Krieg, Frauen und Neue Weltordnung
von Diane Bell
Die Experten mit ihrem privilegierten Wissen und technischen Diskurs haben den Nicht-Experten passiv gemacht. Wie können sich Menschen, die nicht in einem Spezialgebiet geschult sind, die keine Experten sind, in technischen Details zurechtfinden? Ich brauche die genaueren Details der Giftmüllagerung nicht zu kennen, um zu sehen, daß es Fragen gibt, die sich bereits vor den Problemen der Entsorgung stellen. Ich brauche die genaueren Details des Ölmarktes nicht zu kennen, um eine langfristige Energiepolitik als notwendig vorzuschlagen. Ich brauche kein Experte für den Mittleren Osten zu sein, um zu wissen, daß George Bush, wenn er vom „Schlächter von Bagdad“ spricht und Saddam Hussein mit Hitler gleichsetzt, sich auf ein sehr oberflächliches geschichtliches Erinnerungsvermögen US-amerikanischer und alliierter Politik verläßt (s. Conlogue 1991, Trudeau 1991).
Zum Bedauern der Experten präsentieren sich die Probleme des wirklichen Lebens selten innerhalb der sauber gezogenen Grenzen der Disziplinen. Zum Teil ist es die Neigung der Anthropologie, Grenzen zwischen den Disziplinen zu durchbrechen, die ich bei der Analyse von etwas so allumfassenden wie einer Weltordnung attraktiv finde, und ganz sicher ist es die feministische Vorgabe, das Persönliche als das Politische zu erkennen, von der meine Analyse, wie das Empfinden der Öffentlichkeit vor den Karren der Kriegsanstrengungen gespannt wird, getragen ist. Mit dem Aufruf des Präsidenten, „unsere Truppen zu unterstützen“ und gelbe Bänder als ein Symbol der mitfühlenden Sorge an unsere Häuser, Bäume, Autos und Laternenpfähle zu binden und an unsere Körper zu heften, wurden die Amerikaner aufgefordert, die Unterstützung der Menschen, die sie lieben, mit der Unterstützung des Krieges gleichzusetzen; eine zwischenmenschliche Ethik der Fürsorge und Hegens wurde mit einer kruden Form des Patriotismus zusammengefaßt, die eine unreflektierte Vaterlandsliebe und die Billigung der Autorität des Präsidenten und seiner Ambitionen verlangte. In gewissem Sinne wurde der Staat mit dem Präsidenten an der Spitze zu der Familie, in der der Vater es stets am besten weiß. Das hohe Maß an persönlicher Anerkennung, das George Bush genoß, als die Truppen nach Hause kamen, bestätigte, daß das Vertrauen richtig eingesetzt worden war: er und das Militär (und die verbündeten Armeen) hatten es geschafft, den Job zu erledigen, für den sie so gut ausgebildet waren. Wer fragte nach den Kindern, die aus Mangel an sauberem Wasser starben, und nach den fortgesetzten Kämpfen zwischen den verschiedenen Gruppierungen im Irak? Wer fragte nach der Lebensqualität in dem gerade »befreiten« Kuwait? Schwarzer Regen fiel, die Ölquellen brannten, die Menschen standen für Brennmaterial und Benzin an, Familien begannen, nach den Verschwundenen zu suchen, und das Land stand unter Kriegsrecht.
In Kriegszeiten genießt der Staat einen seltenen Augenblick, in dem die Spannungen, die durch die miteinander konkurrierenden Interessengruppen entstehen, auf Distanz gehalten werden können; in dem es als Gefährdung der Mitbürger ausgelegt wird, wenn jemand die Rechtfertigung eines Truppeneinsatzes in Frage stellt; in dem die »freie Presse« die Parteilinie abdruckt und Journalisten angreift, die weiterhin aus der Perspektive des sogenannten Feindes berichten; in dem Staat und Militär zu einem Herrenclub verschmelzen, der durch Geheimhaltung geschützt ist. Es passiert in Kriegszeiten, daß nationale Prioritäten ohne Überprüfung durch die Bevölkerung und ohne eine Debatte im Kongress neu gesetzt werden können; die Kritik an der Gewalt als einem Mittel zur Aufrechterhaltung internationaler Ordnungen wird durch das Aufkommen nationalistischen Eifers zum Schweigen gebracht. Lassen Sie mich diese Zusammenhänge am Engagement der USA im Golfkrieg illustrieren.
Feministische Stimmen und die Kluft zwischen den Geschlechtern
Vor dem 16. Januar gab es eine eindeutige Kluft zwischen den Geschlechtern in den Auffassungen darüber, wie am besten auf die Invasion in Kuwait zu reagieren sei. In einem Verhältnis von 2:1 favorisierten Frauen wirtschaftliche Sanktionen, während Männer weit eher bereit waren, militärische Lösungen gutzuheißen (The Los Angeles Times, 16. November 1990). Zu reden, so meinten die Frauen, sei kein Zeichen von Schwäche, und verhandeln bedeute nicht nachgeben. „Könnten wir über die Teilung der Macht, statt über das Ergreifen der Macht reden?“ fragten die Frauen. Als die Bombardierung erst einmal begonnen hatte, war wenig von der Kluft zwischen den Geschlechtern die Rede, aber sie existierte weiter. Man konnte sie zu Hause, im Privaten beobachten, in dem Bereich, in dem Frauen anfangen Fragen zu formulieren, die sie zunächst für persönliche Probleme halten, bevor sie entdecken, daß sie sie mit anderen Frauen teilen. Zum Teil ist es diese zeitliche Verzögerung zwischen privatem Leiden und öffentlichem Bewußtsein, die Frauen davon abhält, rasch Interessengruppen zu Fragen von politischer Bedeutung zu bilden.
Lassen Sie mich hier auf meine Feldstudien unter Kolleginnen in den USA verweisen: eine Reihe von Frauen erzählten mir, daß sie sich weigerten, die Nachrichten zu sehen; daß ihr Mann, von dem sie zu wissen glaubten, daß er gegen den Krieg war, gebannt vor der CNN Berichterstattung saß; daß sie sich mit den Männern in ihrem Leben über den Krieg stritten; daß ihn die Reportagen über Scuds, die am nächtlichen Himmel von Patriotraketen »außer Gefecht gesetzt« wurden, faszinierten, daß er süchtig nach ihnen war, sie genoß, ebenso wie die Unmittelbarkeit, die detaillierten Einsatzbesprechungen, den militärischen Humor. „Es ist obszön“, hörte ich die Frauen sagen. Die Wirklichkeit ist schmutzig. Da gibt es Blut und Schmerz und Gewalt. Menschen verrohen, Frauen werden vergewaltigt, Kinder sterben, und uns wird nichts davon gesagt, weil es nicht im Interesse des Militärs ist. Die graphische Darstellung militärischer Überlegenheit im Fernsehen, die Sportmetaphern, Diplomatie hinter verschlossenen Türen und der Krieg als ein surreales Videospiel, betrachtet durch die Nase eines B-52 Bombers – das menschliche Leben als Wert an sich – wird durch all dies ad absurdum geführt.
Dieser Abscheu vor der Art des Umgangs mit dem Krieg liegt die Erkenntnis vom gemeinsamen Ursprung der Gewalt gegen Frauen in zwischenmenschlichen Beziehungen und der Gewalt als Mittel zur Lösung internationaler Konflikte zugrunde (s. Martha Buck). Zu oft werden Männer in unserer Kultur in die Gewalt als Mittel der Konfliktlösung hineinsozialisiert, und die Berichterstattung, die ihren Erfolg feiert, bedient sich der Metaphorik des Sports und der Sexualität. Die krude Parallele zwischen sexuellem Mißbrauch von Frauen und dem Krieg wird offensichtlich in dem Einsatz von Pornographie, um die Truppen vor dem Gefecht aufzuputschen. Lassen Sie mich Ihnen hier ein Beweisstück vorlegen, von dem ich glaube, daß es den Zusammenhang zwischen Krieg, Staat, Gewalt, Sex und männlichem Anspruch klar macht. In der Buchhandlung im Pentagon konnte man einen »Desert Storm«-Kalender mit Postern von spärlich bekleideten Frauen kaufen, die in militärischer Aufmachung posierten. Der Kapitän der Luftwaffe, bei dem man den Kalender bestellen konnte, gab an, daß er einen Anteil der Gewinne aus dem Verkauf der Yellow Ribbons Foundation spendete (Boston Globe, 27/1/91). Die Ausbeutung der Frau als Sexsymbol und der Frau als Fürsorgende sind eine Verbindung eingegangen.
Der saubere Krieg: Ein militärischer Mythos
Die schrecklichen Folgen des Krieges werden in der Semantik des Militärs verdeckt. In der Berichterstattung über die militärischen Aktionen hören wir von „Begleitschäden“, „chirurgischen Schlägen“, „zielreichen“ Gebieten, „strategischen Angriffen“, „Ausfällen“, „Befehls- und Kontrollketten“, „Freundbeschuß“ und „neutralisierten Panzern“. Dann werden auf einmal verkohlte Leichen von Frauen und Kindern aus einem Bunker in Bagdad gebracht, und man ist schockiert. Gab es doch keine Zielgenauigkeit? Wie konnte eine so große Zahl von Zivilisten getötet werden? Waren die Ziele nicht militärisch? Langsam wird klar, daß es in der Nachbarschaft von militärischen Zielen Menschen gibt, daß »tote Panzer« auch tote Menschen bedeuten. Wenn wir nur zur »strategischen Sprache« Zugang haben, ist der Krieg keimfrei, und menschliches Leben wird etwas Relatives. Wir sprechen nicht von unseren Mitmenschen, sondern von Zivilisten, Soldaten, Feinden und Verbündeten. Der Einsatz von Napalm im Golfkrieg, in Vietnam noch so umstritten, wurde vertuscht (WTG, 24. Februar 1991: C15). Nach der offiziellen Verlautbarung des US-Militärs war das Napalm über den ölgefüllten Gräben abgeworfen worden, die die irakische Armee als Teil ihrer Verteidigung gegen einen möglichen Bodenkrieg errichtet hatte (ebd.).
Während des »Desert Storm« bildete die an ein Wunder grenzende geringe Zahl an Verlusten für die Militärs eine stete Quelle des Stolzes. Doch die Militärs schwiegen, wenn es um die Verluste auf irakischer Seite ging. Der Krieg war erfolgreich, weil der Tod verdeckt wurde. Es gab keine Bilder von den Leichensäcken, die in die USA zurückkamen. Der Stützpunkt in Delaware war bei diesen Gelegenheiten für die Presse geschlossen, und das Recht des Pentagon, die Presse auszuschließen, wurde vor Gericht mit der Begründung bestätigt, daß diese Handlungsweise weder unsinnig noch unangemessen sei. Man hatte die Lehre aus Vietnam gezogen. Sogar als bekannt wurde, daß auf Seiten der USA viele Soldaten dem irrtümlichen Beschuß durch die eigenen Truppen, d.h. »Freundbeschuß«, zum Opfer gefallen waren, blieb der Schrecken des Krieges etwas sehr Fernes. Wir sahen keine Bilder von »feindlichen« Opfern; es hatte niemand Interesse daran – weder der Irak noch die USA – dieses Blutbad zu zeigen.
Wir haben viel über Verletzungen der Menschenrechte gehört – selektiv allerdings und nur, wenn es Wasser auf die militärischen Mühlen war. Berichte von Verletzungen der Menschenrechte durch die Irakis in Kuwait wurden Bestandteil der »Kriegsordnung«. Die Tatsache, daß anhaltende Verletzungen der Menschenrechte aus vielen Golfstaaten berichtet werden, wurde nicht in gleichem Maße deutlich gemacht. Die Militärs drängten der Öffentlichkeit ihre Unterteilung der Menschheit in Verbündete und Feinde auf, und sie kaufte es ihnen ab. Sie wollten erhobenen Hauptes neben dem Präsidenten gehen, sie wollten das Gespenst Vietnam hinter sich lassen. Mir klingt immer noch der Satz General Schwarzkopfs in seinem triumphalen Einsatzbericht vom 27. Februar im Ohr, als er sagte, daß die Greueltaten von Kuwait Stadt von Menschen verübt worden seien, die „nicht derselben menschlichen Rasse angehören, wie wir“. Wer also waren sie? Und wer waren die Soldaten in dem Massaker von My Lai, die Erfinder der Typenradbomben und der chemischen Kriegsführung, die Waffenhändler und die, die Napalm einsetzten? Wenn die Irakis keine Menschen waren, dann bedeutet das auch, daß ihr Leben weniger wert war, als das derjenigen, die zu den verbündeten Truppen gehörten.
Krieg und nationale Prioritäten
Die Bewegung vom Kalten Krieg zur Neuen Weltordnung ließ auf eine Friedensdividende hoffen. Die Kosten dieses Krieges werden aber die Chancen jetzt entscheidend verschlechtern. Krieg geht immer zu Lasten der Sozialetats. Innerhalb der nationalen Prioritäten hat eine Verschiebung stattgefunden über die weder debattiert noch abgestimmt worden ist. Diejenigen, die die Lasten zu tragen haben, sind nicht gefragt worden. Das Nebeneinander vom Krieg draußen und den innenpolitischen Auseinandersetzungen, ist ein durchgängiges Thema in der feministischen Literatur zur »Kriegsordnung«. Die USA, der Möchtegern-Anführer der »Neuen Weltordnung«, sind ein Land mit einem Defizit von 318 Milliarden Dollar, mit 3 Millionen Obdachlosen und 37 Millionen Bürgern ohne Krankenversicherung. Auf 44$, die für das Militär ausgegeben werden, kommt 1$ für Wohnungsbau. Es ist grausame Ironie, einen Krieg auf Kredit zu finanzieren, um dann aufgrund des gestiegenen Defizits Investitionen im Erziehungswesen und der Infrastrutur zu streichen, die notwendig wären, um in der Weltwirtschaft mithalten zu können und für soziale Gerechtigkeit zuhause zu sorgen. Sie ist noch grausamer, wenn wir die Zusammensetzung des Militärs nach Klassen- und Rassenzugehörigkeit betrachten. Junge, meist arme Männer und Frauen in einer sogenannten »Freiwilligenarmee« wurden losgeschickt, um die Interessen Amerikas im Ausland zu schützen. Schulden haben den Krieg finanziert, und genau die Menschen, deren Einkommen während des letzten Jahrzehnts stetig gesunken ist, werden im kommenden Jahrzehnt für den Krieg bezahlen müssen. Man ließ die ohnehin schon Benachteiligten weiter verarmen. Die Verschiebung innerhalb der nationalen Prioritäten wirkt sich auf die Programme für diejenigen aus, die bereits in Not leben. Darüberhinaus gibt es eine Art »geistiger Auszehrung«, denn das Potential an klugen Köpfen einer Nation wird darauf konzentriert, wie ein Krieg am besten führbar ist, und nicht darauf, wie die Voraussetzungen für eine gerechte Gesellschaft geschaffen werden können.
Mir hat der Slogan immer sehr gefallen: Es wird ein großer Tag sein, wenn die Finanzierung der Erziehung gesichert ist, und das Militär Selbstgebackenes verkaufen muß, um neue Kampfflugzeuge finanzieren zu können. Die Kalkulation für den Golfkrieg lag außerhalb des Etats. Wie ist das Pentagon ohne eine Kostenkalkulation davongekommen? Könnten wir einen »Krieg« gegen die Kindersterblichkeit führen, ohne eine vorherige Kalkulation der Ausgaben? Wir wissen, daß Betreuung vor der Geburt hilft. Wir wissen, daß ein Teil der Bevölkerung der USA eine erschreckend hohe Rate an Kindersterblichkeit aufweist. Mit ihrer Kindersterblichkeitsrate stehen die USA an 25. Stelle unter den Industrienationen. Doch soziale Dienstleistungen wurden gekürzt, um einen Krieg weiterführen zu können, dessen Kosten unabsehbar waren. Können Sie sich eine massenhafte Medienberichterstattung zur Feminisierung der Armut und zur Gewalt gegen Frauen vorstellen, mit einem Riesenaufgebot an Experten aus aller Welt, monatelang, ohne Unterbrechung, auf CNN? Wäre es dann möglich, Schwangerschaftsvorsorge und Kinderbetreuung außerhalb des Etats zu finanzieren, weil ohne diese Programme Leben verloren gehen würden, weil der »American Way of Life« gefährdet wäre, und »Demokratie« einen hohlen Klang bekäme? Diese Gründe wurden als Gründe für den Krieg angeboten. Wer setzt die Prioritäten, wo es um Menschenleben geht?
Die Kriegskosten beinhalten Gehälter, Raketen, Munition, See- und Luftbrücken, Treibstoff, militärische Bauten, Medikamente, Lebensmittel, Wasser und andere Versorgungssysteme. Aber für gewöhnlich werden die Unterstützungen für die Veteranen und die Zinsen, die für das für diese Verpflichtungen geliehene Geld anfallen, genauso wenig berechnet, wie die Zeit, die nötig ist, um diese Schulden abzuarbeiten. Die Hinterlassenschaft der Kriege häuft sich mit den Jahren an, vom 1. Weltkrieg, 2. Weltkrieg, Korea, Vietnam (von den nicht offen erklärten Kriegen ganz zu schweigen). So zahlten die USA beispielsweise noch Mitte der 70er Jahre mehr als eine Million Dollar pro Jahr an Kriegsrenten, die auf den Bürgerkrieg zurückgingen. Versuchen Sie einmal sich die Kriegsschulden dieses Jahrhunderts vorzustellen.
Eine Kalkulation der Kriegsoperationen am Golf setzt den Preis in der Phase der Vorbereitung bis zum 16. Januar auf 11,4 Milliarden Dollar an. Ab dem Einsetzen des Luftkrieges auf 500 Millionen pro Tag und 2 Milliarden pro Tag für die Phase des Bodenkriegs. Ralph Estes veranschlagt die Kosten des Krieges auf etwa 450 Milliarden Dollar. Betätigen wir einmal unsere ökonomische Phantasie und berechnen aufgrund früherer Kriege und Faktoren wie den anfallenden Unterstützungen für Veteranen und Schuldzinsen die Kosten, so steigen die Ausgaben auf mehrere Milliarden (650 Milliarden Dollar); addiert man dazu den Verlust an Menschenleben, das verwüstete Land, die Kosten des Wiederaufbaus, so fällt es schwer, den Krieg effizient zu nennen und ihm eine Vorbildfunktion zuzusprechen. Der Krieg ist eine Hypothek auf die Zukunft und auf die unserer Kinder.
Frauen als Staatsbürgerinnen
Für Frauen bedeutet Krieg, daß sie als Staatsbürgerinnen für die Nation nicht denselben Wert haben, wie eine bestimmte Außenpolitik. Der Krieg verlangt, daß Frauen als Staatsbürgerinnen ignorieren, daß ihr bereits begrenzter Zugang zu den Bereichen Wohnung, Erziehung, Gesundheitsvorsorge, Nahrung und Kleidung noch weiter eingeschränkt wird; daß sie bei einer zerstörerischen Außenpolitik mitmachen, um eine nicht vorhandene Energiepolitik zu unterstützen, weil wir doch ein Recht auf billiges Öl haben; daß sie eine Regierung stützen, die ihre Rechte ausgehöhlt hat, in deren Verfassung sie nicht erwähnt werden und auf deren Straßen sie sich nicht ohne Angst vor Belästigung, Überfällen, Mord bewegen können; daß sie akzeptieren, nur 64 Cents zu verdienen für jeden Dollar, den ein Mann bekommt.
Im Golfkrieg dienten Frauen ihrem Land beim Militär (s. Pam Hughes und Nancy Buermeyer). Durch die Bestimmung, die Frauen von einem Kampfeinsatz ausschloß und die zu einer geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung führte, war ihnen jedoch der Zugang zu 50% aller Stellen in der Armee versperrt. Die Ironie dabei ist, daß es für die Zahl der rekrutierten Frauen eine Obergrenze gibt, die die Konkurrenz noch verschärft. Als Folge davon müssen Frauen, um angenommen zu werden, besser sein als die entsprechenden männlichen Bewerber. Hatten sie dann den Job, waren sie in der Marine und der Luftwaffe durch ein Gesetz, in der Armee durch eine Vorschrift, von allen Aufgaben ausgeschlossen, die als »Kampfeinsatz« gekennzeichnet waren. Was damit gemeint ist, ist Auslegungssache und führt zu Widersprüchlichkeiten und Heuchelei. So können Frauen zum Beispiel Flugausbilderinnen sein, doch sie dürfen keine Kampfflüge durchführen. Wenn sie es doch täten, so wäre das der Definition nach kein Kampfeinsatz. In der Luftwaffe dürfen Frauen noch nicht einmal lernen, Kampfflugzeuge zu fliegen, aber sie fliegen die Flugzeuge, die sie wiederauftanken. Frauen war zwar nicht erlaubt, auf Schlachtschiffen zu arbeiten, dafür aber auf den Schiffen, die sie wiederauftanken. Hier handelt es sich um langsame Schiffe, die sich ohne Deckung nähern und zurückziehen. Im Kriegsgebiet übernehmen Frauen Rollen in der Versorgung und Unterstützung, in Schlüsselzielen also. Die Vorschriften, die Frauen vom Kampfeinsatz ausschließen, bilden eindeutig keinen Schutz für Frauen; vielmehr, wie die Kongressabgeordnete Pat Schroeder sagte, „schützen sie die Frauen vor Beförderung“. Die Frage nach dem Kampfeinsatz von Frauen war entscheidend für die Niederlage des Gleichberechtigungsparagraphen in den USA, doch wenn Frauen sich in einem Krieg behaupten, gibt es keine Anerkennung. Für sie gelten andere Maßstäbe: sie sind unsichtbar.
Wenn es um Frauen ging, konzentrierten sich die Medien auf die »Mütter im Krieg«, die Babies und Familien, die zurückgelassen wurden, die Frau, die in den Wehen lag, als die Einberufung sie erreichte, die Probleme von Kindern, deren Eltern im Krieg waren, und, wie immer, von der Versorgung der Kinder als Frauensache; der Tenor war, die Opfer sind schuld. Während »Desert Storm« waren 17.500 Familien ohne erziehenden Elternteil bzw. ohne beide Elternteile (1.200 Familien mit Doppelverdienern).
Auch als Veteraninnen waren Frauen eine andere Kategorie von Staatsbürgern. Als sich der Kongress mit den Unterstützungsgeldern befaßte, die für die Veteranen anfallen würden (NYT, 19/2/91), kündigte das Verteidigungsministerium sofort seinen Widerstand dagegen an, alleinerziehende Eltern und Ehepaare mit kleinen Kindern vom Dienst zu befreien, ging aber in keiner Weise auf ihre Ansprüche und Bedürfnisse ein (NYT, 20/2/91).
Was würde passieren, wenn wir als Faktoren für die gesellschaftlichen Kosten auch die Generation von Kindern aufnehmen würden, die von ihren Müttern getrennt wurden, weil sie eine Last waren, die Frauen, die mit ihren Schuldgefühlen fertig werden müssen und die Kinder, die um die Bindung zu ihren Eltern gebracht wurden etc.? Warum sollen Entscheidungen zum Besten der Nation, und nicht zum Besten einzelner Mütter und Kinder getroffen werden, aus denen sich die Gemeinschaft der Staatsbürger zusammensetzt?
Feministinnen haben festgestellt, daß die Frauen die Armen dieser Erde sind: sie haben keinen Staat, keine Position bei der UN, keine internationale moralische Krise, über die in den Medien so ausführlich berichtet würde wie über den Krieg. Dennoch sind die Auswirkungen des Golfkrieges auf das Leben der Frauen dramatisch. Die Neue Weltordnung, die Bush so gerne verkündet, ist in Warhheit eine Kriegsordnung, und ihre Auswirkungen auf die Frauen als Mitglieder der Weltgemeinschaft sind verheerend. 80% aller Flüchtlinge auf der Welt sind Frauen und Kinder, und als Flüchtlingen ergeht es Frauen schlechter als Männern; weltweit leisten Frauen den größten Teil der lebenserhaltenden Arbeit, aber sie haben wenig Besitz, und für solche Menschen am Rande vervielfachen sich die Folgen des Krieges; 78% aller Menschen, die in Armut leben, sind Frauen und Kinder unter 18 Jahren; Armut wird rapide feminisiert (siehe Seager und Olson). Die Kluft zwischen den Geschlechtern bei der Einschätzung der Nützlichkeit des Krieges als ein Mittel der Konfliktlösung spiegelt diese Wirklichkeit wider. Die Verteilung von Nutzen und Lasten, bei der die Frauen weniger an Ressourcen besitzen, während sie ein Mehr an Verpflichtungen auf sich nehmen, wird durch den Krieg noch verschärft. Sie werden aufgefordert, aufopfernde Patriotinnen zu sein, sie dienen ihrem Land in der Armee, als Mütter, als Ehefrauen, Freundinnen durch ihre Gefühlsarbeit (s. Enloe). All diese Rollen verlangen, daß die Frauen Normen akzeptieren, die sie nicht selber gesetzt haben, die gewiß nicht in ihrem langfristigen Interesse sind und die oft ihren unmittelbaren Bedürfnissen zuwiderlaufen. Frauen tragen die Lasten des Krieges und gewinnen aus ihm wenig Nutzen. Der militärische Sieg in einem Krieg bedeutet nahezu mit Sicherheit für viele Frauen größere Armut im Frieden.
Die Folgen der Anwendung von Gewalt zur Lösung von Problemen sind den meisten Frauen vertraut. Aggression erzeugt strukturelle Gewalt in der Gesellschaft und Frauen leiden darunter. Wir hören es schon in der Sprache des Siegers: „denen haben wir es gegeben“, wir haben ihre Truppen „in die Flucht geschlagen“, wir werden „Saddam to Allah“-Autoaufkleber verschicken. Feministinnen mißtrauen der überwältigend männlichen Art und Weise, in der Soldaten ausgebildet werden, und das Töten, das der Krieg mit sich bringt, stößt sie ab. Aber wenn sie nach Lösungen in Form von Reformen suchen, denken sie über Möglichkeiten nach, das Militär weiblicher zu gestalten oder sich für seine Abschaffung einzusetzen (Hanley,1991: 1-3). Ihr wolltet Gleichheit, sagen die Zyniker; jetzt, wo ihr kämpfen dürft, beschwert ihr euch über den Krieg.
Die Kluft zwischen den Geschlechtern schließen
Eine Kluft zwischen den Geschlechtern festzustellen, wenn es um den Krieg geht, bedeutet nicht, eine Grundsatzdebatte zu führen. Das Bewußtsein der Frauen wird von ihren materiellen Existenzbedingungen geformt, und die sind trostlos in der »Kriegsordnung«. Die Frauen wissen, daß man sie belügt; daß wir an den Konsequenzen daraus lange zu tragen haben; daß die Frauen die Last tragen werden. Frauen wissen, daß Krieg unvorstellbaren Schmerz, Verlust und bleibendes Trauma bedeutet; sie wissen, daß keine Beteuerungen von Anführern und Experten aus ihm eine saubere Sache machen können. Sie wissen, daß sie ungeschützt sind gegen Mißhandlung (in den USA wird alle sechs Minuten eine Frau vergewaltigt); daß das Zuhause, angeblich der Hort der Liebe und der Sicherheit, der Ort ist, an dem Frauen mißhandelt und ermordet werden. Allerdings erscheint die Gewalt, indem sie als »häusliche Gewalt« bezeichnet wird, irgendwie gemildert: durch die Bezeichnung »Gewalt in der Ehe« wird die Tatsache, daß Männer Frauen mißhandeln, verdeckt. Frauen erfahren Gewalt nicht von weitem: sie kennen ihre Verletzlichkeit in einer sehr direkten und persönlichen Art, aber sie wissen auch, daß sie auf der öffentlichen Ebene geleugnet wird, wo Gesetze, die Frauen schützen, als Beweis für eine mitmenschliche Gesellschaft angeführt werden können.
Die private Wut der Frauen über den Krieg und seine Berichterstattung erwächst aus unserer Lebenswirklichkeit. Frauen blicken auf eine andere Realität. Es ist nicht die Welt der »chirurgischen Schläge«. Krieg schützt die Frauen nicht. Diese Lüge wird in der bürgerlichen Gesellschaft ständig widerholt. Frauen werden in Friedenszeiten vergewaltigt und auch in Zeiten des Krieges. Krieg richtet Schaden in den Körpern und in der Umwelt an. Sich vorzustellen, wie wir den Unterschied zwischen den Geschlechtern in eine politische Kraft umwandeln können, ist schwierig, solange Frauen in der Weltordnung am Rande stehen; solange ihre Verletzlichkeit als Fürsorgende manipuliert wird; solange eine Verschiebung in den nationalen Prioritäten durch eine nationalistische Rhetorik verdeckt wird. Das Persönliche in das Politische hineinzunehmen und die Kluft zwischen den Geschlechtern zu schließen, hat nichts damit zu tun, daß Frauen mehr wie Männer werden müßten, sondern es bedeutet, eine neue Weltordnung zu schaffen, in der das Leben und unser Planet geachtet werden und in der Krieg nicht gerechtfertigt und mystifiziert wird als etwas, das »uns schützt«. Wir müssen verlangen, daß über die Friedensbewegung berichtet wird (s. Lembcke 1991); daß Patriotismus kritisiert wird (s. Conlogue 1991); daß Krieg nicht aufgrund eines Volksentscheids geführt wird; daß das Pentagon die öffentliche Meinung nicht in seinem Interesse manipuliert; daß eine langfristige Energiepolitik entwickelt wird. Dies war kein »gerechter Krieg« (wenn es so etwas überhaupt geben kann). Uns wird es hinterher schlechter gehen als vorher. Unter welchen Bedingungen würden Frauen sich weigern, Kinder großzuziehen, um diese hinterher in den Krieg zu schicken? Wären sie bereit, geliebte Menschen zu opfern oder sich in der Einrichtung ihres Lebens einer Politik anzupassen, die sie entmachtet und sie verarmen läßt.
Wir wissen, daß sich die Fragen von Frauen oft als entscheidend erwiesen haben, als die Folgen »technischer Brillianz« zum Vorschein kamen. Als Frauen müssen wir beharrlich Fragen zum Krieg stellen und uns von Kriegsexperten nicht abspeisen oder einschüchtern lassen. Doch wurde etwa in den Leserbriefspalten der Zeitungen deutlich, daß Frauen sich den Kopf zermarterten, wie sie über Krieg, Frieden, Menschenwürde und Menschenleben reden könnten, ohne kompromittiert, zum Schweigen gebracht, niedergemacht zu werden und ohne illoyal gegenüber denen zu sein, die sie lieben. Eine der wichtigsten Strategien von Feministinnen, wenn es um Fragen politischer Bedeutung geht, ist, Frauen das Privileg der Wissenden zuzusprechen und zu zeigen, daß ihre Beobachtungen, Wahrnehmungen und Überlegungen in ihrer Erfahrung der Machtlosigkeit, der Verletzlichkeit und der Abhängigkeit gründen, aus denen oft eine Klarheit des Blicks entsteht, die diejenigen, die über die Macht und die Ressourcen verfügen und die Entscheidungen fällen, nicht haben. Zu oft wird das Wissen der Frauen mit der Begründung abgetan, es sei intuitiv und persönlich, es mangele ihm an Präzision und es sei gewiß nichts für die Wissenschaft. Ich denke im Fall von Krieg und Frieden können wir sehen, daß Frauen sehr wohl einige Dinge »wissen«, aber da ihr Wissen den Strukturen der »Kriegsordnung« von Natur aus feindlich gegenübersteht, werden ihre Stimmen zum Schweigen gebracht und sie scheuen davor zurück, ihre Analysen als etwas zu präsentieren, das politische Aufmerksamkeit verdient.
Wenn es um Strategien geht, wie kann das Gespräch als wichtiger erkannt werden als die Gewalt? In dieser Hinsicht finde ich die Arbeiten der Ökofeministinnen sehr vielversprechend. Zum Abschluß möchte ich Ihnen gerne einen Ausschnitt aus Asoka Bandarages Artikel „Auf der Suche nach einer neuen Weltordnung“ vorlegen, der in einer der letzten Ausgaben des Women's Studies International Forum (1991, S.348-349) erschienen ist:
„In den Kämpfen für Umweltschutz und Menschenrechte spielen immer mehr Frauen, oft aus unterdrückten Gruppen, eine führende Rolle. So sehen wir Frauen an der Spitze von Initiativen zum Schutz der Wälder, wie etwa derjenigen der Chipko Bewegung in Indien (Shiva 1989). Sie setzen alte Rituale für neue Zwecke ein und übernehmen den alten Brauch, Bäume zu umarmen, um sie so vor Holzhändlern, Maklern und Regierungsbeauftragten für Entwicklungshilfeprojekte zu schützen. Auch in den Vereinigten Staaten haben Frauen, oft einfache Hausfrauen und Arbeiter, wie Karen Silkwood, die Führung übernommen im Kampf gegen die Atomindustrie und Giftmülldeponien an Orten wie Three Mile Island und Love Canal. … Andere Frauen übernehmen die Führung in Bewegungen zum Schutz von Menschenleben vor politischer Gewalt. … Gruppen von Müttern in El Salvador, Chile, im Mittleren Osten, Nordirland … fordern die Rückkehr ihrer verlorenen Kinder. In Argentinien nehmen die Mütter Windeln, um Barrikaden gegen die Polizei zu errichten, so, wie die Frauen in Greenham Common Netze um die Raketenbasis gewoben haben. … Die Schaffung einer neuen Weltordnung ist undenkbar, ohne die weltweiten Ressourcen über die Schranken zwischen den Klassen, Nationen, ethnischen Gruppen und Geschlechtern hinweg zu teilen.“
Auswahlbibliographie
Amnesty International USA 1990. Prepared Statement of Amnesty International USA on Human Rights Violations by Iraqi Security Forces in Kuwait, Before the Congressional Human Rights Caucus, 10. Oktober 1990.
Conlogue, Ray. 1991. Cyuicism that flies in the face of patriotism. in: Globe and Mail, 5. März.
Enloe, Cynthia. 1989. Bananas, beaches and bases: Making Feminist Sense of International Politics. Unwin Hymen. Boston.
Faux, Jeff. 1991. Fight Now: Pay Later. in: New York Times. 19. Febr. 1991.
Galbraith, John Kenneth. 1990. (Class)War in the Gulf. in: New York Times, 7. Nov.
Gioseffi, Daniela (Hrsg). 1988. Women on War: Essential Voices for the Nuclear Age from a Brilliant Assembly. A Touchstone Book. Simon and Schuster, New York.
Gordon, Suzanne und Buresh, Bernice. 1991. Women's Stake in War. in: Boston Globe, Jan.
Greer, Germaine. 1990. Our Allies, the Slave Holders. in: New York Times, 14. Nov.
Hanley, Lynne. 1991. To Kill and to be Killed. in: Women's Review of Books, Vol.8, No.6, 1-3.
Lembcke, Jerry. 1991. Soldiers will feel solidarity with pacifists. in: The Hartford Courant.
Lorch, Donatelle. 1991. 7 Miles of Carnage Mark Road Iraqis Use to Flee. in: New York Times, 3. März.
Mahony, Rhonda. 1991. Voices of Dissent: taking on the Pentagon. in: Ms., Vol. 1, No.5, 86-7.
NOW. 1990 Resolution on equality for women in the Persian Gulf, 16. Sept.
NOW.1990. Resolution on Women in Combat, 16. Sept.
NOW. 1990. Resolution on Troop Build-up in the Persian Gulf. 18. Nov.
NOW. 1990. News Release, 27. Nov, NOW calls for withdrawal of troops from Saudi Arabia. Condems Gender Apartheid.
NOW, n.d. Women in the Military.
Seager, Joni und Olson, Ann. 1986. Women in the World. Touchstone Books, Simon and Schuster, New York.
Diane Bell ist Anthropologin, Feministin, Lehrstuhl für Religion, Wirtschaftliche Entwicklung und Soziale Gerechtigkeit am College of the Holy Cross, Worcester, MA 01610, USA