wende in der Geschichte der USA dieses Jahrhunderts ausgegangen worden war und 1985/6 nur von einer „Krise“ des konservativen Vorhabens die Rede war, mehren sich seit 1987 die Stimmen, die vom „Ende des Reaganismus“ oder gar davon sprechen, daß es ihn als wirkungsvolles, langjährige Trends der Gesellschafts- und Politikentwicklung veränderndes Projekt gar nicht gegeben habe.
Und während Analysen der Rüstungs- und Militärpolitik der USA noch 1985/6 sogar einen Übergang zum Kriegskapitalismus diagnostizierten, wird mittlerweile vom Ende eines „Military Build-Up“ der Regierung R. Reagan gesprochen, das nicht imstande gewesen sei, den seit Anfang der 50er Jahre wirkenden Einflußverlust des Militärsektors aufzuhalten.
Die Bewertung des SDI-Projekts reflektiert diesen allgemeinen Einschätzungswandel, war es doch von Beginn an als – womöglich gar einsame – Idee des Präsidenten verstanden worden, deren Karriere eng und unlösbar mit dem Schicksal der Regierung verbunden sei. Galt SDI 1984/85 als gleichsam unaufhaltbares „Teflon“-Projekt eines „Teflon-“Präsidenten, so wird es heute vielfach als ein Programm dargestellt, das militärisch (umstrittene Zielsetzung), fiskalisch-ökonomisch (Haushaltsdefizit), technisch (geringer Wirkungsgrad) wie (rüstungskontroll-)politisch (ABM; Rücktritt Weinbergers, Perles und Gaffneys; Ablehnung SDl's durch die Demokraten) in einer tiefen Krise stecke. Verfechter wie Kritiker prognostizieren daher, daß mit dem Übergang zu einer neuen Administration entweder das Ende oder die massive Reduzierung des „Lieblings“-Projekts R. Reagans anstehe.
Befördert wird diese Einschätzung durch die mehrfache Herausnahme des SDI-Projekts aus der politischen Öffentlichkeit, seine Entthematisierung: sei's durch die Bundesregierung (die sich zu SDI seit Abschluß des SDI-MoU,mit den USA- also schon fast seit zwei Jahren – kaum noch geäußert hat), sei's durch die sowjetische Regierung, die ihr früheres SDI-Junktim aufgegeben hat.
SDI also: kein Projekt mit Aussicht kein Abrüstungshindernis, kein Thema für; die Friedensbewegung?
II. „Initial deployment“
Bekanntlich versuchte die amerikanische Regierung im Herbst 1986, durch eine Umstrukturierung des SDI-Programms den Einstieg in eine frühzeitige Stationierung („early deployment“) zu erreichen.
Im Budget 1987 wurden die Mittel verlagert weg von den „exotischen“ (Strahlen-)Waffen hin zu „reiferen“ (nichtnuklearen) kinetischen Waffen. Zum Etatentwurf für die Folgeperiode 1988/89 vermerkt ein Geheimpapier der SDIO, daß sie „die Priorität nur auf solche Systeme gelegt habe, welche die reinste Technologie haben, um so eine Entscheidung für eine frühzeitige Aufstellung besser unterstützen zu können.“ (SDI-Monitor [SDIM]20.4.1987). Der Anteil der Mittel für Tests und Demonstrationen wurde zu Lasten der Ausgaben für Grundlagenforschung und Angewandte Forschung gesteigert.
Die Diskussion um die „weite“ oder „enge“ Auslegung des ABM-Vertrages setzte ein und dauerte bis Mitte 1987 an. Daß sich der Kongreß dann mit einer „engen“ Interpretation des ABM-Vertrages gegen die Regierung durchsetzte, ist in der liberalen Öffentlichkeit nicht nur der USA als entscheidende Grenzziehung der SDI-Politik der Regierung interpretiert und – vor allem – als Scheitern der Politik des „early deployment“ verstanden worden.
Tatsächlich spricht die US-Regierung nicht mehr von „early deployment“. Ihr Begriff ist jetzt „initial deployment“.
Vieles spricht dafür, daß die Regierung das Gefecht um die Auslegung des ABM-Vertrages vorläufig verloren hat. Die weit wichtigere Schlacht um das Recht, eine Serie weitreichender SDI-Tests durchführen zu dürfen, hat sie jedoch gewonnen.
Als die Reagan-Administration im Juni 1987 versprach, sich mindestens ein Jahr an die „enge“ Interpretation des ABM-Vertrages zu halten, hat sie wenig zugestanden. ABM-Technologien, die auf „anderen physikalischen Prinzipien“ beruhen und deren Tests eine „weite“ Interpretation des ABM-Vertrages erfordern würden, sind noch Jahre von der Testphase entfernt.. Laser sollen in der ersten Phase nur für Kommunikation und Zielerfassung genutzt werden; in einer zweiten Phase sollen sie zusätzlich Aufgaben der Diskriminierung (Zielunterscheidung) übernehmen; boden- und raumgestützte Laser bzw. Teilchenstrahlen sollen erst in einer dritten Phase als Waffen eingesetzt werden. Eine „weite“ Interpretation, welche das unkontrollierte Testen „exotischer“ Technologien erlaubt hätte, ist andererseits für die Tests der „reifen“ kinetischen Waffen, deren Aufstellung die Administration verfolgt, nicht notwendig.
Als der Kongreß im Spätherbst 1987 das Budget 1988/89 verabschiedete, bestätigte er die Konzeption der Regierung, indem er sich explizit auf den SDI-Regierungsbericht an den Kongreß vom April 1987 bezog, der 17 Tests nennt, welche die Regierung im Laufe der nächsten Jahre durchzuführen beabsichtige. Mindestens zwölf dieser Tests sind äußerst problematisch oder verletzen offensichtlich den ABM-Vertrag. Ein Beispiel ist das Design zweier Experimente des ALPHA Lasers: ein Test – LISE – könne nur unter einer „weiten“ Interpretation des ABM-Vertrages durchgeführt werden; der andere Test – ZENITH STAR – dagegen sei mit der „traditionellen“ Interpretation des ABM-Vertrags vereinbar. Beide Tests benutzen dieselbe Hardware. Der einzige Unterschied zwischen ihnen: LISE ist gegen eine Rakete gerichtet, ZENITH STAR gegen einen Satelliten.
1988 wird die SDI-Organisation (SDIO) zahlreiche Tests durchführen. Es sind großenteils solche, die für einen raschen Einstieg in eine Stationierung einzelner Elemente eines ABM-Systems notwendig sind. Im Zusammenhang mit der Gesamtkonfiguration eines rudimentären Einstiegssystems, das für ein „initial deployment“ geeignet ist, werden vom DoD für die nächsten fünf Jahre 20 große SDI-Tests angestrebt.
Insgesamt konzentrierte sich die SDI-Politik der Administration letztes und auch dieses Jahr auf fünf Schwerpunkte: Einstiegssystem SDS, Energieversorqung, Trägersysteme, Nationale Teststätte, Systemintegration.
III. Das Strategic Defense System
a) Der Einstieg
Anfang August 1987 hat das „Defense Acquisition Board“ des DoD empfohlen, mit sechs SDI-Projekten in die Demonstrations- und Validations- (dem/vel) Phase überzugehen. Innerhalb des formellen „Entstehungsgangs von Wehrmaterial“ haben die Promoteure des SDI-Programms damit eine wesentliche Hürde genommen (sog. „Milestone 1“). Begleitet ist dieser Ubergang von der Ausarbeitung einer operationalen Konzeptarchitektur, die vom Generalstab gebilligt wird (das „Strategic Defense System“). Die „Milestone 2“-Entscheidung gilt dann der „Full-scale Development“ der Systeme, an die sich die Produktionsphase („Milestone 3“) anschließt. Diese Pentagon-Entscheidung, die hierzulande kaum beachtet wurde, ist von großer Bedeutung.
Der Aufbau des SDI-Programms seit 1984 hat sich bis 1987 weitgehend außerhalb der traditionellen Forschungsbürokratie des Pentagon vollzogen. Die Bildung der SDIO als forschungssteuernder Behörde mit über 200 Beschäftigten bedeutete die erste große Veränderung der Forschungsorganisation des Pentagon seit 1958, als (in Reaktion auf den Sputnik) innerhalb des DoD die High-tech-Behörde DARPA (damals noch ARPA) und das Office of Defense, Research and Engineering (DDR&E) geschaffen und die Forschungsverwaltung dadurch straff zentralisiert wurde. Mit SDIO entstand erstmals seit 30 Jahren eine zweite Forschungsbürokratie im DoD. Da die SDIO von den Teilstreitkräften und dem DDR&E unabhängig war, standen ihre Projekte nicht in direkter Konkurrenz zu anderen Forschungsprogrammen; bis 1987 konnte die SDIO verhindern, daß der Kongreß die Finanzierung der einzelnen SDI-Projekte beeinflußte – beides sicherte das exorbitante Wachstum des SDI-Budgets in den Anfangsjahren. Für die weitere (heutige) Entwicklung wichtig war auch, daß bei der Gründung der SDIO die zahlreichen von ihr übernommenen Forschungsprojekte neu klassifiziert wurden als – relativ weit vorangeschrittene – „advanced development projects“ und damit ihre Chancen gesteigert wurden, frühzeitig in die Demonstrations- und Testphase übernommen zu werden. Erst 1987 – nachdem SDI zum größten Einzelprojekt des US-Rüstungsetats geworden war und die SDIO rund ein Fünftel des Etats der Teilstreitkräfte unter Kontrolle gebracht hatte – wurde das SDI-Programm in den formellen Entstehungsgang von Wehrmaterial (DSARC-Prozeß) überführt. Die SDI-Organisation war mittlerweile so stark geworden, daß die von ihr ausgewählten Projekte den „Milestone 1“ passieren konnten.
Das SDS-Profil, dem nach „Defense Daily“ (2Z2.1987) eine „Early SDI Deployment Architecture“ zugrundeliegt, ist wohlausbalanciert: nach Teilstreitkräften, Programmelementen und Standort. Dadurch soll eine breite Basis im SDI-lnteressenklientel gesichert werden:
Bei den Projekten handelt es sich um 3 Programme der Air Force, 2 der Army und ein Programm, das unmittelbar von der SDIO verwaltet wird. Entwickelt werden sollen zwei Waffensysteme (ERIS, SBI), drei Sensorprogramme und ein Battle-Management-Programm. Die Systeme sind boden bzw. raumgestützt. Eng mit diesen Projekten verknüpft sind zwei weitere Sensor(AOS, TIR) und Waffenprojekte (ERINT, HEDI), deren Entwicklung weit vorangeschritten ist und die in das Modell leicht eingebaut werden können. Ihr Einsatzfeld ist die Midcourse- und Terminalphase. Die angestrebten Tests eines Teils dieser Systeme (AOS, SBI, BSTS, SSTS sowie NPB und FEL [s.u.]) verletzen den ABM-Vertrag (vgl. Arms Control Today, April 1988, S.11 -19).
b) Die Kosten
Fast die Hälfte des SDI-Budgets 1988/89 soll auf die Entwicklung dieser Systeme konzentriert werden. (Eine genaue Analyse kann aufgrund der fehlenden Haushalts- und Planungsdaten noch nicht vorgenommen werden; das SDIO ist gehalten, in diesem Frühjahr eine SDI-Finanzplanung vorzulegen.)
Bei der Präsentation dieses Einstiegsmodells (ein „Strohmann-Modell“, das 3000 Raketen auf 300 Satelliten vorsah) vor dem Unterausschuß des US-Senats für Beschaffung hatte der Leiter der SDI-Organisation Abrahamson seine Kosten mit 40-60 Mrd. Dollar angegeben. Diese Kostenangabe soll der Entscheidung des Defense Acquisition Board zugrunde gelegen haben. Freilich: „ln den frühen Morgenstunden des 30. Juli 1987“, berichtet Military Space (MilS) vom 31.8.1987„,stiegen die Kosten der Aufstellung eines Einstiegssystems strategischer Verteidigung um fast das Doppelte. In den ,Nightwatch-Nachrichten' von CBS um drei Uhr morgens gab der Direktor der SDIO Generalleutnant James Abrahamson eine neue Kostenschätzung für die schnelle Aufstellung eines antiballistischen Systems: ,Wir haben Schätzungen für ein erstes, nur teilweise effektives, aber sehr beeindruckendes System, die irgendwo zwischen 70 Mrd. $ und beträchtlich über 100 Mrd. $ liegen', sagte Abrahamson.“ Der (sicherlich gut informierte) Kommandierende General des U.S. Space Command John Piotrowski ging zur selben Zeit von rund 200 Mrd. $ aus- „Sogar wenn es 500 Mrd. $ kosten würde, wäre es seinen Preis wert“ (MilS 14.9.1987). Für die nächsten Jahre sieht der Planungsdirektor des U.S. Space Command General Wayne Knudson SDI-Ausgaben in Höhe von 25-30 Mrd. $ (MilS 6.7.87). Allein die Produktionskosten der sechs SDS-Projekte hat die Zeitschrift „High Technology Business“ (HTB) auf rund 100 Mrd. $ geschätzt (Dezember 1987, S. 22 f.). Wenn man davon ausgeht, daß die Forschungs-und Entwicklungskosten bei Projekten vergleichbaren Zuschnitts rund 'ks betragen (so auch der Vizepräsident von Martin Marietta zu SDI, Vfgl. SDIM v. 19.10.1987) und das SDI-Budget bis 1998 den jetzt erreichten Stand (4 Mrd. $) nicht überschreiten würde (eine äußerst unwahrscheinliche Annahme), dann lägen die Gesamtkosten eines SDS weit über 260 Mrd. Dollar.
Will man die weitere Entwicklung des Programms abschätzen, muß man von den drei großen Verschiebungen ausgehen, die mit der Politik der US-Administration in den 80er Jahren verbunden waren:
a) In den 80er Jahren sind die Mittel der USA für weltraumbezogene Aktivitäten verdrei- bis vervierfacht worden. In den zwei Arntszeiten R. Reagans sind über 80 Mrd. $ für militärische Weltraumaktivitäten ausgegeben worden. Anfang der 80er Jahre waren die NASA/DoD-Ausgaben noch ungefähr gleich hoch; 1986 standen Z3 Mrd. Ausgaben der NASA 15.8 Mrd. Ausgaben des DoD für weltraumbezogene Aktivitäten gegenüber (Bulletin of the Atomic Scientists, November 1987; SDIM 6.4.1987). Von den rund 30 Mrd. $, welche die US-Regierung 1987 für weltraumbezogene Aktivitäten ausgegeben hat, kommen nahezu zwei Drittel aus dem DoD-Budget (Spacewatch Fortnightly [SF] v. 2.11.1987). Die Anfang 1988 vorgelegten Planungen der amerikanischen Regierung, die NASA weitgehend auf ihre Forschungsfunktion zu reduzieren und der (militarisierten) Raumfahrtindustrie eine noch stärkere Rolle zu geben, wird eine über drei Jahrzehnte gewachsene Institution und damit auch die zivile Seite der amerikanischen Weltraumpolitik vollends bedeutungslos werden lassen.
b) Eine jüngst veröffentlichte Studie des amerikanischen Bundesrechnungshofes ergab, daß zwischen 1975 und 1983 die Gewinne (vor Steuem) von 75 Hauptauftragnehmern des DoD mehr als doppelt so hoch waren (Defense Daily 13.10.1987), mit Schwerpunkt im Bereich der Luftfahrt und Raketen/Weltraum-Produktion. Eine zweite Studie der RRG Associates, die Mitte 1987 publiziert wurde, und 33 Großunternehmen die 52 % der DoD-Mittel an Rüstungsunternehmen auf sich zogen, kam für das Jahr 1985 auf dasselbe Ergebnis: einem Gewinn von 22,4 % auf militärische Auftragsproduktion stand ein Gewinn von 10,1 % auf kommerzielle Produkte gegenüber, für die ähnliche Herstellungstechniken verwandt wurden. „Jedes Jahr seit 1981, als Präsident Reagan sein Amt antrat, waren die Rüstungsprofite mindestens doppelt so hoch wie die Gewinne aus dem zivilen Geschäft. Am Gipfel Reagan'schen Aufrüstung – 1983 – waren die Rüstungsprofite 3.3 mal so hoch. Während der vier Jahre der Carter-Administration waren die Rüstungsprofite zwischen 1.7 und 1.9 mal so hoch wie die Gewinne aus zivilen Umsätzen.“ (Defense Industry Report v.1.6.1987, S. 235; Defense Week v.18.5.87).
In der Luft- und Raumfahrtindustrie, in der SDI gemeinsam mit der Elektronikindustrie seine Basis hat, stagnierte zwischen 1972/ 1987 der Umsatz mit Raketen, wogegen der Umsatz in der SparteWeltraum sich verdoppelte (Defense Daily 19.12.1986).
Zwischen den günstigen Bedingungen der Profitentwicklung im Rüstungssektor und dem Bedeutungszuwachs des militärischen Weltraummarktes gibt es offenbar einen Zusammenhang. Beides hat das SDIlnteressenmassiv gestärkt.
c) Die Gesamtausgaben der USA für militärische Forschung werden 1988 erstmals an die 50 Mrd. Dollar Grenze herankommen (40.5 Mrd. $ Staatsausgaben, ca. 9.5-10 Mrd. $ Ausgaben für „lndependent R&D“, vgl. Armed Forces Journal Juni 1987, S.102 ff.; Defense Daily v.27.10.1986). Auch dieses Umfeld der militärischen Forschung ist weiter expansiv, wenn auch abgeschwächt.
Insgesamt läßt sich weder aus der Entwicklung des SDI-Budgets selbst noch aus der gesamten DoD-Haushaltsentwicklung schließen, daß die SDI-Ausgaben in den nächsten Jahren entscheidend reduziert werden.
Zwar hat sich das Wachstum des SDI-Haushalts stark verlangsamt und der Zeitplan für zahlreiche Projekte mußte gestreckt werden. Dennoch bleibt SDI das wichtigste und offenbar auch das expansivste militärische Forschungsprojekt des DoD.
In den fünf Haushaltsjahren 1984-1988 sind für SDI rund 13.2 Mrd. $ ausgegeben worden – nicht, wie der amerikanische Präsident am 13.4.1988 behauptete, „weniger als“ 13 Mrd. $; dabei sind hier die zahlreichen SDI-bezogenen Ausgaben außerhalb des Budgets der SDIO nicht einberechnet (das betrifft vor allem die Milliardenbeträge für Lastentransport, die 1985/6 initiierte „Air Defense Initiative“ und Projekte im Command, Control and Communication-Bereich wie DARPA-Projekte' die aus dem Multiple Satellite System-Programm herauskommen und auf SDI zugeschnitten wurden).
Das SDI-Budget (in Mio $) |
1984 |
1985 |
1986 |
1987 |
1988 |
1989 |
1110 |
1607 |
3035 |
3638 |
3905 |
4948 |
1984-1986 Ist; 1987 Schätzung; 1988-1989 Regierungsentwurf vom Februar 1987;
Spacewatch Fortnightly v. 22.2.1988 S.7 |
Für die nächsten Jahre sind vom erreichten Plateau von etwa 4 Mrd. $ aus Stagnation oder bestenfalls langsame Zuwächse (bis zu 500 Mio. $) wahrscheinlich. 60 % von 135 Ende 1987 befragten Unternehmen, deren SDI-Umsatz über 100.000 $ liegt, halten eine solche Entwicklung „nach Reagan“ für wahrscheinlich; 15,6 % nehmen eine dramatische, 25,9 % eine leichte Abnahme des Budgets an (HTB Dezember 1987' S. 25). Während das Wachstum des DoD-Budgets sich seit 1986 rapide verlangsamt hat und in Stagnation übergegangen ist (die nach allen Einschätzungen andauern wird), sind die Budgets für Weltraum, Forschung und Entwicklung sowie die Elektronikkomponenten trotz stagnierenden „Budgetumfelds“ weiter expansiv. (Diese Budgets fallen zum Teil zusammen: zwischen 50 und 60 % des Weltraum- und 40-50 % des R%D-Budgets gehen nach Angaben der Electronic Industries Association in die Elektronik.)
Eine langandauernde Gegenläufigkeit dieser Entwicklung kann es freilich nicht geben.
c) Die Projekte
1. SBI
Beim SBKKV- Space-Based Interceptor (SBI) Kinetic Kill Vehicle handelt es sich um Waffensatelliten im Niedrigorbit, deren „smarte“ Raketen (die „SBI's“J auf gegnerische Flugkörper in der Startphase (Boost- und Post-Boost-Phase) geschossen werden. Die SBKKV's wiegen momentan rund 800 Pfund und sind 6 Fuß lang. Sie sollen noch um 200 Pfund leichter gemacht werden. Die einzelnen SBl's sollen 10 km/sec zurücklegen und doch nur 10 Pfund wiegen. Jeder Waffensatellit soll bis zu 10 Raketen tragen. Geplant sind „Flotten dieser Fahrzeuge“ (DoD) – zunächst 250350 SBl's (abhängig von der Projektilgeschwindigkeit). Verschiedene Modelle (Livermore, Marshall-lnstitut) gehen von 10.000-40.000 Raketen aus. Im Haushaltsjahr 1984-1987 wurden 264 Mio. $ in das Programm investiert, die jetzt vergebenen Hauptkontrakte liegen bei ca. 600 Mio. $, das potentielle Gesamtauftragsvolumen liegt bei 40 Mrd. $. Die zwei Hauptkontraktoren sind Martin Marietta (238.6 Mio.) und Rockwell (358 Mio.) (Subs: GE [Sucher], LTV [Avionik, Litton Industries [Laser und United Technologies [Projektile). Bisherige Hauptauftragnehmer waren Rockwell, TRW, General Motors, United Technologies, General Dynamics und Gencorp. Das Programm hat die Air Force als Träger. Erste Flugtests sind für 1989 vorgesehen – allerdings kann die Wirksamkeit des Waffensatelliten durch schnell brennende Träger stark gemindert werden.
2. ERIS
Bei ERIS (Exoatmospheric Reentry Vehicle Interceptor System) handelt es sich um „smarte“, gut 1 m große selbstzielsuchende Abfangraketen mit Hitzesuchköpfen; die vom Boden aus gestartet werden um kinetisch (mit Bewegungsenergie) außerhalb der Atmosphäre Objekte abzufangen (midcourse / late midcourse intercept); der Kopf soll 5-10 kg schwer und 5-6 km/sec schnell sein, die Reichweite liegt bei einigen Tausend km. Das ERIS-Projekt baut auf dem Homing Overlay Experiment auf (Zerstörung einer Sprengkopfattrappe bei 22.000 km/h), das auf einen Auftrag an Lockheed aus dem Jahr 1978 für eine „konventionelle“ Abfangrakete zurückgeht. Im Haushaltsjahr 1984-1987 wurden 187 Mio. $ aufgewandt, der 1986 vergebene Hauptkontrakt in Höhe von 468 Mio. $ ging an Lockheed (Subkontrakte: Singer; Honeywell, Texas Instruments, TRW). Das DoD hat sich darauf festgelegt, daß der Stückpreis der Rakete nicht über 1 Mio. $ liegen darf. Der Kontrakt läuft auf 5 Jahre, obwohl das Programm noch in der Testphase ist sind für 1990/91 erste Flugtests geplant. Bisherige Hauptkontraktoren waren Lockheed, General Motors, TRW, Rockwell, Sparta, Boeing, LTV und Martin Marietta. Das potentielle Gesamtauftragsvolumen des von der Army verwalteten Programms wird auf 15 Mrd. $ geschätzt.
3. BSTS
Das Boost Surveillance and Tracking System (BSTS) ist ein Frühwarnsatellit, dessen gekühlter Infrarotsensor (MWIR) ICBM's in der Startphase aufspüren und verfolgen kann. BSTS ist ein Follow-On-Projekt des Satelliten-Programms des Defense Support Programms.282 Mio. $ wurden für ihn zwischen 1984-1987 aufgewandt, die Aufträge für den Bau eines Demonstrationssatelliten in Höhe von 608 Mio. $ wurden 1987 vergeben; das Gesamtauftragsvolumen des bei der Air Force angesiedelten Programms wird auf 16 Mrd. $ geschätzt. Die zwei Hauptauftragnehmer sind Lockheed (im Team mit McDonnell Douglas, Perkin-Elmer, SAI, Honeywell, Hughes Aircraft und IBM; die Subkontraktoren sollen rund 2/3 des Lockheed-Kontrakts – 304 Mio. – bekommen) sowie Grumman (mit Rockwell, Raytheon, Ford, Litton Itek, Amber Engineering, Computer Systems, GTE, Honeywell, Jaycor, Photon Research Associates, Sparta sowie Tracor). Bisherige Hauptauftragnehmer waren Lockheed, TRW, Flow General, General Motors, Rockwell und Ford. Für 1990 sind erste Bodentests, für 1993 der erste Flugtest vorgesehen. Im übrigen soll das BSTS-Projekt im Haushaltsjahr 1989 aus dem SDI-Budget herausgenommen und Bestandteil des allgemeinen Etats der Air Force werden.
4. SSTS
SSTS, das Space Surveillance and Tracking System, ist ein 1000 bis 3000 kg schwerer Sensorsatellit, der in ca. 8000 km Höhe mittels langwelliger Infrarotsensoren Raketen in der Post-Boost- und Midcourse-Phase erfassen und von Täuschkörpern unterscheiden soll. Da in dieser Phase die Objekte kühl sind, ist die Infrarotstrahlung weit schwerer zu erfassen. Je nach Systemarchitektur sind 20-100 Satelliten nötig. Das SSTS ist ein Follow-On des SBSS-Systems im Rahmen der ASAT-Forschungen. 176 Mio. $ wurden von 1984-1987 für das SSTS im SDI-Budget ausgegeben, 1987 wurde Phase Il-Kontrakt in Höhe von 65.7 Mio. $ vergeben; die Experimentalgesamtkosten werden auf 2.2 Mrd. $, das potentielle Gesamtauftragsvolumen auf 20 Mrd. $ geschätzt. Um den Bau eines Demonstrationssatelliten konkurrieren TRW und Lookheed. Subkontraktoren sind Hughes Aircraft, Applications International, Photon Research Associates (TRW-Team) und Aerojet, Raytheon, Honeywell, Optical Research Associates sowie Breault Research Organization (Lockheed). Bisherige Hauptkontraktoren: TRW, Lockheed, Rockwell, Flow General, Burroughs, McDonnell Douglas, SAI, Sperry. Beide Teams erhielten 1987 von der Air Force konkurrierende Kontrakte in Höhe von 33.6 Mio. Dollar. 1994 ist der erste Flugtest vorgesehen.
5. GSTS
Beim GSTS (Ground-based Surveillance and Tracking System) („Probe“) handelt es sich um eine bodengestützte (d.h. launch on-warning) Sensorenplattform, die einen langwelligen Infrarotsensor (LWIR) mit einem Teleskop und Tausenden von Detektoren zur Identifizierung aufliegender Objekte im midcourse-Bereich hat. Der Entwicklungskontrakt für das GSTS-System liegt bei 7-800 Mio. $, das potentielle Gesamtauftragsvolumen bei 4 Mrd. $. Der Hauptauftragnehmer ist McDonnell Douglas (Subkontraktoren: Boeing, Hughes, Lockheed, LTV, Martin Marietta, SAI, Sperry). Die Army plant für Ende 1989 erste Flugtests. Der Sensor (LWIR) wird auch im AOS-Programm benutzt, sein erster Test war 1986. Auch das GSTS ist ein Follow-On des (SDI-) „Braduskill-Programms“ bzw. des Forward Acquisition Sensor Programms (vor SDI).
6. BMC3
Die Stichworte für das bei der SDIO selbst liegende Projekt des Battle Management/ C31-Systems für die Systeme des „initial deployment“ sind Integration, Software engineering, Netzwerkstruktur (SDI-net), Kommunikation, Mensch-Maschine-System. Für die Phase II des Vorhabens erging schon 1986 ein 7.5-Mio. $-Kontrakt an Ford, IBM und McDonnell Douglas (bisherige Hauptauftragnehmer [Phase I] waren Ford, Harris, Hughes Aircraft, IBM, McDonnell Douglas, TRW). Das potentielle Gesamtauftragsvolumen liegt bei 5 Mrd. Dollar. Für 1988 sind erste Experimente vorgesehen.
IV. Sicherung der Energieversorgung
Ein SDI-System gleich welcher Konfiguration ist äußerst energieintensiv. Von Beginn an ging man davon aus, daß eine Großzahl von Atomreaktoren zur Sicherung der Energieversorgung eingesetzt werden müßten. Man hat in den 60er und 70er Jahren rund 1.4 Mrd. $ für die Entwicklung eines Weltraumreaktors ausgegeben.1973 stellte man die Entwicklung ein, 1983 wurde das Entwicklungsprogramm des SP-100-Weltraumreaktors wiederaufgenommen. Beim Aufbau des Programms raumgestützter militärischer Energieversorgung ging man 1983/4 davon aus, daß z.B. ein Skylab nur 25 kw benötigt und die zukünftige Raumstation 50-100 kw; der ständige Bedarf der SDI-Systeme liege dagegen bei 300-900 kw, in Aktion („Burst Power“) sogar bei 20100 Megawatt innerhalb weniger Sekunden. Bis Ende 1986 konzentrierte man sich daher fast nur auf die Linie des SP-100-Reaktors (Leistung 25 kw bis 1 MW). Die zweite Entwicklungslinie eines Multimegawatt-Reaktors (MWW) für (z.T. weit) höhere Leistungen wird für Strahlenwaffen gebraucht. Das MWW-Programm ist noch in der Konzeptphase. Ende 1986 wurde dann das gesamte Programm umorientiert: der für eine frühzeitige Stationierung relativ unwichtige MWW wurde zurückgestuft und die Entwicklung des „Dynamic Isotope Power System“ (DIPS) für die niedrigeren Leistungsanforderungen (5-10 kw) forciert, die für ein Einstiegssytem wesentlich sind. 148.7 Mio. $ waren hier für die Haushaltsjahre 1984-1987 vorgesehen. Der 1986 an General Electric vergebene SP-100-Kontrakt belief sich auf 175 Mio. $; Schätzungen zu den Gesamtkosten liegen nicht vor.
Ein großer Teil des Programms wird außerhalb des SDI-Budgets finanziert (DOE NASA, Air Force). Die ersten Bodentests des SP-100 sind für 1991, der erste Raumtests für 1993 vorgesehen.
Erwähnenswert ist die immense Leichtfertigkeit, mit der mit dem Problem der Folgen und Konsequenzen der Stationierung einer Großzahl von Atomreaktoren im All umgegangen wird: „We can't dump one of these reactors in and spew radioactive material all over the place – we need to bring it in intact.
The public wouid not stand for it being dispersed. (…) (But) … what are you going to do when on of these things comes in, and we're talking of 100s of tons, and completely wipes out the Pan Am buliding in New York? That's acceptable?“ (John Dearien, SDIO-Projektoffice MWW-Programm, 1987, vgl. SDI-Monitor Z9.1987).
Entsprechend vermerkt die einschlägige Fachzeitschrift „Military Space“: „How to ensure that such a large nuclear reactor wouid not cause disaster if it could not be boosted and ended up returning to earth is a major question.“ (Military Space 31.1.1987, S.6).
V. Sicherung der Trägerkapazität für ein „Initial deployment“
Schon lange vor dem Challenger-Desaster orientierte das DoD seine Trägerpolitik um. Bis Mitte der 90er Jahre greift das Pentagon auf vorhandene Raketen (Titan, Delta) bzw. die Shuttles zurück. Ihre Kapazität reicht jedoch nur für die Durchführung der geplanten SDIO-Tests, nicht aber für eine Stationierung aus. Zur Sicherung der dafür nötigen Trägerkapazität hat das DoD (mit der SDIO an führender Stelle) zwei Programme (ALS – Advanced Launch System und NASP – National Aerospace Plane) initiiert deren Kosten heute noch nicht absehbar sind. Sie hängen entscheidend von der Architektur des Systems ab. Mit dem Kauf zahlreicher Delta und der Vergabe der zentralen Kontrakte für das NASP an Rockwell, Pratt & Whitney, General Dynamics und McDonnell Douglas ist eine wesentliche Vorentscheidung für der Einstieg in den Aufbau einer riesigen Trägerkapazität (die nur bei einem umfangreichen militärischen Nachfragemarkt Sinn macht) gefallen. Die Entscheidung über die Produktion des NASP soll 1990 fallen, erste Testflüge sind für 1993 geplant. Martin Marietta, McDonnell Douglas und Rockwell verdienen in den nächsten Jahren Hunderte von Millionen für die Entwicklung bzw. den Bau der Delta-bzw. Titan-Raketen und den Bau eines neuen Shuttle. Um die Schlüsselkontrakte für die Schwerlastrakete ALS konkurrieren noch sieben Unternehmen. Hier soll die Produktionsentscheidung schon 1989 fallen; einsatzbereit soll die ALS jedoch erst Ende der 90er sein. Sowohl das NASP wie die ALS und das neue Shuttle werden großenteils außerhalb des SDI-Budgets finanziert.
VI. Das National Test Bed
Da SDI nicht praktisch erprobt werden kann, soll es simuliert werden. Das NTB soll a) die Konzepte des SDI-Systems (System architekturen) simulieren, b) die Codes (Software) der Battle Management Systeme validieren, c) die SDI-Tests der Einzelsysteme koordinieren und damit unmittelbar Produktionsentscheidungen vorbereiten. Rund 300 Experimente sind geplant, etwa 200 Einrichtungen sind Bestandteil des NTB-Gesamtsystems, dessen zentraler Standort in Falcon AFS (Colorado) ist (hier auch das AF Space Command). 1991 soll die volle Funktionsfähigkeit des National Test Bed erreicht werden. Im Januar 1988 erhielt Martin Marietta den Hauptkontrakt in Höhe von 508 Mio. $ (Subkontrakte: Hughes Aircraft [General Motors], IBM, Logicon, Link, Geodynamics, Computer Technology Associates, Parsons, Abel Image Research).
VII. Die Systemintegration
1988 soll der zentrale Kontrakt zur Systems Engineering und Integration von SDI vergeben werden. Er ist 900 Mio. bis 1.2 Mrd. $ wert – der bislang größte einzelne SDI-Auftrag. Dabei geht es um die Vernetzung der einzelnen Systembestandteile und die Umsetzung des Konzepts in ein detailliertes Systemdesign. Integration des SDS. Die Zeitschrift Defense News vom 24.8.1987 vermerkte, daß der Hauptauftragnehmer „will he in a Position to influence the final design of the System“. Gegenwärtig konkurrieren Rockwell (Sub: Hughes Aircraft, IBM, Logicon, Singer-Link, Nichols Research) und Martin Marietta (Sub: General Electric, Titan, Ford), die 1986 Designkontrakte bekamen. Beide Großkonzerne gehören mit TRW, Sparta und Science Applications International zu den fünf Unternehmen, welche an der „SDI-Systemarchitektur“ arbeiten.
VIII. Energiewaffen
Durch die Vergabe der Schlüsselkontrakte Er die skizzierten Schwerpunktvorhaben seit Ende 1986 ist ein zentrales Element der Stabilität in das SDI-Programm einbezogen worden, das allein schon sein Überleben über die Amtszeit der Regierung R. Reagan hinaus sichert. Aber auch für Forschungsarbeiten und Tests der zwei wichtigsten Projekte im Programmbereich der „Directed Energy Weapons“ sind im letzten Jahr durch die Vergabe von – zum Teil riesigen – Kontrakte vorentscheidende Schritte getan worden. Sie sollen Tests Anfang der 90er Jahre ermöglichen, ohne die ein Ubergang das SDS in die nächste Entwicklungs- bzw. die Produktionsphase nicht möglich ist.
McDonnell Douglas bekam 480.6 Mio. $ für das „Space-based Neutral Particle Beam Integrated Experiment“, d.h. den Bau eines Teilchenstrahlbeschleunigers sowie von Ziel- bzw. Detektorsatelliten für Raumtests in den frühen 90er Jahren. Zweck des Experiments ist es, in der midcourse-Phase Spreng- und Täuschkörper zu unterscheiden. Der Kontrakt läuft bis 1991. Es ist der größte Kontrakt, den McDonnell Douglas bisher von der SDIO erhalten hat; die Unteraufträge erhielten Boeing und TRW.
Für das in der ersten Phase 1.7 Mrd. $ schwere Programm des „Freien Elektronen Lasers“ (FEL) werden 5 Hauptkontrakte ausgeschrieben. Drei sind bisher vergeben: der Systems-Engineering-lntegration-Kontrakt an TRW(170 Mio. $) mit Unteraufträgen an BDM, Lockheed, Ralph M. Parsons; W. J. Schafer Associates; Bechtel erhielt den Auftrag für den Entwurf, Fluor den Auftrag (197.6 Mio. $) für den Bau der Anlage (in den frühen 1990ern soll es einen Folgekontrakt geben in Höhe von 450 Mio. $). Das Projekt ist der größte Militärkontrakt an Fluor. Den vierten Hauptkontrakt wird voraussichtlich 1988 Lockheed für die Optik erhalten, welche den Laserstrahl kontrollieren soll (Unteraufträge an United Technologies, North East Research Ass. und Perkin-Elmer). Er ist 500-600 Mio. $ wert und wird bis 1992 laufen. Der fünfte Großkontrakt zum Bau des Lasers selbst (ca. 700 Mio. $) soll ebenfalls 1988 noch vergeben werden; er wird entweder an Boeing (mit LANL) oder an TRW (mit LLNL) fallen. Da im Dezember 1987 der Budgetansatz für den FEL jedoch um 59 % gekürzt wurde, ist mit einer Verzögerung der Experimente zu rechen.
IX. SDI als Industriepolitik?
Schon Mitte 1986 hatte die Business Communications Company (BCC) eine Studie publiziert mit dem Titel „The Strategic Defense Initiative: Business Opportunities and Technological Potential“, die prognostizierte, daß die gesamten Umsätze aus den SDI-Technologien 5-20 Billionen $ betragen würden. „Das riesige Potential aus entwickelter SDI-Technologien könnte die USA an die Spitze der Welttechnologie bringen.“ (vgl. DS&E 6/1986, S.79).
Derlei Enthusiasmus ist nur noch selten zu hören. Tatsächlich sind die wirklichen Spin-Off-Aktivitäten der SDIO minimal. Erst 3 Jahre nach Gründung der Organisation (1987) wurde für 800.000 $ die „Technology Applications Information System“ (TAIS) Datenbasis der SDIO eingerichtet. Sie enthält 200 Beschreibungen von SDI-Technologien und bezieht sich auf die Gebiete Biomedizin, Energie, Elektronik und Materialforschung.3.325 Kontrakte wurden von vier Panels auf ihre Verwendbarkeit untersucht. Seine Benutzung ist begrenzt: „Obwohl es in der Datenbank keine Informationen gibt, die im Privatbesitz sind oder als militärisch kritisch bzw. geheim klassifiziert wurden, haben nur solche Unternehmer und Wissenschaftler zu ihr Zugang, die als eine spezielle Genehmigung (Militarily Critical Technology Agreement) des DoD haben … die Einschränkungen sind notwendig um zu sichern, daß die Informationen nur für US-amerikanische und nicht für ausländische Firmen zugänglich sind.“ (SDIM v. 19.10.1987). Die Nutzer werden von der DoD-Behörde Defense Logistics Agency überprüft. Die Nutzerliste ist begrenzt, die Nutzungszeit beträgt 15 Minuten. Während die SDI-Forschungsergebnisse ausländischer Firmen Bestandteil der Datenbank sind, dürfen sie selbst die Datenbank nicht nutzen (SDIM v. 15.6.1987; Defense News 2.11.87). Daneben gibt es noch eine klassifizierte Datenbasis.
Nur in der Laserforschung wurden umfangreichere Projekte in Höhe von rund 10 Mio. $ (!) aufgelegt, um medizinische Anwendungen zu ermitteln. Das SDI-Projekt braucht man dazu freilich nicht. Brody resümiert in seinem Beitrag in „High Technology Business“ (Dezember 1987, S.29): „Bislang jedoch ist aus SDI wenig kommerziell Wichtiges herausgekommen. Die verfolgten Technologien führen weitaus überwiegend nicht von alleine zur Nutzung im industriellen oder häuslichen Bereich. Mehr noch: viele SDI-Arbeit ist klassifiziert und viele Forschung, die jetzt für die öffentliche Diskussion offen ist, wird sekretiert werden, sobald sie nützliche Technologie produziert.“
Das Fehlen eines wirkungsvollen Mechanismus zum Transfer und zur Diffusion von Technologien, die im SDI-Programm erarbeitet werden, lassen es als äußerst unwahrscheinlich erscheinen, daß die SDIO (auch sekundäre) industriepolitische Zwecksetzungen relevanten Umfangs verfolgt.
Das schließt nicht aus, daß es vor allem in einer Hinsicht ein ins Gewicht fallendes Spin-Off-Potential im SDI-Programm geben kann: nach verschiedenen Einschätzungen liegt der Elektronikanteil im SDI-Programm bei ca. 60 % (MilS 27.10.1986; Defense Electronics Nov. 1986, S. 107 ff.), so daß – ungeachtet des hohen Anteils eng spezifizierter Technologien im SDI-Programm – sich objektive Voraussetzungen für ein Diffusionspotential des Programms entwickeln könnten. Genauere Untersuchungen hierzu stehen noch aus.
X. Schlußbemerkung
Gegenüber der ursprünglichen Zeitplanung für ein „early deployment“ ist die Industrie offenbar skeptisch. Nach Ansicht der EIA sind 1997 noch die meisten SDI-Programme in der Entwicklung, BSTS und SSTS sowie bodengestützte Laser könnten allerdings bis dahin stationiert sein. Die Befragung der 135 SDI-Auftragnehmer erbrachte, daß 14,1 % 1990 als Stationierungsbeginn, 23,7 % Mitte der 90er Jahre und 13,4 % das Ende des Jahrzehnts angaben. Die gegenwärtig vorliegende Zeitplanung des Programms sieht wesentliche Tests im Laufe der nächsten Jahre vor. Sie zielt darauf ab, 1993, spätestens Mitte der 90er Jahre mit einer Stationierung erster Elemente beginnen zu können.
Insgesamt kann es kaum Zweifel daran geben, daß sich die Politik der Bewaffnung des Weltraums auch nach dem Ablauf der Amtszeit der gegenwärtigen US-Administration fortsetzen wird.
Dr. Rainer Rilling ist Privatdozent für Soziologie und Geschäftsführer des Bundes demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler