… minimal verändert, aber nicht wirklich verbessert

… minimal verändert, aber nicht wirklich verbessert

Zur Situation der Frauen in Afghanistan / Interview mit Mariam Notten

von Paul Schäfer

W&F: Dass der vor allem von den USA geführte Krieg in Afghanistan auch für die Menschenrechte, spezieller: die Frauenrechte, geführt worden sei, ist mit Sicherheit der Rubrik Kriegsrechtfertigung zuzuordnen. Dennoch die erste Frage: Haben sich nicht zumindest für die Frauen in den größeren Städten wichtige Verbesserungen nach dem Sturz der Taliban ergeben?

Mariam Notten: Die Lage der afghanischen Frauen hat sich leider nur minimal verändert, aber nicht wirklich verbessert. Unter den Taliban wurden sie öffentlich geschlagen und gesteinigt. Unter dem Bombenhagel der USA haben sie zu Tausenden ihr Leben verloren. Viele wurden zu Flüchtlingen und strandeten an den geschlossenen Grenzen zu Pakistan und dem Iran. Den Internationalen Hilfsorganisationen wurde untersagt, ihnen zu helfen. Selbst nach der Entmachtung der Taliban sitzen seit Ende November Frauen in den Gefängnissen in Herat und Kabul. Ihnen wird Ehebruch vorgeworfen, weil sie von ihren Zwangsehemännern geflüchtet sind. Ihnen droht die Todesstrafe durch Steinigung.

War der Krieg nicht doch unvermeidlich, um die Al Qaida-Terroristen zu bekämpfen?

Zunächst ergeben sich folgende Fragen: Warum haben die Afghanen jahrelang unter den Taliban gelitten? Wo kamen sie her? Wer hat sie zu Taliban gemacht? Wer ist bin Laden? Wer hat ihn unterstützt und in unser Land gebracht, um den afghanischen Mudjahedin im Kampf gegen den Russen zu helfen? Wir Afghanen waren selbst die Geiseln dieses Mannes. Die Geiseln sind zu Tausenden gestorben, der Geiselnehmer ist aber entflohen. Diese Logik verstehen wir Afghanen nicht.

Ist es denn unzutreffend, dass – selbst wenn man den Krieg verurteilt – der Sturz der Taliban neue Möglichkeiten für Demokratie und Menschenrechte eröffnet hat?

In dieser Regierung sitzen drei fundamentalistische Kriegsparteien. Jede von ihnen will die alleinige Macht; sie bekriegen sich immer noch gegenseitig. Die einzige Fraktion, die für mehr Demokratie steht (Königsdelegation), hat weder Macht noch bewaffnete Männer, um sich gegen die anderen drei zu behaupten. Unsere Kinder dürfen zwar zur Schule gehen, aber wir haben weder Schulgebäude noch Schulbücher. Dass unsere Frauen ihre Schleier nicht ablegen, ist selbst ein Zeichen ihrer Angst vor den neuen Machthabern.

Sie haben selber schon lange das Taliban-Regime angeprangert. Welche anderen Möglichkeiten hätte es denn gegeben, dieses Regime loszuwerden?

Es gab Alternativen, zum Beispiel die Errichtung von Schutzzonen für die Zivilbevölkerung. Man hätte es möglich machen können, dass die Taliban-Kämpfer durch materielle Zuwendung in großem Umfang desertiert wären. Damit hätte man die Isolierung von El Qaida und des harten Kernes der Taliban erreichen können. Sie hätten auf diese Weise leichter bekämpft werden können – ohne so viele »Kollateralschäden« zu verursachen.

Hiesige Politiker bzw. Politikerinnen sagen, dass man jetzt den afghanischen Frauen wieder „ein Gesicht geben könne“ (Claudia Roth). Ist denn das Tragen der Burqua das Hauptproblem der Frauen?

Uns afghanischen Frauen geht es nicht darum, ob wir den Schleier tragen oder ihn ablegen sollen. Oder nur darum, ob wir die Schule besuchen oder einen Beruf ausüben dürfen oder nicht. Uns geht es darum, selbst zu bestimmen, ob wir dies tun oder jenes sein lassen dürfen. Uns geht es schlicht um das Selbstbestimmungsrecht, um die Menschenrechte. Und diese Rechte werden uns derzeit durch die fundamentalistische Interpretation der Sharia verweigert. Die Sharia in ihrer fundamentalistischen Auslegung schreibt weiterhin die Steinigung von Frauen vor. Der Justizminister Abdul Rahim Karimi, der Oberste Richter Schinwari und ein anderer Richter des obersten Gerichtshofes in Kabul, Ahmad Ullha Sharif, haben bereits Ende Dezember bekräftigt, dass die Sharia das einzig gültige Gesetz in Afghanistan sein wird. Dem gemäß sollen weiterhin Frauen wegen »moralischer Verfehlung« gesteinigt werden, nur mit dem Unterschied, dass man »kleine Steine« dafür nehmen wird. Wenn sie geständig sind, sollen sie während der Steinigung nicht gefesselt werden, damit sie die Chance haben wegzulaufen.

Demokratische und feministische Gruppen haben gesagt, dass eine wirkliche demokratische Entwicklung nur möglich sei, wenn eine Entmilitarisierung der afghanischen Gesellschaft durchgesetzt würde. Wäre denn eine umfassende Entwaffnungsaktion überhaupt durchsetzbar?

Ich teile diese Meinung und denke auch, dass eine solche Maßnahme realisierbar wäre. Zu desertieren hat in Afghanistan Tradition. Seinerzeit, als die Sowjets unser Land besetzten, haben die Mudjahedin der regulären Armee der Regierung in Kabul ermöglicht zu desertieren. Sie haben für die Überläufer Schutzkorridore errichtet. Innerhalb eines Jahres sind von 100.000 Regierungssoldaten über die Hälfte zu den Mudjahedin übergelaufen, der Rest tat es im Laufe des 14-jährigen Krieges. Auch die Taliban haben die gleiche Strategie bei den Kämpfern der Nordallianz benutzt. Sie haben die Kommandeure der Nordallianz regelrecht gekauft. Deshalb haben sie in kürzester Zeit 95% des Landes ohne Kampf erobert. An dieser Stelle müsste man im Übrigen fragen: Woher hatten die Taliban so viel Geld zu Verfügung?

Der Zeitpunkt für die Entwaffnung ist heute günstiger denn je. Die Menschen haben Hunger, Millionen von Dollar für den Wiederaufbau stehen zur Verfügung. Die USA sind im Lande präsent. Es könnten die Warlords sehr leicht isoliert werden, wenn man ihre Kämpfer »kaufen« würde.

Welche Rolle sollten die Vereinten Nationen ihrer Meinung nach spielen? Sollte die UNO die peace-keeping-Rolle übernehmen?

Es sollten mehr UN-Soldaten ins Land kommen. Sie sollten auch in anderen Städten und Provinzen eingesetzt werden. Sie sollten in erster Linie die Menschen vor Überfällen und Raub, insbesondere in der Nacht, schützen und natürlich braucht die demokratische Fraktion der Regierung den besonderen Schutz der UN-Soldaten. Sie ist durch die fundamentalistischen Kriegsparteien zur Zeit sehr gefährdet.

Wie schätzen Sie die Rolle von Ministerpräsident Karsai im Rahmen der gegenwärtigen Übergangsregierung ein?

Zur Zeit ist die Karsai-Administration sehr wichtig in der Regierung. Wir haben keine andere Alternative, wenn wir die Fundamentalisten nicht haben wollen. Und diese haben ja gezeigt, dass sie nicht fähig sind, Frieden zu bringen und Menschenrechte zu achten. Sie sind machtgierige Egoisten.

Welche Informationen haben Sie über die Betätigungsmöglichkeiten originär-demokratischer Gruppen und Vereinigungen in Kabul und darüber hinaus? Können diese unbeeinträchtigt agieren?

Nein. Selbst die Königsdelegation um Karsai hat kaum Möglichkeiten, ihre Arbeit ungestört durchzusetzen. Die eingesetzten Gouverneure werden von den Warlords in den Provinzen nicht akzeptiert. Andere demokratische Kräfte trauen sich nicht einmal in die Öffentlichkeit, weil sie durch die bewaffneten Truppen der Fundamentalisten sofort getötet werden würden.

Welche Aktionen können Sie im Rahmen des Afghanischen Kulturvereins gegenwärtig unternehmen, um die Entwicklung im Land positiv zu beeinflussen?

Unsere Aktivitäten beschränken sich auf Öffentlichkeitsarbeit und auf das Sammeln von Spenden für Frauenorganisationen. Diese Organisationen wurden bei der Petersberg-Konferenz nicht einbezogen. Sie sind folglich nicht von der UNO anerkannt worden. Deshalb werden sie auch bei der Vergabe von Geldern für den Wiederaufbau nicht berücksichtigt. Sie sind weiterhin im Untergrund und auf Spenden angewiesen. Außerdem sind wir bemüht, dafür zu werben, dass eine internationale Beobachterinnen-Gruppe zustande kommt. Sie soll die Aufgabe übernehmen, die Einhaltung der Menschenrechte/Frauenrechte zu überwachen und die Weltöffentlichkeit davon zu unterrichten. Damit unsere Frauen nicht wieder den Fundamentalisten überlassen werden.

Mariam Notten, Revolutionary Association of Women in Afghanistan (RAWA), Berlin. Sie wurde interviewt von Paul Schäfer.

Sind Frauen eine Friedensmacht?

Sind Frauen eine Friedensmacht?

von Maren Haartje

Gibt es ein Frauenbild, welches der Friedenspolitik zugrunde liegt? Bekannt ist, dass Frauen in Gewaltkonflikten in erster Linie zu den Opfern gehören oder gar Ziel strategischer Kriegführung sind. Die sehr differenzierten Aufgaben und Rollen, die Frauen in Krisengesellschaften übernehmen, werden hingegen kaum wahrgenommen und sind selten Gegenstand politischer Friedensförderung. Wieviel Chancen für eine gewaltfreie Konfliktbeendigung werden verpasst, weil Frauen in Friedensprozessen nicht mitentscheiden? Eine maßgebliche Antwort darauf steht weiterhin aus, denn tatsächlich haben Frauen noch an keinem Friedensverhandlungstisch dominiert. Es wäre eine demokratische Entscheidung, einen Friedensprozess mit relevanter Partizipation von Frauen im Hinblick auf Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und Zukunftsperspektiven für den Großteil der Bevölkerung und vor allem für jüngere Generationen zu entwickeln.

Die Voraussetzungen für die Partizipation von Frauen sind heute durch die internationalen Abkommen, die auf den Ergebnissen von Peking basieren, gegeben und weisen einen erheblichen Handlungsbedarf nach. Den Meilenstein setzte die 4. Weltfrauenkonferenz der Vereinten Nationen im September 1995 mit dem Motto »Gleichstellung, Entwicklung und Frieden«. 189 (von 191) Staaten waren vertreten und mit mehr als 50.000 Teilnehmenden wurde sie zur größten UNO-Konferenz, die bislang stattgefunden hat. Der von den Teilnehmerstaaten verabschiedete Aktionsplan zielt auf die Umsetzung von koordinierten Maßnahmen ab, damit Frauen in allen Bereichen und auf allen Ebenen einen gleichberechtigten Zugang zu Ressourcen, Entscheidungen und Begünstigungen erhalten. Mit der Strategie des »Gender Mainstreaming« sollen die Geschlechterperspektive und die Gleichstellung von Frau und Mann systematisch in Politiken, Projekten und Programmen überprüfbar gemacht und Ansätze zur Umsetzung aufgezeigt werden. Wie diese Aufgabe länderspezifisch bewältigt werden kann, haben die Unterzeichnerstaaten in ihren nationalen Aktionsplänen ausgearbeitet. Dabei ist interessant, dass von den insgesamt 12 Schwerpunktbereichen die Bearbeitung des Maßnahmenkataloges E (Bewaffnete Konflikte) in den Berichten eine marginale Beachtung gefunden hat. Auf der Folgekonferenz in New York im Juni 2000 wurden die Maßnahmen des Aktionsplanes verifiziert und in internationale Dokumente der UNO, EU, OECD und OSZE übernommen. Die Resolution 1325, die der UNO-Sicherheitsrat im Oktober 2000 verabschiedet hat, konkretisiert die Rolle von Frauen in der zivilen Konfliktbearbeitung: „The Security Council, reaffirming the important role of women in the prevention and resolution of conflicts and in peace-building, and stressing the importance of their equal participation and full involvement in all efforts for the maintenance and promotion of peace and security, and the need to increase their role in decision-making with regard to conflict prevention and resolution“.1 Dieses Leitbild umfasst 18 Maßnahmen.

Das Motto von Peking »Gleichstellung, Entwicklung und Frieden« weist auf den unauflösbaren Zusammenhang dreier Kriterien hin, die auch für Programme der Friedensförderung relevant sind. Um über den ersten Ansatz der weithin akzeptierten »Gender Balance« hinauszukommen, ist eine Auseinandersetzung über die Komplexität der geschlechtsspezifischen Rollenprägungen sowie über Auswirkungen von kultureller, struktureller und direkter Gewalt gegen Frauen notwendig. Insbesondere bei den Fragen der Beteiligung von Frauen an Macht und Ressourcen wird offensichtlich, dass einigen Entscheidungsträgern die patriarchalen Strukturen fundamentalistischer Regimes unter Umständen vertrauter sind als feministische Forderungen nach Partizipation.

In der Aufbauphase einer Nachkriegsgesellschaft sind der Kampf um Ressourcen und die Machtsicherung am heftigsten. In beiden Bereichen sind Frauen nach wie vor extrem untervertreten und werden nicht vermisst. Wie kann der Gender-Mainstreaming-Gedanke dazu beitragen, dass die Voraussetzungen einer tatsächlichen Partizipation von Frauen bei der Verteilung von Ressourcen und Macht verbessert werden?

Grundsätzlich besteht Übereinstimmung darüber, dass die Berücksichtigung des Gender Mainstreamings politisch korrekt ist. Die Anwesenheit von Frauen ist zwar erwünscht, aber der Übergang von einer quantitativen Beteiligung und dem Mittragen von Entscheidungen hin zu einer qualitativen Partizipation und Entscheidungsmacht ist noch nicht vollzogen. Diese Kluft lässt sich erst überwinden, wenn die Ursachen des systematischen Ausschlusses von Frauen realisiert werden und eine Bereitschaft zur Veränderung besteht. Für einen Friedensprozess bedeutet das, dass Gender Mainstreaming nicht umgesetzt werden kann, indem es einer Nachkriegsgesellschaft aufoktroyiert wird, sondern im gleichen Maße sind »Donors«, d.h. Staaten und Institutionen, die in der Aufbauphase einer Nachkriegsgesellschaft unterstützend beteiligt sind, vor diese komplexe Aufgabe gestellt.

Der Umsetzungsgrad der Gleichstellung von Frauen und Männern in einer Gesellschaft ist Ausdruck für ihr Demokratieverständnis. Ein demokratischer Ansatz geht über die Minimalforderung von 30 Prozent Frauenanteil (als »kritische Masse«) hinaus und liegt bei 50 Prozent. In diesem Verständnis werden Frauen nicht als eine (homogene) Gruppe gesehen, sondern als Vertreterinnen der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen respektiert. Die amerikanischen WissenschaftlerInnen Mary Caprioli und Mark A. Boyer haben einen Zusammenhang zwischen dem Gleichstellungsniveau eines Staates und seiner Zurückhaltung bzw. Aggressivität in der Außenpolitik bis hin zum Einsatz von militärischer Gewalt in einer internationalen Krise hergestellt: „Our focus on gender equality represents a domestic norm of tolerance and equality that seems to be mirrored in states‘ international behaviour at least with respect to the level of violence used during international crisis.“2

Zwei wesentliche Merkmale für Gesellschaften mit einem hohen Demokratieverständnis und Gleichstellungsniveau sind u.a. auch die sinkende Bereitschaft von häuslicher Gewalt gegenüber Frauen sowie eine steigende Anzahl weiblicher Parlamentsabgeordneter.

Im Sinne von Mary Anderson, „learning from experiences and sharing it together“,3 könnte anhand der guten Erfahrungen und Ergebnisse, die mit Frauenprojekten im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit gemacht worden sind, nachgewiesen werden, dass auch speziell auf Frauen ausgerichtete Projekte gleichwohl positive Auswirkungen für Männer und Kinder haben und im Sinne der Friedensförderung nachhaltig sind. In der Tat besteht hier ein enormer Forschungsbedarf hinsichtlich der empirischen Untersuchungen sowohl von Frauenprojekten in Krisengebieten unter dem Aspekt der Friedensverträglichkeit und Krisenprävention (Peace and Conflict Impact Assessment) einerseits als auch von Projekten der politischen Friedensförderung unter dem Aspekt der Frauenverträglichkeit (Gender Impact Assessment) andererseits.

Mit Blick auf die Partizipation von Frauen an der Friedensentwicklung sind insbesondere die Ausbildungs- und Trainingsprogramme in der zivilen Konfliktbearbeitung für Teilnehmende an Friedensmissionen (Peace Corps) der UNO oder der OSZE geeignet, den Aspekt des Gender Impact Assessment zu thematisieren und in Fallbeispielen zu erleben. Das entspricht auch dem Ansatz der Resolution 1325 des UNO-Sicherheitsrates: „Recognizing that an understanding of the impact of armed conflict on women and girls, effective institutional arrangements to guarantee their protection and full participation in the peace process can significantly contribute to the maintenance and promotion of international peace and security“.

Eine konsequente Umsetzung der Gleichstellung bedeutet, dass die Partizipation von Frauen in Friedensverhandlungen zu einer Perspektivenerweiterung führt und dadurch neue Handlungsoptionen eröffnet werden, die insbesondere für den Aufbau einer Nachkriegsgesellschaft nachhaltig friedensrelevant sein können. Ebenso würden die Teilnehmenden an Friedensmission für die kulturellen Bedingungen für Frauen in Krisengebieten stärker sensibilisiert werden. Eine differenziertere Sichtweise würde es den Frauen vor Ort erleichtern, auch einen anderen Lebensweg als den traditionellen einzuschlagen, um ihre Befähigungen und Ausbildungswünsche außerhalb der für sie vorgesehenen Rollenerwartungen umzusetzen. Andererseits sind die Friedensmissionen selbst gefordert, höhere Positionen vermehrt mit Frauen zu besetzen, um einer Vorbildfunktion gerecht zu werden. Nachweisbar wenden Frauen aus der Region sich mit ihren Anliegen eher an Frauen als an Männer in einer Mission.4 Da viele Stellen innerhalb einer Mission nach sechs Monaten wieder neu besetzt werden, gilt es eine konti- nuierlichere Unterstützung und Si- cherheit von engagierten Frauen vor Ort zu gewährleisten um zu verhindern, dass es nach einem Personalwechsel einen Umkehreffekt in Richtung Gewalt und Repression gegen sie gibt. Eine stärkere Präsenz von Frauen in hohen Positionen würde zudem der Ausuferung der Prostitution und dem Frauenhandel im Umfeld von Missionen entgegenwirken.Wenn Frieden eine Kulturleistung ist5, sind die Mitwirkung und das Zusammenspiel aller gesellschaftlichen Gruppen gefordert. In Zeiten des raschen Wandels, die nicht nur für Nachkriegsgesellschaften typisch sind, stellt die Hinterfragung und Überprüfung der eigenen Bilder vor Augen gerade im Hinblick auf die Bedeutung von Geschlechterverhältnissen und Frieden eine starke Herausforderung dar.Der Abstand zu alten Rollenbildern fällt leichter, wenn neue Perspektiven vermittelt werden können, von denen sowohl Frauen als auch Männer profitieren können. Es ist nicht nur eine politische Aufgabe, sondern vor allem eine Aufgabe der Bildung und Kultur, sich von Dualismen wie Frau/Mann, Freund/Feind, Stärke/Schwäche, Reichtum/Armut zu lösen und Bilder aus den Dimensionen dazwischen zu entwickeln. Dann wird es interessant zu hinterfragen, welche Mechanismen spielen »hinter den Kulissen«, wenn Frauen aus verfeindeten Dörfern gemeinsam Wasser holen können (Mary Anderson: Mosambique) oder unter welchen Voraussetzungen Frauen und Männer in Krisenregionen auf den Markt gehen können. Wie wirkt die »Gender-Linse«? Als eine Schulklasse in Bosnien nach ihren Wünschen für den Schulsport befragt wurde, waren sich die Schüler einig, sie wünschten sich einen Handballplatz. Die OSZE-Mitarbeiterin hatte Zweifel, ob das wirklich dem Wunsch der Schülerinnen entsprach. Erst als sie mit den Schülerinnen alleine war, kam heraus, dass sie sich einen Aerobic-Raum und entsprechende Musik wünschten. Sie waren davon ausgegangen, dass ihr Wunsch in der Klasse lächerlich gemacht worden wäre und sie sowieso nicht damit durchgekommen wären. Beide Wünsche wurden realisiert.6

In der Nachkriegszeit werden insbesondere bei der Frage nach Heldentum die Rollenmuster deutlich: Sind es die Krieger oder diejenigen, die versucht haben Gewaltausbrüche zu verhindern? Welche Aufgaben werden Frauen zuerkannt? Werden sie als ehemalige Kämpferinnen anerkannt und entsprechend entschädigt? Sind sie auf das Kindergebären reduziert worden oder werden ihre Fähigkeiten, unter schwierigsten Bedingungen die Versorgung aufrecht erhalten zu haben, bewertet? Die Anerkennung der Leistungen und Überlebensstrategien der Zivilgesellschaft sind die Basis auf der die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den Akteuren und Akteurinnen der Krieges stattfinden und ein Versöhnungsprozess einsetzen kann.

Die Internationale Gemeinschaft hat mit ihrem Auftrag, den Frieden auf der Welt zu erhalten, eine Verpflichtung übernommen, dass die Rechte der Frauen in den Verfassungen verankert und überprüfbar gemacht werden. Gleichzeitig kann sie mit der umgesetzten Gleichstellung von Frauen und Männern in ihren eigenen Institutionen als Vorbild dienen. Den Nachweis für die enge Verknüpfung von Gender und Frieden hat Mary Caprioli erbracht: „This study substantiates the theory that domestic gender equality has a pacifying effect on state behaviour on the international level. The inclusion of women as equal members of society will, therefore, result in fewer and less militarized international disputes.“7

Anmerkungen

1) Resolution 1325 (2000) adopted by the Security Council at its 4213th meeting, on 31 October 2000.

2) Mary Caprioli, Department of Political Science, University of Massachusetts-Dartmouth, Mark A. Boyer, Department of Political Science, University of Connecticut, Gender, Violence, and International Crises, in: Journal of Conflict Resolution, Vol. 45, No. 4, Sage Publications London 2000, p. 503-58.

3) Mary Anderson, Do no Harm, anlässlich eines Workshops in der Deza am 20.11.2001.

4) Hanne-Margret Birckenbach, Präventive Diplomatie. Das Beispiel der OSZE-Mission in Estland unter besonderer Berücksichtigung der Beteiligung von Frauen, Working paper 29 der Schweizerischen Friedensstiftung Bern, Mai 1999.

5) „Frieden ist eine Kulturleistung“, Zitat von Dieter Senghaas in der Sendung Musik und Frieden, Radio Bremen 1999.

6) Bericht von Patricia Barandun, Democratisation Unit, OSZE-Mission in Bosnien, 2001.

7) Mary Caprioli, Gendered Conflict, in: Journal of Peace Research, Vol. 37, No. 1, Sage Publications London, p. 51.

Maren Haartje, Akademische Referentin für feministische Bildung und Politik, Referentin für Gender-Fragen in der Schweizerischen Friedensstiftung Bern

Entwicklung und Kontinuität

Entwicklung und Kontinuität

Zur Abrüstungsbewegung von Frauen

von Emily Schroeder

Seit über einem Jahrhundert mobilisieren Frauen, Frauenorganisationen und -bewegungen für Frieden und Abrüstung. Sie haben sich zwar oft gemeinsam mit Männern organisiert, viele Frauen fanden es jedoch effektiver, sich getrennt von den Männern mit anderen Frauen zusammen gegen Krieg und Bewaffnung einzusetzen. In diesem Artikel werden einzelne Beiträge von Frauen zur Friedens- und Abrüstungsbewegung beleuchtet. Emily Schroeder wirft einen Blick auf eine Bewegung, die in der dokumentierten Geschichte bisher kaum vorkommt.
Es gibt auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene viele Frauenvereinigungen, die sich vorrangig mit Fragen von Frieden und Abrüstung befassen. Am 28. April 1915 trafen sich erstmalig in der Geschichte 1200 Frauen aus Krieg führenden und neutralen Ländern zum Internationalen Frauenkongress in Den Haag, Niederlande, um gegen den Krieg zu protestieren. Aus diesem Anlass gründeten sie die Women’s International League for Peace and Freedom (WILPF, dt. Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit). Diese Vereinigung besteht heute noch und arbeitet auf internationaler Ebene zu einer Reihe von Themen, angefangen bei der Abrüstung von Nuklearwaffen bis zu Menschenrechten. Die Jahre hindurch hat sie „Frauen mit Weitblick angezogen, deren Ideen und Aktionen die Ziele Frieden und Freiheit auch in den schwierigsten Zeiten aufrecht erhalten haben.“1

Während des Kalten Krieges betrieben Frauen Lobbyarbeit gegen die Lagerung und den möglichen Einsatz von Atomwaffen. 1959 fand eine Konferenz über die »Verantwortung der Frauen im Atomzeitalter« statt. Nach dieser Konferenz starteten die neu gegründete Europäische Frauenbewegung gegen atomare Bewaffnung und andere Frauenvereinigungen große Aufklärungs- und Unterschriftenkampagnen. Die internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit führte als erste Organisation Seminare für Frauen aus den USA und aus der Sowjetunion durch, um die Schranken des Kalten Krieges zu durchbrechen. 1964 begann in den USA eine neue Bewegung: der Frauenstreik für den Frieden. Im gleichen Jahr erschienen Frauen aus vielen Ländern auf einer NATO-Tagung in den Niederlanden und demonstrierten gegen die Pläne zum Aufbau einer multilateralen Atomstreitmacht. 1969 unterstützte die WILPF eine internationale Konferenz zur Beendigung der Kriegsführung mit B- und C-Waffen.2 In den 80er Jahren inspirierten die Frauen von Greenham Common die Welt mit ihrem Einsatz gegen Nuklearwaffen und Nuklearbasen. Sie verließen ihr Heim, um sich dem Frieden zu widmen, ganz so wie Männer Jahrhunderte lang ihr Heim verließen, um in den Krieg zu ziehen.3

Zwar haben nordamerikanische und europäische Frauenfriedensorganisationen die meiste Publizität erfahren, es gibt jedoch solche Organisationen in allen Teilen der Welt. Beispielsweise haben sich Frauen in der Pazifikregion zum Protest gegen die Atombombenversuche zusammengefunden und japanische Frauen haben ein Friedenscamp an der Basis am Fuji errichtet. Frauengruppen in Afrika haben sich aktiv für Frieden und Wiederaufbau eingesetzt, etwa in Angola, Burundi, Somalia und Niger.

Eine bemerkenswerte Initiative mit überwältigendem Erfolg war die Internationale Koalition für die Friedenspetition der Frauen, die 1997 anlässlich des Weltfrauentages bei den Vereinten Nationen gegründet wurde. Sie konnte mehr als 175 Organisationen zur Unterstützung gewinnen und sammelte Hunderttausende Unterschriften (vorwiegend auf der südlichen Erdhälfte). Diese Petition forderte die Regierungen auf, in den kommenden „fünf Jahren ein Minimum von fünf Prozent ihrer Militärhaushalte für Gesundheitswesen, Bildungsmaßnahmen und Programme zur Beschäftigung und Friedenserziehung auszugeben.“4 In dieser Petition wurde gefordert, den Krieg als akzeptable Form sozialen Verhaltens zu deligitimieren, wie schon zuvor bei Sklaverei, Kolonialismus und Apartheid.5

Geburt der Abrüstungs- und Friedensbewegung der Frauen

Der Ursprung der Frauenbewegung für Frieden und Abrüstung hat mehrere Wurzeln: Es gibt keine Übereinstimmung über die gelegentlich geäußerte Behauptung, dass Frauen »von Natur aus« friedfertiger seien als Männer. Ebenso viele Männer haben sich für den Frieden zusammengetan, und es gibt viele Beispiele von Frauen die Aufrüstung unterstützen und aktiv an Kriegen teilnehmen. Dennoch ist es sinnvoll, diejenigen Elemente der Frauenfriedens- und abrüstungsbewegungen als einzigartiges Phänomen zu untersuchen, welche eine Beendigung der Kriege und eine vollständige Abrüstung verlangen.

Einer der offensichtlich am stärksten mobilisierenden Faktoren ist, dass zahlreiche Organisationen auf der Mutterrolle der Frauen aufbauen. Oft haben Frauen sich organisiert, um ihre Kinder zu beschützen, wie etwa die Mütter der Plaza de Mayo in Argentinien, die gegen das »Verschwinden« ihrer Kinder protestierten. Während des Tschetschenienkrieges verlangte eine Gruppe von russischen Soldatenmüttern eine Beendigung der Kampfhandlungen und die Heimkehr ihrer Söhne. Sie forderten einen Sitz in den Verteidigungs- und Sicherheitsgremien ihres Landes. Mazedonische Frauen holten ihre Söhne aus der serbischen Armee. Diese Aktivitäten sind für uns alle eine Inspiration.

Ein anderes Beispiel ist der Marsch der Millionen Mütter (Million Mom March), der 1999 begründet wurde. Es handelt sich hier um eine nationale Graswurzelorganisation der USA, die sich auf Erziehung und Aufklärung durch landesweite Aktivitäten zur Einrichtung verantwortbarer Grenzen für den Erwerb und Gebrauch von Schusswaffen konzentriert und die Opfer von Schusswaffenunfällen unterstützt. Im Rahmen des »Million Mom March« demonstrierten 2000 mehr als 750.000 Menschen auf der National Mall in Washington und mehrere Zehntausend in anderen Städten der USA für härtere Schusswaffengesetze.6

Ein anderer Schlüssel zum Verständnis der Frage, warum Frauen sich im Engagement für die Abrüstung vereinigt haben, ist die Verbindung, die viele Frauen zwischen der Gleichheit der Geschlechter und dem Frieden gezogen haben.7 So war z.B. das Den Haager Treffen der Frauen 1915 der Auffassung, dass ein dauerhafter Friede nur auf der Grundlage gleicher Rechte zwischen Männern und Frauen, auf innerer Gerechtigkeit, nationaler Unabhängigkeit und Freiheit aufgebaut werden könne.8Frauenorganisationen haben oft argumentiert, dass Frieden mehr sei als die Abwesenheit von Krieg. Sie verbanden verschiedene Gewaltphänomene wie Menschenrechtsverletzungen, Gewalt gegen Frauen und strukturelle Gewalt infolge ökonomischer Ungleichheiten mit der in Kriegen gesehenen Gewalt.9 Auf diese Weise verbinden sie Abrüstung mit der Beendigung aller Formen von Gewalt und der Schaffung einer Friedenskultur, die von Generation zu Generation weitergegeben werden kann.

Frauen, Frieden und Sicherheit

Die UN-Sicherheitsratsresolution 1325 zum Thema Frauen, Frieden und Sicherheit, die im Oktober 2000 verabschiedet wurde, erwähnt insbesondere die Notwendigkeit, in alle Gebiete zur Förderung des Friedens Genderperspektiven einzubeziehen. Darin sind Abrüstungsfragen, Demobilisierungs- und Wiedereingliederungsinitiativen eingeschlossen (Paragraph 13). Diese Resolution stellte einen riesigen Wendepunkt in der Anerkennung der direkten Beiträge von Frauen zur Abrüstung dar.

In der Vorbereitung zur Annahme dieser Resolution versuchten verschiedene UN-Konferenzen, eine Verbindung zwischen Frauen und Abrüstung herzustellen:

  • Auf der ersten Weltfrauenkonferenz, die 1975 in Mexico City stattfand, wurden die drei mit einander verbundenen Ziele Gleichheit, Entwicklung und Frieden festgelegt. Abrüstung gehörte zum Schwerpunkt Frieden.
  • Die dritte Weltfrauenkonferenz in Nairobi (1985) bekräftigte erneut das Engagement in Abrüstungsfragen, indem sie die Schlüsselrolle beleuchtete, welche Frauen auch bei der Abrüstung von Atomwaffen innehaben können, und forderte eine stärkere Unterstützung für die Bemühungen der Frauen.
  • Auf der vierten Weltfrauenkonferenz im Jahr 1995 in Peking einigten sich die Regierungen auf das Strategische Ziel E.2: Reduzierung überhöhter Militärausgaben und Kontrolle der Verfügbarkeit von Rüstungsgütern. Frauenorganisationen sahen die Verknüpfung von Abrüstungsfragen, Verbreitung von Nuklearwaffen und Empowerment (Ermächtigung) der Frauen als wichtig an. Sie argumentierten, dass Ausgaben für Waffen Ressourcen aus dem Bildungs- und Gesundheitswesen und anderen Programmen abzögen, die Frauen das Leben erleichtern könnten.
  • „Absatz 143: (a) Erhöhung und Beschleunigung, wie angemessen, in Anpassung an Betrachtungen zur nationalen Sicherheit, die Konversion militärischer Ressourcen und damit verbundener Industrien zu Zwecken der Entwicklung und zivilen Produktion;
  • (b) Erkundung neuer Wege zur Schaffung neuer öffentlicher und privater Finanzressourcen, inter alia, durch die angemessene Reduktion überhöhter Militärausgaben, einschließlich globaler Militärausgaben, Handel mit Rüstungsgütern und Investitionen in Rüstungsproduktion und -kauf, unter Berücksichtigung nationaler Sicherheitsbedürfnisse, um die mögliche Zuteilung zusätzlicher Geldmittel für Zwecke der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung zu ermöglichen, insbesondere zur Förderung der Frauen.“
  • Die Diskussionen auf der 23. Sondersitzung der Vollversammlung der Vereinten Nationen zum Follow-Up der Aktionsplattform (Juni 2000) bestätigten ebenfalls die Beziehungen zwischen Frieden, Abrüstung und Geschlechtergleichheit. Das Schlussdokument (A/S-23/10/Rev.1) umreißt die Errungenschaften und die Hindernisse, auf die Regierungen und internationale Organisationen beim Versuch der Umsetzung der Pekinger Aktionsplattform gestoßen sind. In der Diskussion über das Thema Frauen und bewaffneter Konflikt wurde u.a. ein Hindernis besprochen: Überhöhte Militärausgaben, einschließlich globaler Militärausgaben, sowie der Handel mit Rüstungsgütern und Investitionen in die Waffenproduktion, unter Berücksichtigung nationaler Sicherheitsbedürfnisse, lenken die mögliche Vergabe von Geldmitteln weg von der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung, insbesondere von der Frauenförderung (Absatz 17).

Das Dokument identifizierte auch „Handlungen, die auf nationaler und internationaler Ebene von Regierungen, regionalen und internationalen Organisationen, durchzuführen sind, einschließlich des Systems der Vereinten Nationen, internationalen Finanzinstitutionen und anderen geeigneten Akteuren “. Dazu gehören die:

  • „98 (k) Stärkung der Bemühungen zu allgemeiner und vollständiger Abrüstung unter strikter und wirkungsvoller internationaler Kontrolle, basierend auf den von den Vereinten Nationen auf dem Gebiet der Abrüstung erstellten Prioritäten, so dass die freiwerdenden Mittel unter anderem für Sozial- und Wirtschaftsprogramme eingesetzt werden können, welche Frauen und Mädchen zugute kommen.“ (…)
  • „(b) Erkundung neuer Wege zur Schaffung neuer öffentlicher und privater Finanzressourcen, unter anderem durch die angemessene Verringerung überhöhter Militärausgaben, einschließlich globaler Militärausgaben, Handel mit Rüstungsgütern und Investitionen in Rüstungsproduktion und -beschaffung, unter Berücksichtigung nationaler Sicherheitsbedürfnisse, um die mögliche Zuteilung zusätzlicher Geldmittel für Zwecke der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung zu ermöglichen, insbesondere zur Förderung der Frauen.“
  • Die Kommission über den Status von Frauen geht in ihren »Beschlüssen über kritische Handlungsfelder der Pekinger Aktionsplattform« (UN Sales No. E.00.IV.6) auch auf Massenvernichtungswaffen ein. Sie fordert von den Regierungen die „geeignete Unterstützung der Rolle der Frauen in der Friedensbewegung, die allgemeine und vollständige Abrüstung, einschließlich aller Arten von Massenvernichtungswaffen, unter strikter und effektiver internationaler Kontrolle anstrebt.“

Die UN-Sicherheitsratsresolution 1325 zum Thema Frauen, Frieden und Sicherheit, die im Oktober 2000 verabschiedet wurde, erwähnt insbesondere die Notwendigkeit, in alle Gebiete von Operationen zur Förderung des Friedens Genderperspektiven einzubeziehen. Darin sind Abrüstungsfragen, Demobilisierungs- und Wiedereingliederungsinitiativen eingeschlossen (Paragraph 13).

Es gibt viele internationale und nationale Frauenorganisationen, die sich darauf konzentrieren, Frieden und Abrüstung zu unterstützen. Es müssen Mittel und Wege gesucht werden, wie mehr Verbindungen zwischen Nicht-Regierungsorganisationen (NRO), WissenschaftlerInnen, die zu Geschlechterfragen und Abrüstung arbeiten, und den Vereinten Nationen geknüpft werden können.

Eine jüngere Initiative, die NGO Working Group on Women and International Peace and Security (NRO-Arbeitsgruppe zu Frauen, Internationalem Frieden und Sicherheit), traf sich im Juni 2000 zu dem Zweck, eine Schwerpunktkampagne zur Entwicklung einer Resolution zu dem Komplex Frauen, Frieden und Sicherheit beim UN-Sicherheitsrat vorzubereiten. Zu der Gruppe gehören amnesty international, International Alert, die WILPF, der Haager Friedensappell, der Women’s Caucus for Gender Justice, das International Women’s Tribune Center und die Frauenkommission für Flüchtlingsfrauen und -kinder. Diese Nicht-Regierungsorganisationen arbeiteten mit UN-Abteilungen und gleichgesinnten Mitgliedsstaaten zusammen. Dies ist ein weiteres Beispiel für die produktive Synergie demokratischer Diplomatie.10

Anders als die meisten Sicherheitsratsresolutionen hat die Resolution 1325 eine Gemeinschaft aktiver Organisationen und Einzelpersonen hinter sich, die ihre Klauseln kennen und zitieren und die ihre vollständige Umsetzung erwarten. Diese Gruppen haben ihre Bemühungen, Netzwerke und Expertisen in einen Pool eingebracht, um die gute Nachricht über die bindenden internationalen Verpflichtungen in der Resolution 1325 zu verbreiten und sie werden weiterhin an der vollständigen Umsetzung arbeiten. Die Gruppe gab eine Broschüre mit dem Wortlaut der Sicherheitsratsresolution 1325 heraus, die auf vielen Kontinenten verbreitet und in mehrere Sprachen übersetzt wurde.11

Zur Unterstützung der Frauengruppen und -netzwerke, die für eine Friedenskultur werben, gab die Abrüstungsabteilung der Vereinten Nationen zusammen mit dem Büro des Sonderbeauftragten für Geschlechterfragen und Frauenförderung in der Wirtschafts- und Sozialabteilung eine Sonderausgabe von Stellungnahmen zum Thema »Gender-Perspektiven zur Abrüstung« heraus. Dieses Ressourcenpaket ist ein nützliches Instrument, das auf die Verstärkung von Gender Mainstreaming bei Abrüstungsfragen zielt.

Zusätzlich hat „Reaching Critical Will“, das Projekt der WILPF beim Büro der Vereinten Nationen, seit 1999 Abrüstungsforen der UN beobachtet. Dieses Projekt spielte eine wichtige Rolle bei der Sammlung und Verbreitung wesentlicher Informationen von UNO-Treffen zu Abrüstungsfragen. Es warb vernehmlich für das Endziel, nukleare Abrüstung. Augenscheinlich kodifiziert die Resolution 1325 die bisher weit gehend ignorierte oder nicht unterstützte Tradition, dass Frauen auf jeder Ebene für Frieden und Abrüstung werben, in internationales Recht.

Während Errungenschaften von Frauen weit gehend von der Geschichtsschreibung ignoriert wurden, haben Frauen viele Beiträge zur Friedens- und Abrüstungsbewegung geleistet. Unbedingte Loyalität zu dem Ziel des Weltfriedens treibt diese Friedens- und Abrüstungsaktivistinnen vorwärts. Seit der Gründung der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit in den Schrecken des Ersten Weltkrieges wurden mehrere Wege für eine aktive Teilhabe der Frauen eröffnet. Viele Frauen halten durch und finden Wege um enorme Hindernisse herum, sie kämpfen ohne Waffen, nur mit Worten und gewaltlosen Aktionen.

Literatur

Die Website der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit (WILPF): www.wilpf.int.ch

Die Website der Friedensfrauen (USA): www.peacewomen.org

Die Website von Reaching Critical Will: www.reachingcriticalwill.org

Gender Perspectives on Disarmament. Statement von Felicity Hill, ehem. Leiterin des UN-Büros der WILPF http://www.reachingcriticalwill.org/genderdisarm/genderindex.html

The Work of the Department for Disarmament Affairs in Implementing Security Council Resolution 1325, von Jayantha Dhanapala, Under Secretary-General for Disarmament Affairs. United Nations Inter-agency Panel to Commemorate the First Anniversary of Security Council resolution 1325, New York, 31 October 2001. Organisiert von der Inter-agency Taskforce on Women, Peace and Security. http://www.reachingcriticalwill.org/1com/DDA1325dana.pdf

Gender Perspectives on Disarmament, Veröffentlichung des Department for Disarmament Affairs in Zusammarbeit mit dem Büro des Sonderbeauftragten für Geschlechterfragen und Frauenförderung im Department for Economic and Social Affairs http://www.un.org/Depts/dda/gender.htm

Anmerkungen

1) Catherine Foster: Women For All Seasons. Athens, University of Georgia Press, 1989, 6.

2) http://www.ppu.org.uk/century/century7.html

3) Sasha Roseneil: Disarming Patriarchy. Buckingham, Open University Press, 1995, 6.

4) The International Coalition for the Women‘s Peace Petition, www.peacewomen.org

5) DDA briefing notes.

6) www.millionmommarch.org

7) DDA briefing notes.

8) Karl, M. (1995): Women and Empowerment. London, Zed Books Ltd.

9) DDA Briefing notes.

10) http://www.peacewomen.org/un/ngo/wg.html

11) Felicity Hill: One Year On, www.peacewomen.org, September 2001.

Emily Schroeder koordiniert »Reaching Critical Will«, ein Projekt der »Women’s International League for Peace and Freedom«, United Nations Office, New York.
Übersetzung aus dem Englischen: Annette Hauschild

Gender im Konflikt

Gender im Konflikt

Ein Werkstattgespräch der AFK

von Anja Feth und Nana Heidhues

Warum und in welcher Hinsicht ist die Kategorie Gender für die zivile Konfliktbearbeitung von Bedeutung? Inwiefern würden sich Projektplanung/-durchführung sowie Ausbildung von Friedensfachkräften ändern (müssen), wenn die geschlechtsspezifischen Dimensionen von Konflikten – und daraus resultierend der Konfliktbearbeitung – die notwendige Berücksichtigung fänden? Auf welche Erfahrungen kann hier bislang zurückgegriffen werden? Zu einer Auseinandersetzung mit diesen dringenden Fragen lud am 18. Januar 2002 die Arbeitsgemeinschaft Friedens- und Konfliktforschung (AFK) zu einem Werkstattgespräch in Berlin ein.
Unter dem Titel »Zur Kategorie Gender in der zivilen Konfliktbearbeitung« versammelte die Tagung Praktikerinnen, Policymakerinnen und Wissenschaftlerinnen mit dem Schwerpunkt zivile Konfliktbearbeitung und/oder Gender zu einem Austausch. Denn während das Instrument des Gender-Mainstreaming in der Entwicklungszusammenarbeit mittlerweile fest verankert ist, findet eine Reflexion über die Bedeutung der Kategorie Gender im Rahmen der zivilen Konfliktbearbeitung kaum statt. Zwar war die Tagung ursprünglich nicht als reine Frauenveranstaltung konzipiert, jedoch fand von den eingeladenen männlichen Vertretern aus Theorie und Praxis bedauerlicherweise keiner den Weg ins Harnack-Haus.

Nach einer kurzen Begrüßung durch die derzeitige Frauenbeauftragte des AFK, Dr. Ruth Stanley (Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft, Freie Universität Berlin), zugleich Initiatorin und Organisatorin des Werkstattgespräches, begann die Tagung mit einem Beitrag aus der Wissenschaft. Cordula Reimann (School of Peace Studies, Universität Bradford, England) schuf mit ihrem Eingangsreferat eine gemeinsame theoretische Basis, auf welcher der weitere Tages- und Diskussionsverlauf aufbauen konnte. Sie thematisierte u.a. die verschiedenen Handlungsebenen der zivilen Konfliktbearbeitung, auf denen Frauen sehr unterschiedlich stark vertreten sind. Während zivilgesellschaftliche Anstrengungen der Konfliktbearbeitung oft von Frauen maßgeblich mitgetragen werden, sind sie von den offiziellen Friedensverhandlungen meist ausgeschlossen.

Der von Cordula Reimann dargestellte theoretische Zugang wurde anschließend mit praktischen Erfahrungen aus dem bosnischen Friedensprozess untermauert. Sabine Klotz von der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) in Heidelberg war im Jahr 2000 als Mitglied verschiedener OSZE-Missionen in Bosnien; Dr. Martina Fischer ist am Berghof-Zentrum für konstruktive Konfliktbearbeitung in Berlin tätig. Beide Beiträge führten anschaulich vor Augen, dass und in welcher Weise gewaltsame Konflikte und Friedensprozesse keineswegs Gender-neutral sind, sondern im Gegenteil in je spezifischer Weise auf Frauen und Männer wirken und daher auch auf zugrunde liegende gesellschaftliche Geschlechterverhältnisse. So wurde beispielsweise auf den Zusammenhang zwischen der Traumatisierung bosnischer Kämpfer und dem deutlichen Anstieg innerfamiliärer Gewalt in der Post-Konfliktphase hingewiesen. Detraumatisierungsprogramme für ehemalige Kämpfer, so der Vorschlag, müssten die Militarisierung der männlichen Geschlechterrolle gezielter thematisieren.

Deutlich wurde vor allem eines: Gender darf auf keinen Fall als isolierte Kategorie verstanden werden, sondern muss im Gegenteil immer in Zusammenhang mit historischen, kulturellen und religiösen Machtverhältnissen gesehen werden. Diese wirken sich in einem »gender-culture-double-bind« (Reimann) auf Geschlechteridentitäten und -verhältnisse aus. Die Frage lautet also, wie im Rahmen von ziviler Konfliktbearbeitung die Partizipation einheimischer Frauen gefördert werden kann, wenn eben diese mit bestehenden gesellschaftlichen Normen kollidiert. (Zum Beispiel dann, wenn Bosnierinnen nicht an politischen Veranstaltungen teilnehmen können, weil es ihnen nicht erlaubt ist, abends alleine das Haus zu verlassen. Auch neu geschaffene Ausbildungsprogramme für Frauen und Mädchen oder die Einführung einer Frauenquote für nationale Parlamente können nur erfolgreich sein, wenn sie die Lebensrealitäten der Frauen berücksichtigen.)

Kulturell festgeschriebene Geschlechterrollen machen sich im Übrigen auch für weibliche Mitglieder einer Friedensmission bemerkbar: Sabine Klotz wurde in Bosnien damit konfrontiert, als Frau bei der Bevölkerung auf geringere Akzeptanz zu stoßen und vor allem von einheimischen Männern weniger ernst genommen zu werden als ihre männlichen Kollegen. Tatsächlich wirkt sich jedoch die Beteiligung von Frauen an internationalen Friedensmissionen entscheidend darauf aus, welche Informationen die ausländischen Friedensfachkräfte erhalten. So wollen bzw. dürfen einheimische Frauen oft nicht mit ausländischen Männern über erfahrene Gewalt oder ihre spezifische Lebenssituation nach dem Konflikt sprechen. Eine rein männlich besetzte Mission läuft also Gefahr, nur die halbe (Konflikt-)Wahrheit zu erfahren. Ein weiteres Problem, welches sich an die hauptsächlich männliche internationale Präsenz in Krisengebieten knüpft, darf von internationalen Organisationen auf keinen Fall (weiter) ignoriert werden: In Bosnien wie in vielen anderen Gebieten muss seit dem Beginn der Einsätze internationaler (militärischer und ziviler) Friedensmissionen eine deutliche Zunahme von Prostitution und Frauenhandel registriert werden sowie ein drastischer Anstieg von HIV-Erkrankungen. Die Tagungsteilnehmerinnen stimmten darin überein, dass ein umfassendes Gender-Training nicht nur zur Grundausbildung von Friedenspersonal gehören muss, sondern auch praxisorientierter gestaltet werden sollte, als dies bisher geschieht (z.B. mit Rollenspielen).

Im weiteren Diskussionsverlauf wurden auch Maßnahmen der gesellschaftlichen Wiedereingliederung von ehemaligen Kämpfern problematisiert. Die anerkannte und weit verbreitete Methode, Exkombattanten Arbeitsplätze zu verschaffen, um ihre Re-Integration zu unterstützen, kann durchaus ambivalente Wirkungen erzielen. Werden hier möglicherweise unbeabsichtigt Täter bevorzugt behandelt? Welche Signale werden dabei an Frauen gesendet, die Opfer von Vergewaltigungen und sexueller Folter wurden? Könnte eine – ohne Zweifel notwendige und extrem wichtige – Wiedereingliederung von Exkombattanten dieser Gefahr entgehen, indem z.B. gleichzeitig gezielte Ausbildungs- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für Frauen angeboten werden?

Insgesamt waren sich alle Teilnehmerinnen einig in der Feststellung, dass dieses Werkstatt-Gespräch nur der Ausgangspunkt für eine zukünftige intensive Beschäftigung mit geschlechtsspezifischen Fragestellungen innerhalb der zivilen Konfliktbearbeitung sein könne. Zu viele Fragen blieben unbeantwortet; neue wurden aufgeworfen. Die Forschungslücke klafft beträchtlich zwischen der Erkenntnis, dass Konflikte in ihren geschlechtsspezifischen Dimensionen aus der Mainstream-Perspektive nur unvollständig wahrgenommen und erfasst werden können und der Tatsache, dass sich Gender als analytische Kategorie bisher nicht hat etablieren können. Aufgabe der feministischen Forschung muss es demnach sein, die konflikttheoretische Bedeutung der Kategorie Gender und somit die »andere« Betroffenheit von Frauen im Rahmen von Konflikten der Mainstream-Forschung zu vermitteln. Es muss gezeigt werden, warum ein Konflikt nicht vollständig erfasst werden kann, wenn Gender als analytische Kategorie außen vor bleibt. (Bei einer anderen Kategorie, der Ethnie, besteht dieses Vermittlungsproblem offensichtlich nicht. Der explosive Charakter sozialer Ungleichheiten zwischen Ethnien wird angesichts der Erfahrungen vergangener Kriege nicht in Frage gestellt. Soziale Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern bleiben dagegen weiterhin unberücksichtigt.)

Abschließend wurde festgehalten, dass zukünftig nicht nur der kontinuierliche Dialog zwischen Theorie und Praxis notwendig sei, um Gender in der zivilen Konfliktbearbeitung fester zu verankern. Es müsste auch ein intensiverer Austausch mit verwandten Disziplinen stattfinden, die mit Gender bereits Erfahrungen gesammelt und entsprechende Instrumente entwickelt haben (wie z.B. die Entwicklungszusammenarbeit). Diese auf ihre Anwendungsmöglichkeiten in der zivilen Konfliktbearbeitung hin zu überprüfen ist eine der nun anstehenden Aufgaben.

Anja Feth und Nana Heidhues studieren Politikwissenschaft an der FU Berlin

Frauen und Gewalt

Frauen und Gewalt

von Christiane Lammers

Mann möchte meinen, die Zeiten hätten sich geändert: Die Emanzipationsprozesse müssten doch inzwischen weit vorangeschritten sein, wenn eine Frau der CDU vorsitzt, wenn eine Frau oberste Verfassungsrichterin ist, wenn Frauen zum Dienst an der Waffe zugelassen sind, wenn Frauen zu Selbstmordattentäterinnen werden oder wenn die Befreiung der Frau sogar nicht hinterfragtes Motiv für einen Krieg geworden ist. Also, was wollen Frauen noch mehr?

Ich sehe was, was Du nicht siehst und das ist …

Die Zulassung der Frau zum Dienst an der Waffe wurde zweifach in der deutschen Öffentlichkeit begründet. Zum einen als Durchsetzung der Gleichberechtigung von Mann und Frau, zum anderen als Möglichkeit, ausgehend von der Armee als Teil der Gesellschaft, emanzipatorische Bestrebungen zu forcieren. Studien in Armeen, die schon länger weibliche Soldaten »integriert« haben, zeigen jedoch, dass dies weder eine Demokratisierung noch eine Humanisierung der Armeen mit sich gebracht hat – in sich wohl schon eine paradoxe Zielvorstellung –, noch dass die Frauen gleichberechtigt behandelt werden. Frauen erreichen auch hier nicht die Spitze des hierarchischen Dreiecks und bleiben in der Regel in marginalisierten Positionen.

Ein Attentat einer Palästinenserin hat zu erheblichem Aufsehen geführt. Es wurde interpretiert als weitere Eskalationsstufe des israelisch-palästinensischen Konfliktes im Sinne von „nun beteiligen sich also auch die Frauen aktiv an dem Konflikt“. Nicht die Hintergründe und Motive der Frau spielten eine Rolle, sondern allein ihr Geschlecht. Nicht nur das Phantom von der friedlichen, passiven Frau, sondern auch die Ignoranz gegenüber der tagtäglichen Betroffenheit der palästinensischen Frauen kommt zum Vorschein.

Und nun geht die Instrumentalisierung der Frauen noch einen Schritt weiter. In Anbetracht der Bilder von gefolterten Frauen auf Kabuls Straßen wird zweifach die Akzeptanz des Krieges in Afghanistan hergestellt: Die Männer können ihren Beschützertrieb mobilisieren, emanzipierte Frauen, die vielleicht ein besonders kritisches Potenzial gegenüber militärischen Männerkoalitionen aufbieten würden, werden irritiert und instrumentalisiert.

Hat Mann die Frauen in Afghanistan eigentlich gefragt, ob sie »ihre Befreiung« mit einem solchen Preis bezahlen wollen? Ob sie wiederum verbrannte Erde neu beackern, ihr Leben und das der Kinder gefährdet durch mehr als 40.000 Landminen sehen wollen? Noch nicht einmal die Opferzahlen sind bekannt. Stillschweigen wird erzeugt, um nicht an den ursprünglichen humanitären Zielen gemessen zu werden. Ist nun nach dem »gewonnenen« Krieg sichergestellt, dass der Wiederaufbau Afghanistans sich an den Interessen der Frauen orientiert? Erhebliche Zweifel sind angebracht.

Selbst in Friedensforschungs- und -arbeitsfeldern, die als typisch weiblich eingeordnet werden, bleibt die Genderperspektive bisher noch unbearbeitet liegen. Die zivile Konfliktbearbeitung, die die ganze Gesellschaftswelt und damit die Alltagswelten beider Geschlechter im Blick haben müsste, weist hier noch einige Leerstellen auf. Oftmals drängen sich auch hier die Männerwelten in den Vordergrund: Entwaffnung von Männern, Einrichtung von zivilgesellschaftlichen und politischen Strukturen nach dem Muster männlicher Dominanz, Arbeitsplätze für Männer, insbesondere für Kombattanten. Alles wichtige Arbeitsfelder, die gleichzeitig infolge der Mittelknappheit Richtungsentscheidungen in der Genderfrage sind. Es irritiert, dass auch in diesem Arbeitsfeld, das sich in der Bundesrepublik als das Arbeitsthema insbesondere von Wissenschaftlerinnen und Friedensarbeiterinnen herauskristallisiert hat, die Genderperspektive bisher keine reflektierte und erkennbare Rolle spielt.

Männer sind nicht die Wurzeln allen Übels und Frauen nicht das friedliche Geschlecht. Eine Banalität, die jedoch auf die falsche Fährte führen könnte. Die Thematisierung der Genderfrage sollte auch in friedenswissenschaftlichem Zusammenhang nicht zur Instrumentalisierung der Frauen führen, im Sinne von Frauen an die Macht und das friedliche Paradies auf Erden hat begonnen. Trotzdem – ohne diesen Zustand festzuschreiben oder in Form einer Gleichmacherei aufheben zu wollen – unterscheiden sich vor allem die Alltagswelten der beiden Geschlechter noch immer ganz wesentlich und bieten deshalb unterschiedliche Friedensstrategien an. Friedensprozesse werden nur erfolgreich sein können, wenn sie integrativ, sowohl horizontal wie auch vertikal möglichst breit angelegt sind. Dazu bedarf es eines weiten Blickes. Frauen benötigen keine patriarchalische Fürsprache, sondern Zugänge zu Ressourcen und Machtstrukturen, um ihre Sichtweisen und Interessen einzubringen. Die Geschlechterteilung hängt ohne Zweifel mit der Verfasstheit der staatlichen Strukturen und Institutionen zusammen; die Machtfrage ist gestellt – in der Hoffnung sie konstruktiv beantworten zu können.

Ich sehe was, was Du nicht siehst, und das ist…

Kein Kinderspiel – und trotzdem möglicherweise ein Spiel ohne Verlierer.

Christiane Lammers

Die Gleichberechtigungsfalle

Die Gleichberechtigungsfalle

»Freiwilliger Waffendienst«: Gleiches Recht auf Unrecht

von Anne Rieger

Der Anti-Diskriminierungsausschuss der UN rügte vor einigen Tagen die Tatsache, dass Frauen in Deutschland nach wie vor in vielen Bereichen diskriminiert werden: Sie erhalten nur 77 Prozent des Durchschnittsverdienstes von Männern, haben mehr als 90 Prozent der prekären und unzureichend bezahlten Teilzeitjobs inne und, obwohl mehr Frauen als Männer ein Studium beginnen, besetzen sie nur neun Prozent aller ProfessorInnenstellen. 94 Prozent der höchstdotierten Posten in Wirtschaft und Wissenschaft sind von Männern besetzt. An dieser Situation hat sich seit zehn Jahren kaum etwas geändert.

Ja, es ist höchste Zeit, Gleichberechtigung und Gleichstellung von Frauen auf allen Ebenen unserer Gesellschaft herzustellen. Aber waren das auch die Beweggründe des Deutschen Bundeswehrverbandes (DBwV) als er 1996 Tanja Kreil seine Hilfe anbot? Wir erinnern uns: Frau Kreil hatte sich damals beim Elektronik-Instandsetzungsdienst der Bundeswehr beworben und war abgelehnt worden, da die damit verbundene Waffenausbildung für Frauen dem Grundgesetz widerspreche. Der DBwV stellte daraufhin Tanja Kreil Rechtsschutz und seinen Vertragsanwalt zur Verfügung. Mit dessen Unterstützung klagte sie vor dem Europäischen Gerichtshof (EUGH) auf die Einhaltung der Gleichbehandlungsrichtlinie des Europäischen Rates aus dem Jahre 1976 bezüglich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg. Sie klagte mit Erfolg: Unter großer öffentlicher Beachtung sprachen sich die RichterInnen im Januar für einen Zugang der Frauen in Deutschland zum Dienst mit der Waffe aus.

Der Vorsitzende des DBwV, Oberst Bernhard Gertz, jubelte: „Hier ging es um die Beseitigung eines Berufsverbotes.“ Noch am gleichen Tag veranlasste Peter Wichert, Staatssekretär im Verteidigungsministeriums, die Bildung einer Steuergruppe »Frauen in den Streitkräften«, die bis zum 29. Februar einen Entwurf zum Handlungs- und Entscheidungsbedarf vorlegen sollte. Minister Rudolf Scharping, der bereits im Juli 1999 ankündigte Frauen auch im Wachdienst, also »mit der Waffe« einzusetzen, begrüßte das Urteil und versprach einen abgestimmten Gesetzentwurf zur Kabinettsbehandlung noch vor der Sommerpause. „Eine historische Entscheidung zugunsten der Frauen in Europa, insbesondere aber in Deutschland“, fasste Peter Dreist in »Bundeswehr aktuell« das Ergebnis zusammen.

Bei so viel männlicher Unterstützung in der Gleichberechtigungsfrage wundert frau sich! Noch immer sind die Beschlüsse des EUGH zur Lohngleichheit und gegen mittelbare Diskriminierung von Frauen in der Bezahlung in der Bundesrepublik nicht umgesetzt, noch immer kann von Chancengleichheit im zivilen Bereich, in Familie, Beruf und Gesellschaft keine Rede sein. Hier wird gemauert, doch wenn es um die Bundeswehr geht, werden »einflussreiche« Männer plötzlich schwach und entdecken die Gleichberechtigung. Das ist dann doch mehr als merkwürdig und legt den Schluss nahe, dass hier der Wunsch und das Recht von Frauen auf technisch anspruchsvolle Arbeitsplätze zur Legitimation der Bundeswehr und zur Militarisierung der Gesellschaft missbraucht werden sollen.

Ist der Zugang zum Dienst an der Waffe wirklich „die Nagelprobe auf die Akzeptanz der Unteilbarkeit von BürgerInnenrechten“ wie Christa Schenk (PDS) es sieht? Ist es wirklich ein „weiterer Schritt zum Abbau rechtlicher Benachteiligung von Frauen“ (Deutscher Frauenrat), liegen darin wirklich „neue berufliche Entwicklungsmöglichkeiten in technisch anspruchsvollen Jobs“ (Ursula Engelen-Kefer, DGB)? Ist denn SoldatIn sein – das abgerichtet werden zum Töten auf Kommando – ein Beruf wie jeder andere? Kann frau wirklich die gleichberechtigte »Lizenz zum Töten« als höchste Stufe weiblicher Emanzipation verstehen oder sollte nicht vielleicht doch den Frauen aus Parteien und Gewerkschaften angesichts dieses Schritts zur Gleichberechtigung der Jubel im Halse stecken bleiben? Emanzipation heißt doch nicht Nachahmung männlicher Dummheit, hat doch nichts mit Macho-Gleichstellung in Militärmaschinerien zu tun. Es ist schwer nachvollziehbar, dass es ein Fortschritt für die Frauen aus den USA gewesen sei soll, in Somalia, Haiti, Bosnien, am Golf und anderswo zu töten und getötet zu werden.

Emanzipation heißt Selbstbestimmung. Diesem Interesse dient aber kein Militär der Welt. Nach innen ist es undemokratisch, nach dem Prinzip von Befehl und Gehorsam organisiert, nach außen ist es ein Instrument der Unterdrückung, der Zerstörung von Mensch und Natur. Es dient der Aufrechterhaltung von Macht – auch der Aufrechterhaltung der Macht der Männer über die Frauen. Die US-Armee liefert hierfür den Beweis: Untersuchungen belegen, dass in der US-Armee, die mit 15 Prozent den höchsten Frauenanteil in der NATO hat, zwei Drittel der Frauen brutaler Unterdrückung durch sexuelle Belästigung, Nötigung bis zu Vergewaltigungen ausgesetzt sind.

Es hat auch wenig mit Gleichberechtigung zu tun, wenn frau als Lückenbüßerin Personaldefizite füllen soll. Seit dem ersten Kriegseinsatz der Bundeswehr wollen sich immer weniger Zeitsoldaten für zusätzliche Jahre verpflichten. Glaubt man dem Verteidigungsministerium fehlen 1000 Unteroffiziere und 2000 Offiziere; die Zahl der Kriegsdienstverweigerer hat das historisches Hoch von 174.348 erreicht. Der Begriff »Reservearmee« bekommt da einen neuen, einen makabren Klang.

Viel zu tun hat die Frage »Frauen und der Dienst mit der Waffe« allerdings mit der sozialen Frage. Das wird deutlich, wenn mensch sich die US-Armee ansieht und feststellen muss, dass die schwarzen Frauen in der »Truppe« deutlich in der Mehrzahl sind, während angesichts einer florierenden Wirtschaft sich insbesondere die weißen Frauen vom Militär abwenden um sich im zivilen Bereich nach beruflichen Alternativen umzusehen. In Italien gibt das Verteidigungsministerium offen zu, dass bei den Bewerbungen der Frauen zur Armee die hohe Arbeitslosigkeit im Süden eine große Rolle spiele. Dass sich bei uns vor allem in Ostdeutschland zunehmend Frauen bei der Armee bewerben sagt denn auch weniger aus über die Berufswünsche von Frauen, als über ihre Perspektivlosigkeit auf dem zivilen Arbeitsmarkt angesichts der gewaltigen Massenarbeitslosigkeit.

„Frieden ist der Ernstfall“ hieß der Auftrag der Bundeswehr noch vor 10 Jahren. Doch spätestens seit den Verteidigungspolitischen Richtlinien von 1993 gehört zum »Ernstfall« „die Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt“. Die militärische Ergänzung zum politischen und ökonomischen »Weltmachtstreben«. Die Bundeswehr soll weltweit eingesetzt werden können, auch um gegebenenfalls Wirtschaftsinteressen durchzusetzen. Dazu werden die sogenannten Krisenreaktionskräfte hochgerüstet.

Der „Zweck von Waffen ist es, genutzt zu werden“, erklärt Boeing-Sprecherin Karen Vanderloo. Wozu? Um Kriege zu führen, denn das ist die Aufgabe von Armeen, dazu werden Soldaten und Soldatinnen ausgebildet. Das gilt auch für die deutsche Armee und zwar jetzt »out of area«, d.h. unter Umständen weltweit und nicht nur zur Verteidigung. Ich wehre mich aber dagegen, dass in unserem Land Menschen zum Töten ausgebildet werden und dass in unserem Namen Angriffskriege geführt werden. Angesichts unserer Geschichte, angesichts der schrecklichen Sonderrolle, die Deutschland bei den Kriegen dieses Jahrhunderts gespielt hat, kann für mich der Waffendienst für Frauen in anderen Ländern kein Beispiel sein.

Natürlich bin ich für Gleichberechtigung. Der Zugang von Frauen zur Waffe ist aber für mich in erster Linie keine »Frauenfrage«, sondern eine friedenspolitische. Statt in die Gleichberechtigungsfalle zu tappen gilt es sich gegen die weitere Militarisierung der Gesellschaft zu wehren. Weder Frauen noch Männer in die Bundeswehr!

Anne Rieger ist 2. Bevollmächtigte der IG-Metall Waiblingen, aktiv in der VVN-Bund der Antifaschisten und Mitinitiatorin einer Unterschriftensammlung »Frauen ans Gewehr – wir sagen nein!«