US-Stützpunkte in Deutschland im Irak-Krieg

US-Stützpunkte in Deutschland im Irak-Krieg

Zur geltenden Rechtslage

von Dieter Deiseroth

Auch nach der am 8.11.2002 erfolgten Verabschiedung der Irak-Resolution 1141/20021 durch den UN-Sicherheitsrat kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die US-Administration unter Präsident Bush, ggf. im Verbund mit dem britischen Premierminister Tony Blair, in den nächsten Wochen und Monaten zu einem nationalen militärischen Vorgehen gegen den Irak entschließt. Ein solches – letztlich auf die Herbeiführung eines Regimewechsel im Irak zielendes – unilaterales Agieren außerhalb des durch die UN-Charta begründeten kollektiven Sicherheitssystems der Vereinten Nationen hat sie bereits mehrfach für den Fall angekündigt, dass der UN-Sicherheitsrat nach ihren Maßstäben unzureichende Maßnahmen gegen das Regime von Saddam-Hussein ergreift. Die Bundesregierung lehnt einem solchen Angriffskrieg ab, aber was passiert,wenn die deutschen Stützpunkte der US-Armee in den Krieg einbezogen werden? Kann die Bundesregierung dies verwehren oder ist sie sogar auf Grund der Gesetzeslage genau dazu gezwungen?
Geht es nach US-Vizepräsident Richard Cheney, so nutzen Inspektionen wenig, sie können sogar schaden; für ihn ist ein Regierungswechsel im Irak sinnvoller. Eine Position, die von US-Präsident George W. Bush offensichtlich unterstützt wird, jedenfalls ließ er einen seiner Sprecher erklären, Cheney vertrete die Position der Regierung.2 In Deutschland ist diese US-Politik nicht nur aus dem Bereich der Zivilgesellschaft, sondern auch von Bundeskanzler Schröder3, sowie von Politikern aus anderen politischen Parteien4 mehrfach – mehr oder weniger eindeutig – öffentlich kritisiert worden.

Ein US-Krieg gegen den Irak zum Sturz des Saddam-Hussein-Regimes wäre nicht nur politisch, militärisch und ökonomisch höchst folgenreich. Er würde auch zahlreiche bedeutsame Rechtsfragen aufwerfen, die bisher erst rudimentär in der deutschen Öffentlichkeit diskutiert worden sind.5 Dabei ist davon auszugehen, dass Deutschland mit seinem Hoheitsgebiet in zumindest vierfacher Weise in einen US-Krieg gegen den Irak verwickelt werden kann:

  • Die deutsche Regierung könnte um Überflugrechte im deutschen Luftraum ersucht werden.
  • US-Militärflugzeuge könnten auf US-Militärflughäfen in Deutschland (z.B. US-Air-Base Rhein-Main) zwischenlanden und von hier aus in ihre Einsatzgebiete weiterfliegen.
  • Die US-Regierung könnte versuchen, US-Kriegsmaterial, das in Deutschland befindlichen US-Stützpunkten eingelagert ist, sowie hier stationierte Truppen auf dem Luft- oder Seeweg in das Kriegsgebiet zu verbringen.
  • In Deutschland gelegene US-Kommandoeinrichtungen (z.B. US-EUCOM in Stuttgart-Vaihingen) sowie Kommunikations- und Infrastruktursysteme könnten in die Planung und Durchführung militärischer Operationen gegen den Irak einbezogen werden.

Kein UN-Mandat für Irak-Krieg

Für einen Krieg gegen den Irak könnte sich die US-Regierung bisher auf keine sie ermächtigende Resolution des UN-Sicherheitsrates stützen.

  • Die UN-Resolution 678 vom 29. November 1990, mit der die Verbündeten Kuweits seinerzeit autorisiert wurden, „alle erforderlichen Mittel“ einzusetzen, um Kuweit von den damals eingefallenen irakischen Truppen zu befreien, kommt als Ermächtigungsgrundlage heute nicht mehr in Betracht. Der Zweck jener Ermächtigung, die Vertreibung der irakischen Aggressoren aus Kuweit, wurde bereits im Jahre 1991 erreicht. Weder die USA noch ihre Verbündeten waren damals autorisiert worden, Saddam Hussein und sein Regime mit militärischen Mitteln zu stürzen und einen Systemwechsel herbeizuführen. Deshalb verhielt sich der damalige US-Präsident George Bush sen. völkerrechtsmäßig, als er entgegen den Forderungen zahlreicher einflussreicher Stellen seinen Truppen einen »Marsch auf Bagdad« untersagte.
  • Die anschließenden UN-Resolutionen6 über den Abschluss eines Waffenstillstandes7 sowie die Einsetzung und Entsendung eines UN-Inspektionsteams (UNSCOM und seit 1999 UNMOVIC8) zum Aufspüren und Vernichten möglicher atomarer, biologischer und chemischer Waffensysteme ermächtigten ebenfalls gerade nicht zur Anwendung militärischer Gewalt gegen den Irak. Sie sahen weder vor, dass die Kooperation mit dem UN-Inspektionsteam durch militärische Mittel erzwungen werden, noch dass gar das Regime von Saddam Hussein durch Krieg gestürzt werden sollte.
  • Auch alle in der Folgezeit vom UN-Sicherheitsrat gefassten einschlägigen Resolutionen enthalten bisher keine Autorisierung eines kriegerischen Vorgehens der US-Regierung und ihrer Verbündeten gegen den Irak. Dies gilt auch für die nach wochenlangen Verhandlungen am 8.11.2002 vom UN-Sicherheitsrat einstimmig verabschiedete Resolution 1441 (2002). Diese legt zwar ein präzises inhaltliches und zeitliches Regime für die an den Irak gerichteten Forderungen sowie die Grundsätze für die Arbeit des UNMOVIC- und IAEA-Inspektorenteams fest, das spätestens 45 Tage nach Verabschiedung der UN-Resolution, mithin spätenstens am 23.12.2002 mit seiner Tätigkeit im Irak beginnen und diese weitere 60 Tage später, also bis zum 21. Februar 2003 mit einem Bericht an den UN-Sicherheitsrat abschließen muss.9 Für den Fall, dass die irakischen Stellen mit dem Inspektionsteam nicht in vollem Maße zur Implementation der Resolution kooperieren oder dieses in irgendeiner Weise behindern sollten, werden der Leiter von UNMOVIC, Hans Blix, und der Generaldirektor der IAEA, Mohamed ElBaradei, angewiesen, hierüber dem Sicherheitsrat unverzüglich zu berichten, damit dieser die entstandene Situation beraten kann, um „international peace and security“ zu sichern.10 Welche Entscheidungen der UN-Sicherheitsrat in einer solchen Situation fassen würde, wird naturgemäß offengelassen. Der Sicherheitsrat hat in seiner Resolution jedoch in Erinnerung gerufen, dass er in der Vergangenheit den Irak wiederholt gewarnt habe, dass er mit „serious consequences as a result of its continued violations of its obligations“ rechnen müsse.11 Worin diese »serious consequences« bestehen würden, hat er bislang nicht näher konkretisiert. Es kann vor dem Hintergrund der bisher bekannt gewordenen Äußerungen der Bush-Administration nicht ausgeschlossen werden, dass sich die US-Regierung in den nächsten Monaten dennoch entschließen könnte, die in der Resolution angedrohten »serious consequences« eigenständig unilateral zu definieren und zu exekutieren. Dies wäre freilich weder mit dem Wortlaut noch mit dem erkennbaren Sinngehalt der Resolution 1441 (2002), wie er gerade auch aus den Beratungen des Gremiums abgeleitet werden kann und muss, vereinbar. Schließlich hat der UN-Sicherheitsrat in der Resolution in Ziff. 14 selbst unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er mit der Angelegenheit befasst bleiben werde. Er hat damit klargestellt, dass er nicht bereit ist, die Angelegenheit aus der Hand zu geben, sondern – wie in der UN-Charta vorgesehen – auch künftig selbst darüber entscheiden will, welche Konsequenzen aus einem Fehlverhalten des Irak im Zusammenhang mit der Durchsetzung der Resolutionen gezogen werden sollen.

Kein Recht zum Präventivkrieg

Für Militärschläge gegen den Irak mit dem Ziel, das Regime von Saddam Hussein zu stürzen und den Irak zum amerikanischen Einflussgebiet zu machen, könnte sich die US-Regierung nicht auf Artikel 51 der UN-Charta berufen. Art. 51 UN-Charta gewährt lediglich „im Falle eines bewaffeneten Angriffs“ das naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung, bis der Sicherheitsrat die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat. Auch wenn hinsichtlich der Reichweite und der Grenzen dieses Selbstverteidigungsrechtes eine Vielzahl von Zweifelsfragen besteht, greift es jedenfalls nur „im Falle“ eines „bewaffneten Angriffs“ („armed attack“) ein. Die Anwendung von Waffengewalt muss durch den Angreifer bereits erfolgt sein, ehe militärische Verteidigungsschläge zulässig sind.

Allerdings besteht bislang keine hinreichende Klarheit darüber, von welchem Zeitpunkt ab Selbstverteidigungsmaßnahmen gegen einen »bewaffneten Angriff« ergriffen werden dürfen. Von den Regierungen einzelner Staaten, vor allem von Israel und den USA, ist wiederholt unter Berufung auf Art. 51 UN-Charta oder das Völkergewohnheitsrecht eine so genannte »präventive Selbstverteidigung« in Anspruch genommen worden. Dabei wurde und wird argumentiert, angesichts des erreichten Entwicklungsstandes und der Zerstörungskraft moderner Waffen sowie der kurzen Vorwarnzeiten sei es nicht angezeigt zu erwarten, dass Staaten zunächst ihre drohende Verwüstung bereits durch den ersten Waffeneinsatz des Gegners »abwarten« müssten, bevor sie selbst militärisch tätig würden.12Die überwiegende Auffassung in der Staatenpraxis und im völkerrechtlichen Fachschrifttum hält jedoch dennoch einen Präventivangriff bzw. eine präventive Selbstverteidigung grudsätzlich für völkerrechtlich unzulässig.13 Als etwa Israel im Jahre 1967 unter Berufung auf Art.51 UN-Charta den so genannten 6-Tage-Krieg mit einem Präventivangriff auf Ägypten begann, verzichteten die meisten Staaten damals zwar in der UN-Generalversammlung auf eine ausdrückliche Missbilligung des israelischen Präventivkrieges. Anders war es jedoch, als Israel am 7.6.1981 ein präventives Selbstverteidigungsrecht zur Begründung seiner Bombardierung des damals im Bau befindlichen irakischen Nuklearreaktors Tamuz I beanspruchte. Der UN-Sicherheitsrat verurteilte den israelischen Angriff einstimmig. Neben zahlreichen afrikanischen und asiatischen lehnten auch viele europäische Staaten ein Recht auf militärische Präventivmaßnahmen ausdrücklich ab.14 Ungeachtet dessen haben verschiedene US-Regierungen freilich in der Folgezeit immer wieder ein solches Recht für sich und andere beansprucht. Dieser offenkundige Dissenz über die völkerrechtliche Zulässigkeit eines Präventivschlages (oder gar eines »preemptive strikes«) ist rechtlich durchaus folgenreich. Denn es lässt sich jedenfalls von einer Herausbildung einer übereinstimmenden völkerrechtlichen Staatenpraxis und einer gemeinsamen Rechtsüberzeugung über das Bestehen eines »präventiven Selbstverteidigungsrechtes« und damit von entsprechendem Völkergewohnheitsrecht schlechterdings nicht sprechen. Es kommt mithin allein auf die Auslegung von Art. 51 UN-Charta an.

Selbst diejenigen Völkerrechtler, die im Wege einer ausdehnenden Interpretation ein Recht auf »präventive Selbstverteidigung« aus Art. 51 UN-Charta ableiten, begrenzen dies freilich auf den Fall, dass eine „eindeutige und gegenwärtige gravierende Gefahr“ bestehen muss und dass in dieser Zwangslage keine anderen Mittel zur Abwehr der akuten Gefahr zur Verfügung stehen. Davon kann indes gegenwärtig im Konflikt zwischen der US-Regierung und dem Saddam-Hussein-Regime keine Rede sein. Denn auch die US-Regierung kann nicht dartun, dass die irakische Regierung gleichsam unmittelbar zu einem Angriff auf die USA oder einen Verbündeten ansetzt und dass andere Mittel als ein Präventivkrieg zur Abwehr einer solchen gegenwärtigen akuten Gefahr ausscheiden.

Unabhängig davon sprechen ohnehin gewichtige Argumente gegen eine solche ausdehnende Interpretation des Art. 51 UN-Charta. Sowohl der Wortlaut („if an armed attack occurs“) als auch die Systematik und der Zweck der einschlägigen Regelungen in der UN-Charta stehen einem Recht zum Präventivkrieg (»präventive Verteidigung«) entgegen. Dabei ist davon auszugehen, dass gemäß der ausdrücklichen Regelung des Art. 2 Ziff. 4 UN-Charta »jede« Anwendung von Gewalt in den internationalen Beziehungen verboten ist. Die UN-Charta sieht nur eng begrenzte Ausnahmen von diesem strikten Gewaltverbot vor, und zwar den Einsatz militärischer Mittel primär durch den UN-Sicherheitsrat selbst oder in seinem Auftrag nach Art. 42, 43 und 53 UN-Charta. Einzelstaatliche Gewaltanwendung lässt die Charta nur ausnahmsweise zu, nämlich gemäß Art. 51 UN-Charta lediglich zur Notwehr und Nothilfe, wenn und so lange der UN-Sicherheitsrat nicht die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat. Der Zweck der Regelung besteht ersichtlich darin, die einseitige einzelstaatliche Gewaltanwendung in den internationalen Beziehungen tunlichst zu beschränken. Würde man dessen ungeachtet ein Recht auf »präventive Selbstverteidigung« anerkennen, würde es damit letztlich dem einzelnen Staat überlassen, nach seinem Gutdünken über einen »drohenden Angriff« zu entscheiden. Die in Art. 51 UN-Charta vorgenommene Beschränkung des einzelstaatlichen Selbstverteidigungsrechtes auf den „Fall eines bewaffneten Angriffs“ wäre dann aus den Angeln gehoben. Aus dieser Regelungsstruktur und Systematik der UN-Charta wird deutlich, dass Art. 51 UN-Charta eine Ausnahme vom allgemeinen Gewaltanwendungsverbot des Art. 2 Ziff. 4 UN-Charta darstellt. Ausnahmevorschriften – und damit auch Art. 51 UN-Charta – sind einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich.

Ein Staat, der sich über diese Beschränkungen der einzelstaatlichen Gewaltanwendung in der UN-Charta hinwegsetzt und – unter von ihm definierten Voraussetzungen und Bedingungen – ein Recht zum Präventivkrieg in Anspruch nimmt, handelt damit völkerrechtswidrig. Er begeht eine Aggression.

NATO-Vertrag verbietet Aggression

Ein NATO-Staat, der eine Aggression plant und ausführt, verstößt nicht nur gegen die UN-Charta, sondern zugleich auch gegen Art. 1 NATO-Vertrag. Darin haben sich alle NATO-Staaten verpflichtet, „in Übereinstimmung mit der Satzung der Vereinten Nationen jeden internationalen Streitfall, an dem sie beteiligt sind, auf friedlichem Wege so zu regeln, dass der internationale Friede, die Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht gefährdet werden und sich in ihren internationalen Beziehungen jeder Gewaltandrohung oder Gewaltanwendung zu enthalten, die mit den Zielen der Vereinten Nationen nicht vereinbar sind.“ Art. 1 NATO-Vertrag war bei seinem Abschluss Ausdruck des Willens aller Vertragsstaaten, zwar einerseits die Möglichkeiten der UN-Charta zur Schaffung einer wirkungsvollen Verteidigungsorganisation (auf der Grundlage von Art. 51 UN-Charta) auszuschöpfen, andererseits jedoch strikt die Grenzen einzuhalten, die durch die UN-Charta gezogen sind. Das heisst zugleich, dass ein durch Art. 51 UN-Charta nicht gerechtfertigter »Präventivkrieg« auch niemals einen »NATO-Bündnisfall« nach Art. 5 des NATO-Vertrages darstellen oder rechtfertigen kann: Was gegen die UN-Charta verstößt, kann und darf die NATO nicht beschließen und durchführen, auch nicht auf Wunsch oder auf Druck einer verbündeten Regierung. Ein Angriffskrieg wird nicht durch die Ausrufung des NATO-Bündnisfalles zum Verteidigungskrieg.

Unterstützung eines Aggressors ist völkerrechtswidrig

Völkerrechtswidrig handelt freilich nicht nur der Aggressor, sondern auch derjenige Staat, der einem Aggressor hilft, etwa indem er auf seinem Hoheitsgebiet dessen kriegsrelevante Aktionen duldet oder gar unterstützt. Als Aggressionshandlung und damit als Verstoß gegen das völkerrechtliche Gewaltverbot ist unter anderem die „Handlung eines Staates [zu qualifizieren], die in seiner Duldung besteht, dass sein Hoheitsgebiet, das er einem anderen Staat zur Verfügung gestellt hat, von diesem anderen Staat dazu benutzt wird, eine Angriffshandlung gegen einen dritten Staat zu begehen“. Dies wird in Art. 3f der von der UN-Generalversammlung am 14.12.197315 beschlossenen Resolution ausdrücklich festgelegt. Wenn auch Resolutionen der UN-Generalversammlung grundsätzlich keine rechtliche Bindungswirkung erzeugen, kann jedoch nicht verkannt werden, dass der Verabschiedung dieser »Aggressionsdefinition« langjährige Vorarbeiten im Rahmen der UNO vorausgegangen waren, die schließlich im Jahre 1974 zu einem allgemeinen Konsens der Staatenwelt führten. Die in der Aggressionsdefinition der UN-Generalversammlung aufgeführten Regelbeispiele für das Vorliegen einer völkerrechtswidrigen Aggressionshandlung sind zwar nicht abschließend. Soweit sie in der nahezu einstimmig angenommenen Resolution jedoch aufgeführt und seitdem im Prinzip allgemein anerkannt sind, haben sie aber gleichsam völkergewohnheitsrechtlichen Charakter und sind damit von den Staaten zu beachten.

Da die Bundesrepublik Deutschland nach Art. 25 GG an die „allgemeinen Regeln des Völkerrechts“ und nach Art. 20 GG an das geltende Recht gebunden ist, stellt sich damit für jede deutsche Regierung – gleichgültig welcher parteipolitischen Couleur – die Frage, was sie unternehmen darf, ja muss, um zu verhindern, dass ihr Hoheitsgebiet in völkerrechtswidrige Aktionen verwickelt oder gar bewusst einbezogen wird. In einer solchen Situation waren deutsche Bundesregierungen bereits früher mehrfach. Schon in Zeiten des Vietnam-Krieges war immer wieder der Verdacht geäußert worden, in der Bundesrepublik gelegene US-Militäreinrichtungen würden in die Logistik völkerrechtswidriger US-Kriegsoperationen in Südostasien einbezogen. Doch erstmals im Zusammenhang mit dem israelischen Yom-Kippur-Krieg im Jahre 1973 wurde die Einbeziehung des deutschen Hoheitsgebietes in militärische Konflikte außerhalb des »NATO-Gebietes« zu einem brisanten Thema: Drei israelische Frachter wollten im Oktober 1973 in Bremerhaven Kriegsmaterial der in der Bundesrepublik stationierten US-Streitkräfte an Bord nehmen; der damalige Bundeskanzler Willy Brandt entschied zusammen mit seinem Vizekanzler und Außenminister Walter Scheel, die Verladungen sollten ohne Verzug eingestellt werden und die israelischen Schiffe die deutschen Hoheitsgewässer sofort verlassen.16 Ein weiteres Mal stellte sich die angesprochene Problematik, als der damalige US-Oberbefehlshaber in Europa General Rogers öffentlich erklärte, die am 14./15. April 1986 von der US-Luftwaffe durchgeführten Bombenangriffe auf Libyen seien von seinem Hauptquartier in Stuttgart-Vaihingen aus „vorbereitet“ und „gesteuert“ worden.17 Ein letztes Beispiel: Im Jahre 1987 erfuhr die deutsche Öffentlichkeit aus einem Bericht der vom damaligen US-Präsidenten eingesetzten Kommission zur Untersuchung der so genannten Iran-Contra-Affäre, dass die USA 500 TOW-Panzerabwehrraketen über den US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein an den Iran geliefert hatten, und zwar ohne vorherige Unterrichtung der deutschen Bundesregierung.18

Missbräuchliche Nutzung des deutschen Luftraums und der US-Stützpunkte?

Nach allgemeinem Völkerrecht, das auch in internationalen Übereinkommen seinen Niederschlag gefunden hat (vgl. u.a. Art.1 des Chicago-Abkommens von 1944), besitzt jeder Staat im Luftraum über seinem Hoheitsgebiet „volle und ausschließliche Lufthoheit“. Sind allerdings – wie in Deutschland – ausländische Truppen stationiert, so werden Umfang und Grenzen der Bewegungsfreiheit dieser Stationierungsstreitkräfte regelmäßig in speziellen völkerrechtlichen Abkommen geregelt. Nach der Aufhebung des Besatzungsregimes erfolgte dies in Deutschland in Gestalt des so genannten Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut.

In der bis 1994 geltenden Fassung dieses Zusatzabkommens (ZA-NTS 1959), das in diesem Bereich die Regelungen aus der Besatzungszeit als Vertragsrecht weitgehend fortführte, war den in Deutschland im Rahmen der NATO stationierten US-Truppen eine sehr weitgehende Bewegungsfreiheit im deutschen Luftraum eingeräumt: Eine »Truppe« war berechtigt, mit Luftfahrzeugen „die Grenzen der Bundesrepublik zu überqueren sowie sich in und über dem Bundesgebiet zu bewegen“ (Art. 57 Abs. 1 ZA-NTS 1959).

Im Zuge der Neufassung des Zusatzabkommens ist 1994 (im Folgenden: ZA-NTS 199419) diese Regelung geändert worden. Nunmehr bedürfen auch die in Deutschland stationierten US-Streitkräfte grundsätzlich jeweils einer Genehmigung durch die deutsche Bundesregierung, wenn sie mit Land-, Wasser- oder Luftfahrzeugen in die Bundesrepublik „einreisen oder sich in und über dem Bundesgebiet bewegen“ wollen (Art. 57 Abs.1 Satz 1 ZA-NTS 1994). Allerdings ist diese grundsätzliche Genehmigungspflicht im zweiten Halbsatz des Art. 57 Abs. 1 ZA-NTS 1994 teilweise wieder eingeschränkt. Die Vorschrift lautet: „Transporte und andere Bewegungen im Rahmen deutscher Rechtsvorschriften, einschließlich dieses Abkommens und anderer internationaler Übereinkünfte, denen die Bundesrepublik und einer oder mehrere der Entsendestaaten als Vertragspartei angehören, sowie damit im Zusammenhang stehender technischer Vereinbarungen und Verfahren gelten als genehmigt.“

Mit anderen Worten: Soweit dieser zweite Halbsatz eingreift, bedarf es keiner Genehmigung für die „Einreise“ und alle Bewegungen mit Luftfahrzeugen „in und über dem Bundesgebiet“. Diese Regelung ist als Ausnahme von dem im allgemeinen Völkerrecht geltenden Grundsatz der vollen Hoheitsgewalt jeden Staates über sein Territorium und seiner „vollen und ausschließlichen Lufthoheit“ über seinem Hoheitsgebiet ausgestaltet. Als Ausnahmevorschrift ist sie mithin nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen eng auszulegen. Sie betrifft – wie sich schon aus ihrem Wortlaut ergibt – zudem nur die Bewegungen von Luftfahrzeugen der »Truppe« (sowie ihres »zivilen Gefolges«, ihrer »Mitglieder und Angehörigen«), mithin also nicht jede »Einreise« von US-Militärflugzeugen aus den USA in die Bundesrepublik Deutschland. Was im Sinne dieser Vorschrift als »Truppe« zu verstehen ist, ist in Art. 3 des NATO-Truppenstatuts definiert: »Truppe« ist danach das zu den Land-, See- oder Luftstreitkräften gehörende Personal einer Partei (des NATO-Truppenstatuts), „wenn es sich im Zusammenhang mit seinen Dienstobliegenheiten in dem Hoheitsgebiet“ einer Vertragspartei, hier also Deutschlands, „befindet“. Es geht also bei der durch Art. 57 Abs. 1 Halbsatz 2 ZA-NTS unter bestimmten Voraussetzungen für US-Militärflugzeuge generell genehmigten „Einreise“ und Bewegungsfreiheit „in und über dem (deutschen) Bundesgebiet“ allein um die im NATO-Rahmen stationierten US-Truppenteile. Wollen dagegen anderweitig in den USA stationierte US-Truppenteile mit Luftfahrzeugen etwa auf ihrem Weg in den Nahen Osten (Irak pp) in Deutschland lediglich den deutschen Luftraum benutzen oder zwischenlanden, um aufzutanken, Material oder Waffen aufzunehmen und anschließend – ohne »NATO-Auftrag« – in ein Kriegsgebiet außerhalb des »NATO-Gebiets« weiterfliegen, bleibt es bei der grundsätzlichen Genehmigungsbedürftigkeit nach allgemeinem Völkerrecht und Art. 57 Abs. 1 S. 1 Halbs. 1 ZA-NTS 1994. Für die Inanspruchnahme der weiten Bewegungsfreiheit für US-Militärflugzeuge im deutschen Luftraum nach Art. 57 Abs. 1 S. 1 Halbs. 2 ZA-NTS 1994 ist es mithin von großer Bedeutung, ob die betreffenden US-Luftfahrzeuge zu den in Deutschland im Rahmen der NATO stationierten Truppenkontingenten gehören und ob sie Aufgaben im Rahmen und im Auftrag der NATO wahrnehmen oder aber (nationale) US-Aufgaben erfüllen. Das heisst zugleich: Es ist für die Genehmigungsfreiheit der Benutzung deutschen Luftraums durch US-Militärflugzeuge im Falle eines Krieges gegen den Irak rechtlich betrachtet von großer Bedeutung, welche Rolle die NATO in einem solchen Krieg einnimmt. Bleibt sie mit den Entscheidungen ihrer Organe, mit ihren Kommandostrukturen und Einsatzkräften außerhalb der Kriegsführung, kommt es also nicht zu einem »NATO-Krieg« gegen den Irak, dann agieren die US-Streitkräfte (ggf. mit Unterstützung durch einzelne NATO-Staaten) allein auf ihrer »nationalen Schiene«.

Entsprechendes gilt für die in Deutschland gelegenen US-Stützpunkte. In diesen Liegenschaften, die den US-Streitkräften „zur ausschließlichen Benutzung überlassen“ worden sind, dürfen diese nach Art. 53 Abs. 1 ZA-NTS „die zur Erfüllung ihrer Verteidigungspflichten erforderlichen Maßnahmen treffen“. Nach Abs. 2 der Vorschrift gilt dies „entsprechend für Maßnahmen im Luftraum über den Liegenschaften“. Ungeachtet aller sonstigen Auslegungsschwierigkeiten ergibt sich daraus für die zuständigen deutschen Stellen, d.h. vor allem für die Bundesregierung, im Konfliktfalle jedenfalls rechtlich die Befugnis zu kontrollieren, ob die Stationierungsstreitkräfte auf den überlassenen Liegenschaften (sowie im Luftraum darüber) im Einzelfall ausschließlich »Verteidigungspflichten« im Sinne des Zusatzabkommens und des NATO-Vertrages wahrnehmen oder aber andere Maßnahmen vorbereiten oder gar durchführen. Art. 53 Abs. 3 ZA-NTS soll dabei sicherstellen, dass die deutschen Behörden „die zur Wahrnehmung deutscher Belange erforderlichen Maßnahmen“ innerhalb der Liegenschaften durchführen können. Was dabei zur »Wahrnehmung deutscher Belange« erforderlich ist, ist weder in dieser Bestimmung noch in anderen Abkommen im Einzelnen definiert. Die Konkretisierung der »deutschen Belange« und die Festlegung der Mittel zu ihrer Durchsetzung20 ist damit zuvörderst Aufgabe der zuständigen deutschen Behörden und damit insbesondere der Bundesregierung, die dabei nach Art. 20 Abs. 3 GG an »Recht und Gesetz« und nach Art. 25 GG an die »allgemeinen Regeln des Völkerrechts« gebunden ist. Zur »Wahrnehmung deutscher Belange« im Sinne der genannten Regelungen gehört jedenfalls u.a. auch, dass alle erforderlichen Maßnahmen eingeleitet und vorgenommen werden, die verhindern, dass etwa vom Territorium der Bundesrepublik Deutschland aus völkerrechtswidrige Handlungen erfolgen oder unterstützt werden. Dies gilt um so mehr, als sich Deutschland im Zuge der Wiedervereinigung in Art. 2 des Zwei-plus-Vier-Vertrages verpflichtet hat, dafür zu sorgen, „dass von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird“.

Freilich gibt es hier beträchtliche rechtliche und faktische Grauzonen, und zwar zumindest zwei. Die eine betrifft die Frage, wie im Einzelfall unterschieden werden kann, ob die jeweiligen – aus den USA kommenden und nach Deutschland einreisenden, also den deutschen Luftraum benutzenden – Militärflugzeuge und ihr militärisches Personal zu den im Rahmen der NATO in Deutschland stationierten Truppenkontingenten gehören und damit dem Privileg des Art. 57 Abs. 1 a Halbs. 2 ZA-NTS 1995 unterfallen oder aber ob sie reine »US-nationale Aufgaben« außerhalb der NATO erfüllen und mithin für die Benutzung des deutschen Luftraums jeweils einer Genehmigung der Bundesregierung bedürfen. Eine weitere Grauzone besteht, wenn US-Militärflugzeuge, Truppen und Waffensysteme in einen US-Krieg gegen den Irak einbezogen werden, die bereits in Deutschland im Rahmen von NATO-Aufgaben auf US-Basen stationiert sind und von hier aus in das Kriegsgebiet fliegen sollen. Dabei handelt es sich einerseits zwar um (NATO-)»Truppen« im Sinne des Art. 3 NTS. Sie und ihre Waffensysteme würden andererseits freilich nicht im Rahmen der NATO »out of area« disloziert; denn sie würden nicht zu NATO-Aufgaben eingesetzt und auch nicht von NATO-Kommandobehörden und -Befehlshabern kommandiert.

Kriegsablehnung öffentlich verankern

Wie diese – sich aus den genannten völkerrechtlichen Abkommen ergebenden – rechtlichen und faktischen Grauzonen letztlich aufgelöst werden, hängt entscheidend von politischen Entscheidungsparametern ab. Dazu gehört u.a., ob es – entsprechenden politischen Willen unterstellt – der jeweiligen deutschen Regierung gelingt, etwa im Falle eines völkerrechtswidrigen US-Angriffs auf den Irak die NATO aus dem Konflikt herauszuhalten, eine Unterstützung ihrer kriegskritischen politischen Position durch andere NATO-Verbündete zu erreichen und so eine Singularisierung Deutschlands im Rahmen der NATO zu vermeiden. Ferner wäre von Bedeutung, ob die deutsche Regierung in der Lage wäre, die »Öffentlichkeit«, also die Zivilgesellschaft (innerstaatlich und innerhalb der NATO-Staaten) für ihre Position zu gewinnen oder gar zu mobilisieren. Der Ausgang eines solchen Konfliktes zwischen der gegenwärtigen US-Administration einerseits sowie der deutschen Regierung und anderer NATO-Verbündeter andererseits lässt sich nicht vorhersagen.

Würde es dagegen die deutsche Regierung im Falle eines US-Krieges gegen den Irak widerspruchslos dulden, dass die US-Militärbasen in Deutschland sowie der deutsche Luftraum von US-Militärflugzeugen und ihrem Personal im Rahmen offenkundig völkerrechtswidriger Militäreinsätze genutzt würden, so wären die Folgen sicher:

  • Zum einen würde eine deutsche Regierung mit der bewussten Duldung der Einbeziehung des deutschen Luftraums und deutschen Hoheitsgebietes in die Führung eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges einen fatalen »Präzedenzfall« für die Zukunft schaffen; denn eine sich herausbildende oder gar sich verfestigende Staatspraxis trägt zur authentischen Auslegung und Implementierung völkerrechtlicher Regelungen entscheidend bei.
  • Zum anderen stünde jede deutsche Regierung vor dem Abgrund des Verfassungsbruchs. Wenn sie bewusst das deutsche Hoheitsgebiet in die Führung eines völkerrechtswidrigen Krieges verwickeln und einbeziehen (lässt), kommt es zum Konflikt mit Art. 26 GG und Art. 2 des Zwei-Plus-Vier-Vertrages. Beide Normen verbieten ausdrücklich, die Führung eines Angriffskrieges »vorzubereiten«. Dieses Verbot des Angriffskrieges umfasst nach seinem Wortlaut zwar nur dessen »Vorbereitung«. Wenn ein Angriffskrieg jedoch von Verfassungs wegen bereits nicht »vorbereitet« werden darf, so darf nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift ein solcher erst recht nicht geführt oder gefördert werden, in welcher Form auch immer. Das grundgesetzliche Verbot des Angriffskrieges, das zudem strafrechtlich bewehrt ist, ist dabei umstands- und bedingungslos normiert: Die Vorbereitung, Führung und Unterstützung eines Angriffskrieges ist in jeder Hinsicht „verfassungswidrig“ und „unter Strafe zu stellen“. Darin unterscheidet es sich von der in Art. 26 GG enthaltenen anderen Verbotsalternative, die „Handlungen“ erfasst, „die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören“. Mit anderen Worten: Ein Angriffskrieg im Sinne des Art. 26 GG ist verfassungsrechtlich und strafrechtlich auch dann verboten, wenn er vermeintlich oder tatsächlich nicht in dieser Absicht geführt wird. Denn die Verfassungsnorm geht davon aus, dass er stets verboten ist – weil er stets objektiv geeignet ist, „das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören“.

Anmerkungen

1) Der Original-Text in engl. Sprache findet sich unter www.un.org./doc

2) Vgl. Handelsblatt, 02.09.2002.

3) Rede vor dem Deutschen Bundestag am 13.9.2002

4) So warnte etwa der CSU-Landegruppenchef Michael Glos deutlich vor einem Angriff auf den Irak. Vgl. dazu u.a. www.tagesschau.de; Frankfurter Rundschau vom 8. 10.2002, S. 7

5) Der nachfolgende Text ist teilweise in der FR vom 11.9.2002, S. 14, publiziert worden.

6) Insbesondere die Resolutionen 688 (1991) vom 5.4.1991, 707 (1991) vom 15.8.1991, 715 (1991) vom 11.10.1991, 986 (1995) vom 14.4.1995 und 1284 (1999) vom 17.12.1999

7) Vgl. die Resolutionen 686 (1991) vom 2.3.1991, 687 (1991) vom 3.4.1991

8) Vgl. Resolution 1284 (1999).

9) Vgl. Ziff. 5 der Resolution 1441 (2002).

10) Vgl. Ziff. 4,11 und 12 Resolution 1284.

11) Ziff. 13 der Resolution.

12) Vgl. dazu die Nachweise u.a. bei H. Fischer, in K. Ipsen (Hrsg.): Völkerrecht, 4. Aufl.1999, Rdnr. 29.

13) Vgl. Randelzhofer, in Simma (Hrsg.): Charta der Vereinten Nationen, 1991, Art. 51 Rdnr. 9 – 14 sowie 34 mit zahlreichen Nachweisen.

14) Vgl. dazu u.a. Hailbronner: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht (BDGV) 26 (1986), S. 82; Fischer, a.a.O., Rdnr. 30.

15) UN-Generalversammlung: GA-Resolution 3314 (XXIX), dt. Übersetzung in: Vereinte Nationen (VN) 1975, S. 120.

16) Vgl. dazu u.a. Paul Frank: Entschlüsselte Botschaft, 1985, S. 267 ff; Deiseroth: US-Basen in der Bundesrepublik, 1988, S. 44 ff.

17) Vgl. dazu u.a. Frankfurter Rundschau vom 21.4.1986; Welt am Sonntag, 20.4.1986; Tageszeitung vom 23.4.1986

18) Vgl. BT-Drucksache 11/736, S. 3: BT-Drs. 10(6772); Deiseroth: US-Basen in der Bundesrepublik, a.a.O., S. 6

19) Bundesgesetzblatt 1994, Teil II, S. 2594 ff.

20) Vgl. dazu Deiseroth: US-Basen in der Bundesrepublik, 1988, S. 44.

Dr. Dieter Deiseroth, Richter am Bundesverwaltungsgericht, ist in den Wissenschaftlichen Beiräten der VDW, der IALANA und der Humanistischen Union.

Terror und Energie-Sicherheit

Terror und Energie-Sicherheit

Ein neuer Krieg um Öl?

von Jürgen Scheffran

Seit ihrem Amtsantritt hat die Bush-Administration zwei große außenpolitische Initiativen in Angriff genommen: einen „nie endenden Krieg gegen den Terrorismus“ und die globale Ausweitung des amerikanischen Zugriffs auf Erdöl. Obwohl beide Problemfelder verschiedene Ursachen haben und unterschiedliche Strategien erfordern, sind sie durch den Lauf der Ereignisse miteinander verwoben. Der Krieg gegen den Terrorismus und der Kampf ums Öl erweisen sich zunehmend als zwei Seiten derselben Medaille. In beiden Fällen geht es um die Folgen einer nicht-nachhaltigen Wirtschaftsweise und den Ausbau der globalen Vorherrschaft der USA.
Es scheint, als sei ein Angriff auf den Irak und der Sturz Saddam Husseins zu einer fixen Idee der Bush-Administration geworden, ungeachtet weltweiter Proteste und des Risikos einer weiteren Destabilisiung des Nahen Ostens. Hat die US-Regierung keine anderen Probleme, als das vermeintliche Waffenarsenal eines geschwächten Potentaten auszuschalten? Sollte nicht der Kampf gegen den Terror, um den es im Falle des Irak nicht geht, Vorrang haben? Oder will Bush gegenüber Saddam bloß das Werk seines Vaters vollenden?

Von der Carter-Doktrin zur Enron-Connection

Mit den offiziell vorgebrachten Argumenten allein ist das Festhalten von George W. Bush an einer Invasion im Irak nicht zu begründen. Stutzig machen sollte es schon, dass ein naheliegender Faktor in den offiziellen Begründungen ausgeblendet wird: Erdöl. Dabei ist es kein Geheimnis, dass die gewaltigen Ölreserven in Nahost schon lange ein Hauptmotiv für das Engagement der US-Politik in dieser Region sind. Bereits in der 1980 verabschiedeten Carter-Doktrin galt jede Anstrengung zur Beeinträchtigung des Ölflusses aus der Golfregion als feindlicher „Anschlag auf die vitalen Interessen der Vereinigten Staaten“, der „mit allen Mitteln, einschließlich militärischer zurückzuschlagen“ sei. An diese Doktrin konnte dann nach Ende des Kalten Krieges der Vater des heutigen Präsidenten anknüpfen, auch wenn es bei der Operation Desert Storm 1991 offiziell weniger um »Blut für Öl« gegangen sein soll, wie Kritiker argwöhnten, als vielmehr um die Durchsetzung des Völkerrechts nach dem Angriff Iraks auf Kuwait.

Jetzt will George W. Bush die in Folge des zweiten Golfkrieges erheblich gewachsene Truppenpräsenz der USA für den dritten und entscheidenden Golfkrieg nutzen – wohl kaum, um das von ihm sonst missachtete Völkerrecht durchzusetzen. Wie sein Vater ist auch der heutige Bush den texanischen Ölclans verpflichtet, die seinen Wahlkampf finanziert haben. Bushs oberster Energiepolitiker ist Vizepräsident Dick Cheney, der das neue Energieprogramm der Regierung gestaltet. Bis zu seinem Amtsantritt war er Generaldirektor der Firma Halliburton-Energy und ist bis heute ihr Teilhaber. Tatkräftig zur Seite stehen ihm seine alten Freunde aus der Energiewirtschaft, darunter auch einige aus dem Energiekonzern Enron, der vor kriminellen Machenschaften nicht zurückschreckte und spektakulär Pleite ging. Beispiele für die Enron-Conncetion sind Lawrence Lindsey, Bushs Wirtschaftschef im Weißen Haus, Pat Wood, Leiter der US-Energie-Regulierungsbehörde, oder Thomas White, Bushs Minister für die Streitkräfte. Selbst Bushs Sicherheitsberaterin, Condoleezza Rice, war früher Mitglied im Aufsichtsrat des Chevron-Ölkonzerns.

Wachsende Öl-Abhängigkeit

Bei konstanter Fortsetzung der gegenwärtigen Förderrate sind nach einer Schätzung des deutschen Wirtschaftsministeriums aus dem Jahr 2000 (die nach wie vor mit großen Unsicherheiten behaftet ist) die Vorräte für Öl in 42 Jahren, für Gas in 65 Jahren und für Kohle in 169 Jahren erschöpft. Für Öl ist die Situation am dramatischsten. Aus der langjährigen Beobachtung des zeitlichen Verlaufs der Fördermengen der weltweiten Ölvorkommen lässt sich schließen, dass über die Hälfte der bekannten Reserven bereits verbraucht sind. Das lässt in den kommenden Jahren ernste Verteilungskämpfe erwarten. Hinzu kommt die ungleichmäßige geografische Verteilung: Für den Nahen Osten werden Reichdauern (Länge der noch zu erwartenden Förderzeit) von 94 Jahren genannt. Für Nordamerika beträgt die Schätzung 16, Russland 33, Norwegen 13 und für England nur 10 Jahre. Ölimporte aus Russland und der Nordsee decken jeweils 31% bzw. 33% des deutschen Bedarfs. Bei ihrem Wegfall würde sich die Energieabhängigkeit Deutschlands vom Nahen Osten verschärfen.

Da die heimische Ölproduktion der USA einem relativ schnellen Niedergang ausgesetzt ist und zugleich die Nachfrage der USA nach Erdöl mit jedem Tag zunimmt, steigern die USA gegenwärtig ihre Ölabhängigkeit von den großen Ölförderländern. Bis zum Jahr 2020, so jüngste Berechnungen des US-Energieministeriums, soll der tägliche Import-Bedarf der USA um 6 Millionen Barrel Öl höher liegen als heute – wo rund 17 Millionen Barrel pro Tag verbraucht werden (7 Barrel entsprechen etwa einer metrischen Tonne). Ein Teil dieses Öls soll zwar von Ölfeldern in Lateinamerika, Afrika, Russland und der Kaspischen Region kommen, aber der Löwenanteil wird aus der Golfregion erwartet, da nur hier die nötigen Reserven für eine erhebliche Produktionssteigerung gegeben sind. Mit geschätzten 113 Milliarden Barrel liegt der Irak an zweiter Stelle hinter Saudi-Arabien (262 Mrd. Barrel). Zusammen mit Iran, Kuwait und den Vereinigten Arabischen Emiraten verfügen diese Länder über zwei Drittel der bekannten Ölreserven der Welt.

Die Bush-Regierung ist sich ihrer Abhängigkeit vom Öl bewusst und hat in der am 17. Mai 2001 veröffentlichten Nationalen Energiepolitik (nach ihrem Verfasser, Vizepräsident Dick Cheney, auch als Cheney-Report bekannt) daraus bereits Konsequenzen gezogen. Der Bericht löste zunächst einigen Wirbel aus, weil er die Namen der beteiligten Berater nicht offenlegte und die Freigabe von Bohrungen im arktischen Nationalpark ankündigte. Weniger Aufmerksamkeit erhielt die zentrale Empfehlung des Reports, dass die Energiesicherheit in Zukunft ein Schwerpunkt der Handels- und Außenpolitik der USA sein solle. Kurz und bündig wird festgestellt: „Das Wachstum in der internationalen Nachfrage nach Öl wird zu einem wachsendem Druck auf die globale Verfügbarkeit von Öl führen.“ Etwa die Hälfte des US-Ölverbrauchs stammt aus auswärtigen Quellen; bis 2020 werde der Anteil auf zwei Drittel ansteigen. Zugleich wird erkannt, dass die „Ölproduzenten des Nahen Ostens von zentraler Bedeutung für die Ölsicherheit der Erde“ sind und damit ein Hauptschwerpunkt der internationalen Energiepolitik der USA bleiben werden. Daraus folgt, dass die USA ihre guten Beziehungen zu Saudi-Arabien aufrechterhalten und gleichzeitig ihren Ölimport auf verschiedene Quellen verteilen müssen. Die Golfstaaten müssten überzeugt werden, ihren täglichen Ausstoß erheblich zu erhöhen, um den Öldurst der USA zu befriedigen; der Irak und Saudi-Arabien müssten in den nächsten zwei Jahrzehnten Millionen von Barrel zu der derzeitigen täglichen Fördermenge hinzufügen.

Die Bedeutung des Irak

Zwar leidet die irakische Bevölkerung seit einem Jahrzehnt unter dem von den USA forcierten Boykott, doch zugleich versorgt der Irak die USA derzeit mit etwa 800.000 Barrel Rohöl pro Tag, was rund 9% der gesamten Ölimporte der USA entspricht. Da die USA nicht direkt im Irak kaufen wollen, erfolgt der Handel mit Bagdad über Mittelsmänner im Rahmen des »Öl-für-Nahrung«-Programms der UNO.

Wichtiger noch als der derzeitige Ölzufluss ist die langfristige strategische Bedeutung des Iraks für die USA. Zwar könnten die USA theoretisch ihren wachsenden Ölbedarf allein durch Importe aus Kuwait, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten befriedigen. Doch befürchten US-Regierungsvertreter, dass Konflikte und instabile politische Verhältnisse oder auch mangelnde Investitionen eines Tages den Nachschub in diesen Ländern zum Erliegen bringen könnten. Weitere Staaten können zusätzliche Quellen eröffnen, darunter Russland, Nigeria und die Staaten am Kaspischen Meer. Keiner dieser Staaten kann jedoch mit der Förderkapazität des Irak mithalten.

Daher will die US-Regierung die Lage im Irak so rasch wie möglich zu ihren Gunsten entscheiden – und damit verhindern, dass andere das Geschäft mit dem Irak machen. Dem Weltenergieausblick 2001 der International Energ Agency (IEA) zufolge hat der Irak bereits die Rechte an geschätzten 44 Mrd. Barrel Öl verkauft, was den gesamten nachgewiesenen Reserven aller ostasiatischen Länder zusammen entspricht. Zu den Vertragspartnern dieser Deals gehören europäische Ölkonzerne wie ENI und TotalFinaElf gemeinsam mit der russischen Lukoil und der chinesischen National Petroleum Company (CNPC). Sollte das derzeitige Regime an der Macht bleiben, so befürchten US-Strategen, dass die irakischen Ölreserven von Firmen anderer Staaten kontrolliert werden können. Eine Möglichkeit, dies zu verhindern, wäre ein Sturz der derzeitigen und die Etablierung einer neuen US-freundlichen Regierung. Unter diesem Blickwinkel erscheinen die Interventionspläne der USA auch als Teil der innerkapitalistischen Konkurrenz im Ölsektor. Die USA versuchen, ihr Militär dafür zu instrumentalisieren, ihren Firmen günstigere Geschäftsbedingungen zu sichern. Zugeben will dies in der US-Regierung jedoch niemand. Es dürfte den letzten Rest von Bushs Glaubwürdigkeit in der Welt beseitigen und im In- und Ausland stärkere Widerstände unter dem Slogan »Kein Blut für Öl« provozieren.

Öl und Terror – eine starke Verbindung

Angesichts der starken Fixierung der amerikanischen Öffentlichkeit auf die Bedrohung durch den Terrorismus ist es für die US-Administration derzeit nicht ganz einfach, die Außenpolitik auf den Schutz der Ölvorräte zu richten. Der Kampf gegen den internationalen Terrorismus eignet sich allerdings als Vorwand, um den militärischen Machtanspruch in den für die eigene Energiesicherung wichtigen Regionen auszubauen. Einige Faktoren begünstigen eine dauerhafte Verknüpfung des Anti-Terror-Kampfes mit der Sicherung der Ölvorräte. So liegen einige der weltweit größten Ölreservoire in politisch instabilen Regionen, allen voran im explosiven Nahen Osten. Zumindest zwei der großen Ölförderländer – Iran und Irak – gehören in den Augen der US-Regierung zur »Achse des Bösen«. Auch Syrien und Jemen, einige Golf-Emirate und anti-israelische Terrorgruppen in Libanon und Palästina stehen in der Schusslinie. Beim saudischen Regime, das zu den autoritärsten der Welt gehört, wird die Missachtung von Menschenrechten und die Unterstützung islamistischer Gruppen noch stillschweigend in Kauf genommen, ebenso die Tatsache, dass 15 der 18 Attentäter des 11. September aus Saudi-Arabien stammten, ganz zu schweigen von Osama bin Laden selbst. Immerhin würden die USA durch die Kontrolle des irakischen Öls etwas unabhängiger von der Willkür der saudischen Dynastie.

Auch wenn es schwerfällt, eine Verbindung zwischen Saddam und Al Quaida zu konstruieren, versucht die US-Regierung, einen Angriff auf den Irak in den Kampf gegen den Terror einzureihen. Ein Modell für die Kopplung von Öl und Terror war der Afghanistan-Feldzug. Manches spricht dafür, dass das Land weniger wegen der Unterstützung des internationalen Terrorismus bombardiert wurde als vielmehr wegen seiner strategischen Lage an der Schnittstelle verschiedener Großmächte und Ölrouten. So hatten Vertreter der US-Erdölfirma Unocal, die zuvor noch eng mit den Taliban kooperierte, für einen Regierungswechsel in Afghanistan plädiert, um so besser das Projekt einer Ölpipeline durch Afghanistan realisieren zu können. Heute bestreitet Unocal dies und lehnt eine Beteiligung an einer Ölpipeline ab.

Ähnliche Verknüpfungen zeichnen sich auch in anderen Regionen ab. Dem Cheney-Report zufolge gilt insbesondere die Region um das kaspische Meer als rasch wachsendes Ölfördergebiet, das wirksam in den Weltölhandel zu integrieren sei. Die nachgewiesenen Ölreserven in Aserbeidschan und Kasachstan umfassen etwa 20 Millionen Barrel, etwas mehr als die Reserven in der Nordsee. Um den Zugriff darauf abzusichern haben die USA nach dem 11. September begonnen, permanente Basen in Tadschikistan, Usbekistan und Kirgistan einzurichten. Sie führen in Georgien militärische Trainingsoperationen durch, an denen mehrere hundert Berater der Spezialkräfte der USA teilnehmen. Es geht darum, die georgischen Streitkräfte für den Kampf gegen Terroristen zu wappnen und dabei dürfte der Schutz der Pipeline, die Öl vom kaspischen Meer zu den Häfen des Schwarzen Meers und das Mittelmeer transportieren soll, im Mittelpunkt stehen. In ähnlicher Weise unterstützen die USA das Militär Kolumbiens beim Schutz einer Ölpipeline, die oft von Rebellen zerstört wurde. Spätestens seit der Geiselnahme in einem Moskauer Theater (Oktober 2002) durch ein tschetschenisches Kommando ist deutlich geworden, dass die Verknüpfung von Terror und Sicherung der Ölressourcen (in der Kaukasus-Region) auch für Russland ein massives Problem darstellt.

Die Machtkämpfe um zahlreiche Ölförderrouten, die Lebensadern der westlichen Welt in dem Dreieck zwischen Nahost, Zentralasien und Balkan, sind allerdings kaum noch zu durchschauen. Als Detail sei hier nur noch erwähnt, dass hierzu auch der Anschluss an eine transbalkanische Ölpipeline durch Bulgarien, Mazedonien und Albanien gehört. Die Machbarkeitsstudie dazu hatte Cheneys Firma Halliburton erstellt, deren Tochter Brown & Root im Kosovo in der Nähe der geplanten Pipeline-Route die größte US-Basis außerhalb der USA, Bondsteel, gebaut hat. Dies mögen alles seltsame Zufälle sein, aber sie stellen das Argument in Frage, der Kosovo habe für die USA nun wirklich keinerlei strategische Bedeutung gehabt.

Der Kreislauf der Gewalt

Eine Verbindung von Öl und Terror ist durchaus gegeben, allerdings mehr auf der Verursacherseite. Die Art und Weise, mit der die USA ihre Interessen durchsetzen, produziert entweder Unterordnung oder Gewaltbereitschaft oder beides zugleich. Die Ausbeutung der Naturschätze dieser Erde, wo immer sie liegen mögen, provoziert Widerstände der davon Betroffenen, im schlimmsten Falle Terrorismus. Zudem befördert das angeblich so freie kapitalistische Wirtschaftssystem eine Konzentration von Reichtum und die Schaffung immer neuer Verwundbarkeiten, die sich Terroristen zunutze machen können. So wie das World Trade Center dafür ein Symbol war, so sind in Zukunft Ölpipelines und -raffinerien, Kernkraftwerke und Flughäfen attraktive Angriffsziele.

Zudem ist mit den Anschlägen vom 11. September 2001 deutlich geworden, dass die von solchen Terrorangriffen ausgehenden Schockwellen auch die internationale Erdölindustrie in Turbulenzen stürzen können, was sich in abrupten Preisbewegungen niederschlägt. So fiel zwischen August und Dezember 2001 der Barrelpreis des so genannten OPEC-Korbs (ein Mischindex für sieben verschiedene Ölsorten) als Folge der Rezessionsfurcht und der verringerten Nachfrage von durchschnittlich 24 Dollar auf rund 17 Dollar. Seit Beginn diesen Jahres stiegen die Preise jedoch abrupt wieder auf 24 Dollar pro Barrel Mitte Mai. Mögliche Gründe sind eine Erholung der US-Wirtschaft, sinkende Vorräte in den Industrieländern sowie die bevorstehende US-Militärintervention im Irak. Es ist anzunehmen, dass im Falle eines Militärschlags gegen den Irak die OPEC-Länder dem Druck der USA nachgeben und ihre Produktion erhöhen werden.

Es ist müßig darüber zu streiten, ob nun Öl der entscheidende oder nur ein Grund unter mehreren ist für eine mögliche Militärintervention der USA in Irak. Ein Angriffskrieg wird nur dann realisiert, wenn es dafür ein relativ breites Bündnis im Herrschaftsestablishment der USA gibt. Im Falle des Irak kommen verschiedene Motive zusammen:

  • Das Streben der USA nach globaler Hegemonie,
  • der Anspruch auf regionale Vorherrschaft in Nahost und den angrenzenden Regionen,
  • die Ausschaltung politischer Gegner, ihrer Rüstungspotentiale, inklusive möglicher Massenvernichtungswaffen,
  • das Interesse der eigenen Rüstungslobby an möglichst vielen Kriegen und dem damit verbunden Waffenabsatz,
  • aber eben auch das Interesse an der Kontrolle der verbleibenden Öl- und Gasvorräte, die für die eigene Wirtschaft von eminenter Bedeutung sind.

Ein Militärschlag gegen Irak wäre in allen Punkten im Sinne dieser Koalition aus Wachstum, Macht und Gewalt. Eine mögliche Destabilisierung in Nahost und die Gefährdung Israel sind dabei kein Hinderungsgrund, im Gegenteil: Je mehr die Gewaltspirale sich dreht, um so leichter wird es für Bush jun. wie auch für Scharon, ihre auf Gewalt gegründete Politik zu forcieren und dabei Gegner wie Konkurrenten auszuschalten.

Das Ende des Ölzeitalters

Die Verbissenheit, mit der die Bush-Administration um die Öl-Hoheit kämpft, erklärt sich daraus, dass der Wohlstand der USA wie der gesamten westlichen Welt eben auf jenem schwarzen Rohstoff gründet, der vor rund 140 Jahren aus amerikanischem Boden sprudelte. Der damit verbundene Lebensstil und sein ungehemmter Ressourcenverbrauch gehen dem Ende entgegen, wenn bereits in diesem Jahrhundert die billigen Öl- und Gasvorräte ihr Ende finden. Selbst wenn die Erde noch manche Energieschätze in sich birgt, nützt dies wenig, wenn die physikalischen Grenzen erreicht werden, es also mehr Energie erfordert, sie zu bergen als sie zu nutzen. Technik kann hier kein Allheilmittel sein.

In den USA löst das ausgehende Ölzeitalter, auf dem der amerikanische Wohlstand und Lebensstil maßgeblich basiert, teilweise massive Bedrohungsängste aus, so als habe es die Debatte über die Grenzen des Wachstums vor 30 Jahren nie gegeben. Dass es vielleicht weniger Terroristen sind, die die Energiesicherheit der USA gefährden, als vielmehr der eigene maßlose Ressourcenverbrauch und das eigene Versagen bei der Suche nach Alternativen, das hat bislang keinen Eingang in das Denken der Führungsriege gefunden. Für Cheney kommen Energiesparen und die Nutzung regenerativer Energien an letzter Stelle. Weit größeres Gewicht haben die Aufrechterhaltung des fossilen Zeitalters und die Privatisierung des Energiesystems, ungeachtet der schlechten Erfahrungen durch den Strom-Blackout in Kalifornien. Dabei liegen die Alternativen klar auf der Hand, und sie wurden in zahlreichen Studien ausführlich erläutert, z.B. in einer Studie des Washingtoner Institute for Energy and Environmental Research (Makhijani 2001), das den Cheney-Energieplan direkt mit einem alternativen Umbau des Energiesystems vergleicht. Es wird deutlich, dass nicht nur der Versorgung, sondern auch der Sicherheit der USA weit mehr gedient wäre, wenn sie jetzt massiv in Energieeinsparung und die Förderung regenerativer Energiepotenziale setzen würde. Zu entsprechenden Erkenntnissen kommt auch der jüngst vorgelegte Bericht der Enquetekommission des Deutschen Bundestages »Nachhaltige Energieversorgung unter den Bedingungen der Globalisierung und der Liberalisierung«. Solange eine vernünftige Energiepolitik jedoch in Konflikt mit den bestehenden Macht- und Interessenstrukturen gerät und Krieg als Instrument zur Energiesicherung angesehen wird, ist es schwierig, eine starke Koalition für den Energieumbau zu schaffen.

Literaturangaben

F. Alt: Krieg um Öl oder Frieden durch Sonne, München: Riemann, 2002.

Z. Brzezinski: Die einzige Weltmacht, Berlin 1999.

Enquête Kommission des Deutschen Bundestages: »Nachhaltige Energieversorgung unter den Bedingungen der Globalisierung und der Liberalisierung«, Berlin 2002.

W. Fischer, E. Häckel: Internationale Energieversorgung und politische Zukunftssicherung, München, Oldenbourg, 1987.

M. T. Klare: Resource Wars – The New Landscape of Global Conflict, New York, Metropolitan Books, 2001.

M. T. Klare: Oil Moves the War Machine, The Progressive, June 2002.

M. T. Klare: Schnell, mobil und tödlich – Zeitalter der US-Hegemonie, Le Monde diplomatique, 15.11.2002.

A. Makhijani: The Cheney Energy Plan – Technically Unsound and Unsustainable, Science for Democratic Action, vol. 9, no. 4, August 2001.[Cheney.PDF]

A. Makhijani: Securing the Energy Future of the United States: Oil, Nuclear, and Electricity Vulnerabilities and a post-September 11, 2001 Roadmap for Action, Washington, IEER, November 2001.

National Energy Policy: Report of the National Energy Policy Development Group, May 2001, http://www.whitehouse.gov/energy/.

H. Scheer: Solare Weltwirtschaft. München: Verlag Antje Kunstmann, 1999.

J. Schindler, Werner Zittel: Der Paradigmawechsel vom Öl zur Sonne, Natur und Kultur, Heft 1 Jahrgang 1 (2000), S. 48-69 (5.11.99) www.natur-kultur.at.

F. Schmidt, C. Schuler: Krieg ums Erdöl, Spezial-Nr. 15, München: Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung, Dezember 2001.

J. Scheffran, W. Bender, S. Brückmann, M.B. Kalinowski, W. Liebert: Energiekonflikte – Kann die Menschheit das Energieproblem friedlich lösen?, Dossier 22, in: Wissenschaft und Frieden 14, 2/1996.

R. Zoll et.al. (Hrsg.): Energiekonflikte. Problemübersicht und empirische Analysen zur Akzeptanz von Windkraftanlagen, Münster, LIT, 2001.

Dr. Jürgen Scheffran ist Redakteur von Wissenschaft und Frieden und Mitarbeiter am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.

Golfkrieg III – Ein Krieg um Öl?

Golfkrieg III – Ein Krieg um Öl?

von Dirk Eckert

12 Jahre nach dem Zweiten Golfkrieg planen die USA einen erneuten Krieg gegen den ungeliebten ehemaligen Verbündeten. Der Irak, der nach Saudi-Arabien über die zweitgrößten Erdölreserven im Nahen Osten verfügt, wollte sich 1990 auch noch die kuwaitischen einverleiben. Der Golfkrieg II verhinderte das, der Irak wurde militärisch vernichtend geschlagen. Infolge der anschließenden UN-Waffeninspektionen wurden dann noch mehr Waffen vernichtet als im Krieg selbst, und ein bis heute wirkendes Wirtschaftsembargo verhinderte einen Wiederaufbau. Der Irak verlor seine Rolle als Regionalmacht und ist heute selbst nach amerikanischen Geheimdiensterkenntnissen keine Gefahr mehr für seine Nachbarn. Trotzdem drängt US-Präsident George W. Bush seit seinem Amtsantritt – und verstärkt seit dem 11. September 2001 – auf Krieg. Begründet wird das mit dem notwendigen Kampf gegen den Terrorismus – obwohl hier keinerlei Verbindungen hergestellt werden konnten – und der erneuten Produktion von Massenvernichtungswaffen durch das irakische Regime – für die bisher auch keine Beweise auf den Tisch gelegt wurden. Da liegt der Verdacht nahe, dass auch diesmal, wie beim Golfkrieg II, das Öl eine zentrale Rolle spielt.
Seit dem Zweiten Golfkrieg wird der Irak am Boden gehalten: Die Waffeninspekteure haben ihn weiter entwaffnet, die Truppen – und auch zivile Einrichtungen wie z. B. Straßen und Brücken – werden in der nördlichen Flugverbotszone seit Mai 1991 ständig durch die US-amerikanische und britische Luftwaffe bombardiert. Das Wirtschaftsembargo hat über einer Millionen Irakern – unter ihnen ca. 500.000 Kinder – das Leben gekostet.1 Eine Situation, die die damalige US-Außenministerin Madeleine Albright mit den Wort kommentierte: „Ich glaube, das ist eine sehr schwere Entscheidung, aber der Preis – wir glauben, es ist den Preis wert.“2 Die Aufrechterhaltung der Sanktionen entsprang einem Kosten-Nutzen-Kalkül, wie Albright deutlich machte: „Es ist hart für mich, so etwas zu sagen, denn ich bin auch ein Mensch, aber meine erste Verpflichtung ist es, dafür zu sorgen, dass US-Truppen nicht losziehen und den Golfkrieg noch einmal kämpfen müssen.“3

Die Sanktionen können jedoch nicht auf immer und ewig gelten, und auch der weltweite Protest gegen das Embargo wächst. Das »Öl-für-Nahrungsmittel«-Programm war ein erster Schritt, um wenigstens die Lage der Bevölkerung zu verbessern. Die irakische Regierung hat sich bereits auf die Beendigung des Embargos eingestellt und eine Reihe von Verträgen mit ausländischen Investoren geschlossen, die nach Beendigung der Sanktionen etwa die irakische Ölindustrie modernisieren können.4 Zu nennen sind hier Frankreich, China, Indien, Italien, Vietnam, Algerien und vor allem Russland: Der russische Energiekonzern Lukoil hat bereits 1997 einen 4-Milliarden-Dollar-Vertrag mit dem Irak abgeschlossen. Damit soll ein Ölfeld im Südirak erschlossen werden, indem 15 Milliarden Barrel Öl vermutet werden. Das russische Unternehmen Slavneft schloss 2001 einen Vertrag über 52 Millionen Dollar ab.

Außen vor geblieben sind, wenig verwunderlich, die amerikanischen Ölkonzerne. Die USA befürchten, dass das so bleibt, so lange Saddam Hussein an der Macht ist. Nur ein Krieg gegen den Irak könnte diese Situation grundsätzlich verändern und die amerikanischen Ölkonzerne in eine Topposition katapultieren: Ein von den USA eingesetztes, wie auch immer geartetes Regime kann sämtliche Ölverträge neu verhandeln. Der ehemalige CIA-Chef R. James Woolsey hat denn auch Unternehmen, die bereits heute mit dem Hussein-Regime verhandeln, offen in der »Washington Post« gedroht: „Frankreich und Russland haben Ölfirmen und eigene Interessen im Irak. Ihnen sollte gesagt sein, wenn sie behilflich sind, dem Irak eine anständige Regierung zu bringen, werden wir unser möglichstes tun um sicherzustellen, dass eine neue Regierung und amerikanische Firmen eng mit ihnen zusammenarbeiten.“ Andernfalls aber dürfte es „schwierig bis unmöglich sein, eine neue irakische Regierung zu überzeugen, mit ihnen zusammenzuarbeiten“.5 Die »Washington Post« berichtet auch, dass sich Vertreter amerikanischer Ölfirmen mit irakischen Oppositionsgruppen getroffen haben. Der Iraqi National Congress (INC), den die USA und dabei insbesondere das Pentagon unterstützen6, bezieht offiziell keine Position zu der Frage, wie die irakische Erdölindustrie nach Saddam Hussein aussehen soll. Der Vorsitzende Ahmed Chalabi hat sich aber bereits für ein Konsortium unter Führung von US-Ölkonzernen ausgesprochen.

US-Präsident George W. Bush hat Chalabis INC gestärkt, als er am 3. Oktober mit einer »National Security Presidential Directive« anordnete, 5.000 irakische Oppositionelle militärisch auszubilden. Den Großteil der Rekruten darf der INC auswählen.7 Möglicherweise steht das in Zusammenhang mit Plänen – die kurz vorher bekannt geworden, allerdings noch nicht offiziell sind – nach denen die USA nach dem Sturz Saddam Husseins eine von ihnen geführte Militärverwaltung einrichten wollen.8 Die 5.000 Rekruten würden dann das »Bodenpersonal« stellen. Als historisches Vorbild wurde Japan nach dem Zweiten Weltkrieg genannt. Der Oberkommandierende der US-Streitkräfte am Persischen Golf, General Tommy Franks, wird bereits als Gouverneur gehandelt. Die New York Times nannte unter Berufung auf Beamte in Washington zwei Gründe für diese Option:

  • Erstens gelte es eine chaotische Situation zu verhindern, wie sie in Afghanistan seit dem Sturz des Taliban-Regimes bestehe.
  • Zweitens könnten die USA nur so die vollständige Kontrolle über das Land erlangen und alle Massenvernichtungswaffen aufspüren.

Würde der Irak unter Militärverwaltung gestellt, hätten die USA außerdem die vollständige Kontrolle über die Erdölindustrie des Landes. Es bedarf keiner großen Phantasie, um zu dem Ergebnis zu kommen, dass sich unter diesen Umständen die amerikanischen Firmen den Großteil der Erdölförderung unter den Nagel reißen und dass nur für Verbündete und solche, die es werden sollen, noch ein Stück vom Kuchen übrigbleibt. Auch die Besatzungskosten könnten unter diesen Umständen dem Irak aufgebürdet werden, der sie mit den Dollars aus den Öllizenzen bezahlen könnte.

In diesen Zusammenhang passt auch der Bericht eines Kongress-Abgeordneter gegenüber der NY Daily News, nach dem Präsident Bush auf einer Konferenz zugesagt hat, dass amerikanische Ölfirmen nach einem Krieg im Irak investieren würden, sprich: die Ölindustrie übernehmen werden.9 Unter Berufung auf Regierungsbeamte schreibt die Zeitung weiter, die Einnahme der irakischen Ölfelder sei eines der ersten Kriegsziele der USA, es gelte zu verhindern, dass Saddam Hussein die Ölquellen in Brand stecke, wie 1991 in Kuwait. Ob eine Besetzung des Irak durch die USA wirklich machbar und politisch vertretbar ist, daran gibt es allerdings große Zweifel. So kam bereits Kritik vom ehemaligen Außenminister Henry Kissinger, den die »New York Times« mit den Worten zitiert, er sei gegen eine „längere Besetzung eines muslimischen Landes im Herzen der muslimischen Welt durch einen westlichen Staat, der für sich das Recht in Anspruch nimmt, das Land umzuerziehen“.10

Die Kontrolle über die irakischen Ölvorkommen ist für die USA auch aus zwei weiteren Gründen von Interesse:

  • Erstens ließe sich damit die Abhängigkeit vom größten Ölproduzenten der Welt, Saudi-Arabien, reduzieren. Im »Defense Policy Board«, einem Beratungsgremium des US-Verteidigungsministeriums, wurden diesen Sommer Stimmen laut, die Saudi-Arabien der Unterstützung des Terrorismus bezichtigten und die US-Unterstützung des Feudalregimes beenden wollten.11 Saudi Arabien reagierte unter anderem mit einer Werbekampagne, um das schwer angekratzte Image der Ölscheichs in den USA zu verbessern.12
  • Zweitens kann mit dem irakischen Erdöl die Macht der OPEC wenn nicht gebrochen, so doch empfindlich geschwächt werden. Die FAZ schreibt dazu: „Dieser neue Irak könnte aus der OPEC austreten, die Förderbeschränkungen des Ölkartells unterlaufen und die dominierende Rolle Saudi-Arabiens am Golf schwächen. Selbst wenn der Irak in der OPEC bliebe, brächen in dem Kartell erhebliche Spannungen aus.“13 Eine neue irakische Regierung könnte die jahrelangen Sanktionen ins Feld führen, die nun eine Erhöhung der Ölförderung nötig machten, um Geld für den Wiederaufbau des Landes zu erwirtschaften. Der »Economist« fragte bereits: „Opec, Ruhe in Frieden?“14

Ein Krieg würde die USA in den Besitz des irakischen Öls bringen. Noch wichtiger aber ist es für die Vereinigten Staaten, die Golfregion militärisch zu kontrollieren. Ein Blick in die »BP Statistical Review of World Energy 2002«15 zeigt, wie abhängig die industrialisierte Welt vom Erdöl der Golfregion ist. Bemerkenswert ist dabei, dass Europa und Japan viel abhängiger sind als die Vereinigten Staaten. So verbrauchten die USA im Jahr 2001 895,6 Millionen Tonnen Erdöl. Davon kamen 138 Millionen Tonnen aus dem Nahen Osten. Die EU wiederum verbraucht mit 637,1 Millionen Tonnen weniger Erdöl als die Vereinigten Staaten, aber mit 176,2 Millionen Tonnen mehr Erdöl aus der Golfregion. Japan, die führende Wirtschaftsmacht in Ostasien, ist fast vollständig vom Öl aus der Golfregion abhängig. Von 247,2 Millionen Tonnen Verbrauch im Jahr 2001 stammten 208,8 aus Nahost. Wer die Golfregion kontrolliert, sitzt also am Ölhahn von Japan und teilweise auch der EU.

Die Kriegsablehnung oder zumindest Skepsis gegenüber einem neuen Golfkrieg durchzog im Sommer alle Parteien und gesellschaftlichen Gruppen in Deutschland. Selbst die Wirtschaft und ihr nahestehende Gruppen und Parteien stimmten in den Chor der Kriegsskeptiker ein. Der Grund war weniger die Sorge um deutsche Investitionen im Irak – das hätte nur einzelne getroffen, und nach einem amerikanischen Sieg würden wohl auch deutsche Firmen ein Stück vom Kuchen abbekommen – als vielmehr die Furcht vor einem anhaltend hohen Ölpreis. Bereits im Golfkrieg 1990/91 war der Ölpreis in die Höhe geschossen. Bei einem kurzen Krieg ist das kein so großes Problem, aber ein längerer Krieg mit hohem Ölpreis würde unweigerlich die Weltwirtschaft in eine Krise ziehen. „Die Weltwirtschaft würde ein Militärschlag zweifellos hart treffen“, so die Investmentbank WestLB Panmure. Ein „Rückfall in die Rezession“ sei dann „wohl unvermeidlich“. Und Hans-Werner Sinn, Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung (Ifo), warnte, ein steigender Erdölpreis würde „zu realen Einkommensverlusten in der westlichen Welt“ führen, „die Konsumenten geben weniger aus, und die Konjunktur erhält einen Dämpfer“.16

Anders liegen die Interessen der Russischen Föderation, die einen Krieg ebenfalls ablehnt. Russland kann mit der gegenwärtigen Situation – einem hohen Ölpreis auf dem Hintergrund eines drohenden Krieges – sehr gut leben, denn es will seine seit dem Ende der Sowjetunion zurückgegangene Ölproduktion von geschätzten 7,4 Millionen Barrel auf 12 Millionen erhöhen. Russland würde dann soviel Öl fördern wie Saudi-Arabien und Iran zusammen.17 Ein – durch den Krieg bedingt – steigender Ölpreis käme Russland als Ölproduzenten zwar gelegen. Nach einem Krieg aber droht der Ölpreis zu verfallen, wenn der Irak ins Ölgeschäft zurückkehrt. Das würde Russlands Anstrengungen zum Wiederaufbau der eigenen Ölproduktion gründlich torpedieren.

Im Kriegsfall entscheidend ist deshalb, ob die OPEC gewillt ist, den Ölpreis unter der als kritisch erachteten Marke von 30 Dollar pro Barrel zu halten. Bei ihrem Treffen am 18. September im japanischen Osaka verständigte sich die Organisation auf eine Politik der Preisstabilität. „Wir werden auf Engpässe reagieren, ganz gleich was das Ereignis oder die Ursachen sind“, so der saudische Ölminister Ali el Nuaimi.18 Im Oktober erhöhten die OPEC-Länder die Fördermenge um 2,7 Millionen Barrel pro Tag. Die Förderung des Irak hinzugerechnet lieferte die OPEC damit durchschnittlich 26,52 Millionen Barrel pro Tag. Vereinbart waren eigentlich 21,7 Millionen. Die Wirkung blieb nicht aus: Der Ölpreis fiel so stark, dass OPEC-Präsident Rilwanu Lukman an die Mitglieder des Kartells appellierte, die vereinbarten Förderquoten wieder besser einzuhalten. Gleichzeitig bekräftigte er nochmals, dass das Kartell im Kriegsfall den Preis stabil halten werde.19

Halten Saudi-Arabien und die OPEC den USA auf diese Weise den Rücken frei, so dürfte die Kriegsablehnung in Europa, und vor allem in Deutschland, schwächer werden. Ein Beispiel ist ein Bericht der Deutschen Bank. In »Globale Trends bis zum Jahresende« rechnen ihre Ökonomen mit einem Krieg zwischen November 2002 und Februar 2003 und mit einem schnellen Sieg der USA. Daher komme es Anfang 2003 zu einer „kräftigen Zulage bei den US-Investitionen“. Der Ölpreis würde nur kurz steigen, weil andere Länder erklärt hätten, Produktionsausfälle zu kompensieren, und „[e]in Krieg ist an den Ölmärkten bereits weitgehend eingespeist.“ Nach dem Krieg rechnen die Wirtschaftsexperten mit einer höheren Ölproduktion im Irak und infolgedessen einer Schwächung der OPEC.20

Wie allen Industrieländern geht es auch der Bundesrepublik bei einem Irakkrieg um das Öl und seinen Preis. Geht man von einen schnellen Sieg der Amerikaner aus und davon, dass nur etwas vom Kuchen abbekommt, der auch bereit ist militärisch mitzumischen, dann ist zu befürchten, dass die rot-grüne Bundesregierung ihr Wahlversprechen bricht, sich nicht an einem Krieg zu beteiligen. Hierfür gibt es – unterhalb der Grenze des direkten Einsatzes von Bundeswehrsoldaten im Krieg – einige Optionen. Das beginnt bei den Spürpanzern, die in Kuwait stationiert sind und trotz US-amerikanischem Aufmarsch am Golf nicht zurückgezogen werden, das betrifft die Nutzung der amerikanischen Militärbasen in Deutschland und schließlich auch die deutschen Soldaten in den Awacs-Aufklärungsflugzeugen der NATO.

Anmerkungen

1) Vgl. UNICEF: Results of the 1999 Iraq Child and Maternal Mortality Surveys, http://www.unicef.org/reseval/iraqr.html

2) Im Internet als Video in Ausschnitten zu finden, z.B. unter http://home.attbi.com/~dhamre/docAlb.htm

3) Zit. n. Phil Hirschkorn: Bomber’s defense focuses on U.S. policy on Iraq, in: CNN, 4.6.01, http://www.cnn.com/2001/LAW/06/04/embassy.bombings.02/

4) Vgl. Dan Morgan/David B. Ottaway: In Iraqi War Scenario, Oil Is Key Issue, in: Washington Post, 15.9.2002.

5) Ebd.

6) Die Washington Post ordnet die verschiedenen irakischen Oppositionsgruppen verschiedenen Teilen der US-Regierung zu. Vgl. Karen DeYoung and Daniel Williams: Training of Iraqi Exiles Authorized, in: Washington Post, 19.20.2002.

7) Vgl. ebd.

8) Vgl. David E. Sanger/Eric Schmitt: U.S. Has a Plan to Occupy Iraq, Officials Report, in: New York Times, 11.10.2002.

9) Vgl. Timothy J. Burger: Postwar Iraqi oil plan, in: NY Daily News, 10.10.2002, http://www.nydailynews.com/news/story/25815p-24406c.html

10) David E. Sanger/Eric Schmitt, a.a.O..

11) Vgl. Jürgen Wagner: Kontrolle ist besser, in: analyse und kritik, Nr. 464, 16.8.2002, http://www.imi-online.de/download/IMI-Analyse-02-52-akIrak.pdf

12) Vgl. Dirk Eckert: Alliierte und ein Rennpferd für den Frieden, in: Telepolis, 6.9.2002.

13) Rainer Hermann: Der Irak, die Opec und das Öl, in: FAZ, 2.9.2002.

14) Don’t mention the O-word, in: Economist, 12.9.2002.

15) http://www.bp.com/downloads/1090/oil.pdf

16) Kriegsgefahr belastet deutsche Wirtschaft, in: Welt am Sonntag, 15.9.2002.

17) Vgl. Rainer Hermann: Der Irak, die Opec und das Öl, in: FAZ, 2.9.2002.

18) OPEC will im Kriegsfall umgehend auf Öl-Knappheit reagieren, afp, 19.9.2002.

19) Vgl. Ölpreis stabilisiert sich, in: Süddeutsche Zeitung, 11.11.2002.

20) Vgl. Hermannus Pfeiffer, Krieg hilft der Wirtschaft, in: taz, 31.10.2002, S. 10.

Dirk Eckert ist Politikwissenschaftler, freier Journalist und Beirat der Informationsstelle Militarisierung.

Antiterrorkampf – Ja! Irakrieg – Nein!

Antiterrorkampf – Ja! Irakrieg – Nein!

Gernot Erler im Interview mit Tobias Pflüger

von Gernot Erler und Tobias Pflüger

Im Bundestagswahlkampf gab es ein für Viele überraschend deutliches Nein der Bundesregierung zu einer Beteiligung an einem US-Krieg gegen den Irak. Nach der brüskierenden Reaktion der Bush-Regierung stellt sich die Frage, ob die deutsche Regierung diese Position einhalten kann, oder ob es zu einer indirekten Beteiligung kommt oder die Bundesrepublik bereit ist, an Stelle einer direkten Kriegsteilnahme, an anderem Ort den USA den Rücken frei zu halten. Tobias Pflüger befragte am 21. November den für internationale Politik zuständigen stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Gernot Erler, der nach dem Natokrieg gegen Jugoslawien forderte, dass dieser Krieg kein Präzedenzfall werden dürfe.

Tobias Pflüger: Die Vorbereitungen für einen Krieg gegen den Irak laufen auf Hochtouren und es sieht alles danach aus, dass die US-Administration diesen Krieg auch führen will. Was sind Ihrer Ansicht nach die Gründe?

Gernot Erler: Die Gefahren, die aus Bagdad kommen, werden in den Vereinigten Staaten unter dem Begriff Terrorismus eingeordnet. Während in Europa befürchtet wird, dass eine kriegerische Auseinandersetzung im Nahen Osten die Gefahren durch den Terrorismus noch erhöhen könnte, statt sie zu verringern.

T. P.: Was halten Sie von der These, nach der es der US-Regierung um eine Durchsetzung eines Hegemonialanspruches und den Zugang zu Öl geht?

G. E.: Ich halte solche aus alten Imperialismustheorien abgeleitete Analysen solange für entbehrlich, solange man andere, näher liegende Erklärungen für die amerikanische Politik bringen kann.

T. P.: Aber selbst in der »Washington Post« wird die Frage nach Zugang zum Öl ganz offen diskutiert.

G. E: Ja, aber der ganze Aufbau der neuen amerikanischen Doktrin, z. B. auch in der »State-of-the-Union-Rede« des amerikanischen Präsidenten vom 29. Januar dieses Jahres, mit der Auflistung der »Achse des Bösen«, darunter auch der Iran und Nordkorea, weisen eigentlich in eine andere Richtung.

T. P.: Bleibt es bei der Ablehnung des Irakkrieges durch die Bundesregierung und durch die SPD?

G. E: Es bleibt bei der klaren Aussage, dass Deutschland sich an einem Irakkrieg nicht beteiligen wird. Das hat der Bundeskanzler eben noch mal auf dem NATO-Gipfel in Prag wiederholt.

T. P.: Jetzt wird ja ein Unterschied gemacht zwischen einer aktiven Beteiligung und einer indirekten Beteiligung. Was sagen Sie dazu?

G. E: Ich kenne niemanden, der diesen Unterschied macht. Es gibt eine klare Aussage Deutschlands zu dem Irakkrieg, aber gleichzeitig die Bereitschaft, zusätzliche Verantwortung im Kampf gegen den Terrorismus zu übernehmen, z. B. in Afghanistan, das ist konsequent. Wir sind ein verlässlicher Partner im Kampf gegen den Terrorismus, der auch militärisches Engagement einschließt, aber den Schwerpunkt auf politische, ökonomische und humanitäre Maßnahmen legt.

T. P.: Handelt es sich dabei nicht um Kompensationsleistungen?

G. E: Nein, diese Prioritätensetzung entspricht unserer Analyse. Wenn z.B. Afghanistan nicht zu einem Erfolgsfall wird und dort die Taliban und Al Qaida zurückkehren, die ja gegenwärtig versuchen, sich zu reorganisieren, dann wäre das eine viel gefährlichere Entwicklung als alles andere. Deswegen ist es konsequent und nicht etwa Substitution, sich dort zu engagieren.

T. P.: Das hat den Effekt, dass die Bundesrepublik nach den USA am zweitmeisten Soldaten im Auslandseinsatz hat. Sind bei diesem starken Engagement auch eigene Interessen im Spiel?

G. E: Nein, dieser Einsatz entspricht unserem Gesamtverständnis von Sicherheitspolitik. Der allergrößte Teil dieser Soldaten, nämlich 7.700, sind auf dem Balkan stationiert. Dort hat Europa die Aufgabe, weitere blutige Konflikte zu verhindern und die Region nach mehreren blutigen Konflikten zu stabilisieren, also regionale Sicherheit und regionale Stabilität zu organisieren. Wir glauben, dass weltweit solche Maßnahmen die Entstehung von Terrorismus eindämmen könnten.

T. P.: Der Richter am Bundesverwaltungsgericht Dieter Deiseroth hat in einer Analyse, die in der Frankfurter Rundschau veröffentlicht wurde, festgestellt, die Bundesregierung bewege sich, wenn sie einen Irakkrieg – durch die Gewährung von Überflug und Transitrechten – indirekt unterstützt, „am Rande eines Verfassungsbruchs“. (siehe Artikel in dieser Ausgabe von W&F: Dieter Deiseroth, US-Stützpunkte in Deutschland im Irak-Krieg – Zur geltenden Rechtslage, die Red.)

G. E.:Ich schätze die Arbeit von Herrn Deiseroth sehr, aber das Problem ist, dass wir im Augenblick Details von eventuellen amerikanischen Wünschen nicht kennen. Die Bundesregierung hat allerdings schon erklärt – im Zusammenhang mit den vorgetragenen Wünschen in Prag –, dass sie natürlich eine genaue Prüfung gerade dieser Aspekte vornehmen will. D. h. es müssen drei Dinge untersucht werden: Die Verfassungsfragen und die völkerrechtlichen Fragen und natürlich auch die Bündnisverpflichtungen. Dabei kann es passieren, dass die Bündnisverpflichtungen und die rechtlichen Fragen kollidieren. Deswegen ist eine sorgfältige Prüfung jedes konkreten Wunsches der amerikanischen Seite notwendig und genau dies hat die Bundesregierung angekündigt.

T. P.: Und was ist mit den derzeit schon laufenden Transporten? Über Ramstein, Spangdahlem und die Frankfurt Airbase – da habe ich es selber gesehen – werden gegenwärtig Soldaten und Kriegsmaterial transportiert, ganz offensichtlich in den Großbereich um den Irak.

G. E: Es ist völlig außerhalb der Möglichkeit der Bundesregierung, zu prüfen, zu welchen Zwecken die amerikanische Seite militärische Güter hin- und hertransportiert in einer Phase, in der sie sich nicht in einem Kriegszustand befindet. Das können genau so gut Materialien für Übungen sein oder für den normalen Austausch von Personal. Die Bundesregierung kann deshalb unmöglich, zu einem Zeitpunkt zu dem es noch keine kriegerischen Auseinandersetzungen gibt, den Hintergrund von solchen Flügen im Einzelnen untersuchen. Eine Verpflichtung dazu dürfte sich auch nicht aus der Verfassung oder dem Völkerrecht ergeben.

T. P.: Die Transporte haben ja sichtbar zugenommen. Gab es denn eine Anfrage bei der US-Regierung, was da so umfangreich transportiert wird?

G. E.: Davon ist mir nichts bekannt.

T. P.: Das wäre aber doch interessant oder würden Sie sagen, das kann man einfach so lange hinnehmen, solange der Krieg nicht läuft?

G. E.: Ich will noch einmal sagen, es gibt alle möglichen Bewegungen, die man beobachten kann. Die kann man aber genauso deuten als Aufbau eines Drohpotenzials, das möglicherweise die Durchsetzung einer UN-Resolution unterstützt und ihr Nachdruck verleiht. Im Falle einer Anfrage könnte es auch gut sein, dass da überhaupt nichts zu beanstanden wäre. Insofern sind Spekulationen darüber, ob es sich bereits um Vorbereitungen auf einen Krieg handelt, zwar ganz normal im politischen Raum, aber Sie sprechen hier ja von einer rechtlichen Wertung und da helfen Spekulationen oder Wertungen meines Erachtens nicht weiter.

T. P.: Am 15. November hat der Bundestag mit 573 zu 11 Stimmen bei 5 Enthaltungen den Einsatz von »Enduring Freedom« verlängert. Eingeschlossen in »Enduring Freedom« sind ABC-Abwehrsoldaten in Kuwait, Soldaten des »Kommando Spezialkräfte« (KSK) in Afghanistan, die Marine am Horn von Afrika und eine Reihe weiterer Einheiten. Peter Struck hatte ja während des Wahlkampfes versprochen, dass bei Beginn eines Krieges die ABC-Abwehrsoldaten aus Kuwait abgezogen werden sollen. Vor dem Bundestagsbeschluss wurde das wieder rückgängig gemacht und Joschka Fischer hat erklärt, es gehe um eine langfristige Stationierung. Es ist innerhalb von Militärexperten relativ unstrittig, dass die in Kuwait stationierten Kräfte bei einem Krieg gegen den Irak, einbezogen würden. Donald Rumsfeld meint, wenn es Zweifel gäbe, ob man diese ABC-Abwehrsoldaten da haben will, soll man sie doch einfach abziehen, bevor sie nur rumstehen. Ist Ihre Position nach wie vor die eines Abzugs dieser ABC-Abwehrsoldaten oder gibt es für Sie keinen Zusammenhang mit dem Irakkrieg?

G. E.: Der Bundestag hat eindeutig, schon bei seinem ersten Beschluss zu »Enduring Freedom«, die Grenzen gezogen und Bedingungen formuliert für die deutsche Beteiligung an »Enduring Fre edom«. Dazu gehört eine wasserdichte geographische Abgrenzung, die deutschen Soldaten im Kontext von »Enduring Freedom« dürfen nur in Afghanistan eingesetzt werden oder in einem Land, das ausdrücklich zustimmt. Sie dürfen keinen anderen Auftrag wahrnehmen, als eben eine Beteiligung an dieser Mission »Enduring Freedom«, die eine Antiterrormaßnahme ist, gegen die Täter des 11. September, ihre Organisation Al Qaida und die ehedem in Afghanistan die Regierung stellenden Taliban, die diese Organisation geschützt haben. D. h. schon von der Verfassung her ist ein Einsatz von Soldaten, die sich an »Enduring Freedom« beteiligen, an einer anderen Mission oder in einem anderen Szenario, z. B. an einem Irakkrieg, nicht möglich, bzw. erst dann möglich, wenn dies ausdrücklich vom deutschen Bundestag beschlossen würde. Was die ABC-Soldaten in Kuwait angeht, wird das gelegentlich dramatisiert. Tatsächlich stehen im Augenblick 6 Fahrzeuge, also diese Spürpanzer Fuchs, dort vor Ort, die von ca. 50 Soldaten gewartet, aber nicht eingesetzt werden können. Die Bedienungsmannschaften sind in einer so genannten 72-Stunden-Bereitschaft in Deutschland stationiert und müssten, wenn es zu einem Einsatz kommt, nach Doha transportiert werden. Das würde nur passieren, wenn ein Einsatz im Rahmen von »Enduring Freedom« in Frage käme und wenn es ein entsprechendes Ersuchen zum Einsatz dieser Panzer mit Labors gibt. Die Spürpanzer Fuchs, die die Möglichkeit haben, die Nutzung von B- oder C-Waffen zu analysieren und in einem begrenzten Umfang zur Dekontaminierung beizutragen, würden nur auf Anfrage in Zusammenhang mit der Mission »Enduring Freedom« eingesetzt. Insofern ist diese immer wieder beschworene Gefahr einer so genannten »mission creep«, also einer schleichenden Verwandlung eines Auftrags in einen anderen, kontrollierbar und begrenzbar. Es gibt insofern im Augenblick auch kein Schutzbedürfnis etwa, was den Abzug unserer Soldaten aus der Region erforderlich machen würde.

T. P.: Wenn das die Sachlage ist, warum hat dann Peter Struck im Wahlkampf gesagt, dass sie im Kriegsfall abgezogen werden müssen?

G. E.: Das muss man ihn selber fragen, was er damit gemeint hat, ich kann das schlecht für ihn beantworten. Aber es ist vielleicht dahinter der Wunsch gewesen, deutlich zu machen, dass es natürlich eine Vermischung von diesen beiden Aufgaben nicht geben kann und auch nicht geben darf, dass weder die Verfassung das zulässt, noch das Schutzgebot gegenüber den deutschen Soldaten. Es spielt inzwischen sicher auch eine Rolle, dass ein Abbruch zum jetzigen Zeitpunkt einen falschen Eindruck erwecken könnte. Den Eindruck nämlich, dass Deutschland nicht mehr bereit sei, in dem Umfang wie bisher verlässlicher Partner im Antiterroreinsatz zu sein. Aber gerade unsere Kontinuität in der Mitwirkung bei Maßnahmen, z. B. gegen Al Qaida und gegen die Restbestände der Taliban, sie macht den Unterschied klar, was das Nein zu einem Irakkrieg angeht. Es ist die Überzeugung der deutschen Politik, dass ein möglicher Irakkrieg Schaden anrichten wird bei der Bekämpfung des Terrorismus. In unserer Analyse könnte ein solcher Irakkrieg zur weiteren Rekrutierung von Terroristen führen und die Gefahr erhöhen, dass es zu neuen Aktivitäten von der Art des 11. September kommt. Die Konsequenz ist, dass man da, wo es sich eindeutig um Antiterroraktionen handelt, ein verlässlicher Partner bleibt, und das ist sicherlich auch ein Hintergrund dafür, dass Peter Struck heute die Auffassung vertritt, dass ein Abzug der Fuchs-Fahrzeuge aus Kuwait einen missverständlichen Eindruck hinterlassen könnte.

T. P.: Eine abschließende Frage zu diesen ABC-Abwehrsoldaten: Wenn der Irakkrieg los geht – die bisherigen Planungen sehen ja so aus – was passiert dann mit den Panzern? Bleiben diese dort?

G. E.: Im Falle eines Irakkriegs würde erst mal kein unmittelbarer Handlungszwang gegeben sein. Auch dann wäre die Reaktion eines demonstrativen Abzugs dieser sechs Fahrzeuge nicht angezeigt. Allerdings hat die Bundesregierung mehrfach darauf hingewiesen, dass sie eben nur im Sinne und im Rahmen des Mandates von »Enduring Freedom« eingesetzt werden können. Das würde z. B. heißen, dass ein Einsatz in dem Kuwait benachbarten Irak nur nach einer erneuten Befassung des Bundestags und mit der entsprechenden parlamentarischen Legitimation möglich wäre.

T. P.: Das im Rahmen von »Enduring Freedom« eingesetzte KSK (Kommando-Spezial-Kräfte) hat kurz vor Verlängerung des Mandates einen eigenen Einsatzsektor zugewiesen bekommen. Bisher war das ja so, dass sie nur in einer ersten Phase im Einsatz waren, und da stellen sich jetzt politische und auch rechtliche Fragen. Es gab mal ein Gutachten des Außen-, Innen- und Justizministeriums, das besagt, wenn die KSK-Soldaten Al Qaida Kämpfer jagen und gefangen nehmen, dass es dann juristisch hochproblematisch ist, wenn sie diese Gefangenen an die US-Soldaten abgeben, da in US-Gefangenschaft ein großer Teil der Häftlinge nicht als Kriegsgefangene behandelt und somit gegen das Kriegsvölkerrecht verstoßen wird. Wenn es einen eigenen Einsatzsektor gibt, stellt sich damit die Frage nach einem deutschen Kriegsgefangenenlager. Kommt es dazu und wie ist genau dieser Einsatz des KSK geplant?

G. E.: Bekanntlich sind die Einzelheiten des KSK-Einsatzes geheim zu halten aus Schutzgründen. Aber es ist ja bekannt, dass bisher die deutsche KSK-Einheit vor Ort keine Festnahmen vorgenommen hat. Also in der ganzen Zeit von »Enduring Freedom« gibt es keine Festnahme, und es ist auch nicht vorgesehen, dass es in Zukunft zu solchen Aktionen kommt. Die Hauptaufgabe dieser Spezialkräfte hat sich verändert: Wir haben es jetzt mit so genannten Restaktivitäten von Al Qaida-Verbänden und mit gewissen Reorganisationsbemühungen von Taliban-orientierten Gruppen zu tun. Das alles in einem sehr unwegsamen Gelände, vornehmlich an der pakistanisch-afghanischen Grenze. Die in dieser Region verbleibenden Spezialkräfte – auch aus anderen Ländern – nehmen vor allem die Aufgabe wahr, Bewegungen gegnerischer Kräfte zu beobachten und zu analysieren. Der Fall, dass Gefangene gemacht wurden und dann die Entscheidung anstand, was mit diesen passiert, ist in der ganzen heißen Phase des Kampfes gegen Al Qaida für das deutsche KSK nicht aufgetaucht, und deswegen ist es eher unwahrscheinlich, dass sie in der jetzigen Phase, auftaucht.

T. P.: Nach den Aussagen von Rudolf Scharping (als er noch Verteidigungsminister war, die Red.), die ja auch in den Medien wiedergegeben wurden, haben die KSK-Soldaten auch an Kampfhandlungen in vorderer Linie teilgenommen. Trifft das zu?

G. E.: Dazu kann ich keine Stellung nehmen aus den besagten Gründen der Geheimhaltung. Ich habe bisher nur Informationen weitergegeben, die bereits öffentlich gemacht worden sind.

T. P.: OK. Der dritte Bereich im Rahmen von »Enduring Freedom«, der – sagen wir mal – eine neue Dimension bekommen hat, ist der Einsatz der Marine am Horn von Afrika. Bisher war das »ein relativ ruhiger Einsatz«. Durch die Region, in der die Marine stationiert ist, werden aber jetzt eine ganze Reihe von Transporten so genannter »Hochwertfahrzeuge« laufen, Schiffe der US-Marine usw. Das macht natürlich den Einsatz um ein vielfaches gefährlicher. Haben die Bundeswehrsoldaten jetzt die Aufgabe, die entsprechenden Soldaten der US-Armee oder der britischen Armee zu begleiten und zu schützen oder was ist eigentlich die konkrete Aufgabe?

G. E.: Diese Aufgabe haben sie ausdrücklich nicht, denn auch hier gelten natürlich ausschließlich die Aufgaben von »Enduring Freedom« und die bestehen vor allen Dingen in der Kontrolle und der Registrierung von Schiffsbewegungen. Es gilt sicherzustellen, dass hier keine Schiffsbewegungen stattfinden, die eventuell unter der Kontrolle von Terroristen stehen, die Anschläge verüben könnten auf andere Schiffe. Beispiele dafür gibt es, wie der versuchte Anschlag auf den Tanker Limburg vor der jemenitischen Küste.

T. P.: Das heißt ein Geleitschutz ist nicht vorgesehen?

G. E.: Ein Geleitschutz ist nicht vorgesehen. Und es wird auch dazu nicht kommen, weil das nicht zu dem Auftrag von »Enduring Freedom« gehört.

T. P.: Abschließend noch eine Frage zum Nato-Gipfel…

G. E.: …ich würde gerne auch ungefragt noch etwas sagen.

T. P.: Bitte!

G. E.: Sie haben sehr detailliert zum KSK, zu Kuwait und zur Marine gefragt. Ich finde, ein bisschen unter geht dabei, dass nach wie vor der deutsche Beitrag zu »Enduring Freedom« erstens ein sehr begrenzter ist, was man schon daran sehen kann, dass von 3.900 als Obergrenze festgelegten Soldaten zur Zeit nicht mehr als 1.200 im Einsatz sind. Im Vergleich: Auf dem Balkan sind bis zu 7.700 Bundeswehrsoldaten im Einsatz. Das ist nur ein Teilaspekt im Verhältnis zu den anderen Aufgaben, die von Deutschland wahrgenommen werden, etwa bei der humanitären Hilfe oder etwa bei der ISAF, also dem Schutz der afghanischen Übergangsregierung, oder bei dem Wiederaufbau Afghanistans, mit der besonderen Rolle Deutschlands bei der Polizeiausbildung, beim Wiederaufbau eines Bildungswesens. Dort liegt der eigentliche Schwerpunkt der deutschen Beiträge im Kampf gegen den Terrorismus.

T. P.: Aber nicht finanziell.

G. E.: Doch, doch, auch finanziell.

T. P.: Gerhard Schröder nannte die Summe von 1,7 Mrd. € für alle Auslandseinsätze.

G. E.: In dem Bundestagsbeschluss steht eine Größenordnung von 307 Mio., die möglicherweise dieser Einsatz in einem Jahr kostet, ISAF eingerechnet. Wir haben schon weitaus mehr in den anderen Bereichen ausgegeben, und auch weitaus mehr Zusagen gemacht. Der Beitrag der Deutschen zu »Enduring Freedom« nimmt ganz überwiegend defensive Aufgaben war, in einem Umfang weit unter dem, was der Bundestag als Obergrenze gesetzt hat. Die eigentlichen deutschen politischen Prioritäten liegen aber ganz bewusst auf dem Post-Taliban-Prozess, auf dem Wiederaufbauprogramm im Rahmen des Stabilitätspakts Afghanistan und natürlich auch in dem Rahmen der Unterstützung und des Schutzes der afghanischen Interimsregierung.

T. P.: Das würde sich jetzt lohnen zu diskutieren. Aus Zeitgründen aber zurück zu meiner Frage: Beim Nato-Gipfel sind eine ganze Reihe von Fragen auf der Tagesordnung, u. a. die Frage einer eigenständigen Nato-Interventionstruppe…

G. E.: …der »Nato Response Force«.

T. P.: Ja, der Nato Response Force. Jetzt ist selbst bei der Nato formuliert worden, dass man ein bisschen Konkurrenz sieht zu der im nächstes Jahr einsatzbereiten – so ist es geplant – Truppe der Europäischen Union. Wie ist das mit den jeweiligen Kapazitäten? Stellt die Bundeswehr jeweils für die Nato-Truppe und für die EU-Truppe eigenständige Einheiten bereit?

G. E.: Nein, das werden in der Regel auch die anderen europäischen Nato-Staaten nicht tun. Das würde die Kapazitäten der europäischen Nato-Mitglieder übersteigen. Das Ziel ist eindeutig die Vermeidung von Dopplung und die Vermeidung von Parallelstrukturen. Es ist mehrfach klar gestellt worden, das Ganze geht nur in der Parallelität zu diesen so genannten »European Headline Goals«. Die »Rapid Reaction Force« der EU im Umfang von 60.000 Mann und die »Nato Response Force« mit 21.000 Mann werden nur funktionieren, wenn das so genannte »Single Unit System« eingeführt wird, d. h. es sind dann dieselben Einheiten, die für beide Aufgaben vorbereitet sind und die auch die gleichen Kommando-, Kontroll- und Intelligence-Fähigkeiten nutzen.

T. P.: Es ist ja im Rahmen des Nato-Gipfels von US-Seite vorgeschlagen worden, dass so was ähnliches wie die »National Security Strategy«, also die Bush-Doktrin, für die Nato gelten soll. Wolfgang Schäuble hat jetzt im Bundestag das Gleiche vorgeschlagen, man solle sich die Kernelemente dieser Strategie zu eigen machen, z. B. sogenannte Präventivkriege. Die Bundesregierung hat bisher keine Position bezogen. Wurde da der Nato-Gipfel nur abgewartet?

G. E.: Die Nato hat auf dem Prager Gipfel ein ganzes Stück Arbeit geleistet, sieben neue Mitglieder aufgenommen, Aufträge vergeben zur Vorbereitung zu dieser »Response Force« und auch noch eine Resolution verabschiedet, die sich voll und ganz hinter die UNO-Resolution in Sachen Irak stellt. Ich kann nicht erkennen, dass hier auch eine Strategiedebatte geführt wurde. Die Nato hat sich ja erst auf ihrem letzten Gipfel ausführlich mit der eigenen Strategie beschäftigt. Ich denke schon, dass jede Änderung der amerikanischen Doktrinen eine mittelfristige Auswirkung auf die Strategiedebatte der Nato hat. Es wird eine Auseinandersetzung geben in der internationalen »Defence Community«, also den Leuten, die sich mit Sicherheit und internationaler Politik weltweit beschäftigen. Eine einfache Übernahme dieser Doktrin, die übrigens eine sehr amerikanische Doktrin ist und also so eins zu eins gar nicht Nato-Doktrin werden könnte, steht nicht zur Debatte. Hindernisse, wie der Parlamentsvorbehalt in Deutschland, würden das sowieso ausschließen, aber das ist eher eine Einzelheit in diesem Kontext. Dementsprechend ist auf dem Prager Gipfel auch nichts in dieser Richtung beschlossen worden. Vielleicht gab es am Rande des Gipfels Gespräche zu diesem Thema.

T. P.: Also mittelfristig kommt das?

G. E.: Mittelfristig wird die Debatte kommen. Aber die Debatte wird nicht damit enden, dass die Nato die Doktrin der Amerikaner übernehmen wird. Die Debatte kann genauso gut dazu führen – auch im Lichte der Ereignisse der nächsten Monate –, dass eine völlig andere Diskussion stattfindet. Es gibt in dieser neuen US-Doktrin übrigens auch einige sehr interessante, multilateral ausgerichtete Punkte. Auch zeigt der Vorschlag der Amerikaner, eine »Nato Response Force« zu schaffen, dass Amerika sich wieder stärker auf multilaterale Strukturen und damit auch multilaterale Diskussionen einlässt. Insofern bietet er die Möglichkeit, nun im künftigen Rahmen von 26 Mitgliedern Strategien zu diskutieren. Das ist besser als Alleingänge, vor denen Deutschland immer gewarnt hat.

T. P.: Herr Erler, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

Gernot Erler, Mitglied des Deutschen Bundestages seit 1987, dort ist er stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, verantwortlich für Außenpolitik, Sicherheitspolitik, Menschenrechte und Entwicklungspolitik. Tobias Pflüger ist Redakteur von W&F und im Vorstand der Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.

Großbritannien: Wachsender Widerstand gegen Kriegsbeteiligung

Großbritannien: Wachsender Widerstand gegen Kriegsbeteiligung

von Ian Martin

Es sind britsche Flugzeuge, die seit über 10 Jahren an der Seite der US-Luftwaffe den Irak bombardieren. Und es ist Tony Blair, der nie einen Zweifel daran aufkommen ließ, dass er auch im Falle eines neuen Krieges gegen den Irak an der Seite der USA sein Militär einsetzen würde und der Wert darauf legt der loyalste Partner Bushs zu sein. Doch in der britschen Öffentlichkeit wächst der Widerstand. Im Oktober kam es zur bisher größten Demonstration der britischen Friedensbewegung und die nächsten Aktionen sind bereits angekündigt.
Die Anti-Kriegsbewegung steht hauptsächlich unter dem Dach der »Stop The War Coalition« (STWC). 400.000 Teilnehmer demonstrierten am 28. September in London. Zusätzlich kam es an dem von dem Labour-Veteranen Tony Benn ausgerufenen und von STWC koordinierten Aktionstag gegen den Irak-Krieg zu kreativen Protestaktionen im ganzen Land. Für den 15. Februar sind Vorbereitungen für erneute Großdemonstrationen im Gange.

Die Friedens- und die Antikriegsbewegung hat die Stimmung in der Öffentlichkeit bereits jetzt stark beeinflusst. Nach einer Meinungsumfrage vom Oktober unterstützen nur noch 31 Prozent der Bevölkerung einen Krieg gegen den Irak. Dass in den letzten Wochen keine weitere Umfrage in Auftrag gegeben wurde, spricht für sich. Mittlerweile ist auch der Tenor der meisten Leitartikel in der Mainstream-Presse stark skeptisch bis offen gegen einen Krieg.

In Ergänzung dieser Aktionen hat jetzt die »Campaign for Nuclear Disarmament« eine eigene Initiative gestartet. Sie hat eine Klage eingereicht, die nach ihrer Aussage zwar nicht die Invasion der Amerikaner im Irak aufhalten, vielleicht aber die Beteiligung Großbritanniens stoppen könnte.

Zum Verständnis: Die CND ist die führende Organisation in der britischen Friedensbewegung. Sie wurde 1958 gegründet, insbesondere mit dem Ziel »die Bombe zu bannen«. Einige Aktionsformen der frühen Jahre ragten besonders hervor (und hatten u.a. auch einen großen Einfluss auf die Ostermarschbewegung der 60er Jahre in der Bundesrepublik, d.R.). Dazu zählen die Aldermaston-Märsche, die Sit-Down-Proteste und die Massenfestnahme der Gruppe, die »Kommittee der 100« genannt wurde.

Die CND übersandte jetzt Premierminister Tony Blair, Außenminister Jack Straw und Verteidigungsminister Geoff Hoon ein Rechtsgutachten der Kronanwälte Rabinder Singh und Charlotte Kilroy.

Dieses Rechtsgutachten besagt, dass die UN-Sicherheitsratsresolution 1441 nicht den Einsatz von Gewalt rechtfertigt und dass das Vereinigte Königreich internationales Recht bricht, wenn es gegen den Irak Gewalt einsetzt, ohne dass eine weitere Resolution des UN-Sicherheitsrates vorliegt.

Um zu verstehen, warum diese Klageandrohung für den CND ein wichtiges Mittel ist, um Blairs-Kriegsbeteiligung zu vereiteln, ist es nötig einen Blick auf die Menschen neben ihm zu werfen:

  • Da ist Peter Hain, als Kabinettsminister zuständig für Wales und möglicherweise nach Blair nächster Labour-Spitzenmann. Er ist Mitglied im CND.
  • Da ist Robin Cook. Der Vorsitzende des Unterhauses sagt Journalisten »off the record« seine Meinung über diesen Krieg und unterstützt die Anliegen des CND immer noch.
  • Oder nehmen wir Ben Bradshaw. Der stellvertretende Vorsitzende des Unterhauses kam über die CND zu Labour.

Für mich ist Ben typisch für die Regierungsmitglieder, die nun in hohen Positionen sind und in der Vergangenheit Friedensaktivisten waren. Ihre Karriere bindet sie an Blair, der nie etwas anderes war als ein rechter Karrierist (obwohl seine politische Identität oft absichtlich vermischt wird mit den offen demokratisch-sozialistischen Ansichten seiner Frau). Diese Spitzenpolitiker von Labour möchten einen Weg finden, um mit ihrem Gewissen ins Reine zu kommen, gleichzeitig möchten sie aber auch ihren Job behalten. Die CND-Klage bietet ihnen den Kompromiss, sie ermöglicht ihnen zu sagen: „Wir würden Ihnen ja gern zum Irak folgen, Herr Bush, aber als eine Regierung, die internationale Friedensverträge unterzeichnet hat und die die Herrschaft des Internationalen Rechts respektiert, können wir es nicht. Auch wenn wir unzählige UN-Konventionen, Verträge und Resolutionen unterzeichnet und nicht beachtet haben, diese Resolution 1441 reicht nicht zur Rechtfertigung eines Krieges.“

Natürlich erwarten wir nicht wirklich, dass diese Regierung, die aus lauter Anwälten besteht, sofort nach einem Gerichtsbeschluss umkippt. Aber es ist ein wichtiger Schritt, der die Differenzen vergrößern kann.

Wir halten diesen Krieg für völlig unmoralisch, unlogisch und illegal. Wir sind der Ansicht, dass die britische Regierung internationales Recht nicht unterminieren darf. Und wir hoffen, dass unsere Aktion wenigstens einige der Labour-Spitzenpolitiker eines Besseren belehrt und somit dazu beiträgt, die Plattform für weitere Kampagnen gegen einen Irak-Krieg zu verbreitern und den Widerstand gegen die militärische Expansion der USA und gegen jegliche britischen Interventionspläne zu stärken.

Ian Martin ist Pressesprecher der britischen Campaign for Nuclear Disarmament
Übersetzung: Annette Hauschild

Vor der Wahl ist nicht nach der Wahl

Vor der Wahl ist nicht nach der Wahl

Bleibt es bei der Ablehnung des Irak-Krieges?

von Clemens Ronnefeldt

Montag, 23. September: Die Wahl ist gelaufen, Rot-Grün kann mit der knappsten Mehrheit in der Geschichte des Bundestages weiterregieren, die konservative Opposition wurde gestärkt, während die linke Oppositionskraft an der 5%-Hürde scheiterte und nur noch über zwei Direktmandate im Bundestag vertreten ist.

Noch Mitte August 2002, während der verheerenden Unwetter und der Flutkatastrophe, hatten die Menschen in weiten Teilen Ostdeutschlands und die rot-grüne Bundesregierung auf unterschiedliche Art und Weise eines gemeinsam: Beiden stand das Wasser bis zum Hals. Es gibt wohl keinen Zweifel, dass dann das Krisenmanagement der Regierung und die schnellen Hilfszusagen an die Hochwasseropfer vor allem im Osten für die SPD einen Aufwärtstrend einleiteten. Entscheidend aber dafür, dass Stoiber in wahrlich letzter Minute noch abgefangen wurde, war eine andere Frage – nämlich die Antikriegsposition. Die Haltung der beiden großen Parteien zum drohenden Irak-Krieg spielte in den letzten Wochen zunehmend die zentrale Rolle und überlagerte andere wichtige Themen wie Arbeitslosigkeit, Staatsverschuldung oder Gesundheitswesen.

Selten hat bei einer Bundestagswahl das Thema »Krieg« eine so herausragende Rolle gespielt. Wie die New York Times und das Magazin Newsweek berichteten, soll der US-Präsident bei seinem Deutschland-Besuch im Mai diesen Jahres Gerhard Schröder versprochen haben, einen möglichen Feldzug gegen den Irak erst nach dem 22.9.02 zu verkünden. Nachdem der US-Präsident jedoch bereits im August immer offener den Krieg propagierte, gingen Kanzler und Außenminister auf Distanz. Sie trugen der Antikriegsstimmung im eigenen Land Rechnung und konnten damit dem bereits verloren geglaubten Wahlkampf noch einmal eine Wende geben.

Zur Erinnerung: Auf die Emnid-(Um-)Frage: „Wie finden Sie es, dass Deutschland einen Einsatz der Bundeswehr bei einem US-Militärschlag gegen den Irak kategorisch ablehnt?“, stimmten am 12.8.02 bereits 67% der Befragten mit »richtig«, am 4.9.02 sogar 71%. Mit diesem eindeutigen »Friedensvotum« im Rücken trieb der Kanzler sogar Edmund Stoiber zu Aussagen, die diesem ohne Wahlkampf wohl nie über die Lippen gekommen wären.

Mit dieser Entscheidung punktete der Kanzler – im Kopf-an-Kopf-Rennen mit Stoiber – bei der Antikriegsposition vor allem auch im Osten und drückte damit gleichzeitig die PDS, die als einzige Partei in der letzten Legislaturperiode alle Militäreinsätze abgelehnt hatte, unter die 5%-Hürde.

Aus kriegskritischer Sicht ist ein weiteres Detail dieser Bundestagswahl von großem Interesse: Mit Hans-Christian Ströbele gewann in Berlin der erste Grüne ein Direktmandat. Angetreten war er als konsequenter Gegner von Bundeswehrkriegseinsätzen, das Direktmandat war seine einzige Chance, nachdem ihn die Partei bei der Listenaufstellung bewusst außen vor gelassen hatte.

Zweifel an der Durchhaltefähigkeit der Regierung

Ein altes Sprichwort sagt: Vor der Wahl ist nicht nach der Wahl. Manche Politiker wechseln sehr schnell die Position. Vor weniger als einem Jahr verkündete Gerhard Schröder die „Enttabuisierung des Militärischen“, rechtfertigte die Bombardierung Afghanistans mit den Worten: „Wir verteidigen unsere Art zu leben, und das ist unser gutes Recht“ (FR,17.10.01). Joschka Fischer ergänzte, dass Friedenspolitik „global »Zonen der Ordnungslosigkeit«“ (FR, 12.10.01) beseitigen müsse. Damit lagen beide nicht sehr weit von den Positionen Georg W. Bushs entfernt.

Woher kam der wahlentscheidende Denk-Umschwung? Von den Umfragewerten allein? Oder liegt es daran, dass die Bundeswehr für einen Irak-Krieg sowieso keine einsatzfähigen Truppen mehr hat? Bewog den Kanzler, dass bei einem Irak-Feldzug ein starker Ölpreisanstieg droht?

Noch während des Wahlkampfes korrigierte der Kanzler Gernot Erler und Hans-Ulrich Klose, die sich beide einen Krieg unter bestimmten Bedingungen vorstellen konnten. Auf die Frage allerdings, ob denn nun die Bundesregierung der US-Air Force die Überflugrechte im Falle eines Irak-Krieges konsequenterweise verweigern würde, reagierte Gerhard Schröder gereizt und ausweichend.

Auch der Außen- und der Verteidigungsminister ließen sich frühzeitig in Bezug auf eine Irak-Kriegsbeteiligung eine Hintertür offen. Joschka Fischer, indem er „einen mit militärischer Intervention herbeigeführten Regimewechsel“ ablehnte, diese Ablehnung aber mit der Einschränkung versah, das gelte bei „einer nichtveränderten Bedrohungsanalyse bezogen auf Irak.“ Verteidigungsminister Struck meinte mit ähnlichem Tenor: „Wenn der Irak sich tatsächlich aktiv im Bereich des Terrorismus beteiligt, ist das natürlich eine neue Situation.“

In den nächsten Wochen und Monaten wird sich beweisen, wie lang die Halbwertzeit der rot-grünen Kriegsablehnung tatsächlich ist. Richtet sich die Regierung nach ihren Wahlversprechen und nach der Dreiviertel-Mehrheit aller Deutschen, die einen Angriffskrieg gegen den Irak ablehnen, oder gibt sie dem Druck der US-Regierung nach, wenn diese zwar keine deutschen Soldaten, aber die Infrastruktur in Deutschland für einen völkerrechtswidrigen Krieg nutzen möchte?

Die äußerst knappe Regierungsmehrheit kann einerseits disziplinierend wirken; andererseits genügen aber auch schon wenige Abgeordnete, um einen Beschluss zur Kriegs-Unterstützung zu kippen – falls nicht die CDU/CSU und FDP wieder die Mehrheit beschaffen sollten. Ein verstärkter Druck von Seiten der Kirchen, Gewerkschaften, der Friedensforschung und von NGOs in Richtung Antikriegspolitik scheint dringend notwendig.

Clemens Ronnefeldt ist Referent für Friedensfragen beim deutschen Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes.

Zur Lage im Irak

Zur Lage im Irak

Was ich dem Präsidenten raten würde, wenn ich sein Berater wäre

von Hans von Sponeck

Sehr geehrter Herr Präsident,

Mitglieder des Nationalen Sicherheitsrates stimmen zunehmend in ihrer Einschätzung überein, dass nur ein militärischer Feldzug die Bedrohung beenden könne, die Saddam Hussein und seine Baath-Partei-Regierung für sein Volk, die Region und unsere nationale Sicherheit darstellen. Als Ihr Berater in außenpolitischen Fragen halte ich es für meine Pflicht, einen anderen Blickwinkel hinzuzufügen.

Der Sachverhalt

Früher waren sich die Regierungen im Nahen und Mittleren Osten über die Frage des Umgang mit dem Iraks uneins, heute sind sie sich einig in der Forderung nach einer politischen statt einer militärischen Lösung. Dick Cheney hat Sie anläßlich seiner jüngsten Reise in die Region darüber unterrichtet. Sie wissen, dass Kontinentaleuropa und Russland ähnliche Positionen eingenommen haben. Selbst die britische Labour Party ist in dieser Frage gespalten.

Sie stehen vor der Herausforderung, die Kräfte im Mittleren Osten zu unterstützen, die ein Ende der Konfrontation und eine Rückkehr zur politischen Stabilität anstreben. Es geht um Staatlichkeit für Palästina, die Schaffung eines Ausweges aus dem Irakkonflikt und die Einrichtung einer massenvernichtungswaffenfreien Zone im Mittleren Osten, in Übereinstimmung mit den Vorschlägen des UN-Sicherheitsrates von 1991.

Gründe für das Handeln

Aufgrund der Gewalt in Palästina und Israel und infolge der Wirtschaftssanktionen gegen den Irak hat das tägliche Leiden in dieser Region unvorstellbare Ausmaße erreicht. Vor kurzem haben Sie der internationalen Gemeinschaft versichert, dass Sie eine Beendigung dieser Leiden und dieser Ungerechtigkeit erreichen möchten. Ihre Erklärung vor der UNO-Konferenz in Monterrey, in der sie betonten, dass gleichzeitig mit dem Kampf gegen den Terrorismus auch die Ursachen für die Ungleichheit angegangen werden müssten, wurde weltweit begrüßt. Das gibt Ihnen nun die seltene Gelegenheit, neue politische Initiativen für internationale Verständigung und Sicherheit zu starten. Die Förderung des Friedens bei gleichzeitiger Bekämpfung des Terrorismus, das wäre eine »Führungsrolle« der USA, die die Welt begrüßen würde. Die Suche nach einer nicht-militärischen Lösung des Irakkonflikts muss Bestandteil einer solchen Initiative sein.

Lassen Sie mich bitte erklären, warum ich diesen grundsätzlich anderen Ansatz vorschlage.

Nach dem 11. September waren CIA, Verteidigungs- und Außenministerium intensiv mit Geheimdienstanalysen befasst, um mögliche Verbindungen zwischen dem Irak und dem Terrorismus aufzuspüren. Doch bei keinem der schrecklichen Terroranschläge auf unsere Botschaften in Daressalam und Nairobi, auf die »Cole« in Aden oder auf das World Trade Centre konnte eine Verbindung zum Irak nachgewiesen werden. Das gleiche gilt für die Anthrax-Anschläge, bei denen es überhaupt keine Verbindung zum Ausland gibt. Wir können unsere Verbündeten nicht überzeugen, eine Strategie gegen den Irak zu unterstützen, die auf Vermutungen beruht.

Das gleiche gilt für unsere Einschätzung von der gegenwärtigen Fähigkeit des Irak zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen. Unsere Besorgnis über die mögliche Gefahr, die von Bagdad ausgeht, ist gerechtfertigt und wird von unseren Freunden geteilt. Dennoch darf sie nicht übersetzt werden in unbegründete Anschuldigungen. Sie wissen aus UNSCOM-Dokumenten, von Butler und anderen Nachrichtenquellen, dass der Irak qualitativ entwaffnet wurde. Die Systeme und Abschussrampen wurden schon vor langer Zeit zerstört und der Irak ist nicht mehr in der Lage, biologische oder chemische Wirkstoffe zu Waffen umzubauen, von nuklearen Materialien ganz zu schweigen. Ihnen ist berichtet worden, dass dafür erhebliche finanzielle Ressourcen, Technologie und Zeit benötigt würden. Nichts davon hat Saddam Hussein gehabt, seit Butler die UN-Waffeninspektoren auf unseren Vorschlag hin im Dezember 1998 – kurz vor der Operation »Wüstenfuchs« – zurück rief. Viele Abrüstungsexperten können diese Tatsache bestätigen. Die Regierungen und die Öffentlichkeit haben auch nicht vergessen, dass William Cohen Sie am 10. Januar 2001 darüber unterrichtet hat, dass der „Irak für seine Nachbarn keine militärische Bedrohung mehr darstellt.“

Die Optionen

Alle Ihnen zur Zeit vorliegenden Optionen befürworten eine Militäraktion gegen den Irak. Diese übersehen allerdings die geopolitischen Entwicklungen. Wenn wir vom Friedensprozess in dieser Region sprechen, kann dieser nicht nur den westlichen Rand betreffen. Palästina und Irak können nicht mehr als zwei ve rschiedene Probleme angegangen werden.

Militärische Optionen mögen hier in Washington als plausibel angesehen werden, entbehren jedoch des Realitätsbezuges. Ich weiß, dass man Ihnen empfohlen hat zum Kampf gegen Saddam die Kurden im Norden und die Shiiten militärisch auszubilden und zu unterstützen. Ich kann Ihnen nur empfehlen, diesen Vorschlag abzulehnen. Sie werden sich erinnern, dass geheime Besuche durch Abgesandte des CIA und des State Department in Irakisch-Kurdistan erbracht haben, dass weder Massud Barzani noch Jamal Talabani als Anführer einer Söldnervorhut für eine US-Expeditionstruppe in Frage kommen. Sie werden nicht zustimmen, dass das von ihnen kontrollierte Gebiet zu einer der »Nordallianz« in Afghanistan ähnlichen Bühne für einen Angriff auf Bagdad wird.

Herr Präsident, bitte denken Sie auch daran, dass wir nicht im Jahr 1991 sind. Es wird keine Koalitionstruppe für uns verfügbar sein. Möglicherweise lassen sich dafür sogar nicht einmal – aufgrund der wachsenden Opposition – britische Soldaten gewinnen. Mehr als 130 Labour-Abgeordnete, darunter mehrere Kabinettsmitglieder, warnten Tony Blair davor, einen US-Angriff auf Irak zu unterstützen.

Vor kurzem wurde Ihnen gesagt, dass „US-Truppen nicht die Hauptlast des Kampfes tragen, sondern wo nötig Rebellentruppen unterstützen würden…“, anders ausgedrückt: Wir liefern die überlegene Kampftechnologie, andere stellen die Bodentruppen. Würden wir so verfahren, dann würden wir beschuldigt, die »Drecksarbeit« den »Anderen« zu überlassen, ein Vorwurf, der uns schon zu Beginn des Afghanistanfeldzuges gemacht wurde. Überlassen wir uns aber nur auf die überlegene Stärke unserer Luftwaffe, so wird dass Ausmaß der Getöteten am Boden, unter Soldaten wie Zivilisten, sehr hoch sein. Das lässt sich nicht mit einem »Krieg gegen einen Diktator« rechtfertigen, auch deshalb nicht, weil solch ein militärisches Engagement nicht kurz und »chirurgisch« sein wird.

Aus diesen Gründen unterbreite ich Ihnen den Vorschlag, ernsthaft eine andere Option zu erwägen.

Eine Nicht-militärische Option

Es gibt einige positive Zeichen: Nach vielen Jahren hat ein Generalsekretär der Arabischen Liga zu Beginn dieses Jahres Bagdad besucht. Der Gipfel in Beirut zeigt, dass sich die Spannungen zwischen den Rivalen am Golf weiter abgeschwächt haben, der Besuch des UN-Menschenrechtsberichterstatters Mavromatis im Irak hat den Weg bereitet, für eine ernsthafte Überprüfung der Menschenrechtssituation in Irak. Das Wichtigste ist jedoch, dass Sie der Wiederaufnahme der Gespräche zwischen dem UN-Generalsekretär und der irakischen Regierung nicht widersprochen haben. Bei der ersten Begegnungen zwischen beiden Seiten seit Februar 2001, waren Kofi Annan und der irakische Außenminister Naji Sabri jeweils von Abrüstungsexperten begleitet.

Uns wird berichtet, dass die Iraker gewillt sind, mit der UN alle offenen Probleme zu besprechen: das geht von vermissten Kuwaitern über verschwundenes kuwaitisches Eigentum bis zu Abrüstung und Massenvernichtungswaffen.

Wenn Kofi Annan uns bestätigt, dass die Gespräche bis zu einem Punkt fortgeschritten sind, an welchem Übereinstimmung zur Zusammenarbeit zwischen Irak und der UN in allen betreffenden Punkten erzielt wurde, sollte der UN-Sicherheitsrat die Konsultationen mit den Irakern übernehmen. Ich bin zuversichtlich, dass der Irak die Befolgung von UN-Resolutionen in Betracht ziehen wird und erneut das Monitoring und die Überprüfung des Abrüstungsstatus für nichtkonventionelle Waffen zulassen wird, wenn der Sicherheitsrat einen eindeutigen Zeitplan für die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen aufstellt und dem Irak zusichert, dass nicht wieder UN-Personal für geheimdienstliche Nachrichtengewinnung missbraucht wird. Die gegenwärtige Gesprächsrunde sollte deshalb unsere volle Unterstützung erhalten.

Mir ist klar, dass die Ressorts Verteidigung und Auswärtiges nicht davon überzeugt sind, dass uns diese Politik näher an eine Lösung führen wird. An anderer Stelle, Herr Präsident, haben wir argumentiert, dass es ohne Risiken keinen Fortschritt geben könne. Dies trifft hier auch zu. Solch ein Ansatz wäre ein Beweis dafür, dass unsere berechtigte Forderung nach Abschaffung aller Massenvernichtungswaffen im Irak uns nicht gefühllos gegenüber dem Leid des irakischen Volkes gemacht hat. Er würde auch dem Weltsicherheitsrat erneute Glaubwürdigkeit verleihen, denn viele sehen in diesem heute nur ein Instrument der US-amerikanischen Außenpolitik. Außerdem würde es alle jene widerlegen, die davon überzeugt sind, dass die Konfrontation der USA gegen den Irak zu einem persönlichen Rachefeldzug eines amerikanischen Präsidenten geworden ist.

Wenn eine Übereinkunft »Waffen für Frieden« beschlossen ist und die Waffeninspektoren ihre Arbeit wieder aufgenommen haben, kann der schwierige Prozess der Beseitigung der Folgen von elf Jahren andauernden Sanktionen beginnen. Ich verstehe, dass die »Golfkriegsveteranen« in der Administration nicht wollen, dass Sie irgendetwas davon in Erwägung ziehen. Sie werden dies als Verrat an einer gut begründeten US-Position ansehen und erklären, dass es das Schlimmste wäre, das Embargo aufzuheben und dass Saddam Hussein sofort die Situation nutzen würde, um wieder Massenvernichtungswaffen herzustellen. Ich bin aber überzeugt, dass wir alle notwendigen Mittel zur Überwachung haben, wenn die Sanktionen aufgehoben werden.

Die Waffenkontrolle sollte mit der Normalisierung der Wirtschaft Hand in Hand gehen. Wir brauchen sorgfältige Überprüfungen durch den Weltsicherheitsrat in diesem Prozesses. Die irakischen Behörden sollten dabei beteiligt werden.

Die nächsten Schritte

Herr Präsident, ich empfehle Ihnen:

  • eine kleine Gruppe herausragender Persönlichkeiten zu bitten, Ihnen binnen sechs Wochen Vorschläge für eine politische Lösung des Irak-Konfliktes zu unterbreiten;
  • über das Außenministerium dem Vorsitzenden des Weltsicherheitsrates mitzuteilen, dass Sie die wieder aufgenommenen Gespräche zwischen Kofi Annan, dem Irak und dem Weltsicherheitsrat selbst unterstützen;
  • in einer Botschaft an den Generalsekretär der Arabischen Liga, eine von der Arabischen Liga getragene Vermittlung zwischen Kuwait, Saudi-Arabien und Irak zu unterstützen;
  • der Aufhebung der Wirtschaftssanktionen zuzustimmen, wenn der Weltsicherheitsrat und der Irak sich über Waffeninspektionen geeinigt haben (das Rüstungsembargo durch den Weltsicherheitsrat muss natürlich aufrechterhalten werden. Das betrifft sowohl den potenziellen Käufer Irak, wie potenzielle Verkäufer);
  • die drei polnischen Diplomaten, die derzeit die Vertretung unserer Interessen in Bagdad wahrnehmen, durch eigenes Personal abzulösen, um sicherzustellen, dass wir die Entwicklungen vor Ort direkt beobachten können;
  • dass das Außenministerium zur Vorbereitung eines Normalisierungsprozesses die Regierungen der EU-Staaten, Russlands und Chinas, sowie die Regierungen in der Region und eventuell auch die des Irak konsultiert.

Herr Präsident, ich weiß, dass ich Ihnen eine Option unterbreitet habe, die all den anderen Ratschlägen, die sie seit Ihrem Amtsantritt erhalten haben, zuwiderläuft. Aber ich bin überzeugt davon, dass diese Region, die so schwer gelitten hat, dringend Frieden und Stabilität braucht. Die USA können und müssen dazu beitragen!

Hans C. von Sponeck, ehem. Beauftragter des UN-Generalsekretärs und Koordinator für humanitäre Fragen im Irak