»Shrinking Space«


»Shrinking Space«

Einschränkungen der Arbeit in und an Konflikten

von Christine Meissler

Stellen Sie sich vor, das Konto ihrer Einrichtung wird gesperrt und Sie können Ihren Angestellten keinen Lohn mehr zahlen. Die bisherige Genehmigung für ihren Verein wird Ihnen entzogen oder die jährlich erforderliche Verlängerung verweigert. Sie und ihre Familie werden bedroht, Ihr Büro und die dort Mitarbeitenden werden überfallen und ausgeraubt, Ihre Website gesperrt. Sie werden ohne erkennbaren Grund verhaftet und ohne Anklage monatelang festgehalten. Was für uns wie ein Alptraum klingt, ist für immer mehr Nichtregierungsorganisationen seit Jahren Realität.

Repression und Einschränkungen zivilgesellschaftlichen Handelns werden in immer mehr Ländern sichtbar, eindrücklich belegt im jährlich erscheinenden »Atlas der Zivilgesellschaft« anhand von Daten, die CIVICUS, die World Alliance for Citizen Participation, zusammentrug: Zwei Milliarden Menschen leben derzeit in Staaten, in denen zivilgesellschaftliches bzw. bürgerschaftliches Engagement durch staatliche Gewalt vollständig unterbunden wird. Nur vier Prozent der Menschen weltweit genießen uneingeschränkte Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit und können ihre Anliegen frei äußern, an Demonstrationen teilnehmen oder eine zivilgesellschaftliche Organisation gründen. CIVICUS teilt die Staaten in fünf Gruppen ein: Länder, in denen der Raum für zivilgesellschaftliches Handeln »offen« ist (45 Staaten, vier Prozent der Weltbevölkerung), »beeinträchtigt« (40 Staaten, 14 Prozent der Weltbevölkerung), »beschränkt« (53 Staaten, 36 Prozent der Weltbevölkerung), »unterdrückt« (35 Staaten, 19 Prozent der Weltbevölkerung) oder »geschlossen« (23 Staaten, 27 Prozent der Weltbevölkerung) (Brot für die Welt 2019).

Einschränkungen erfolgen in vielen Ländern sehr systematisch durch die jeweilige Regierung. Repressive Gesetzgebung und Regulierungen beschränken die Mittel, die Nichtregierungsorganisationen aus dem Ausland empfangen dürfen. Partnerorganisationen von »Brot für die Welt« berichten von Bürokratisierung, Überregulierung und willkürlicher oder missbräuchlicher Auslegung von Verordnungen. Registrierungen werden suspendiert, entzogen oder verweigert. Die Finanzierung aus dem Ausland durch Organisationen wie »Brot für die Welt« wird verzögert oder ganz blockiert. Oft werden zusätzliche Steuern erhoben. Antiterrorismus-, Internet-, und Mediengesetze, aber auch das Strafrecht, beschneiden direkt und indirekt die bürgerlichen und politischen Menschenrechte. Repressive Änderungen des Versammlungs- und Demonstrationsrechts schränken soziale Bewegungen ein.

Gerade in Konfliktgebieten und fragilen Staaten gehen Repression und Einschüchterung auch von nicht-staatlichen Akteuren oder von para-staatlichen Gruppen, die vom Staat geduldet werden, aus. Gezielte Schmierkampagnen in sozialen Medien werden angefacht und verstärkt. Aber auch Printmedien, Radio und Fernsehen bereiten den Weg für Hetze und Hassreden, zeichnen Feindbilder und senken so mitunter die Schwelle zur tätlichen Gewalt, von der meist benachteiligte Minderheiten und Menschenrechtsverteidiger*innen besonders betroffen sind. Sie werden bedroht, verhaftet und ermordet.

Auch in Europa kommt der Trend zum »Shrinking Space«, zum enger werdenden Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft, immer mehr an. Gerade im letzten Jahr zeigten sich auch in Ländern der Europäischen Union und sogar in Deutschland Parallelen und Bezüge zur Situation unserer Partnerorganisationen, die unter »Shrinking Space« leiden. Vor allem in Ungarn, Österreich und Italien hat sich die Lage der Zivilgesellschaft verschlechtert. Besonders das Engagement für Flüchtlinge wird nun auch in der EU einschränkt, kriminalisiert und stigmatisiert. Beleidigende Rhetorik gegen Frauen, Menschen mit Behinderung, Flüchtlinge und Juden spaltet auch unsere Gesellschaft. Wenn beispielsweise das bürgerschaftliche Engagement für Flüchtlinge von Politiker*innen mit Begriffen wie „Anti-Abschiebe-Industrie“ verunglimpft wird, wenn das Recht auf Asyl angegriffen und die Arbeit der zivilen Seenotretter*innen massiv eingeschränkt wird und wenn Vereine, die sich politisch engagieren, ihre Gemeinnützigkeit verlieren und ihre Existenz damit gefährdet wird, dann erinnert das an beginnende Schmähkampagnen gegen Partnerorganisationen im Globalen Süden.

Was ist Zivilgesellschaft?

Als Zivilgesellschaft wird jedes soziale Handeln verstanden, das jenseits von Staat, Wirtschaft und Privatem liegt. Es ist der öffentliche politische Raum, in dem Vereine, Initiativen und gemeinnützige Organisationen aktiv sind. Sie können eine formelle Struktur haben, wie Nichtregierungsorganisationen oder Stiftungen. Sie können aber auch informell konstituiert sein, wie viele soziale Bewegungen. Die Zivilgesellschaft operiert zwar jenseits des Staates, doch kann sie nur existieren, wenn individuelle und kollektive Freiheiten gewahrt sind.

Zivilgesellschaftliche Organisationen können viele konstruktive Rollen in einer Gesellschaft spielen. Demokratische Staaten sind in Bezug auf eine lebendige Demokratie und den Interessensausgleich zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Kräften auf das Engagement zivilgesellschaftlicher Akteure angewiesen. Sie schaffen Räume für Engagement, Zusammenarbeit und Beteiligung, ermöglichen Dialog und Austausch in der Gesellschaft, klären auf und informieren, haben einen Bildungsauftrag, engagieren sich in der Kinder- und Jugendarbeit oder bieten soziale Dienstleistungen an. Zivilgesellschaftliche Akteure setzen häufig soziale, umweltpolitische und menschenrechtliche Agenden in Gang.

Gerade da, wo Staaten ihre Verantwortung für soziale Belange nicht angemessen wahrnehmen und wo systematische Korruption herrscht, kommt der Zivilgesellschaft eine zentrale Kontrollfunktion zu. Zivilgesellschaftliche Akteure und Organisationen dokumentieren Menschenrechtsverletzungen, klagen Transparenz und Rechenschaftspflichten ein und bringen Reformen voran. Ihre unabhängigen Analysen sind häufig nicht nur an die eigene Regierung gerichtet, sondern auch an Gremien der Vereinten Nationen. »Schattenberichte« helfen z.B. einen authentischeren Eindruck von der Situation eines Landes zu gewinnen und Prozesse voranzubringen. Besonders in Ländern des Globalen Südens stellen zivilgesellschaftliche Akteure für Menschen, die benachteiligt sind – Frauen, Kinder, Indigene, sexuelle oder religiöse Minderheiten, Menschen mit Behinderungen und Migrant*innen – ein wichtiges Sprachrohr und einen Schutzfaktor dar. Hierzu brauchen sie staatlich garantierte Rahmenbedingungen, wie Versammlungs-, Vereinigungs- und Meinungsfreiheit, aber auch Partizipationsmöglichkeiten, wie die Anhörung in Gesetzesverfahren, die Beteiligung von Bürgerinitiativen an Planungsverfahren oder weitgehende Rechte zur Informationsfreiheit.

Was sind die Gründe für »Shrinking Space«?

Von Repression sind in besonderem Maße die Gruppen betroffen, die sich kritisch gegen ungerechte Strukturen, Korruption, den uneingeschränkten Machtausbau und die Selbstbereicherung der Machtinhaber engagieren. Wo Regierungen den Verlust politischer und wirtschaftlicher Macht durch Oppositionsbewegungen befürchten, gehen sie besonders hart gegen die Zivilgesellschaft vor.

Proteste und die Einleitung rechtlicher Schritte durch Nichtregierungsorganisationen gegen Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung – zum Beispiel im Zusammenhang mit großflächigem »Landgrabbing« und Projekten im Energiesektor, an denen auch europäische Unternehmen mitverdienen – werden in Zeiten der ökonomischen Aufholjagd von Schwellenländern als Störung wahrgenommen. Der Wettlauf um begehrte Bodenschätze und fossile Energievorräte verschärft die Lage. Der Verletzung der nationalen Gesetze sowie von Umwelt- und Sozialstandards durch Investoren und Unternehmen folgt die Kriminalisierung oder Diffamierung von Aktivist*innen, die sich gegen die Verstöße engagieren.

Auch der politische Machterhalt spielt eine wichtige Rolle. So beobachten zivilgesellschaftliche Gruppen in autokratischen Systemen, vor allem vor und nach Wahlen, eine Zunahme von Repressionen und systematischen Einschränkungen in Form neuer oder geänderter Gesetze. Beispiele hierfür sind die Reaktionen auf den »Arabischen Frühling« oder auf die Großdemonstrationen gegen Wahlbetrug in Äthiopien 2005 und Russland 2011.

Behinderungen der Arbeit in und mit Konflikten

Die Einschränkungen treffen nicht nur zivilgesellschaftliche Organisationen und ihre Zielgruppen. Sie schaden massiv der sozialen und nachhaltigen Entwicklung in einem Land und somit der gesamten Bevölkerung.

Die Rolle einer Zivilgesellschaft, die sich an Werten wie Menschenwürde, Minderheitenschutz und Rechtsstaatlichkeit orientiert, für Friedensentwicklung ist unumstritten. Sie wirkt deeskalierend, beugt Gewaltausbrüchen vor und initiiert Versöhnungsprozesse. In Transformationsprozessen, zerfallender Staatlichkeit oder Konfliktsituationen kann sie dazu beitragen, gesellschaftliche Strukturen aufrechtzuerhalten. Wo bewaffnete Akteure das Sagen haben und eine Kultur der Straflosigkeit herrscht, ist es für Aktivist*innen besonders gefährlich, unabhängig zu handeln: 312 Morde in 27 Ländern zählte die Organisation »Frontline Defenders« allein im Jahr 2017. Zwei Drittel der getöteten Aktivist*innen verteidigten die Rechte von Land, Umwelt und indigenen Völkern, fast ausschließlich in Konflikten um Megaprojekte, etwa der Bergbau-, Energie- oder Agrarindustrie. Nur in zwölf Prozent der erfassten Fälle wurden Verdächtige verhaftet (Frontline Defenders 2018).

Auch von den so genannten Antiterrormaßnahmen sind zivilgesellschaftliche Akteure betroffen, die in Konfliktgebieten arbeiten. Dazu trägt ein US-amerikanisches Gesetz bei: Unabhängig von ihrer Nationalität droht Personen in den USA bis zu 15 Jahren Haftstrafe, wenn sie einer Organisation, die als »ausländische Terrororganisation« gelistet ist, »materielle Unterstützung« gewähren. Dieses Gesetz beeinflusste weltweit die nationalen Gesetzgebungen und führte auf der ganzen Welt zu Beschränkungen der humanitären, Friedens- und Menschenrechtsorganisationen. Zu den strafbaren Handlungen zählen explizit nicht nur das Bereitstellen von finanziellen Mitteln oder Eigentum, sondern auch Beratung und Schulungen sowie die Möglichkeit, Treffen zu organisieren oder als Mediator zu fungieren. Damit werden Schwerpunkte der Zivilen Konfliktbearbeitung vor Ort kriminalisiert.

Auch humanitäre Hilfsorganisationen stellen derartige Kontaktverbote vor enorme Herausforderungen. Um Zugang zu einer im Konfliktgebiet notleidenden Bevölkerung zu erhalten, müssen sie mit den unterschiedlichen am Konflikt beteiligten Akteuren verhandeln. Außerdem ist es meist unmöglich zu garantieren, dass prinzipiell kein noch so kleiner Anteil der Hilfe Extremisten erreicht. Den Preis dafür zahlen unzählige Menschen in Not mit ihrem Leben. Es wird z.B. angenommen, dass die Beschränkung durch Antiterrorismusgesetze in den USA und Großbritannien dazu beigetragen hat, dass Menschen während der großen Hungersnot in von der islamistischen Miliz al-Shabaab kontrollierten Regionen in Somalia 2011 nicht versorgt werden konnten. Die Hungersnot führte damals zum Tod von 250.000 Menschen (Burke 2017).

Geber fördern immer weniger Projekte in Gebieten, die von Gruppen kontrolliert werden, die als Terroristen gelistet sind. Organisationen, die in solchen Regionen arbeiten, haben damit immer weniger Zugang zu finanzieller Förderung. Hinzu kommt die Verweigerung von Finanzdienstleistungen für zivilgesellschaftliche Organisationen im Zuge des so genannten »Derisking«: Wegen möglicher hoher Strafen wenden Banken die Regel, ihre Kunden auf Verbindungen zu Terrorismus zu untersuchen, sehr rigide an, lehnen die Bearbeitung »verdächtiger« grenzüberschreitender Überweisungen ab oder weisen einzelne zivilgesellschaftliche Organisationen als Kunden ganz ab. Dieser Mangel an Finanzierungsmöglichkeiten wirkt sich vor allem auf die Nachhaltigkeit zivilgesellschaftlicher Friedensförderung aus (Duke Law und WPP 2017, S. 46 f). Frauenbasisorganisationen sind davon besonders oft betroffen. In einer Umfrage unter Frauenorganisationen, die in Konflikt- oder Postkonfliktgebieten arbeiten, gaben 90 Prozent an, dass Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung negative Auswirkungen auf ihre Friedensarbeit, die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter im Allgemeinen haben (Duke Law und WPP 2017, S. 15).

»Do no harm«-Prüfung als erster Schritt

Diese wohl nicht intendierten Auswirkungen haben eine tragische Ironie: Eine Beteiligung an Friedens-, Wiederaufbau- oder Versöhnungsprozessen, die zur Verhinderung von Extremismus und Gewalteskalation beitragen kann, wird nahezu unmöglich gemacht.

Es bedarf einer Überprüfung, wie sich Antiterrorgesetze, die Reduktion von finanzieller Förderung und die Verweigerung von Finanzdienstleistungen auf zivilgesellschaftliches Engagement auswirken und was die Folgen für Frieden und Entwicklung sind. Erforderlich sind sorgfältige Risikoanalysen und Prüfverfahren und eine klare Orientierung am »Do no harm«-Prinzip. Darüber hinaus müssen Geber dafür sorgen, dass ihre eigenen Verfahren zur Rechenschaftslegung so ausgestaltet werden, dass sie Partner nicht in Gefahr bringen. Und sie müssen alle erdenklichen Spielräume in ihren Regelwerken ausnutzen, um sicherzustellen, dass zivilgesellschaftliche Initiativen die dringend benötigten Finanzmittel auch erhalten.

Literatur

Brot für die Welt (2019): Atlas der Zivilgesellschaft 2019 – Report zur weltweiten Lage. Berlin.

Brot für die Welt (2017): The impact of inter­national counter-terrorism on civil society organizations – Understanding the role of the Financial Action Task Force. Berlin.

CIVICUS (2018): People Power under Attack – A Global Analysis of Threats to Fundamental Freedoms. Johannesburg, South Africa.

Duke Law International Human Rights Clinic; Women Peacemakers Program (2017): Tight­ening the Purse Strings – What Countering Terrorism Financing Costs Gender Equality and Security. Durham, North Carolina/USA.

Frontline Defenders (2018): Annual Report on Human Rights Defenders at Risk in 2017. Blackrock, Ireland.

Burke, J. (2017): Anti-terrorism laws have ‘chilling effect’ on vital aid deliveries to Somalia. Guard­ian, 26. April 2017.

Müller, K.; Schwarz, C. (2018): Fanning the Flames of Hate – Social Media and Hate Crime. Veröffentlicht am 30. November 2018; ssrn.com/abstract=3082972.

Zentrum für zivilgesellschaftliche Entwicklung (ZZE) (2011): Dimensionen von Zivilgesellschaft, 2011, zze-freiburg.de/themen/­zivilgesellschaft.

Christine Meissler ist seit 2013 als Referentin für den Schutz der Zivilgesellschaft bei »Brot für die Welt«. Zuvor beschäftigte sie sich von 2007 bis 2013 als Referentin und Projektleiterin bei FriEnt und InWEnt vor allem mit Friedensentwicklung. Als Mitarbeiterin und Delegierte des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz war sie von 2003 bis 2006 in Genf, Manila und Addis Abeba tätig. Sie ist Diplom-Politologin und hat einen Master in International Human Rights Law.

Wir haben die Wahl

Wir haben die Wahl

von Martina Fischer

Ende Mai werden die EU-Bürger*innen ein neues Parlament wählen. Sie sollten die Kandidat*innen sorgfältig auswählen. Nicht nur für den inneren Zusammenhalt, sondern auch für die Friedenspolitik steht viel auf dem Spiel. Werden zukünftig die zivilen Stärken der EU als Brückenbauerin, als wirtschaftliche und entwicklungspolitische Kooperationspartnerin ausgebaut, oder wird stattdessen außenpolitisch vermehrt auf militärische Stärke gesetzt und die Rüstungsindustrie subventioniert? Die Europäische Union war in den vergangenen Jahrzehnten ein wichtiger
Referenzrahmen für Menschen, die sich im Globalen Süden für Entwicklung, Frieden und Menschenrechte engagieren, nicht zuletzt, weil sie sich jenseits nationaler Interessen entwicklungspolitisch engagierte und Instrumente für die Förderung von Zivilgesellschaft bereitstellte. Dieses Image darf nicht zur leeren Worthülse werden.

In den vergangenen Jahren verlagerte die EU den Schwerpunkt deutlich hin zur militärischen Kooperationen. Im Haushalt 2021-27 sollen 13 Mrd. € für einen »Verteidigungsfonds« (zur Subventionierung der Rüstungsindustrie) und 6,5 Mrd. € für »Militärische Mobilität« (zur Entlastung der NATO) aus dem Gemeinschaftshaushalt investiert werden. Zugleich verpflichten sich die Mitgliedstaaten in der »Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit« zur kontinuierlichen Erhöhung ihrer Verteidigungsausgaben. Im Bereich der zivilen Krisenprävention und Friedensförderung ist eine ähnliche Dynamik nicht erkennbar,
vielmehr drohen die Mittel dafür sogar gekürzt zu werden, wenn es nach einem Vorschlag der EU-Kommission für den neuen »Finanzrahmen« geht. Es fehlt weiterhin an einem verlässlichen Expert*innenpool für zivile EU-Missionen. Die wenngleich definierte, aber stark vernachlässigte zivile Dimension der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik muss ausgebaut und dringlich mehr Personal für den Aufbau von Institutionen und Rechtsstaatlichkeit in Nachkriegsregionen bereitgestellt werden. Stattdessen ist geplant, die EU-Finanzarchitektur so zu »flexibilisieren«, dass zivile und
entwicklungspolitische Mittel zunehmend für die Grenz- und Migrationskontrolle genutzt werden können. Mit der »Versicherheitlichung« dieser Politikbereiche und mit der Militärhilfe für Diktaturen, die der EU bei der Vorverlagerung ihrer Grenzen helfen, riskiert die EU, ihre Glaubwürdigkeit als Wertegemeinschaft für Menschenrechte, Demokratie und Frieden zu verlieren. Ihre Stärken – Demokratisierung zu fördern, Brücken zu bauen, Friedensprozesse mit Mediation, Diplomatie, Dialog und Kooperation sowie entwicklungspolitischen und wirtschaftlichen Anreizen zu flankieren und
Zivilgesellschaft zu unterstützen – setzt sie mit der neuen Schwerpunktsetzung aufs Spiel.

Auch mit Blick auf die Nachbarn im Osten sollte sich die EU auf ihre Stärken besinnen, statt auf die militärische Karte zu setzen. Sicherheit muss partnerschaftlich gedacht werden, und Frieden lässt sich nur mit einer über die EU hinausweisenden, gesamteuropäischen und globalen Perspektive gestalten. Für die Lösung des Ukraine-Konflikts bietet allein die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ein bewährtes »System kollektiver Sicherheit«, das auf Vertrauensbildung setzt sowie Schiedsgerichtsverfahren und diplomatische Instrumente zur Krisenverhütung,
Konfliktbearbeitung und Rüstungskontrolle vorhält. Das OSZE-Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte bildet Staatsbeamt*innen und Nichtregierungsorganisationen im Menschenrechtschutz aus, ein Hochkommissariat überwacht die Minderheitenrechte. Wo bleibt die eindeutige strategische und finanzkräftige Unterstützung der EU hierfür?

Nicht Investition in bestehende oder neue Militärbündnisse, sondern den Vereinten Nationen und der OSZE bei ihren Friedensbemühungen tatkräftig zur Seite zu stehen ist das Gebot der Stunde. Durch konsequente Abrüstung, Konversion der hochsubventionierten Rüstungsindustrie und Einhegung der Verteidigungsausgaben könnten viele Mittel freigesetzt werden, um Friedenspolitik auf globaler Ebene aktiv mitzugestalten.

Mehr als 90 Nichtregierungsorganisationen aus EU-Ländern unterzeichneten im Vorfeld der EU-Wahl einen Aufruf mit friedenspolitischen Forderungen an das EU-Parlament (rettetdasfriedensprojekt.eu). Der Aufruf, das Friedensprojekt Europa zu retten, zeigt, dass die Zivilgesellschaft sich der Friedensverantwortung Europas bewusst ist. Ob das zukünftige Parlament diese Verantwortung ausfüllt, hängt nicht allein, aber auch von unserer Wahl ab.

Dr. Martina Fischer, Politikwissenschaftlerin, war als Friedensforscherin in verschiedenen Einrichtungen der Friedens- und Konfliktforschung tätig, darunter knapp 20 Jahre lang an der Berghof Foundation in Berlin. Seit 2016 arbeitet sie bei »Brot für die Welt« als Referentin für Frieden und Konfliktbearbeitung. Weitere Informationen zur EU-Politik finden sich in ihren Blogbeiträgen unter info.brot-fuer-die-welt.de/blog/dr-martina-fischer.

An allen Fronten – Auf allen Ebenen!


An allen Fronten – Auf allen Ebenen!

22. IMI-Kongress, Tübingen, 7.-9. Dezember 2018

von Jürgen Wagner

Der 22. Kongress der Informationsstelle Militarisierung fand, dieses Jahr etwas später als gewohnt, von 7. bis 9. Dezember 2018, wie immer in Tübingen, statt. Thema war – die Debatte um das Zwei-Prozent-Ziel der NATO aufgreifend – »Deutschlands Aufrüstung: An allen Fronten – Auf allen Ebenen!«. Zwischen 70 und 140 Personen waren jeweils bei den Vorträgen präsent, insgesamt dürften über 200 Menschen Teile des Kongresses besucht haben. Viele Besucher*innen aus entfernteren Gegenden reisten bereits zur Auftaktveranstaltung am Freitagabend an, die in der Hausbar des Wohnprojekts Schellingstraße – einer ehemaligen Kaserne – stattfand. Dort wurde in einem kurzen Vortrag zu Beispielen der Konversion – also der zivilen Nutzung vormals militärischer Flächen – in die Thematik eingeführt. Anschließend gab es noch eine Art Kneipen-Quiz zu Ritualen bei der Bundeswehr, bei dem v.a. viel gelacht und eines klar wurde: Es gibt Weniges, was die Anwesenden sich vorstellen konnten und gelangweilte Soldat*innen nicht schon durchgeführt und ritualisiert hätten.

Der erste Veranstaltungsblock am Samstag beschäftigte sich mit dem Thema »Deutschland im Rüstungsfieber«. Dabei spielten der steigende Verteidigungshaushalt und die Großprojekte ebenso eine Rolle wie die planerischen Grundlagen der jüngsten Rüstungsbemühungen – »Konzeption« und »Fähigkeitsprofil« der Bundeswehr (siehe dazu Jürgen Wagner, Verschwimmende Grenze, auf S. 30 in dieser W&F-Ausgabe). Anschließend wurde auch auf die Veränderungen in der deutschen Rüstungslandschaft eingegangen. Ausführlich wurden in weiteren Panels die aktuellen Rüstungsvorhaben in den Bereichen Polizei, Informationstechnologie und Atomwaffen behandelt. Die Abendveranstaltung zur »EU auf dem Weg zur Rüstungsunion« wurde kurzfristig in einen von Aktivist*innen und Studierenden angeeigneten Hörsaal verlegt. Der Hörsaal war eine Woche zuvor im Anschluss an eine Demonstration gegen den Forschungscampus »Cyber Valley«, an dem auch die Rüstungsindustrie beteiligt ist, besetzt worden. Zu den Forderungen der Besetzenden gehörte u.a. eine Zivilklausel für die gesamte Stadt.

Der Sonntag stand zunächst ganz im Zeichen der »Gegenkonversion«, also der (Re-) Militarisierung von Flächen. Das Thema wurde zu Beginn anhand der »Militärischen Mobilität« und des geplanten NATO-Logistikkommandos in Ulm behandelt, und es wurde erläutert, wie auf dieser Basis künftig vermehrt Gelder nach militärischen Nützlichkeitserwägungen in Infrastrukturprojekte zur schnellen Verlegefähigkeit, insbesondere nach Osteuropa, gelenkt werden sollen. Im Anschluss ging es konkret um »Die militärische (Rück-) Eroberung der Fläche: (Re-) Aktivierung alter und neuer Liegenschaften«, die aktuell drei verschiedene Formen annimmt: erstens die Inbesitznahme ziviler Flächen durch das Militär, teilweise, um den Verlust von (anderen) Flächen, die einer zivilen Nutzung zugeführt werden sollen, auszugleichen; zweitens die Reaktivierung aufgegebener Flächen, Liegenschaften und Ressourcen; und drittens der Abbruch oder die Verzögerung eines Konversionsprozesses.

Das Abschlusspodium des diesjährigen Kongress fokussierte sich auf aktuellen Widerstand gegen Aufrüstung. Mit dabei waren Aktivist*innen aus Ulm gegen das geplante NATO-Logistikkommando sowie vom bundesweiten Jugendnetzwerk für politische Aktion (JunepA), vom Tübinger Bündnis gegen das »Cyber Valley« und vom Kassler antimilitaristischen Aktionsbündnis »Block War«. Abgesehen von der Darstellung der jeweiligen politischen Auseinandersetzungen und auch Erfolge, ging es darum, zu erörtern, wie die anti-militaristischen Bewegungen gestärkt werden können. Ein Fazit war, dass die Vernetzung mit Bewegungen aus anderen Spektren, wie den Wohnraumbündnissen und Naturschutzverbänden, intensiviert werden könnte.

Jürgen Wagner

Ist die NATO alternativlos?

Ist die NATO alternativlos?

von Alexander Neu und Katja Keul

Die North Atlantic Treaty Organization besteht seit 70 Jahren. Dem eigenen Anspruch zufolge schafft bzw. fördert die NATO Sicherheit und Stabilität, und zwar weltweit. Die praktischen Auswirkungen ihrer Aktivitäten, ihre zahlreichen politischen und militärischen Verwicklungen außerhalb des stetig ausgeweiteten Bündnisgebietes und der Anspruch einer deutlichen Aufrüstung der Mitglieds­taaten bezeugen allerdings eine Realität, die von den postulierten Ansprüchen weit abweicht. Ist die Forderung nach Auflösung der NATO die richtige Konsequenz? Sind Alternativen zum transatlantischen Bündnis denkbar?
W&F bat mit Alexander Neu (DIE LINKE) und Katja Keul (Bündnis 90/Die Grünen) zwei Bundestags­mitglieder aus Oppositionsparteien um ihre Einschätzungen zu diesen Fragen.

Über Alternativen nachdenken

von Alexander Neu

Nahezu dreißig Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges herrscht in Europa erneut ein Kalter Krieg – so oder so ähnlich lauten die Äußerungen aus Politik, Medien und Wissenschaft. Dabei reicht das Einschätzungsspektrum von „(noch) kein Kalter Krieg“1 bis hin zu „Kaltem Krieg“.2

Ich habe den Eindruck, der Kalte Krieg hat nie wirklich aufgehört, sondern in den 1990er Jahren nur an Wahrnehmbarkeit verloren. Unverändert existierte aber der Grundwiderspruch zwischen den Großmächten fort: Es ging um die Machtfrage, um Einflussräume jenseits der ideologischen Systemfrage und um ökonomische Interessen. Schon der Kalte Krieg war also nie nur ein Systemkonflikt gewesen.

Mit der »Niederlage« der Sowjetunion und ihrem anschließenden staatlichen Zerfall war die Machtfrage zunächst zugunsten der USA und derer Verbündeten geklärt. Russland als Rechtsnachfolgestaat der Sowjetunion spielte in der Weltpolitik der 1990er Jahre keine Rolle mehr. Ehemalige Verbündete wechselten in das westliche Lager. Die von US-Präsident Bush sen. ausgerufene „Neue Weltordnung“3 war nichts anderes als eine US-Weltordnung. Und zwar eine Weltordnung mit einem einzigen Machtpol: dem so genannten Westen, bestehend aus den USA und ihren Verbündeten oder auch „Vasallen“, wie Zbigniew Brzezinski sie in seinem bekannten Werk »Die einzige Weltmacht«4 bezeichnete. Ob der Westen tatsächlich der sowjetischen Führung seinerzeit versprochen hatte, die NATO nicht über die Grenzen des wiedervereinigten Deutschlands hinaus zu erweitern,5 oder ob dies dem Wunschdenken Moskaus entspringt,6 ist nach wie vor umstritten. Tatsache ist, dass der Westen die Gunst der Stunde zur Expansion seiner Einflussräume nutzte, statt auf Ausgleich und gemeinsame Sicherheit im KSZE/OSZE-Raum zu setzen. Inzwischen befinden sich selbst frühere sowjetische Unionsrepubliken im Einflussbereich der USA bzw. der NATO und der EU oder streben dorthin.

Erst mit dem Wiedererstarken Russlands und dem Machtzuwachs Chinas kommt der Grundwiderspruch um Einflussräume wieder zum Vorschein. In gewissem Maße sind in der nun neuen, zwar noch nicht final ausgeformten, aber in Ansätzen erkennbaren multipolaren Weltordnung Ähnlichkeiten zum Vorabend des Ersten Weltkrieges zu entdecken. Seinerzeit war die Welt zwischen den Kolonialmächten aufgeteilt. Deutschland als Nachzügler wollte seinen Anteil, der aber zu Lasten der übrigen Kolonialmächte gegangen wäre. Dieser geo-politische und geo-ökonomische Konflikt war der Grund für den Ersten Weltkrieg, nicht die Schüsse von Sarajewo.

Multipolare Weltordnung

Das Wesen einer multipolaren Weltordnung besteht darin, die nahezu uneingeschränkte Handlungs- bzw. Gestaltungsfreiheit eines Akteurs oder einer Akteursgruppe durch andere, wachsende Kraftzentren zunehmend zu begrenzen, zurückzudrängen und Einfluss- und Gestaltungsräume neu aufzuteilen. In einem derartigen Epochenbruch befindet sich die Weltpolitik momentan. Dafür stehen Aussagen wie jene, die Welt sei »aus den Fugen«. Das Alte ist vergangen, das Neue aber noch nicht etabliert, allenfalls in Konturen sichtbar.

Solche Übergangsphasen sind besonders konfliktgeladen, da der herausgeforderte Akteur seinen Machteinfluss nicht räumen will und der oder die herausfordernden Akteure den Status quo nicht weiter akzeptieren wollen. Waren die Zerschlagung Jugoslawiens und die Westintegration einiger post-jugoslawischer Republiken für den Westen nach dem Ende der Blockkonfrontation in den 1990er Jahren noch ein risikoarmes geo-politisches Unterfangen, so stoßen weitergehende raumgreifende Ambitionen des Westens zunehmend auf (auch) militärischen Widerstand Russlands.

Der Krieg zwischen Georgien und Russland im Jahre 2008 war der erste Abwehrkrieg gegen die Ausdehnung der westlichen Einflusssphären im post-sowjetischen Raum. Der Putsch in der Ukraine 2014 (vom Westen befördert, um das Land in den euro-atlantischen Einflussraum zu integrieren), die darauf folgende Sezession der Krim und ihre völkerrechtswidrige Integration in die Russische Föderation, der Krieg in der Ostukraine sowie der Syrienkrieg sind reale Ausdrucksformen dieses geo-politischen und geo-ökonomischen Machtkampfes.

Hier befindet sich Russland noch in der Defensivposition, d.h. es verteidigt seine noch verbliebenen Einflussregionen auch mit militärischen Mitteln, wo es möglich ist. Im post-jugoslawischen Raum hingegen ist die Machtfrage weitgehend geklärt: Die politischen Verhältnisse wurden bereits in den 1990er Jahren so verändert, dass der Beitritt fast aller post-jugoslawischer Republiken in die »euro-atlantischen Strukturen« nur noch eine formale Frage ist. Montenegro wurde 2017 NATO-Mitglied, und der Beitritt Nord-Makedoniens wird nun vollzogen werden, da der Namensstreit um »Makedonien« zwischen diesem Staat und Griechenland – nicht ohne massive Einflussnahme aus Washington und Brüssel – gelöst zu sein scheint. Selbst auf Serbien, einen traditionellen Verbündeten Russlands, übt der Westen erheblichen Druck aus, der NATO beizutreten.

Diese expansive Raumpolitik des Westens ist mit der politikwissenschaftlichen Theorie des »Neorealismus« nicht zu erklären: Erstens gibt es mit den Vereinten Nationen und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zwischenstaatliche Organisationen, deren Aufgabe es ist bzw. sein sollte, Staaten Sicherheit zu gewährleisten (wobei der Westen genau diese Institutionen durch seine rechtswidrigen Interventionskriege und andere rechtsnihilistische Maßnahmen torpediert). Zweitens ist die Sicherheit des Westens mitnichten bedroht – auch nicht durch Russland. Russland verfügt weder quantitativ noch qualitativ über konventionell-militärische Fähigkeiten oder finanzielle und ökonomische Ressourcen, die mit denen des Westens auch nur annähernd vergleichbar sind.7 Überdies, und das räumte die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion ein, liegen „ keine Erkenntnisse vor“, dass Russland die Absicht hätte, die NATO bzw. die östlichen NATO-Staaten anzugreifen.8 Das westliche Expansionsstreben ist also entweder mit der Denkschule des »Realismus« zu erklären – als Machtakkumulation, die sich durch geo-politisches Raumgreifen artikuliert – oder mit der umfassenderen Imperialismustheorie Lenins, die die innenpolitischen Aspekte, vor allem aber die ökonomischen Interessen als Triebkraft außen- und sicherheitspolitischer Entscheidungen betrachtet.9 Auf dieser Grundlage kann auch das geo-ökonomische Expansionsinteresse von NATO und EU erklärt werden.

Sicherheitspolitische Alternativen denkbar und realistisch?

Das »Gemeinsame Haus Europa« war nicht unrealistisch und ist es auch heute nicht, wenngleich die Bedingungen dafür derzeit sehr viel schwieriger sind. Die mit dem Ende des Kalten Krieges einhergehende Aufbruchsstimmung für eine neue friedliche und gerechte Weltordnung fiel in der westlichen Politik nicht auf fruchtbaren Boden. In der jetzigen Phase des Epochenwandels sind einerseits die Fronten derart verhärtet, dass ein Paradigmenwechsel der außen- und sicherheitspolitischernVorstellungen wenig realistisch ist. Andererseits scheint der Westen als ein mehr oder minder homogener Block auseinanderzubrechen. Es ist derzeit nicht klar, ob es in der multipolaren Welt weiterhin den einen westlichen Pol geben wird – oder mindestens zwei Pole im Westen: die USA und die EU. Letzteres könnte neue Chancen für ein Umdenkens eröffnen, allerdings nur, wenn die führenden EU-Staaten bereit wären, ein neues Konzept von »Europa« zu entwickeln – unter Einbindung Russlands. In diesem Falle böte die OSZE den sinnvollen Rahmen.

Die OSZE ist die einzige Organisation, die gemäß ihrer Gründungsidee gemeinsame Sicherheit für alle Mitglieder anstrebt und nicht Sicherheit auf Kosten anderer erlangen will. Sie stellt eine friedenspolitische Alternative zur NATO dar, die zur Rechtfertigung ihrer eigenen Existenz auf das Vorhandensein äußerer Gegner angewiesen ist.

In der OSZE existieren politische Verhaltensprinzipien für die Gewährleistung von Frieden und Sicherheit. Es gilt das Prinzip der Gleichberechtigung und des Konsenses unter den Mitgliedern.10 Gegenseitige und kollektive Sicherheit, Abrüstung und strukturelle Nichtangriffsfähigkeit sind friedensdienliche Maßnahmen, Konfrontationsdenken, Hochrüstung sowie Großmanöver hingegen erzeugen Unsicherheit und zerstören Vertrauen. Es ist höchste Zeit, über reale Alternativen zur NATO nachzudenken.

Austritt aus der NATO?

Ein Austritt aus den militärischen – d.h. nicht zugleich aus den politischen – Strukturen der NATO ist für die perspektivische Auflösung der NATO der aussichtsreichere Weg als ein Komplettaustritt. Der Austritt Deutschlands als ein maßgeblicher europäischer und NATO-Akteur hätte deutliche Auswirkungen auf den Zusammenhalt und den Fortbestand des Militärbündnisses. Auch andere Staaten, wie Frankreich und Spanien, gehörten in der Vergangenheit zeitweilig nicht den militärischen Bündnisstrukturen an, ohne dass sich die NATO als Ganzes aufgelöst hätte. Damals herrschte indes der Kalte Krieg, der auf die übrigen NATO-Mitglieder »disziplinierend« wirkte. In der aktuellen Übergangsphase von einer uni- zu einer multipolaren Weltordnung ist die »Selbstdisziplin« dagegen schwächer ausgeprägt. Die NATO-Mitgliedsstaaten formulieren ihre nationalen Interessen selbstbewusster. 2003 verweigerten sich Deutschland und Frankreich nicht nur einer aktiven Teilnahme am Krieg der USA gegen den Irak, sondern Frankreich hatte auch ein Veto in der NATO angedroht. Dies sollte der Ansatz für einen neuen Modus sein: Austritt aus den militärischen, aber Verbleib in den politischen Strukturen der NATO.

Der Verbleib in den politischen Strukturen der NATO kann dann dafür genutzt werden, die Militärallianz bis zu ihrer endgültigen Auflösung durch den Einsatz von Vetos handlungsunfähig zu machen. Die zentrale politische Entscheidungsinstanz ist der NATO-Rat. Seine Entscheidungen müssen im Konsens getroffen werden. Wenn ein Mitglied dort sein Veto einlegt, kommt keine Entscheidung zustande.

So ließen sich zum Beispiel verhindern:

  • die Verabschiedung neuer Strategischer Konzepte (Ausdehnung des Aufgabenspektrums),
  • Beschlüsse für Militärinterventionen und Kriege sowie
  • Beschlüsse für die Aufnahme von neuen Mitgliedern.

Aus den militärischen Strukturen der NATO auszutreten und gleichzeitig ihre politischen Strukturen zu nutzen, um militärische Aufrüstung und Militärinterventionen zu verhindern, würde den Frieden in der Welt stärken und die Durchsetzung einer zivilen Sicherheitsstrategie erleichtern. Es gäbe bessere Chancen, die vorhandenen zivilen Sicherheitsstrukturen der OSZE auszubauen und zu einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit weiter zu entwickeln. Die NATO könnte auf diese Weise von innen erodieren. Dieser Prozess sollte komplementär verlaufen, d.h. parallel zum faktischen Abbau der NATO muss der Auf- und Ausbau der OSZE erfolgen, um den Eintritt eines Sicherheitsvakuums in Europa zu verhindern.11

Anmerkungen

1) „Das ist kein neuer Kalter Krieg“ – Fünf Fragen an den französischen Außenminister a.D. Hubert Védrine. Internationale Politik und Gesellschaft, 21.3.2014; jpg-journal.de.

2) Medwedew kritisiert NATO und EU – „Wir sind in einem neuen Kalten Krieg“. tagesschau.de, 13.2.2016.

3) Czempiel, E.-O. (2002): Die amerikanische Weltordnung. Aus Politik und Zeitgeschichte/APUZ, Nr. B 48/2002.

4) Brzezinski, Z. (2001, 4. Aufl): Die einzige Weltmacht – Amerikas Strategie der Vorherrschaft. Frankfurt a.M.: S. Fischer, beispielsweise S. 41.

5) Video »Abmachung 1990: „Keine Osterweiterung der NATO“ – ­Außenminister Genscher & Baker«; youtube.com/watch?v=JXcWVTpQF3k.

6) Video »Genscher widerspricht Behauptung vom Versprechen an Russland, die NATO nicht nach Osten zu erweitern«; youtube.com/watch?v=aG_EU5XWJn4.

7) Siehe dazu Lühr Henken, Das Zwei-Prozent-Ziel der NATO, auf S. 27 dieser W&F-Aus­gabe.

8) International Institute for Strategic Studies (2018): The Military Balance 2018; iiss.org.
Deutscher Bundestag (2018): Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko, Dr. André Hahn, Dr. Alexander S. Neu, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE – Perspektiven eines künftigen gesamteuropäischen Raums von Lissabon bis Wladiwostok. BT-Drucksache 19/4758 vom 5.10.2018.

9) Lenin, W.I. (1917/2016): Der Imperialismus als höchstes Stadium der Kapitalismus – Gemeinverständlicher Abriss. Kritische Neuausgabe, Berlin: Verlag 8. Mai.

10) Deutscher Bundestag (1996): Antrag der Abgeordneten Andrea Gysi […] und der Gruppe der PDS – Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und Europäische Friedensordnung. BT-Drucksache 13/5800 vom 15.10.1996.

11) Bundestagsfraktion DIE LINKE (2015): Sicherheit statt Konfrontation – OSZE stärken, NATO auflösen. Berlin.

Dr. Alexander S. Neu, Mitglied des Bundestages, ist Obmann im Verteidigungsausschuss der Fraktion DIE LINKE und Mitglied der Parlamentarischen Versammlung der NATO.

Über eine andere NATO nachdenken

von Katja Keul

Die Frage nach Alternativen zur NATO drängt sich immer wieder auf, so zuletzt, als Präsident Trump sie als „obsolet“ bezeichnet hatte. Man muss aber nicht Trump sein, um sich zu fragen, ob diese Institution nach 70 Jahren noch den aktuellen Bedürfnissen entspricht, denn die Weltlage hat sich seither in vielerlei Hinsicht verändert.

Bevor man aber die NATO in Frage stellt oder nach Alternativen sucht, gilt es sich zunächst einmal klar zu machen, was die NATO eigentlich ist und was sie nicht ist. Dabei wird man ihr nicht gerecht, wenn man sie überhöht – weder im Guten noch zum Schlechten.

Die NATO ist ein Verteidigungsbündnis

Am 4. April 1949 vereinbarten zwölf Staaten, dass ein militärischer Angriff auf einen von ihnen als Angriff gegen alle zu werten sei, und verpflichteten sich dazu, sich in diesem Fall gegenseitig zu verteidigen.

Die NATO ist damit ein Verteidigungsbündnis: nicht mehr, aber auch nicht weniger. Als solches hat sie eine Funktion, die sie in ihrer 70-jährigen Geschichte auch erfolgreich erfüllte. Immer wenn sie versucht hat, andere Aufgaben zu übernehmen, beispielsweise Demokratieförderung oder ähnliches, ist sie kläglich gescheitert.

Ein Verteidigungsbündnis ist keine Wertegemeinschaft

Heute hat die NATO zwar 28 Mitglieder, aber an ihrer Natur als Verteidigungsbündnis hat sich nichts geändert. Auch Versuche, ihr eine neue Deutung als »Wertegemeinschaft« zu geben, sind wenig überzeugend. Ein militärisches Verteidigungsbündnis ist weder dazu gedacht noch dazu geeignet, Werte zu vertreten oder Demokratie zu fördern. Freundinnen und Freunde der NATO, die ihr eine solche neue Aufgabe zusprechen wollen, tun ihr am Ende auch keinen Gefallen. Der Mythos der Wertegemeinschaft untergräbt allenfalls die Glaubwürdigkeit dieses Bündnisses. Um dies zu illustrieren, reicht es, den Zustand der Demokratie des NATO-Mitglieds Türkei aktuell zu betrachten.

Der Mythos der Wertgemeinschaft ist meines Erachtens darauf zurückzuführen, dass man in den 1990er Jahren durch den vermeintlichen Verlust des gemeinsamen Gegners verunsichert war und glaubte, eine neue Aufgabe finden zu müssen. Ein militärisches Bündnis lässt sich aber nicht einfach umdefinieren. Es ist und bleibt ein militärisches Bündnis und hat als solches – aber eben auch nur als solches – weiterhin eine Existenzberechtigung.

Ein Verteidigungsbündnis ist auch kein System kollektiver Sicherheit

Nun wird die NATO an vielen Stellen, auch in dem AWACS-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 1994, als System kollektiver Sicherheit bezeichnet, was zu einer andauernden Verwirrung der Begrifflichkeiten führte.

Zweifelsohne ist die NATO ein System kollektiver Verteidigung. Damit ist sie dem Sinn und Zweck, aber auch ihrer Struktur nach, gegen einen Angriff von außen – also von einem Dritten – gerichtet. Ein System kollektiver Sicherheit hingegen richtet sich vorrangig gegen rechtswidrige Gewalt­anwendung innerhalb des Systems. So sind die Vereinten Nationen und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) klassische Systeme kollektiver Sicherheit, indem sie primär die Gewaltanwendung untereinander verbieten und auf die Durchsetzung dieses Gewaltverbots gerichtet sind. Dies sah das Verfassungsgericht auch nicht wesentlich anders. Es stellte darauf ab, dass die Verflechtung der Streitkräfte und der Kommandostrukturen innerhalb der NATO auch dazu führt, dass die Sicherheit unter den Mitgliedern selbst erhöht wird. So betrachtet kann ein System kollektiver Verteidigung, wie die NATO, auch ein System kollektiver Sicherheit in Bezug auf die eigenen Mitglieder sein. Von daher will ich dem Verfassungsgericht auch nicht widersprechen.

Die NATO ist deswegen aber noch lange kein System kollektiver Sicherheit im Sinne des Artikel 24 GG, wenn es darum geht, militärische Gewaltanwendung außerhalb des Territoriums ihrer Mitglieder verfassungsrechtlich zu legitimieren. Eine solche Gewaltanwendung können jenseits der Bündnisverteidigung allein die Vereinten Nationen legitimieren, deren Mitglieder sich der Satzung und damit auch dem Gewaltmonopol des UN-Sicherheitsrates unterworfen haben.

Die Aufgabe eines Verteidigungsbündnisses ist Bündnisverteidigung

Bündnisverteidigung und Selbstverteidigung sind auch klare Begriffe, die nicht einfach willkürlich umdefiniert werden können. Verteidigung ist die Abwehr eines gegenwärtigen Angriffs auf das eigene Territorium. Die inzwischen gerne vertretene Auffassung, man befinde sich nach einem Terroranschlag geographisch und zeitlich unbegrenzt überall und immer in Selbstverteidigung, ist nicht etwa eine zulässige Auslegung, sondern schlicht der Bruch von Völkerrecht.

Es ist also müßig zu debattieren, ob hinsichtlich einer Beteiligung am Luftkrieg über Syrien die Europäische Union oder die NATO irgendwelche Beschlüsse gefasst oder nicht gefasst haben. So grausam die Terroranschläge 2015 in Paris waren: Sie führten nicht dazu, dass sich Deutschland und Frankreich in Syrien in Selbstverteidigung befinden. Solange zu diesem Thema keine politische Einigkeit im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hergestellt werden kann, findet der Bundeswehreinsatz dort außerhalb eines Systems kollektiver Sicherheit statt.

Das gilt im Übrigen auch für den neuen Bundeswehreinsatz im Irak, für den zwar eine völkerrechtliche Grundlage durch die Einladung der irakischen Regierung vorliegen mag – eine verfassungsrechtliche Grundlage nach Artikel 24 GG ist dafür dennoch nicht gegeben, weil die Bundewehr ohne UN-Mandat und damit außerhalb eines Systems kollektiver Sicherheit agiert. Dabei kommt es dann auch nicht darauf an, ob dieser Einsatz im Rahmen der NATO stattfindet oder nicht. Die NATO kann das fehlende System kollektiver Sicherheit in diesem Fall nicht ersetzen, weil der Irak eben kein Mitglied dieses Bündnisses ist.

EU und OSZE sind keine Alternative zur NATO

Auch die EU ist keine Alternative zur NATO, weil sie zwar im Hinblick auf die EU-Staaten untereinander auch als System kollektiver Sicherheit betrachtet werden kann, aber weder vom Gründungsakt noch von ihrer Struktur ein militärisches Verteidigungsbündnis darstellt. Auch eine verstärkte Zusammenarbeit der Streitkräfte oder eine Konsolidierung des europäischen Rüstungsmarktes ändern daran prinzipiell nichts. Anders wäre es erst, wenn auch die Kommandostrukturen auf europäischer Ebene diejenigen der NATO ersetzen würden. Dafür müssten aber zunächst die Verträge selbst geändert werden, weil das die EU in ihrem Wesen grundlegend verändern würde. Unabhängig davon, dass dies politisch derzeit jede Vorstellungskraft übersteigt, wäre das sicherlich keine wünschenswerte Alternative zur NATO. Es wäre letztlich ein um die USA verkleinertes Verteidigungsbündnis und könnte als solches keinesfalls besser Frieden und Sicherheit gewähren.

Auch die OSZE kann die NATO nicht ersetzen, da sie zwar den Vorteil eines klassischen Systems kollektiver Sicherheit hat und daher bei der Konfliktlösung mit Russland eine entscheidende Rolle spielen muss, aber dafür eben nicht die Verflechtung der Streitkräfte aufbieten kann wie ein Verteidigungsbündnis.

Eine alternative NATO unter Einschluss Russlands

Die einzige Alternative zur bisherigen NATO, die ich langfristig sehe, wäre ihre Weiterentwicklung zu einem echten System kollektiver Sicherheit von Vancouver bis Wladiwostok. Die aktuelle Lage bietet dahingehend leider keinen Anlass für Optimismus. Aber Zeiten können sich auch wieder ändern, wie die letzten 70 Jahre gezeigt haben. Und schon einmal gab es ein Zeitfenster mit Chancen, die leider nicht genutzt worden sind.

Unter Einschluss Russlands bräuchte die NATO sich keine Sorgen mehr um ihre Existenzberechtigung als Verteidigungsbündnis durch Verlust des potentiellen Gegners machen. Ihr neuer Aufgabenschwerpunkt wäre es dann, Frieden und Sicherheit zwischen ihren Mitgliedern zu gewährleisten.

Sie wäre nicht mehr die alte NATO, die sie bei ihrer Gründung war, aber sie wäre dann weit mehr in der Lage das zu tun, was ihr seit den 1990er Jahren so oft misslungen ist: für Frieden und Stabilität zu sorgen.

Eine andere Alternative ist derzeit nicht greifbar, und wir müssen froh sein, wenn die NATO hält und nicht auseinanderbricht. Denn es gilt nach wie vor: Staaten, deren Streitkräfte miteinander verflochten sind, können schlecht Krieg gegeneinander führen.

Keine NATO ist deswegen auch keine Alternative.

Die NATO muss sich aber wieder auf das besinnen, was sie ist: ein militärisches Verteidigungsbündnis. Sie muss aufhören mit der Anmaßung, für Demokratie, Recht und Freiheit weltweit zuständig zu sein.

Wenn sie dann noch Abschied nimmt von der verfehlten nuklearen Abschreckungsstrategie und sich für internationale Rüstungskontrolle statt für die Aufkündigung derselben einsetzt, könnte sie immer noch eine stabilisierende Funktion haben.

Und wer weiß – irgendwann kommt vielleicht noch einmal die Chance, sich zu einem echten System kollektiver Sicherheit zu entwickeln. Dann wird es darauf ankommen, diese Chance nicht noch einmal zu verpassen.

Katja Keul, Mitglied des Bundestages, ist Obfrau im Unterausschuss Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Mitglied der Parlamentarischen Versammmlung der OSZE.

Historisches Vorbild


Historisches Vorbild

Bertha von Suttner und die Frauen für Frieden

von Anne Bieschke

Wichtiger Bestandteil der Bewegungsarbeit der Friedensfrauen war immer auch die Erarbeitung und Bewusstmachung der eigenen Geschichte. Sie stellen sich in die Tradition früherer Aktivistinnen und Bewegungen und knüpfen an sie an. So werden die historischen Vorläuferinnen zu wichtigen Bestandteilen der eigenen Identität. Selbst ohne personelle oder strukturelle Kontinuitäten gelingt dies vor allem anhand der Themen und Argumente, durch ähnliche Aktionsformen, die Übernahme von Ritualen oder Feiertagen und das Gedenken an berühmte Frauen, die sich um den Frieden verdient gemacht hatten. Bertha von Suttner ist hierbei wohl die hervorragendste Persönlichkeit.

Die Frauenfriedensbewegung kann inzwischen auf eine etwa 150-jährige Geschichte zurückblicken, die teils von Kriegen unterbrochen wurde, teils Zeiten der Latenz erfuhr, ohne jedoch ganz abzubrechen. Auch für sie gilt die Erkenntnis: „Kaum ein Thema gegenwärtiger sozialer Bewegungen ist wirklich neu. […] Rückblickend ist festzustellen, dass soziale Bewegungen ihre Geschichte und Vorgeschichte immer wieder aufs Neue entdecken und in gewisser Weise »erfinden«.“ (Roth 2008, S. 21) Das Geschlecht ist für die Frauenfriedensbewegung dabei das wichtigste verbindende Element und ausschlaggebend für das Gefühl einer Zusammengehörigkeit über Generationen hinweg. Daneben fungieren »Vorfahrinnen« der Frauenfriedensbewegung bis heute als wichtige Vorbilder und als Quellen des Empowerment auf emotionaler Ebene. Es ist möglich, aus der Geschichte Mut zu schöpfen, die eigene Argumentation zu prüfen und von den früheren Theoretikerinnen zu lernen oder gegebenenfalls deren Fehler und Misserfolge zu reflektieren.1

Die Erarbeitung der eigenen Geschichte durch die Frauenfriedensbewegung wirkt jedoch nicht nur nach innen. Nach außen sind Aktionen, die Bezug auf die Geschichte und auf in der breiten Öffentlichkeit bekannte Personen nehmen, ein Mittel, die Sichtbarkeit und die Wirksamkeit der eigenen Aktionen zu erhöhen. Der Geschichtswissenschaft geben genau diese Aneignungen der eigenen Geschichte Auskunft über die innere Verfasstheit und das Selbstverständnis der Frauenfriedensbewegung.

Wohl am häufigsten wurde und wird, wenn es um weibliches Friedensengagement geht, Bezug genommen auf Leben und Werk Bertha von Suttners. Bertha von Suttner, österreichische Pazifistin, geboren 1843, erarbeitete in ihren Schriften nicht nur Grundlagen des (weiblichen) Friedensengagements, sondern war auch Mitbegründerin der Österreichischen Gesellschaft der Friedensfreunde (1891) und der Deutschen Friedensgesellschaft (1892). Vor allem durch ihren Roman »Die Waffen nieder!« ist Bertha von Suttner vielen ein Begriff. Der Roman, den sie im Jahr 1889 zunächst in kleiner Auflage veröffentlichte, wurde eines der erfolgreichsten Antikriegsbücher seiner Zeit. 1905 erhielt sie als erste Frau den Friedensnobelpreis – eine Auszeichnung, zu der sie selbst einige Jahre zuvor Alfred Nobel angeregt hatte. Für viele Friedensfrauen ist sie ein Vorbild, weil sie sich dezidiert als Frau für den Frieden einsetzte und dies in einer Zeit, in der die Handlungsspielräume von Frauen im »öffentlichen Raum« sehr begrenzt waren (Hausen 1976).

Die »Westdeutsche Frauenfriedensbewegung«

In den 1950er Jahren wurde Bertha von Suttner zum ersten Mal dezidiert als historisches Vorbild rezipiert, und zwar durch die 1951 gegründete Westdeutsche Frauenfriedensbewegung (WFFB). Zeit ihres Bestehens zeigte die WFFB sich geschichtsbewusst und stellte sich ausdrücklich in die Tradition Bertha von Suttners (Notz 2015) und der alten Frauenbewegung, wie die beiden Mitbegründerinnen Ingeborg Küster und Elly Steinmann betonten: „Durch die Westdeutsche Frauenbewegung ist die deutsche Frauenbewegung fortgeführt worden, die Tradition jener Frauen, die zu ihrer Zeit bereit gewesen sind, unter schwierigen Bedingungen das Notwendige zu tun.“ (Küster/Steinmann 1990, S. 233)

Die Frauen gaben sich das Motto „Wir sind Hüterinnen, Wachen ist unser Auftrag, unser Amt ist der Friede“ (Faßbinder 1956, S. 3), das den besonderen Bezug des weiblichen Geschlechtes zum Frieden, aber auch zur Wahrung von Traditionen hervorhob.

Ihre Hauptziele waren die Verhinderung der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik und deren Einbindung in ein westliches Militär- oder Verteidigungsbündnis. Daneben setzten sich die Frauen auch für eine Verbesserung der Beziehungen zur DDR ein. 1952 protestierten etwa 1.600 Frauen in Bonn gegen den Deutschlandvertrag, 1954 demonstrierten sie gegen die allgemeine Wehrpflicht, 1955 gegen die Pariser Verträge und 1964 gegen eine multilaterale Atomstreitmacht – hierzu beteiligten sich ca. 700 Frauen der WFFB an einer Demonstration in Den Haag, einer der Wirkungsstätten von Bertha von Suttner. Ab Mitte der 1960er Jahre engagierte die WFFB sich vornehmlich gegen den Vietnamkrieg. Das Ende der WFFB wurde von der Aufgabe ihrer Frauenzeitschrift »Frau und Frieden« eingeläutet, die bis 1974 erschien (Küster/Steinmann 1990). Zu diesem Zeitpunkt ließen auch die übrigen Tätigkeiten der WFFB immer weiter nach und versiegten schließlich ganz.

Die Frauenfriedensbewegung der 1980er Jahre

Während die WFFB sich dezidiert in der Tradition der Vorgängerbewegung sah, war die Frauenfriedensbewegung der 1980er Jahre ein Kind der Neuen Frauenbewegung. Als Teil dieser sowie der Friedensbewegung verstand sie sich durchaus auch als eigenständige Bewegung, die gegen Aufrüstung (NATO-Doppelbeschluss) protestierte und sich für einen Frieden stark machte, der die Gleichberechtigung der Geschlechter einschließt.

Eine erste Welle des Protests und die Bildung neuer Frauengruppen lösten Ende der 1970er Jahre die u.a. von Verteidigungsminister Apel in den Raum gestellte Frage aus, ob Frauen auch zum Wehrdienst verpflichtet werden sollten. Die Diskussion blieb nicht auf die Frauen- und Frauenfriedensbewegung beschränkt, sondern wurde durchaus ein gesamtgesellschaftliches Thema. Zu Beginn der Debatte waren es vor allem Aktivistinnen der Initiative »Frauen in die Bundeswehr? Wir sagen Nein!«, gegründet im Mai 1979, die mit Demonstrationen und so genannten »Verweigerungsaktionen« an die Öffentlichkeit traten. Die Frauen wurden aufgerufen, vorsorglich bei der zuständigen Behörde schriftlich jede Form des Kriegseinsatzes, von einem möglichen Wehrdienst bis hin zu medizinischen Hilfeleistungen, zu verweigern und gegen eine mögliche Frauenwehrpflicht zu protestieren.

Eine Internationalisierung der Frauenfriedensbewegung wurde mit dem im Februar 1980 in Dänemark initiierten Aufruf »Frauen für den Frieden« (zit. in Quistorp 1982, S. 20) ab Anfang der 1980er Jahre erreicht, in dem unter anderem Abrüstung und der Stopp des Wettrüstens zwischen den Supermächten USA und Sowjetunion gefordert wurden. Auch die westdeutschen Frauen beteiligten sich an der internationalen Unterschriftenaktion und begleitenden Aktionen.2

Einen Bezug zu ihren historischen Vorfahrinnen mussten sich die Aktivistinnen der 1980er Jahre oft erst erarbeiten, dann jedoch nutzten sie ihn umso expliziter für die Herstellung der eigenen Identität als Bewegung und für die Darstellung nach außen. Wie wichtig diese Traditionslinien auch für die »neue« Frauenfriedensbewegung waren, zeigt das Vorwort von Eva Quistorp zum Band »Frauen für den Frieden – Analysen, Dokumente und Aktionen aus der Frauenfriedensbewegung«:

„Viele Probleme, die heute aufgegriffen werden, waren bereits Themen früherer Frauenfriedensbewegungen. Ideen und Energien jener Bewegungen setzen sich bis heute fort – wenn auch oft unbewußt. […] »Frauen für Frieden« knüpfen an eine […] Tradition an – die Tradition einer Widerstand leistenden Minderheit von Pazifistinnen wie Bertha von Suttner, Lydia [sic!]Gustava Heymann und Virginia Woolf, von Kommunistinnen wie Clara Zetkin, libertären Anarchistinnen wie Emma Goldmann, Sozialistinnen wie Rosa Luxemburg, Christinnen wie Dorothy Day und Luise Rinser. Ohne diese Geschichte wäre die Stärke und Vielfalt der neuen Frauenfriedensbewegung kaum denkbar.“ (Quistorp 1982, S. 9)

Auch hier waren es oft Bertha von Suttner und ihr Werk, an die bei zahlreichen Aktionen erinnert wurde: Im März 1981 benannten Friedensfrauen in Berlin in einer ihrer Aktionen die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Bertha-von-Suttner-Gedächtniskirche um. Sie fanden Nachahmerinnen an vielen weiteren Orten, wobei die Frauen nicht nur Kirchen, sondern – wie zum Beispiel in Düsseldorf – auch Platz- oder Straßennamen veränderten (Balistier 1996). Die Berufung auf ein historisches Vorbild unterstrich die Legitimität der eigenen Ziele. Die Friedensfrauen zeigten sich selbst und der Öffentlichkeit, dass ihre Forderungen auch schon Jahrzehnte früher aktuell waren. Dabei war auch der Verweis auf vergangenes Scheitern Bestandteil der Aktion und diente als Warnung an sich selbst und an die Öffentlichkeit. Die Gewalterfahrungen und Konflikte des 19. und 20. Jahrhunderts seien schließlich auch eine Folge der Nichtbeachtung weiblichen Friedensengagements gewesen. Darum sei es nun an der neuen Generation Frauenfriedensbewegung, dafür zu sorgen, dass ihre Anliegen ernst genommen würden.

Frauen für den Frieden heute

Mit der Thematisierung von Krieg und Frieden bei der UN-Weltfrauenkonferenz in Peking (1995) und ihren nationalen Vorbereitungs- und Nachfolgekonferenzen hat sich das Engagement der Frauenfriedensorganisationen wieder stärker auf eine institutionalisierte Ebene verlagert. Getragen wird dies zum Beispiel von der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit (IFFF), gegründet 1915, die beratenden Status bei verschiedenen Gremien der Vereinten Nationen hat.3

Spätestens seit dem Jahr 2001 und der vom UN-Sicherheitsrat verabschiedeten Resolution 1325, »Frauen, Frieden und Sicherheit«, ist die besondere Betroffenheit von Frauen von Krieg und seinen Folgen, wie Flucht, Vertreibung und (sexuelle) Gewalt an Zivilist*innen, international anerkannt.4 Anerkannt ist ebenfalls, dass Frauen aufgrund dieser Betroffenheit auch an Friedensprozessen beteiligt sein müssen. Die Umsetzung der Resolution geht jedoch nur schleppend voran. Hier sind nun wieder Frauen gefragt, die sich engagieren, Gruppen gründen und aktiv werden, um auf nationaler und internationaler Ebene die Umsetzung der Resolution zu überwachen und einzufordern.

Ein weiteres Beispiel ist das Frauennetzwerk für Frieden e.V., das seit 1996 besteht und als zentralen Wert eine Friedenskultur anstrebt, die „die Realisierung von Gerechtigkeit, die insbesondere auch das Ende der Gewalt gegen Frauen und die Implementierung der Geschlechtergerechtigkeit für Frauen, Männer und Transgeschlechtlichkeiten einschließt“ (Frauennetzwerk für Frieden o.J.). Die Netzwerkorganisation FriedensFrauen Weltweit wiederum, die aus der Initiative »1000 Frauen für den Friedensnobelpreis« im Jahr 2003 hervorgegangen ist, hat es sich zur Aufgabe gemacht, „die Vernetzung zwischen Friedensstifterinnen zu stärken, ihre Arbeit mit praktischen Tools zu unterstützen und ihr Engagement sichtbar zu machen.“ (FriedensFrauen Weltweit o.J.)

Eines der wichtigsten solcher »Tools« ist der Hinweis auf die eigene Geschichtlichkeit. Die IFFF verweist auf ihrer Webseite dezidiert auf Bertha von Suttner und würdigt ihr Leben und Werk als einen wichtigen Beitrag weiblichen Friedensengagements. Ganz ähnlich wie die Frauenfriedensbewegung in den 1980er Jahren arbeitet das Frauennetzwerk für Frieden e.V. ganz praktisch mit der historischen Person Bertha von Suttner. Das Frauennetzwerk hatte jahrelang darauf hingewirkt, dass für Bertha von Suttner in Bonn ein Denkmal errichtet würde. Nach jahrelanger Öffentlichkeitsarbeit, Spendensammlungen und Überzeugungsarbeit gegenüber der Stadt Bonn ziert nun seit 2013 eine Stele der finnischen Künstlerin Sirpa Masalin den Bertha-von-Suttner-Platz in Bonn. 2016 gründete sich innerhalb des Frauennetzwerkes zusätzlich eine eigene »Bertha-AG«, die sich dem Andenken an von Suttner verschrieben hat und „den Geist Bertha von Suttners in Bonn präsent“ halten möchte (Frauennetzwerk für den Frieden o.J.).

Die Beispiele zeigen, wie wichtig die eigene Geschichte für das Selbstverständnis der Frauenfriedensbewegung und ganz allgemein für soziale Bewegungen ist. Die aktive Aneignung dieser Geschichte ist dabei ebenso wichtig wie ihre Verwendung als Vehikel für die eigenen Botschaften. Dabei muss bedacht werden, dass die Geschichtsarbeit sozialer Bewegungen stets selektiv ist und eben dazu dient, ein bestimmtes Bild von der eigenen Bewegung zu zeichnen. Die „Erfindung von Tradition“ kann die „Legitimation und das politische Gewicht der eigenen Mobilisierung verstärken“ (Roth/Rucht 2008, S. 21).

Anmerkungen

1) Vgl. zum Nutzen der Reflexion und Bewahrung der eigenen Geschichte für Neue Soziale Bewegungen, respektive der (neuen) Frauenbewegung, Wenzel 2013, S. 183.

2) Zur Geschichte der Frauenfriedensbewegung in der Bundesrepublik zu Beginn der 1980er Jahre ausführlich Bieschke 2018 (im Erscheinen).

3) Women’s International League for Peace and Freedom, WILPF; wilpf.org.

4) Zur Wirkung der Resolution 1325 vgl. Weiß (2016). Zur Resolution 1325 siehe außerdem die Artikel von Ruth Seifert und Heidi Meinzolt in diesem Heft.

Literatur

Balistier, T. (1996): Straßenprotest – Formen oppositioneller Politik in der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1979 und 1989. Münster: Westfälisches Dampfboot.

Bieschke, A. (2018): Die unerhörte Friedensbewegung – Frauen, Krieg und Frieden in der Nuklearkrise (1979-1983). Essen: Klartext (im Erscheinen).

Faßbinder, K.M. (1956): Fünf Jahre Velbert. Frau und Frieden Nr. 10, S. 3.

Frauennetzwerk für Frieden e.V. (o.J.); ­frauennetzwerk-fuer-frieden.de.

FriedensFrauen Weltweit (o.J.); 1000peacewomen.org.

Hausen, K. (1976): Die Polarisierung der »Geschlechtscharaktere« – Eine Spiegelung der Dissoziation von Erwerbs- und Familienleben. In: Conze, W. (Hrsg.): Sozialgeschichte der Familie in der Neuzeit Europas – Neue Forschungen. Stuttgart: Klett, S. 363-393.

Küster, I.; Steinmann, E. (1990): Die Westdeutsche Frauenfriedensbewegung (WFFB). In: Hervé, F. (Hrsg.): Geschichte der deutschen Frauenbewegung. Köln: PapyRossa, 4. Auflage, S. 224-234.

Notz, G. (2015): Klara Marie Faßbinder (1890-1974) und die Westdeutsche Frauenfriedensbewegung (WFFB). In: Dunkel, F.; Schneider, C. (Hrsg.): Frauen und Frieden? Zuschreibungen – Kämpfe – Verhinderungen. Leverkusen-Opladen: Budrich academic, S. 87-102.

Roth, R.; Rucht, D. (Hrsg.) (2008): Die sozialen Bewegungen in Deutschland seit 1945 – Ein Handbuch. Frankfurt/New York, campus, S. 21.

Quistorp, E. (Hrsg.) (1982): Frauen für den Frieden – Analysen, Dokumente und Aktionen aus der Friedensbewegung, Bensheim: Päd-­extra-Buchverlag.

Weiß, N. (2016): Frauen, Frieden und Sicherheit – was hat Resolution 1325 gebracht? Potsdam: Universitätsverlag Potsdam.

Wenzel, C. (2013): Springen, Schreiten, Tanzen – Die Stiftung Archiv der deutschen Frauenbewegung. In: Bacia, J.; Wenzel, C. (Hrsg.): Bewegung bewahren – Freie Archive und die Geschichte von unten. Berlin: Hirnkost, S. 179-196.

Dr. Anne Bieschke ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Dekanat der Philosophischen Fakultät der Universität Mannheim und Historikerin. In ihrer Dissertation untersuchte sie die Geschichte der Frauenfriedensbewegung in der Bundesrepublik in der Nuklearkrise (1979-1983).

Männlichkeit im Militär


Männlichkeit im Militär

Historische Zugänge und Ansatzpunkte für die Friedensarbeit

von Ralf Buchterkirchen

Anhand der Konstruktion hegemonialer Männlichkeit im Militär wird in diesem Beitrag untersucht, wie Geschlecht als Kategorie genutzt wird, um widerständiges Verhalten zu sanktionieren und zu verhindern. Ausgangspunkt ist dabei der Umgang der NS-Militärjustiz mit Deserteuren und so genannten Wehrkraftzersetzern. Aus diesem Blickwinkel wird herausgearbeitet, welche Folgen sich aus diesen Erkenntnissen für die Friedensarbeit ziehen lassen.

Der Militärstand und seine Manifestation nach außen – die Uniform – stehen für eine Institution, in der Gewalt, die über den zivilen Rahmen der bürgerlichen Gesellschaft hinaus geht, Akzeptanz findet. Die zivile Sphäre und das Militär sind sich so wesensfremd, dass Überschneidungen tunlichst vermieden werden. Das führt zu gegenseitiger Abgrenzung und verhindert zivilgesellschaftliche Interventionen in den Militärstand. Dies traf insbesondere vor Einführung der ­Wehrpflicht zu. Damals trugen Söldner – zum Kriegshandwerk ausgebildete und flexibel verfügbare Einheiten – die militärischen Konflikte aus. Sie agierten komplett getrennt von der zivilen Gesellschaft und mit einem eigenen Strafsystem und Selbstverständnis – und wurden in der zivilen Gesellschaft verachtet.

Dies änderte sich mit der Einführung der Wehrpflicht ab Ende des 18. Jahrhunderts. Sie führte zu weitreichenden Verschränkungen zwischen dem zivilen und dem militärischen Bereich, die von der Einführung eines bürgerlichen Reserveoffizierkorps bis hin zur Abschaffung von Körperstrafen reichten. Im Kern blieben sich der zivile und der militärische Bereich dennoch fremd, insbesondere weil die »Kernkompetenz« des Soldaten – die Ausübung von Gewalt – im Zivilen nicht geschätzt wird.

Im Militär hingegen wird die physische Gewalt gezielt ein- und ausgeübt; es geht darum, die Tötungshemmung gegenüber Menschen zu überwinden, auf Befehl (und nicht aufgrund eigener Entscheidung) zu töten und dabei die Angst vor dem eigenen Tod zu überwinden. Dies wird über gruppendynamische Prozesse, wie Kameradschaft, über die Kasernierung und eine Disziplinarordnung, die bis zur Todesandrohung bei »Feigheit vor dem Feind« reichen konnte, bewerkstelligt. Disziplinierung und Sanktionen sind entsprechend wichtige Grundpfeiler der militärischen Sozialisation. Dabei geht es nicht nur darum, »Gehorsam zu lernen«, sondern den eigenen Charakter komplett umzubauen, bis hin zur Selbstverleugnung. (Siehe dazu Steube, S.: Militär und Männlichkeit, S. 10, in dieser Ausgabe.)

Entwicklung von Männlichkeit im Militär

Erste Wehrpflichtentwürfe des preußischen Staates sahen vor, dass neben Gefängnis auch der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte drohte, wenn sich ein Staatsbürger der Wehrpflicht entzog. Und in der Tat war die Begeisterung für den Zwangsdienst selbst im ökonomisch schlecht gestellten Proletariat gering.1 Warum sollten sich junge Männer zu einem Dienst verpflichten lassen, der ihnen nur Lebenszeit, vielleicht sogar das Leben selbst raubte? Neben Druck kam daher auch die Propagandamaschine zum Einsatz: Einerseits wurde an die Männlichkeit appelliert,2 andererseits wurde Krieg immer weniger als »Krieg der Regierungen« denn als »Krieg der Nationen« dargestellt.

Damit verfolgten die Herrschenden zwei Ziele: Zum einen wurde Krieg zur »Volkssache«, und es erfolgte eine Überhöhung des Kämpferischen: Es galt, »seinen Mann zu stehen«. Zum anderen konnte über die Abgrenzung zum Nichtmann/Nichtmilitär auch ein sozialer Status erlangt werden, der im zivilen Leben verwehrt blieb. Der Wehrdienst verknüpfte das »Positivbild« des Soldaten (stark, tapfer, männlich) mit dem Nationalen, mit »Patriotismus«. Da von der Wehrpflicht weite Teile der Bevölkerung betroffen waren, verschwand bald das Negativimage des Militärs, und es setzte ein Gefühl von größerer Gleichheit unabhängig vom eigentlichen sozialen Stand ein. Von größter Bedeutung war dabei: Männer gehörten der Institution Militär an, weil sie Männer waren. Das führte zur Selbstvergewisserung der eigenen Männlichkeit und zur Abgrenzung gegenüber Weiblichkeit. Die Wehrpflicht wurde so zur Institution, die den Jüngling zum Manne bildet. Die Einführung der Wehrpflicht formte die Körper und das Denken ganzer Generationen. Der soldatische Habitus wurde auch zum zivilen Vorbild für Männlichkeit (Fritsche 2015, S. 61 ff.).

Wir haben es also mit Einführung der Wehrpflicht mit einem völlig neuen Rollen- und Selbstverständnis zu tun – übrigens in Bezug auf beide sozial vorgesehenen Geschlechter. Neben der militärischen männlichen Sicht entstand die weibliche, die – zumindest für die bürgerlich Privilegierten – auf Kinder und Familie ausgerichtet war. Männer standen in den Familien den Frauen vor, beherrschten sie. Erzieherinnen und Mütter hatten die Aufgabe, diese »Werte« an die Kinder weiterzuvermitteln. Das mit der Wehrpflicht gefestigte Geschlechterbild wurde immer weniger in Frage gestellt, ja, geradezu ahistorisch als schon immer dagewesen gesetzt.

Wie stabil dieses geprägte Bild von Männlichkeit war, zeigt die militärische Niederlage im Ersten Weltkrieg. Schuld an der Niederlage – so die weitverbreitete und kaum hinterfragte Ansicht – waren nicht die »starken Männer«, die »ehrenhaften Soldaten«. Schuld waren die »Schwächlinge«, »Vaterlandsverräter« – also die Kriegsmüden, Sozialdemokraten, Kommunisten, die »Heimatfront«. Die Mär von der im Felde unbesiegten Armee ging um. Diese »Dolchstoßlegende« erlaubte es den Soldaten (und vor allem den Offizieren), ihre Männlichkeit und »Ehre« zu erhalten. Der Historiker Wolfram Wette beschreibt das Gefühl der Soldaten wie folgt:

„Freikorpskämpfer und Freikorpsautor Friedrich Wilhelm Heinz notierte: ‚Man redet uns vor, dass der Krieg nun zu Ende sei. Wir lachten darüber. Denn der Krieg, das waren wir selbst. Seine Flamme brannte in uns fort und umzog unser ganzes Tun mit dem glühenden und unheimlichen Bannkreis der Zerstörung.‘ Aus dieser Perspektive betrachtet, traf der verlorene Krieg das Männlichkeitsgefühl mehrerer deutscher Männergenerationen an der empfindlichsten Stelle, nämlich in der Überzeugung zu Kriegern und Siegern geboren zu sein. Daher weigerten sich die soldatischen Männer, die Realität der Niederlage Deutschlands und des Kriegsendes zur Kenntnis zu nehmen. Sie spürten, dass sie nicht mehr für das zivile Leben taugten und dass sie mit dem Frieden nichts anzufangen wussten. Er erschien ihnen als Bedrohung, als eine Neuauflage der trostlosen Zeit vor 1914. Daher fühlten sie sich unter einem inneren Zwang weiterkämpfen zu müssen, egal wo und egal gegen wen. Sie glaubten, sie hätten einen Anspruch auf ein Leben in der Gewalt.“ (Wette 2011, S. 145 f.)

Die aus dem Krieg wiederkehrenden Soldaten fanden nur schwer oder gar nicht in die zivile Welt zurück. Viele verdingten sich in Freikorps und anderen männerbündischen Vereinen. Dies wiederum bewirkte eine starke Militarisierung der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen der Weimarer Zeit, insbesondere aufseiten der Antidemokraten. In Kombination mit dem Bild des »Schanddiktates von Versailles« und der Dolchstoßlegende war dies eine der Grundlagen für die kommende NS-Diktatur.

Deserteure und »Wehrkraft­zersetzer« als Antipoden zum soldatischen Leitbild

Die Gleichsetzung von Männlichkeit und Soldat war ein zentrales Element der sich herausbildenden militärischen Ordnung. Nun wurde aber nicht der »Soldatenberuf« bzw. die Wehrdienstzeit an sich militärisch und in wachsendem Maße auch gesellschaftlich als förderlich angesehen, vielmehr wurde der dem Drill, der Disziplin und vor allem der Unterwerfung in einer hierarchischen Ordnung innewohnende Erziehungseffekt zunehmend positiv bewertet. Hinzu kam als strukturierendes Element die Kameradschaft, die mithelfen sollte, eigene Netzwerke bzw. Wohlfühlstationen zu haben und sich gegen die Nichtkameraden abzugrenzen; ihre Bedeutung wurde noch durch die heldische Überhöhung der »eigenen Kameradschaft« und die Abwertung des Gegners verschärft.

Das heroische Männlichkeitsbild als soldatisches Leitbild wurde zudem rassistisch aufgeladen; dies verstärkte sich mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus. Kameradschaft galt als Vorbild für die »Volksgemeinschaft« und war Ausgangspunkt für das soldatische Freund/Feind-Denken: In der NS-Zeit – wie bereits in der Endphase der Weimarer Republik – wurde in der Gesellschaft die Idee einer »arischen Herrenrasse« und die Vernichtung des Judentums propagiert; insbesondere jüdische Männer wurden als vermeintliche »Schwächlinge« diskreditiert. Das Bild der »überlegenen Herrenrasse« sorgte für einen gewaltigen Konformitätsdruck unter den Soldaten und hilft, das Dogma vom »Kämpfen bis zum Untergang« zu verstehen.

Schon vorher genutzt, kam durch die NS-Ideologie verstärkt einem weiteren Begriff große Bedeutung zu: der »Manneszucht«. »Manneszucht« umschrieb den bedingungslosen militärischen Gehorsam und stand für alle Eigenschaften, die ein Wehrmachtssoldat zu zeigen hatte: Tapferkeit, Opferbereitschaft, Kollektivismus, Treue, Mut, Kameradschaft, Loyalität. Dem entgegen standen unsoldatische, ergo unmännliche, Tugenden, wie Individualismus, Aufmüpfigkeit, eigenes Denken und Handeln oder »Feigheit vor dem Feind«. »Manneszucht« war eine Zusammenfassung dessen, was das Militär von funktionierenden Soldaten erwartete. Die »Aufrechterhaltung der Manneszucht« war ein grundlegendes Merkmal der einschlägigen Militärjustiz der NS-Zeit. In der Fassung der Kriegssonderstrafrechtsverordnung vom 18.3.1943 hieß es etwa: „Personen, die dem Kriegsverfahren unterliegen, sind wegen strafbarer Handlungen gegen die Manneszucht oder das Gebot soldatischen Mutes unter Überschreitung des regelmäßigen Strafrahmens mit Zuchthaus bis zu fünfzehn Jahren, mit lebenslangem Zuchthaus oder mit dem Tode zu bestrafen, wenn es die Aufrechterhaltung der Manneszucht oder die Sicherheit der Truppe erfordert.“

Dieser Straftatbestand entzog sich einer objektiven Bewertung – und er wurde im Nationalsozialismus exzessiv herangezogen. Die Begriffe »gesundes Volksempfinden« und »Manneszucht« waren rasch bei der Hand. So äußerte beispielsweise der Soldat Otto Rischbieter im Kreise seiner Mitsoldaten 1941, mit dem Angriff auf die Sowjetunion sei der Krieg verloren. Er wurde denunziert, wegen Wehrkraftzersetzung zum Tode verurteilt und im Zuchthaus Brandenburg hingerichtet. Robert Gauweiler, ein hannoverscher Kommunist, wurde 1944 wegen der Äußerung „Diesen Krieg verlieren wir“ von anderen Soldaten angezeigt, von einem Militärgericht verurteilt und hingerichtet. Die Urteilsbegründung – Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der Manneszucht – zeigt, wie massiv die Angst vor der Missachtung gesetzter Geschlechterbilder und der mit diesen verknüpften militärischen Ordnung den Umgang der Nationalsozialisten mit Gehorsamsverweigerung bestimmte. (Alle Beispiele aus Buchterkirchen 2011.) Während des Zweiten Weltkrieges wurden ca. 30.000 Todesurteile wegen Gehorsamsverweigerung gefällt, davon ca. 20.000 wegen Desertion und ca. 5.000 bis 6.000 wegen des Vorwurfs der Wehrkraftzersetzung. Etwa 21.000 dieser Urteile wurden vollstreckt.3

Die Rolle von Männlichkeit in der Wehrmacht lässt sich am besten am Beispiel derer aufzeigen, denen die Männlichkeit abgesprochen wurde: »Drückeberger«, »Vaterlandsverräter«, »Schwächlinge«, »Feiglinge«, »Volksschädlinge« sind die Begriffe, die in der NS-Zeit für sie genutzt wurden. Gemeint sind Deserteure, die aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr mitmachen wollten oder konnten. Die Wortwahl zeigt, dass die Haltung der Deserteure im Nationalsozialismus als »entmannend« abgewertet wurde. Zudem wurden den Deserteuren als Teil des Urteils die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt, ebenso die »Wehrwürdigkeit«. (Als »wehrunwürdig« wurden Personen bezeichnet, die zivil oder militärgesetzlich zu Zuchthausstrafen verurteilt worden waren oder als »Staatsfeinde« galten.) Die Verurteilten wurden also aus der Männergemeinschaft ausgestoßen, bevor sie hingerichtet wurden. Mit der Abwertung der »Wehrkraftzersetzer«, die der Kriegsdienstverweigerung, der Selbstverstümmelung oder einer »zersetzenden« Äußerung beschuldigt wurden, und der Deserteure wurde symbolisch die soldatische Ehre der Truppe wiederhergestellt und der Druck auf potentielle Abweichler erhöht. Geschlechternormen dienten hier als Handlungsinstrument. Mit dem bis zum Ende kämpfenden, »ehrenvollen«, »manneszüchtigen«‚ »sauberen«, »mannhaften« Soldaten lässt sich u.a. die Legende der »sauberen Wehrmacht« erklären.

In der gesellschaftlichen Pyramide standen Deserteure weit unten. Selbst »arische« Frauen, in der Hierarchiepyramide weit hinter den »arischen« Männern, galten als ehrenhafter. Der im Nationalsozialismus in Bezug auf nicht ausreichend vorzufindenden Gehorsam abfällig verwendete Begriff der »Weiblichkeit« war eine Metapher für das Andere, Nicht-Militärische. Über diese Abgrenzung des Anderen wurde des Weiteren die männlich-heterosexuelle Norm abgesichert.

Diese Norm fand ihren Ausdruck ebenfalls in der Justiz. Viele Kriegsgerichtsurteile suchten eine »Gemeinschädlichkeit« zu konstruieren und nachzuweisen. Menschenverachtende Bewertungen der Verurteilten mit Begriffen wie »Psychopath«, »asozial«, »minderwertig« und »Wehrmachtsschädling«‚ »Volksfeind«, »Zersetzer« finden sich häufig in Kriegsgerichtsakten.4 Maria Fritsche verweist darauf, dass Desertion u.a. durch den Wehrmachtsrichter und späteren (in der Bundesrepublik) Rektor der Universität Marburg, Erich Schwinge, außerdem pathologisiert und ein direkter Zusammenhang zwischen Schwachsinn, psychischer Labilität und Desertion hergestellt wurde. Desertion sei also nicht als Akt der Auflehnung, sondern als krankhafte unmännliche Reaktion bewertet worden (Fritsche 2015, S. 69).

Die Flucht aus der Armee erfolgte vielfach aus dem Heimaturlaub. Dort war Zeit für Reflexion, man war dem Irrsinn des Krieges für eine kurze Zeit entflohen, man bewegte sich nicht in den gewohnten Männer- und Kameradschaftsstrukturen.

Gesellschaftliche Reaktion

Die gesellschaftlichen Reaktionen während des Krieges ließen diese tief verinnerlichte Männlichkeitskonstruktion dauernd zum Vorschein kommen. In Gnadengesuchen und den wenigen vorhandenen Briefen ist viel von »Scham« die Rede. Auch heute noch kommt es bei Recherchen zu Deserteuren vor, dass man auf eine Mauer des Schweigens stößt oder darüber berichtet wird, dass nie über die betroffenen Angehörigen gesprochen wurde, sie tabu waren. Auch in der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung wurde das gesellschaftliche Tabu erst in den 1990er Jahren aufgebrochen, und es konnte eine Rehabilitierung der wegen Wehrkraftzersetzung oder Fahnenflucht Hingerichteten erfolgen.

Die derzeit stattfindende Veränderung des Soldatenbildes in der Bundeswehr ist hingegen zwiegespalten. Die Öffnung der Armee für Frauen hat keine wesentlichen Veränderungen männlicher Normen gebracht, vielmehr wurden die Frauen in der Bundeswehr in die männlichen Strukturen integriert, sie wurden im sozialen Sinne »vermännlicht«. Gegenwärtig scheint es einige Veränderungen zu geben, die jedoch eher werbenden Ursprung haben: Hochqualifizierte IT-Expert*innen lassen sich eben nicht mit martialischer Kameradschaft gewinnen. Die Bundeswehr lässt sich nicht mit der Wehrmacht vergleichen, Strukturen von hegemonialer Männlichkeit, Sozialisation auf Basis von Befehl und Gehorsam und die daraus folgenden Männlichkeitsideale sind aber bis heute Kern des Selbstverständnisses. Nicht nur die in letzter Zeit regelmäßig auftauchenden Skandale um Initiationsriten u.ä. sind dafür Indikatoren.

Erkenntnisse für die Friedensarbeit

Eine grundlegende Erkenntnis aus dem bislang Gesagten ist die untrennbare Verwobenheit von Militär und Männlichkeit. Das Konstrukt »Männlichkeit« ist konstituierend für das Militär. Daraus folgt, dass es bei der Friedensarbeit (auch) darum gehen muss, die Männlichkeitsentwürfe der Gesellschaft zu ändern. »Geschlecht« muss pluraler und individueller definiert werden, und vorgefertigte Rollen und Verhaltensmuster sind in Frage zu stellen. Dirck Linck schreibt in Bezug auf den Vietnam-Krieg:

„Der heldenhafte Körper geriet nicht zufällig in den Blick; er war den Jugendlichen extrem präsent als massenmedial zirkulierender Körper, der in Vietnam tötete und aus Vietnam als fetischisierter Leichnam zurückkehrte. Als vollkommener Ehemann. Er war Teil der inneren Codierungen der Jugendlichen, deren Widersprüchlichkeit neue Identifikationen hervortrieb. Wer jetzt noch auf der Suche nach Identität war, orientierte sich an »Weiblichkeit« und verweigerte den Kriegsdienst.“ (Linck 2016, S. 79).

Der starke Fokus auf der soldatischen Männlichkeit ist eine Achillesferse des Militärischen. Mit ihrer Hinterfragung, Lächerlichmachung und dem Aufzeigen der Absurdität dieser soldatischen Männlichkeitskonstrukte lässt sich militärisches Denken und Handeln in Frage stellen. Nicht ohne Grund wurden die vielen Skandale über entwürdigende Rituale jahrelang nicht aufgedeckt – sie gehörten scheinbar dazu. Erst die Infragestellung dieser Männlichkeitsnormen aus der Zivilgesellschaft heraus führte zur Aufklärung der ritualisierten Vorkommnisse.

Aus diesem Widerspruch zwischen dem eigenen Empfinden und der geforderten Unterordnung unter konservative Rollenbilder lassen sich Ansätze emanzipatorischer Friedensarbeit ableiten. Dazu gehört es für Männer, ein eigenes Verständnis von Männlichkeit und Geschlecht zu entwickeln. Hier könnte die Auseinandersetzung mit dem Deserteursthema weiterhelfen. Positive Bezugspunkte zu Menschen, die sich dem Töten verweigern, schaffen, ohne sie zu Helden zu überhöhen, alternative Vorbilder. Der Deserteur Willi Rehse war beispielsweise ein typischer Jugendlicher, der gerne Grenzen auslotete (Verspätungen beim Zapfenstreich, Besuch der Freundin in der Kaserne …), was zu einer Eskalation der Strafen führte, an deren Ende seine Hinrichtung stand.5 Seine Geschichte enthält für heutige Heranwachsende viele Berührungspunkte zur eigenen Biographie. Rehse taugt nicht als Held im klassischen Sinne, zeigt aber plastisch die Absurdität des Militärs auf. Hier kann Erinnerungsarbeit einen wichtigen Baustein zur Erkenntnis und Selbsterkenntnis leisten. Durch die Einbeziehung der Kategorie Geschlecht lassen sich Erinnerungsarbeit und Lernorte neu aufstellen und besetzen und damit auch Gegenstrategien im Sinne eines »Nie wieder!« entwickeln. Ebenfalls zu überlegen wäre, wie mit diesem Fokus auch das öffentliche Gedenken anders gestaltet werden könnte.

Anmerkungen

1) Für die bürgerlichen Privilegierten kamen zunehmend Möglichkeiten auf, ihre Kinder vom Wehrdienst freizukaufen. Die Führungspositionen im preußischen Militär waren hingegen eine Domäne des Adels (in Frankreich des privilegierten Bürgertums). Vgl. ausführlich Hartmann 2011.

2) Ausführlich zur Konstruktion von Männlichkeit im Militär siehe Frevert 2001.

3) Dazu kommen noch 4.000-8.000 Hinrichtungen durch Standgerichte während der letzten Kriegstage.

4) Plastisches Beispiel dafür ist der Kanonier Oppermann in Buchterkirchen 2011, S. 90 ff.

5) Die Geschichte Willi Rehses ist noch nicht aufgeschrieben. Das wird 2019 in einer schulpädagogischen Arbeit erfolgen.

Literatur

Buchterkirchen, R.: (2011): „… und wenn sie mich an die Wand stellen“ – Desertion, Wehrkraftzersetzung und »Kriegsverrat« von Soldaten in und aus Hannover 1933-1945. Neustadt: Edition Region und Geschichte.

Frevert, U. (2001): Die kasernierte Nation. München: C.H. Beck.

Fritsche, M. (2004): Entziehungen – Österreichische Deserteure und Selbstverstümmler in der Deutschen Wehrmacht. Wien: bohlau.

Fritsche, M. (2015): Männlichkeit als Forschungskategorie. In: Bade, C.; Skowronski, L.; Viebig, M.: NS-Militärjustiz im Zweiten Weltkrieg. Dresden: VR unipress, S. 61-77.

Hartmann, H. (2011): Der Volkskörper bei der Musterung – Militärstatistik und Demographie in Europa vor dem Ersten Weltkrieg. Göttingen: Wallstein Verlag.

Linck, D. (2016): Creatures – Aufsätze zu Homosexualität und Literatur. Hamburg: männerschwarm.

Wette, W. (2011): Militarismus in Deutschland. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag.

Ralf Buchterkirchen, Wirtschaftsinformatiker aus Hannover, ist Bundessprecher*in der DFG-VK und forscht ehrenamtlich zu Deserteuren, Wehrkraftzersetzern und wegen Kriegsverrat verurteilten Soldaten. Er betreibt das Blog verqueert.de, auf dem er zu queeren und antimilitaristischen Themen schreibt.

Weg zur Kirche des Gerechten Friedens

Weg zur Kirche des Gerechten Friedens

Eine badische Initiative

von Theodor Ziegler

Die Badische Landeskirche startete im Frühjahr 2012 einen Diskussionsprozess zu einer Neuorientierung der Friedensethik. Ausgangspunkt war eine Eingabe des Kirchenbezirks Breisgau-Hochschwarzwald im Jahr 2011, der eine Neuorientierung der Friedensethik beantragt hatte. Die Mitglieder des »Arbeitskreises Frieden« forderten darin die Abkehr von der militärischen Konfliktregelung und ein Bekenntnis zur Gewaltfreiheit als einziger Option in der Landeskirche. Der Autor beschreibt die Hintergründe dieser Initiative und wie sich sie inzwischen über Baden hinaus entwickelt hat.

Für die frühe Christenheit waren der Gewaltverzicht und damit die Ablehnung militärischer Gewalt weitgehend eine Selbstverständlichkeit. Doch im Gefolge der konstantinischen Wende (ab dem Jahr 312), in der das Christentum zur römischen Staatsreligion wurde, entwickelte sich ein enges Verhältnis zwischen Kirche und Militär. Das ist in Deutschland bis heute auf jedem Panzer, jedem Bomber und jeder Rakete der Bundeswehr in Form des »Tatzenkreuzes« (dem Hoheitszeichen des deutschen Militärs) oder an militärischen Verdienstkreuzen sichtbar sowie durch die kirchlich verantwortete und staatlich bezahlte Militärseelsorge institutionalisiert. Die großen Volkskirchen trugen unzählige Kriege ihrer jeweiligen Staaten gegeneinander mit; auch die protestantischen Kirchen protestierten in ihrer 500-jährigen Geschichte gegen keinen einzigen Krieg. Die nationale Bindung war wesentlich bedeutsamer als die religiöse.

Diejenigen Christ*innen, die zu Zeiten der Reformation in der Nachfolge Jesu auf militärische Gewalt und Todesstrafe verzichten wollten, wurden von den Reformatoren in Artikel 16 des Augsburger Bekenntnisses (Confessio Augustana)1 von 1530 verdammt, was Verfolgung, Folter und Hinrichtung nach sich zog. Bis heute stehen diese unsäglichen, evangeliumswidrigen Auffassungen unwiderrufen und kaum kritisch kommentiert im Anhang der evangelischen Kirchengesangbücher und bilden die für alle haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen gültige Bekenntnisgrundlage. Als eine Radler*innengruppe des Internationalen Versöhnungsbundes im vergangenen September den Artikel 16 des Confessio Augustana in einem Postpaket mit der Angabe »Annahme verweigert« von Augsburg nach Wittenberg überbrachte, wurde dies sowohl von der Reformationsbotschafterin Margot Käsmann wie auch von der mitteldeutschen Landesbischöfin Ilse Junkermann nur mit Schweigen quittiert – obwohl beide frühzeitig angefragt waren und für eine eher kritische Haltung bekannt sind. Ein Lichtblick ist es daher, dass der Friedensbeauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der Bremer leitende Geistliche Pastor Renke Brahms, inzwischen dringenden Handlungsbedarf signalisierte.2

In ihrer letzten Friedensdenkschrift von 20073 stellte die EKD fest, dass es keine gerechten Kriege geben könne, und bekannte sich zum gerechten Frieden und zur vorrangigen Option der Gewaltfreiheit, was jedoch der militärischen, wenn auch nachrangigen, Option weiterhin die Existenzberechtigung und kirchliche Billigung verlieh und an der engen Kooperation zwischen Kirche und Militär nicht das Geringste änderte. Ein im Afghanistan-Einsatz befindlicher Militärpfarrer bezeichnete die Bundeswehrsoldaten gar als „Krieger des Lichts und seinen dortigen militärseelsorgerlichen Versammlungsraum als „Gottesburg“.4 Und der vormalige EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider zelebrierte im Mai 2011 in der Abflughalle des Flughafens Köln-Wahn vor einer Maschine der Bundesluftwaffe einen ZDF-Fernsehgottesdienst.5

Eingabe

Diese Widersprüchlichkeiten, aber auch die damalige Jahreslosung „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem“ (Römerbrief des Paulus, Kap. 12, Vers 21), veranlassten im Jahr 2011 den Friedenarbeitskreis im Kirchenbezirk Breisgau-Hochschwarzwald, mit einer Eingabe6 an die badische Landessynode eine am Vorbild und Evangelium Jesu Christi orientierte Neuausrichtung kirchlicher Friedensethik anzuregen: So wirke Gewaltfreiheit nur dann, wenn sie die einzige Option sei, ohne eine militärische Keule in der Hinterhand. Auch sei die Vorrangigkeit der gewaltfreien Option kaum gegeben, wenn die Bundesregierung für den Zivilen Friedensdienst gerade ein Promille der finanziellen Mittel ausgebe, die für die eigentlich nachrangige Option militärischer Gewalt fraglos zur Verfügung stünden. Die EKD verkenne die Eigendynamik des – an seiner Unersetzlichkeit arbeitenden – militärisch-industriellen Komplexes und schweige zu der sich daraus ergebenden führenden Rolle Deutschlands als Rüstungsexporteur. Hingegen wäre das Eintreten gegen wie auch immer begründete Auslandseinsätze der Bundeswehr und deren Ablösung durch die Entwicklung nichtmilitärischer Konfliktregelungsmechanismen im internationalen Bereich unmittelbarer Ausdruck der Nachfolge des die Gewaltlosen und die Friedensstifter seligpreisenden Jesus Christus und damit eine Form politischer Diakonie. Weil Gewaltfreiheit jedoch nicht erzwungen werden könne, sondern von der Überzeugung und Bereitschaft der sie praktizierenden Menschen abhänge, sei eine breite Diskussion in Gemeinden und Kirchenbezirken erforderlich. Nicht zuletzt müsse sich auch die EKD als Gesprächspartnerin der Bundesregierung auf diese Diskussion einlassen.

Friedensethische Diskussion in Baden

Die badische Landessynode beauftragte den Evangelischen Oberkirchenrat mit dem »Entwurf eines Diskussionspapiers zur Friedensethik«. Darin wurde die Eingabe auf eine noch breitere argumentative Basis gestellt. Die Militärseelsorge war bewusst nicht beteiligt, jedoch als Erste um eine Stellungnahme7 gebeten worden, die anschließend mit dem Diskussionspapier den Kirchenbezirken zuging. Diese konnten nun Stellung beziehen, was 23 von 25 Bezirkssynoden auch taten. Aufgrund dieser Befassungen und nach einem friedensethischen Studientag traf die Landessynode nach einem zweijährigen Konsultationsprozess am 24. Oktober 2013 einen bemerkenswerten Beschluss: Ausgehend von der Selbstkritik, dem Friedensthema bislang zu wenig Beachtung geschenkt zu haben, sowie der Erkenntnis des Zusammenhangs unseres Konsumverhaltens mit dem weltweiten Unfrieden, wolle man den Weg zur »Kirche des Gerechten Friedens« einschlagen. Für die erste Etappe wurden zwölf Punkte benannt, darunter friedensethische Gespräche mit Politiker*innen, ein Forschungsauftrag zur Frage einer internationalen Polizei anstelle von Militär, das Eintreten für sofortigen Rüstungsexportstopp in Krisengebiete und mittelfristig deren gänzliche Einstellung sowie der Einsatz für mehr soziale und Klimagerechtigkeit. Auch wenn unter den Synodalen eine pazifistische Position, wie die der Friedenskirchen, vermutlich noch nicht mehrheitsfähig gewesen sein dürfte, so wurde doch die Erarbeitung eines Entwurfs für ein Ausstiegsszenario aus der militärischen Friedenssicherung, gleich dem schon vom Bundestag beschlossenen Ausstieg aus der atomaren Energiegewinnung, in Auftrag gegeben.

Damit parallel dazu auch auf der EKD-Ebene die friedensethische Position weiterentwickelt wird, bat das badische Forum Friedensethik Mitchrist*innen aller EKD-Gliedkirchen um Unterstützung des »Karlsruher Aufrufs 2015/16 an die EKD«. Die beiden Kernsätze lauteten: „Die EKD braucht ein klares friedensethisches Leitbild zur Überwindung des Krieges.“ Sie „möge sich für einen friedenspolitischen Wandel von der gegenwärtigen, auf militärischer Stärke und Einsatzbereitschaft basierenden Sicherheitslogik hin zu einer friedenslogischen Politik, die auf gewaltfreie Konfliktbearbeitung und eine gerechte Weltwirtschaftsordnung setzt, engagieren. Dieser von rund 3.000 Personen unterstützte Antrag war ein wichtiger Impuls für die Entscheidung des EKD-Synodalpräsidiums, nach einer dieses Jahr stattfindenden vorbereitenden Konsultation die Synodaltagung 2019 dem Themenschwerpunkt Frieden zu widmen.

Projektgruppe Militärausstiegsszenario

Die thematisch weitestgehende Aufgabenstellung des badischen Synodalbeschlusses war der Entwurf eines Militärausstiegsszenarios. Eine interdisziplinäre, Landeskirchen und Konfessionen übergreifende Arbeitsgruppe wurde damit betraut. Wie in der Szenarienforschung üblich, wurde zunächst ein Trendszenario als Fortschreibung der gegenwärtigen militärischen Sicherheitspolitik formuliert. Daneben gestellt wurde ein Negativszenario, das die mögliche Eskalation regionaler Konflikte zu großen Kriegen bis hin zu Atomkriegen oder einem Atomkrieg aus Versehen beinhaltet. Das Positivszenario hingegen zeigt die Entwicklung auf, die in Folge einer friedenslogisch orientierten Außen- und Sicherheitspolitik bis 2030/2040 möglich werden könnte.

In einer ersten Reflexionsrunde wurde das Szenario mit Expert*innen aus Friedensbewegung und -forschung, Militär, Kirche und Politikwissenschaft diskutiert, die einen solchen Zukunftsentwurf als bislang einzigartig und notwendig erachteten. Ihre Anregungen wurden in die Überarbeitung des Szenarios einbezogen, welches am 28. April 2018 auf einem friedensethischen Studientag in Karlsruhe den Synodalen und der Fachöffentlichkeit vorgestellt werden soll. Entscheidend wird dabei sein, die Weiterarbeit professionell zu institutionalisieren, um den Ansatz friedenslogischer Politik nachhaltig in den gesellschaftlichen und politischen Diskurs einzubringen. Dabei könnte eine Kooperation mit Organisationen wie Brot für die Welt und Misereor, die schon lange an den Wurzeln des Unfriedens arbeiten und zusammen mit verschiedenen Friedensorganisationen, wie dem Forum Ziviler Friedensdienst, im Mai 2017 das wichtige Hintergrundpapier »Deutschlands Verantwortung in der Welt? Friedensförderung!« erstellten,8 von großer Bedeutung sein.

War das friedensethische Diskussionspapier von 2011 nur bis zu den Bezirkssynoden gereicht worden, so soll das Militärausstiegsszenario unter dem Titel »Sicherheit neu denken – Von der militärischen zur zivilen Sicherheitspolitik. Ein Szenario bis zum Jahr 2040« auch in den Kirchengemeinden vorgestellt und diskutiert werden.

Pilgerfahrt nach Büchel

Das Bemühen um konstruktive Alternativen entbindet jedoch nicht davon, zu den akuten Gefahren der militärischen Friedenssicherung kritisch Stellung zu beziehen, wie umgekehrt die Militärkritik der Glaubwürdigkeit wegen immer mit dem Aufzeigen von Alternativen verbunden sein sollte. Deshalb initiierte das badische Forum Friedensethik schon mehrfach Fahrten zu Aktionstagen am Atombombenstandort Büchel in der Eifel. Auch für den ersten Jahrestag der Verabschiedung des Atomwaffenverbotsvertrages durch 122 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen9 lädt das badische Forum Friedensethik, dieses Mal zusammen mit Friedensinitiativen aus sieben Landeskirchen, für den 7. Juli 2018 zu einer Pilgerfahrt möglichst vieler Gemeindegruppen und kirchenleitenden Persönlichkeiten nach Büchel ein. Mit einem Gottesdienst am Zaun des Fliegerhorstes, Ansprachen und einem Kulturprogramm soll das »Nein« zur Friedenssicherung mit Massenvernichtungswaffen bekundet und zu einer zivilen Friedenspolitik ermutigt werden (nähere Informationen beim Autor).

Anmerkungen

1) Text siehe unter Ökum. Initiative zur Abschaffung/Reform der Militärseelsorge: Augsburger Bekenntnis (Confessio Augustana), Artikel 16; militaerseelsorge-abschaffen.de.

2) epd (2017): Friedensbeauftragter – »Augsburger Bekenntnis« kritisch diskutieren. Chrismon, 23.6.2017.

3) EKD (2007): Aus Gottes Frieden leben – für den gerechten Frieden sorgen. Eine Denkschrift des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus.

4) Vgl. ARD-Dokumentation von Tilman Jens: Töten für den Frieden. 1.12.2010.

5) Freiheit am Hindukusch verteidigt? Mit dem Ratsvorsitzenden der EKD, Präses Niklaus Schneider. zdf.de – Gesellschaft – Gottesdienste, 15.5.2011.

6) Evangelische Landeskirche in Baden: Der friedensethische Prozess in Baden ab 2011; ekiba.de. Hier stehen sämtliche im Artikel erwähnte Dokumente des friedensethischen Diskussionsprozesses zum Download bereit.

7) Das zuständige Militärdekanat München begrüßte die mit dem Diskussionspapier verbundene Initiative, insbesondere die friedenspädagogischen Aspekte. Mit Rückgriff auf die These von der „noch nicht erlöste Welt“ (5. These der Barmer Theologischen Erklärung) wird jedoch militärische Gewalt als ultima ratio für notwendig erachtet.

8) Brot für die Welt u.a. (2017): Deutschlands Verantwortung in der Welt? Friedensförderung! Hintergrundpapier vom Mai 2017; ziviler-friedensdienst.org.

9) Zu dem Vertrag siehe Bernd Hahnfeld (2018): Völkerrecht versus Atomwaffen – Der Atomwaffenverbotsvertrag. S. 47 dieser W&F-Ausgabe.

Theodor Ziegler, Religionspädagoge M.A., ist Leitungskreismitglied im Forum Friedensethik in der Evangelischen Landeskirche in Baden; zieglertheodor@wanadoo.fr.

Friedenslogik weiter gedacht

Friedenslogik weiter gedacht

von Christiane Lammers

Im W&F-Dossier 75, »Friedenslogik kontra Sicherheitslogik«, erschienen als Beilage zu Heft 2-2014, veröffentlichte W&F den Beitrag »Friedenslogik und friedenslogische Politik« von Hanne-Margret Birckenbach. Das Dossier resultierte im Wesentlichen aus Vorträgen, die bei der Jahrestagung 2012 der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung gehalten worden waren. In einem Projekt der Plattform wird nun weiter über diese Friedenslogik nachgedacht.

Schon seit 2010 liegt der Begriff »Friedenslogik« im Kontext der Friedensarbeit in der Luft. Menschen und Organisationen, die in der entwicklungspolitischen und in der Menschenrechtsarbeit, in der Friedensbewegung oder in der konkreten Friedensarbeit in Konfliktgebieten aktiv sind, wurden damit konfrontiert, dass ihre Arbeit von staatlichen Entscheidungsträger*innen zunehmend mit sicherheitspolitischen Zielen und Interessen verbunden wurde. In der Politik spricht man inzwischen wie selbstverständlich von der »vernetzten Sicherheit«.

Friedenslogik:
Wie der Begriff entstand

Bei den zivilgesellschaftlichen Akteuren entwickelte sich darüber Unmut, weil klar ist, dass hier eine Vereinnahmung stattfindet, die sie aus guten Gründen nicht mitvollziehen wollen, denn Friedensarbeit und -politik gehen nicht von beliebigen Prämissen aus. Da stand plötzlich die »Friedenslogik« im Raum. Und wie es mit einer Wortgenese manchmal so ist: Eine Urheberschaft lässt sich für diesen Kunstbegriff nicht mehr festmachen, aber er wird zunehmend genutzt. Insofern zeichnen sich drei wichtige Funktionen des Begriffs »Friedenslogik« ab: Er stiftet Identität unter denjenigen, die ihre Arbeit explizit als Friedensarbeit verstehen; er bestimmt – Politik miteinbeziehend –, welchen Prinzipien ein gewaltpräventives Handeln folgt; damit kann er auch eine dritte Funktion erfüllen, nämlich aus Indifferenz herausführen und zur analytischen Durchdringung von Entscheidungen und Handeln im Sinne des »do no harm«-Ansatzes beitragen.

Handlungsdimensionen und Handlungsprinzipien

Den Kern der Friedenslogik bilden fünf Prinzipien, die mit fünf Handlungsdimensionen korrespondieren, zu denen sich jedwede politische Friedensarbeit verhält. Diese fünf Prinzipien wurzeln in Friedens- und Konflikttheorien ebenso wie in aus der Praxis gewonnenen Erkenntnissen. Die Handlungsdimensionen, um die es geht, lassen sich gut mit fünf Fragen beschreiben:

1. Was ist das Problem?

2. Wie ist das Problem entstanden?

3. Wie wird das Problem bearbeitet?

4. Wodurch wird eigenes Handeln gerechtfertigt?

5. Wie wird auf Scheitern und Misserfolg reagiert?

Bei Beantwortung dieser Fragen auf einer grundsätzlichen Ebene ergeben sich aus Perspektive der Friedenslogik folgende Handlungsprinzipien:

1. Gewalt soll verhindert bzw. gemindert werden.

2. Die für die Gewalt ursächlichen komplexen Konflikte werden mit einem besonderen Blick auf die eigene Rolle in dem Konflikt analysiert.

3. Dialog- und prozessorientiert wird eine kooperative Problemlösung angestrebt.

4. Legitim ist das Handeln durch den Rückbezug auf global gültige Normen.

5. Eine offene Reflexion über Erfolg und Misserfolg berücksichtigt auch mögliche gewaltfreie Alternativen.

Sicherheitslogik vs. Friedenslogik

Der friedenslogische Ansatz wird deutlicher in einer Gegenüberstellung mit den Mechanismen, die das auf Sicherheit fokussierte Handeln bestimmen, insbesondere das auf militärischem Instrumentarium fußende. In einer sicherheitspolitischen Betrachtung ist das Problem nicht die Gewalt, die Menschen erleiden, sondern das Problem sind Bedrohungen des eigenen abgegrenzten »Wir«, die durch »Andere« erzeugt werden. Statt einer Konfliktanalyse werden Schuld-Zuschreibungen vorgenommen, die die eigene Verantwortung für das ursächliche Aufkommen der Unsicherheit außen vor lassen. Die Bearbeitung des Problems erfolgt einseitig im Sinne des Selbstschutzes. Das Handlungsin­strumentarium zielt auf Abschreckung, Drohung und nötigenfalls auch Gewalt nutzende Elimination. Die Legitimation für dieses Handeln wird nicht aus den global gültigen Menschenrechten gezogen, sondern aus den entsprechend hoch eingestuften eigenen Interessen. Bei Misserfolg erwachsen aus der Reflexion über die Wirkung des eigenen Handelns keine Selbstkritik und keine Suche nach echten Alternativen, sondern es wird eher eine Verstärkung des Mitteleinsatzes, d.h. eine Eskalation, ins Auge gefasst. Alternativ führt das eigene Scheitern zu einer Abkehr von jedwedem Engagement in dem Konflikt.

Ein Blick in das »Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr« von 2016 lässt erkennen, dass die deutsche Sicherheitspolitik genau diesen Prämissen folgt. Ein Blick auf den Umgang mit derzeitigen Herausforderungen, z.B. den Umgang mit der Türkei, mit Nordkorea, mit Israel-Palästina und nicht zuletzt mit den flüchtenden Menschen, zeigt auch, wie bestimmend die Sicherheitslogik für die so genannte Realpolitik ist.

Frieden – Grundprinzip der Agenda für nachhaltige Entwicklung

In der »Agenda 2030«, am 25. September 2015 beim UN-Nachhaltigkeitsgipfel der Staats- und Regierungschefs einstimmig verabschiedet und von vielen zivilgesellschaftlichen Organisationen als ein zukunftsweisendes Grundlagendokument anerkannt, ist Frieden weder ein Zustand noch der Gegenbegriff zu Krieg. Vielmehr wird Frieden neben den Handlungsfeldern Mensch, Planet, Wohlstand und Partnerschaft ausdrücklich als handlungsleitendes Prinzip für nachhaltige Entwicklung anerkannt. Mit dieser Verankerung als Prinzip soll Frieden tragende Bedeutung für alle Entscheidungen und Vorgehensweisen gewinnen: lokal, national, international, bis hin zu global. Die »Agenda 2030« folgt, wenn man so will, einem friedenslogischen Ansatz: Friedensarbeit und -politik ist nicht reduzierbar auf zwischenstaatliche, territoriale Konflikte und ist damit auch nicht allein Sache der Außen- und Sicherheitspolitik, sondern Frieden betrifft alle Politikfelder. Gesellschaftliche Akteure sind ebenso gefragt wie politische Akteure, ohne jedoch den jeweiligen Handlungsradius und die Verantwortlichkeiten außer Acht zu lassen.

Rohstoffressourcen –
ein Beispiel

Am Beispiel Rohstoffressourcen kann dies, hier in aller Kürze, veranschaulicht werden. In sicherheitspolitischen Dokumenten, z.B. dem »Weißbuch«, wird das Stichwort »Rohstoffe« ausschließlich im Kontext der Sicherung der Ressourcen zugunsten der eigenen wirtschaftlichen Interessen genannt. Das »Weißbuch« spricht davon, dass „angesichts der Vielzahl potenzieller Ursachen und Angriffsziele […] Deutschland mit seinen Verbündeten und Partnern flexibel Elemente seines außen- und sicherheitspolitischen Instrumentariums einsetzen [muss], um Störungen oder Blockaden vorzubeugen oder diese zu beseitigen“ (S. 41). Hierzu gehört beispielsweise die Operation Atalanta mit bis zu 600 deutschen Soldaten am Horn von Afrika. Als neues »Element« hervorgehoben werden die so genannten Ertüchtigungsinitiativen, die auf Beratung, Ausbildung und Ausrüstung (einhergehend mit Rüstungsexport) der staatlichen Sicherheitsorgane abheben.

Friedenslogisch betrachtet stellt sich das Beispiel Rohstoffressourcen vollkommen anders dar: Mit der Ausbeutung und Verwertung von Rohstoffen ist vielfache Gewalt verbunden. In rohstoffreichen Ländern gibt es häufig gewaltförmige Konflikte über den Besitz und die Kontrolle von Bergwerken, Infrastruktur und Handelswegen. Die Arbeiter*innen werden menschenunwürdig behandelt, ihre Rechte werden missachtet. Zudem sind Staaten, deren Einnahmen zu einem großen Teil aus dem Verkauf von Rohstoffen stammen, oft autoritär regiert, und Machthaber speisen ihren Machterhalt mit den Rohstoffgewinnen. Die Umweltzerstörung durch die rücksichtslose Ausbeutung von Rohstoffen zerstört die Lebensgrundlagen vieler Menschen und nährt damit auch zukünftige gewaltsame Konflikte.

Wir sind auf vielfältige Weise an diesen Gewaltkonflikten beteiligt: Unsere Exportwirtschaft hat eine hohe Nachfrage nach Rohstoffen; unsere Banken finanzieren auch den Rohstoffmarkt; als mächtiger Staat gestalten wir die Rahmenbedingungen der globalen Wirtschaft mit; auch als Verbraucher*innen profitieren wir von den Zuständen. Deshalb können wir und unsere Politik zur Verminderung von Gewalt beitragen: wenn unsere Unternehmen und Banken stärker auf die Einhaltung der Menschenrechte bei ihren Zulieferern bzw. Kreditnehmern achten und dafür auf einen Teil der möglichen Rendite verzichten; wenn unser Staat Unternehmen gesetzlich dazu verpflichtet, die Lieferketten menschenrechtskonform auszurichten; oder wenn die massiven Umweltkosten nicht auf die Produktionsländer und deren Gesellschaften abgewälzt werden, sondern die Unternehmen diese tragen müssen, letztlich also auch wir als Verbraucher*innen. Die Umsetzung einer menschenfreundlichen und umweltschonenden Wirtschaftsweise bei uns würde auch gewaltsamen Konflikten woanders vorbeugen.

Im Sinne der Friedenslogik wäre zu überprüfen, ob diese beispielhaft angeführten kleinen Schritte gewaltmindernd wirken. Sicherlich gibt es noch weitere Prozesse, die von uns angestoßen bzw. die mit unserem eigenen Handeln, sei es als Bürger*in oder als Staat, beeinflusst werden können. Für ein kohärentes »Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern« – so der Titel der im Juni 2017 von der Bundesregierung verabschiedeten Leitlinien – bedürfte es sowohl einer Art Friedensverträglichkeitsprüfung als auch eines Umsetzungsplans für klar definierte strategische Ziele, z.B. in Bezug auf das obige Beispiel Rohstoffe.

»Friedenslogik weiterdenken – Dialoge zur Friedensarbeit und Politik«

Innerhalb des vom Auswärtigen Amt geförderten Projekts »Friedenslogik weiterdenken« der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung wurde im noch laufenden Projektjahr politisches und gesellschaftliches Handeln darauf hin befragt, wie sich die Prinzipien der Friedenslogik umsetzen lassen bzw. bereits umsetzen ließen. Veranstaltungen und Workshops widmeten sich Themen wie den zivilen Lösungsmöglichkeiten für Syrien‚ dem Umgang mit Extremist*innen bzw. Gewaltbejahenden, den Ansprüchen an eine Friedensethik der Kirchen, der Kompatibilität mit der Menschenrechtsarbeit, der Übertragbarkeit auf andere Kulturräume und der Anwendbarkeit auf soziale Konflikte. Im Herbst finden weitere Veranstaltungen statt, u.a. zur Friedenskultur, zum Leben ohne Rüstung und zur Friedensbildung.

Im nächsten Jahr soll das Projekt fortgesetzt werden, um die Einzelergebnisse zu bündeln und als Wissensressource zu nutzen, um politische Prozesse – wie die Umsetzung der »Agenda 2030« und der Leitlinien »Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern« – kritisch zu begleiten, um das Projekt in den Theorie-Praxis-Diskurs der Friedens- und Konfliktforschung einzubringen und auch, um eine Multiplikator*innenschulung zu entwickeln, damit die Friedenslogik nach Ende des Projekts weiter ein Thema bleibt. Die Projektbeteiligten hoffen, dass das Auswärtige Amt der weiteren Projektförderung zustimmt.

Christiane Lammers ist Geschäftsführerin der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung und Projektleiterin sowie wissenschaftliche Mitarbeiterin der FernUniversität in Hagen. Kontakt und weitere Informationen: konfliktbearbeitung.net/friedenslogik.

Zivilgesellschaft und Konfliktlösung

Zivilgesellschaft und Konfliktlösung

Überlegungen zum Konzept der Volksdiplomatie

von Cécile Druey

Bewaffnete Konflikte, vor allem diejenigen, die sich über eine lange Zeitperiode erstrecken, werden nicht selten mit dem dramatisch klingenden englischen Beinamen »protracted« oder »verschleppt« beschrieben. Ihnen beizukommen ist besonders schwierig. So wurde in der Friedensarbeit der vergangenen Jahrzehnte ein breites Spektrum an Instrumenten entwickelt, die nachhaltige Rahmenbedingungen dafür schaffen wollen, dass die Gewalt nicht wieder aufflammt. Innerhalb des riesigen Feldes der Friedensförderung konzentriert dieser Beitrag sich auf Mediations- und Dialogprozesse und auf die Rolle der Zivilgesellschaft in diesen – was natürlich nicht heißt, dass dies die einzigen Werkzeuge sind, die zum Aufbau des Friedens benötigt werden.

Eine nützliche Verständnishilfe für den Beitrag von Dialog und Mediation zum Frieden ist das Track- oder Schienen-Modell. Dieses wurde Anfang der 1980er Jahre vom US-Diplomaten Joseph Montville entwickelt und unterscheidet zunächst zwei verschiedene Ebenen oder »Tracks« von Friedensinterventionen: Offizielle bzw. staatlich getriebene Friedensbemühungen finden auf Track 1 statt; die inoffiziellen, nicht-staatlichen bewegen sich auf Track 2 (Montville and Davidson 1981). In den folgenden Jahrzehnten wurde Montvilles Modell um weitere Ebenen der Friedensförderung ergänzt, insbesondere um Track 3, der öfters auch als »Volksdiplomatie« bezeichnet wird.

Ziele, Akteure und methodische Ansätze der verschiedenen Tracks in Mediations- und Dialoginitiativen unterscheiden sich stark. Dennoch sollten sie nicht als Gegensätze zueinander gesehen werden, sondern als einander ergänzend.

Interventionen auf Track 1 sind ein Werkzeug der klassischen Friedensvermittlung, eine „Technik des staatlichen Handelns, [die] im Wesentlichen ein Prozess ist, bei dem die Kommunikation von einer Regierung direkt an den Entscheidungsapparat eines anderen gerichtet ist“ (Said and Lerche 1995, S. 69). Auf dieser Ebene ist die Zivilgesellschaft meist nicht vertreten. Vielmehr werden hier offizielle Vertreter*innen der Konfliktparteien an einen Tisch gebracht, wobei die Treffen in der Regel von externen Mediator*innen einberufen werden, die selber wiederum offiziell handeln, d.h. als Repräsentant*innen eines Staates oder einer multilateralen Organisation. Ziel dieser offiziellen Prozesse ist es, Gewalt zu stoppen und eine Einigung zu spezifischen, für die Konfliktparteien wichtigen Themen zu erzielen, beispielsweise zu Territorialfragen. Idealerweise mündet eine solche Vermittlung in einer offiziellen, für die Parteien rechtlich verbindlichen Vereinbarung.

Offizielle Friedensgespräche, besonders wenn sie ins Stocken geraten, werden nicht selten ergänzt durch informelle, vertrauliche Verhandlungen zwischen einflussreichen Vertreter*innen der Konfliktparteien, die jedoch nicht zwingend selber an offiziellen Gesprächen teilnehmen. Hier kann auch die Zivilgesellschaft vertreten sein. Das Ziel solcher Track-1,5-Aktivitäten ist es, Vertrauen aufzubauen, Antworten auf knifflige Fragen zu finden und Möglichkeiten für Kompromisse auszuloten. Die Verhandlungen sind jedoch weder offiziell noch rechtlich bindend, weshalb die Teilnehmenden auch weniger unter Druck geraten.

Vermittlungsinitiativen auf Track 2 finden parallel zu Regierungsgesprächen statt und wurden von den Vordenkern des Konzepts als inoffizielle, informelle Interaktion zwischen Mitgliedern von Gegnergruppen oder Nationen“ definiert, die beabsichtigen, „Strategien zu entwickeln, die öffentliche Meinung zu beeinflussen und menschliche und materielle Ressourcen in einer Weise zu organisieren, die einer Beilegung des Konflikts förderlich ist“ (Montville 1990, S. 162). Initiativen auf Track 2 bringen zivilgesellschaftliche Führungspersönlichkeiten aus den Konfliktparteien zusammen, wie ehemalige Politiker*innen, religiöse Führungspersönlichkeiten, Künstler*innen, Gelehrte etc. (Herbert Kelman, zitiert in Chigas 2003, S. 5). Vermittlungsprozesse auf Track 2, wie auch auf Track 3, ersetzen die formelleren Kontakte auf Track 1 nicht, sondern ergänzen diese.

Das Konzept der Track 3- oder Volksdiplomatie ist nach und nach als analytisches Konzept entstanden, nachdem die Zivilgesellschaft allmählich als wichtiges, eigenständiges Element der Friedens­förderung in der Forschung Beachtung fand (Paffenholz 2010). Diana Chigas (2003) beschreibt Volks- oder Bürgerdiplomatie als „inoffizielle Bemühungen von Drittparteien und Leuten aus allen Lebensbereichen und -sektoren, um nach Wegen zu suchen, wie Frieden in gewaltsamen Konflikten gefördert werden kann“. Track 3-Aktivitäten werden nicht immer von solchen auf Track 2 unterschieden. Jedoch ist dies in verschiedener Hinsicht sinnvoll.

Erstens unterscheiden sie sich aufgrund ihrer politischen Autorenschaft und der Machtverhältnisse. Track 3-Initiativen sind »von unten« (bottom-up) organisiert, wohingegen Dialoge unter Eliten (Track 2) oft regierungsnah und »von oben« verordnet sind (top-down). Nicht zuletzt aufgrund dieser »bottom-up«-Ausrichtung und ihrer kritischen Haltung der Regierung gegenüber befinden sich Vertreter*innen der Volksdiplomatie vor allem in autoritären und gewaltsamen Konflikt-Kontexten oft in der Opposition zu ihrer eigenen politischen Führung und sind deren Repressionen ausgesetzt. Das heißt, »Volksdiplomat*innen« identifizieren sich oft weniger mit einer bestimmten Konfliktpartei, als vielmehr mit einer grenzübergreifenden Idee oder eine Sache.

Zweitens unterscheidet sich die Volksdiplomatie vom Track 2 in ihren Akteuren. »Grassroots«-Diplomat*innen vertreten nicht die Eliten, sondern »normale« Nichtregierungsorganisationen, religiöse Gruppen, Berufsgattungen etc., die direkt vom Konflikt betroffen sind. Dialoginitiativen auf Track 3 können sehr spezifisch sein, d.h. spezifischen Konfliktfolgen oder Akteuren gewidmet sein. Der Schweizer Diplomat Jean-Nicolas Bitter nennt solche Initiativen der praxisbezogenen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit »Diapraxis«, wobei er gleichzeitig die Wichtigkeit des kontext-spezifischen Handelns herausstreicht: Worte allein reichen nicht aus, um individuelle Beziehungen zu schaffen oder zu transformieren, noch um Brücken zu bauen und zwischengesellschaftliche Konflikte zu transformieren. [] Diapraxis – Dialog durch Praxis – muss man unterschiedlich definieren und anwenden, je nach Konflikt-Kontext, in dem sie angewendet wird.“ (Bitter 2011, S. 65)

Wirkungsmöglichkeiten und Grenzen der einzelnen Tracks

Initiativen auf Track 3 und Track 2 streben in der Regel kein Produkt (z. B. ein Waffenstillstandsabkommen) an, wie dies auf Track 1 der Fall ist. Vielmehr wollen sie auf den Prozess einwirken, der langfristig zum Frieden führen soll. Dies wird in der Fachliteratur auch als »peace constituencies« oder »Friedenskreise« bezeichnet und meint jene den Frieden unterstützenden Haltungen oder Tendenzen in der Gesellschaft, die für eine nachhaltige Stabilisierung und Versöhnung wichtig sind (Kriesberg 2001; Chigas 2003).

Initiativen der Friedensarbeit kommen je nach Track in unterschiedlichen Stadien eines Friedensprozesses zum Einsatz und haben verschiedene Aufgaben. Auf Track 2 und 3 werden beispielsweise Problemlösungs- und Dialog-Workshops durchgeführt, an denen einzelne Vertreter*innen der Konfliktparteien teilnehmen. Diese dienen dem Austausch von Daten, informieren die Parteien über die Ansichten der anderen Seite und helfen, über die Lösung gemeinsamer Probleme nachzudenken, die als Folge des Konflikts entstanden sind (zerstörte Infrastruktur, zerrissene Beziehungsnetze, usw.) (Kelman 1977). Des Weiteren wird in der eigenen Gesellschaft an der öffentlichen Meinung gearbeitet, wobei breitere Teile dazu gebracht werden sollen, „das Gefühl der Opferrolle unter den einzelnen Parteien abzubauen“ und „das Bild vom Feind mit neuer Menschlichkeit zu füllen“ (Montville 1990, S. 163). Schließlich können auf zivilgesellschaftlicher Ebene auch konfliktlinienübergreifende Projekte der praktischen Zusammenarbeit vorangetrieben werden – beispielsweise im Bereich Staatsaufbau oder humanitäre Hilfe.

Offizielle wie auch inoffizielle Vermittlungsbemühungen haben ihren eigenen Wert und können einander nicht ersetzen. Vielmehr sollten die verschiedenen Arten und Tracks als komplementär zueinander angesehen werden: Der Frieden muss aus einer »top-down«-, gleichzeitig aber auch aus einer »bottom-up«-Perspektive aufgebaut werden. Genau das ist aber leider oft nicht gegeben. Akteure der einzelnen Tracks sehen sich als Konkurrent*innen, behindern sich in ihrer Arbeit und/oder spielen sich gegeneinander aus. So besteht beispielsweise für auf Track 3 engagierte Gruppen das Risiko, dass sie aufgrund von Repressionen durch die Regierung, aber auch infolge ihres eigenen Oppositionsdenkens isoliert und in ihrer friedenspolitischen Wirkung marginalisiert werden. Die zivilgesellschaftliche Friedensarbeit braucht Unterstützung aus den höherliegenden Tracks, um ihre Wirkung voll entfalten zu können. Gleichzeitig reichen auf Track 1 verhandelte Abkommen nicht aus, einen dauernden Frieden zu schaffen, weil sie sich oft auf technische und militärische Aspekte konzentrieren und den Konflikt in seiner emotionalen und gesellschaftspolitischen Dimension nicht erfassen. Das heißt, ein auf Regierungsebene vereinbarter »juristischer Frieden« braucht die zivilgesellschaftlichen Tracks, um in die Bevölkerung hineingetragen, mit der Gesellschaft verhandelt und schlussendlich von dieser umgesetzt zu werden. Umso wichtiger ist es, dass die einzelnen Tracks um ihre eigenen Wirkungsmöglichkeiten und Grenzen wissen und die Zusammenarbeit suchen.

Fallstudie post-sowjetischer Raum

Im Süden der ehemaligen Sowjetunion ist die Dichte an »verschleppten« Konflikten besonders groß, wobei sie sich hier noch einen weiteren Beinamen erworben haben, nämlich den der »frozen« oder »eingefrorenen Konflikte«. Neil MacFarlane definiert diese als „Konfliktsituationen, in denen keine aktiven, breiteren Konflikthandlungen stattfinden (obwohl es zu kleiner Gewaltanwendung kommen kann) und es eine dauerhafte, gemeinsam vereinbarte Waffenruhe gibt, aber wo Bemühungen um politische Einigung und Frieden scheitern“ (MacFarlane 2009, S. 23).

Bei den »eingefrorenen« Konflikten des post-sowjetischen Raums ist auf Track 1 zwar ein Friedensabkommen zustande gekommen, das jedoch vor allem die militärische Sicherheit im Auge hat und nicht oder nur ungenügend auf einen Wiederaufbau politischer, sozio-kultureller und wirtschaftlicher Beziehungen zwischen den Konfliktparteien ausgerichtet ist. Im georgisch-abchasischen Konflikt beispielsweise sorgten die Abkommen von Sotschi (1993) und Moskau (1994) zwar für militärische Befriedung und richteten friedenssichernde Missionen ein. Jedoch wurde die Beilegung des Konflikts auf anderen Ebenen ausgeklammert – insbesondere die heikle Frage des politischen Status Abchasiens und die psycho-soziale Aufarbeitung der auf beiden Seiten begangenen Gräueltaten an der Zivilbevölkerung.1 Unter anderem weil den Friedensbemühungen an der zivilgesellschaftlichen Basis zu wenig Raum gegeben wird und die verfeindeten Bevölkerungsgruppen absichtlich immer stärker voneinander isoliert werden, köchelt der Konflikt zwischen Abchas*innen und Georgier*innen seit den 1990er Jahren weiter, je nachdem auf kleinerer oder größerer Flamme (Zemskov-Züge 2016).

Ein anderes Merkmal der »eingefrorenen Konflikte« im post-sowjetischen Raum ist ihre starke Abhängigkeit von den geo-strategischen Interessen der russischen Regierung. Diese Abhängigkeit wird als Druckmittel gegen andere sowjetische Nachfolgestaaten benutzt, um deren wirtschaftliches, ideologisches und sozio-kulturelles Abdriften Richtung Westen zu verhindern. Sehr gut ist dies am jüngsten Beispiel des Donbass-Konflikts zu beobachten, der u.a. deshalb lanciert wurde, damit die pro-europäischen Kräfte, die während des Maidan-Aufstandes die Oberhand hatten, in der Ukraine nicht das letzte Wort haben. Als Resultat dieser Entwicklung macht sich in breiten Teilen des Landes wieder autoritäres Gedankengut breit; ob dieses nun von pro-russischen oder pro-ukrainischen Kräften verbreitet wird, ist zweitrangig.

Die Zivilgesellschaft ist doppelt betroffen von der »Eingefrorenheit« der Konflikte, in denen sie lebt. Einerseits haben diese tiefe sozio-kulturelle Gräben geöffnet und zu einer Radikalisierung der Gesellschaften auf allen Seiten beigetragen; vor diesem Hintergrund sind volksdiplomatische Bemühungen besonders gefordert, weil andere Formen der Friedensbemühungen dieser Art von Konflikt gar nicht beikommen können (Brunova-Kalisetskaya 2015). Andererseits stehen gerade die zivilgesellschaftlichen Akteure aufgrund politischer Radikalisierung, geopolitischer Interessen und zunehmend autoritärer Regierungsformen im post-sowjetischen Raum immer mehr unter Druck; dies führt nicht selten zu einem Angriff der Führungseliten auf inner- und zwischen-gesellschaftliche Formen der Volksdiplomatie als »unpatriotisch« oder sogar »die eigenen Nationalinteressen verratend«, und dient als willkommener Anlass, unerwünschte zivilgesellschaftliche Akteure mundtot zu machen.

Das heißt, in den »eingefrorenen« Konflikten des post-sowjetischen Raums bewegen sich die nach Frieden suchenden Teile der Zivilgesellschaft in einem Teufelskreis. Wohl sind sie dringend gefordert, weil nur sie eine Versöhnung und nachhaltige Stabilisierung der Situation herbeiführen können. Gleichzeitig sind sie aber stark geschwächt und stehen unter Beschuss von innen (nationalistische Radikalisierung) und außen (staatliche Repression), was sie an der Ausübung eben dieser friedensstiftenden Rolle hindert. Ob und wie es der Zivilgesellschaft gelingt, aus diesem Teufelskreis auszubrechen, werden die kommenden Jahre zeigen.

Anmerkung

1) Siehe dazu Wolleh, O. (2017): Der nachhaltige Weg zur Vertrauensbildung – Geschichtsdialog in Georgien, Abchasien und Südossetien, auf S. 21.

Literatur

Bitter, J.N. (2011): Diapraxis in Different Contexts – A Brief Discussion with Rasmussen. Politorbis, Vol. 52, No. 2, S. 65-69.

Brunova-Kalisetskaya, I. (2015): Dialog Ne S Vragom, a S Chelovekom (Dialogue Not with the Enemy, but with Human Beings). Histor!ians, 12.9.2015; historians.in.ua.

Chigas, D. (2003): Track II (Citizen) Diplomacy. Beyond Intractability, August 2003; beyondintractability.org.

Kelman, H. (1977): The Problem-Solving Workshop in Conflict Resolution. In: Berman, M.; Johnson, J.E. (eds.): Unofficial Diplomats. New York: Columbia University Press.

Kriesberg, L. (2001): Mediation and the Transformation of the Israeli-Palestinian Conflict. Journal of Peace Research, Vol 38, No. 3, S. 373-92.

MacFarlane, S. (2009): Frozen Conflicts in the Former Soviet Union – The Case of Georgia/South Ossetia. In: Institute for Peace Research and Security Policy at the University of Hamburg/IFSH (eds.): OSCE Yearbook 2008. Baden-Baden: Nomos, S. 23-34.

Montville, J. (1990): The Arrow and the Olive Branch – A Case for Track Two Diplomacy. In: Volkan, V.; Julius, D.; Montville, J. (eds.): The Psychodynamics of International Relationships. Lexington, Mass: Lexington Books, S. 161-175.

Montville, J.; Davidson, W. (1981): Foreign Policy according to Freud. Foreign Policy, No. 45, S. 145-157.

Paffenholz, T. (ed.) (2010): Civil Society & Peacebuilding – A Critical Assessment. Boulder: Lynne Rienner Publishers.

Said, A.; Lerche, C. (1995): Concepts of International Politics in Global Perspective. New Jersey: Prentice Hall.

Zemskov-Züge, A. (2016): Contrary Memories – Bases, Chances and Constraints of Dealing with the Past in Georgian-Abkhaz Dialogue. Prague: European Consortium for Political Research (ECPR) General Conference, Charles University, Prag, 7-10 September 2016; ecpr.eu.

Cécile Druey lebt als freischaffende Historikerin in Bern (Schweiz) und arbeitet im Bereich der Konflikt- und Friedensforschung, unter anderem für die schweizerische Friedensstiftung swisspeace und die Mobile Akademie für Geschlechterdemokratie und Friedensförderung OWEN in Berlin.

Sozialer Frieden


Sozialer Frieden

Tagung von Plattform Zivile Konfliktbearbeitung und Brot für die Welt, 31.3.-2.4.2017, Ev. Akademie Villigst, Schwerte

von Martin Quack

»Sozialer Frieden Eine nationale und globale Verpflichtung aus der Agenda 2030« – den Titel der Tagung füllten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vom 31. März bis 2. April 2017 in der Evangelischen Akademie Villigst mit Leben. Der Begriff »Sozialer Frieden« war Inspiration und Ansporn für konstruktive Diskussionen auf unterschiedlichen Ebenen und zu unterschiedlichen Themen auf der gemeinsam mit der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung und Brot für die Welt veranstalteten Tagung.

Deutschland ist ein Entwicklungsland

Deutschland ist nicht überall Weltmeister, sondern in vielen Politikbereichen auch Entwicklungsland. Der große politische Handlungsbedarf im Inland wurde vor allem in Bezug auf das Ziel, materielle Ungleichheiten zu verringern, deutlich. Prof. Eva Senghaas-Knobloch (Bremen) wies etwa auf die Zunahme von Niedriglohn und atypische Beschäftigungen in der Arbeitswelt hin. Hagen Berndt vom Projekt Kommunale Konfliktberatung des Forum Ziviler Friedensdienst und Eckart Riechmann aus der Stadtverwaltung Bautzen stellten anschaulich die Herausforderungen durch Konflikte auf kommunaler Ebene dar.

Die Friedensdimension ist neu

Einige der Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) fanden sich bereits in den Milleniumentwicklungszielen (MDGs). Neu enthalten ist jedoch in der Agenda 2030 die Friedensdimension und die konkreten Formulierungen in Ziel 16 und anderen Zielen – nicht zuletzt, weil die Länder mit massiver Gewalt kein einziges der MDGs erreichen konnten. Für die Ausarbeitung und Umsetzung der Friedensdimension stand etwa Marc Baxmann von der Gruppe Frieden und Entwicklung (FriEnt). Auch das Ziel, nicht nur Armut zu überwinden, sondern auch Ungleichheiten zu verringern, ist neu in den SDGs enthalten.

Globales Lernen erleben

Nicht der reiche globale Norden hilft dem Süden wie noch in den Milleniumsentwicklungszielen, sondern alle stehen in der Verantwortung und lernen voneinander. Die Agenda 2030 hat dieses Prinzip erstmals auf der globalen Regierungsebene verankert. Die Beteiligung von Ramesh Sharma von der indischen Bewegung Ekta Parishad, Stan Henkeman vom südafrikanischen Institute for Justice and Reconciliation (IJR) sowie Azzam Moustafa von der libanesischen Organisation Basmeh & Zeitooneh (Lachen und Olive) ermöglichte sowohl Süd-Nord-Lernen als auch neue Vernetzungen. Die Verbindung zwischen Friedensarbeit und der Überwindung von materieller Ungleichheit und Ungerechtigkeit wird in Deutschland verstärkt diskutiert – in anderen Ländern ist dieser Zusammenhang schon lange selbstverständlich. Konkret lädt Ekta Parishad zur Beteiligung an der Aktion Jai Jagat 2020 ein: ein Marsch von Delhi nach Genf.

Sozialpolitik und Friedenspolitik

Die Tagung verfolgte das Ziel, unter dem Titel »Sozialer Frieden« den Dialog zwischen friedenspolitischen und sozialpolitischen Perspektiven zu intensivieren. Aufgrund weniger Anmeldungen aus dem sozialpolitischen Umfeld und kurzfristiger Absagen von Referent*innen aus Diakonie und Gewerkschaft wurde dieses Ziel nicht erreicht. Diese Erfahrung bestärkte die Erkenntnis, dass die Verbindung verschiedener Politikbereiche, die oft in ihren Silos bleiben, eine große Herausforderung darstellt. Nicht umsonst strebt die Agenda 2030 in Ziel 17 Multiakteurspartnerschaften an. In Deutschland ist die Plattform Zivile Konfliktbearbeitung deshalb in einem Netzwerk mit Verbänden aus Sozialpolitik, Entwicklungspolitik und Umweltpolitik sowie Gewerkschaften engagiert.

Die Agenda 2030 ist der Rahmen

Trotz dieser Schwierigkeit ist deutlich geworden, dass die Agenda 2030 genau der richtige konzeptionelle – und vielleicht der einzige wirksame – Rahmen ist, um die globalen Probleme gemeinsam zu überwinden. Die Konferenz benannte auch Schwachstellen der Agenda 2030, so stellt diese das neoliberale Paradigma nicht explizit in Frage. Die Nachhaltigen Entwicklungsziele wurden von allen Regierungen – aus Nord und Süd, Ost und West – und mit intensiver Beteiligung und Kritik der Zivilgesellschaft entwickelt. Sie umfassen wesentliche Politikbereiche und die unterschiedlichen politischen Ebenen. Damit haben sie ein immenses politisches Potenzial, das in Gesellschaft und Politik stärker genutzt werden sollte. Diese Überzeugung wächst mit der intensiven Diskussion, das wurde auch im Abschlusspodium mit Sabine Lösing (Europäisches Parlament), Michael Vietz (Bundestag) und Christa Frenzel (Stadt Salzgitter) deutlich.

Eine positive Vision

Die Agenda 2030 ist nicht nur eine Vereinbarung, sondern stellt zugleich den massiven globalen Problemen, die in diesen Tagen wieder sehr deutlich werden, eine positive Vision einer Welt entgegen, in der Menschen nicht vor Krieg und Not ihre Heimat verlassen müssen. Die Agenda 2030 beschreibt eine Welt, in der das Recht jedes Menschen auf Beteiligung verwirklicht wird. Eine Welt die sich nach der inklusiven »Friedenslogik« für alle richtet, nicht nach einer exklusiven »Sicherheitslogik« für wenige. Dies gilt nicht nur in der Außenpolitik, sondern auch bei der Inneren Sicherheit, wie Prof. Christoph Weller (Augsburg) und Hagen Berndt deutlich machten. Wie zivilgesellschaftliche Organisationen weltweit auf die Umsetzung dieser Vision drängen, machte Daniel Jüttner von Brot für die Welt deutlich. Die Formulierung »keinen zurücklassen« (to leave no one behind) wurde allerdings als paternalistisch und nicht rechtebasiert kritisiert, sie entspreche »der Logik der Fürsten« und nicht der Demokratie und der Menschenrechte, so Prof. Hanne Birckenbach.

Konkrete Schritte

Die Verwirklichung dieser positiven Vision soll in 13 Jahren geschehen – eine ziemlich kurze Zeit. Umso wichtiger ist es, noch mehr gesellschaftlichen Rückhalt für die Agenda 2030 und für die gemeinsame zivilgesellschaftliche Arbeit zur Agenda 2030 – etwa in Form des jährlichen Schattenberichts – zu entwickeln. Dies gilt insbesondere angesichts der ernüchternden Darstellungen aus der Politik, wie gering der Stellenwert der Agenda 2030 bisher auf allen staatlichen Ebenen ist. Immerhin gibt es klare Zusagen für die Beteiligung an einer gemeinsamen jährlichen Überprüfung der Umsetzung.

Die Konferenz hat die Motivation verschiedener Organisationen und Initiativen verstärkt, sich noch stärker für die Umsetzung der Agenda 2030 einzusetzen. Die Plattform Zivile Konfliktbearbeitung wird in der nächsten Zeit auch die Ausarbeitung und Umsetzung einer friedenslogischen Politik vorantreiben.

Martin Quack