Bundeswehr im Innern

Bundeswehr im Innern

von Jürgen Nieth

„Charakter und Dynamik gegenwärtiger und zukünftiger sicherheitspolitischer Bedrohungen machen […] Weiterentwicklungen erforderlich, um einen wirkungsvollen Beitrag der Bundeswehr zur Gefahrenabwehr an der Grenze von innerer und äußerer Sicherheit auf einer klaren Grundlage zu ermöglichen“, heißt es im Entwurf für das »Weißbuch 2016 zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr« (zitiert nach süddeutsche-online, 12.4.16).

Im Klartext: Es geht um einen erweiterten Einsatz der Bundeswehr in Deutschland selbst. Ein Thema, das CDU/CSU seit Jahren am Herzen liegt und das jetzt offensichtlich ohne Konsultation des Regierungspartners SPD nachträglich in den Entwurf des »Weißbuchs« eingefügt wurde: „Im Auswärtigen Amt erzeugte dieser Satz auch deswegen abwehrendes Staunen, weil er in der Rohfassung des Weißbuch-Entwurfs, den von der Leyen eine Woche vor Ostern an Steinmeier weitergab, noch nicht enthalten war.“ (Johannes Leithäuser und Majid Sattar in FAZ, 13.4.16, S.2)

Die Verärgerung auf SPD-Seite ist offensichtlich: „Weißbuch hin oder her – eine Grundgesetzänderung für den Einsatz der Bundeswehr im Innern wird es mit der SPD nicht geben“, so der Außenminister (zitiert nach Spiegel-Online, 12.4.16). „Ähnlich äußern sich Genossen aus beiden Parteiflügeln.“ (Tobias Schulze in taz, 14.4.16, S.6) Als Fazit zieht ein AutorInnenteam der WELT: „Von der Leyen hat mit ihrer Taktik das Klima für die Schlussverhandlungen über das Weißbuch vergiftet.“ (13.4.16, S.5)

Terrorabwehr als Vorwand

Die Bundeswehr könne „im Fall eines Terroranschlags in Deutschland eine wertvolle Unterstützung auch im Inneren sein, heißt es im Verteidigungsministerium“, schreibt die Hannoversche Allgemeine (12.4.16, S.2). Und die FAZ schildert als CDU-Position: „[…] falls es in Deutschland einmal zu einer ähnlichen Serie von Terrorakten komme wie jüngst in Paris, dann würden Polizeikräfte die Hilfe der Bundeswehr benötigen.“ (FAZ, 13.4.16, S.2) Genau dafür ist sie aber nach Meinung mehrerer Kommentatoren nicht geeignet. Die BZ (14.4.16, S.8) titelt ihre Zusammenfassung: „Kein Ersatz für die Polizei.“ Im Kommentar des neuen deutschland (13.4.16, S.4) heißt es: „Nach den Anschlägen von Paris im Januar 2015 wurden dort Tausende Soldaten mobilisiert, um Menschen vor Attacken durch Islamisten zu schützen. Vollständige Sicherheit konnten aber auch sie nicht bieten, wie die erneuten tödlichen Anschläge auf Zivilisten gezeigt haben.“ Lorenz von Stackelberg schreibt im Münchner Merkur (13.4.16): „Auf einem anderen Blatt steht allerdings die Effektivität von Militäreinsätzen im Inneren, wenn es um Terror geht. Islamistische Attentäter mögen sich als eine Art von Soldaten sehen, sie agieren aber wie Schwerkriminelle. Für deren Bekämpfung ist die Polizei mit ihren Spezialkommandos und Sondereinheiten gerüstet – besser als jene Soldaten, die […] wenig mehr als Objektschutz leisten könnten.“ Und für Joachim Käppner (SZ, 13.4.16, S.4) hat sich auch bei den Auslandseinsätzen gezeigt, „dass Soldaten schnell überfordert sind, wenn sie die Ersatzpolizei geben müssen, wie bei den März-Unruhen im Kosovo 2003“.

Für Daniela Vates ist Terrorbekämpfung der Vorwand. „Tatsächlich handelt es sich um etwas anderes: um die Suggestion von Sicherheit zum Preis der Militarisierung des Alltags […] Es wäre eine Ausweitung der Kampfzone. Umso eindrucksvoller ist dies, als das Verteidigungsministerium den Schritt gerne flankieren würde durch eine Lockerung der Bedingungen für Auslandseinsätze und durch einen Verzicht auf die Obergrenze für die Truppenzahl.“ (BZ, 13.4.16, S.8)

Dauerthema der Union

Die Union versucht seit Jahrzehnten, die Fesseln zu lösen, die die Verfassung dem Militäreinsatz jenseits der Katastrophenhilfe anlegt.“ (Tagesspiegel, 13.4.16, S.4) Und für den Fall, dass sie die dafür notwendige Zweidrittelmehrheit im Parlament nicht bekommt, droht sie, „ihre Forderung im Falle eines Wahlsieges bei der Bundestagswahl 2017 in Koalitionsverhandlungen ein[zu]bringen“ (BZ, 12.4.16, S.4).

Dass die „völlig überflüssige Debatte über Bundeswehreinsätze im Innern hierzulande fortgesetzt [wird]. Das liegt auch an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Die Karlsruher Richter sprachen diesbezüglich vor rund vier Jahren von Ausnahmefällen als letztes Mittel. Sie ließen somit Raum für Interpretationen. Dabei wäre es im Sinne des Grundgesetzes gewesen, der Militarisierung der Innenpolitik einen Riegel vorzuschieben. Allein aus der deutschen Geschichte lassen sich hierfür viele gute Gründe ableiten“, schreibt Aert von Riel (ND, 13.4.16, S.4).

Die Geschichte beschäftigt auch Joachim Käppner (SZ, 13.4.16, S.4): „Deutschland hat eine lange Tradition des Einsatzes von Militär im Inland. Leider ist dies eine Tradition, auf die man gerne verzichten würde: Soldaten schossen 1848/49 die freiheitliche Revolution zusammen; von den Soldaten verlangte Kaiser Wilhelm II, auf ihre eigenen Familien zu schießen; Soldaten putschten 1920 gegen die demokratische Reichsregierung, während die Führung der Reichswehr sich weigerte einzuschreiten, denn »Truppe schießt nicht auf Truppe«. Weite Teile der Zivilgesellschaft galten den Generälen als innerer Feind, dem wahren Feind warfen sie sich dann 1933 an den Hals. Das ist der Hintergrund, vor dem das Grundgesetz den Einsatz von Streitkräften im Inneren untersagt, mit eng begrenzten Ausnahmen wie Katastrophen oder anderen Notfällen.“

Blick in die Zukunft

Lassen Sie uns vom Schlimmsten ausgehen: In Deutschland wird eine Partei mit diktatorischen Tendenzen an die Regierung gewählt, beispielsweise rechtsnational. Sie könnte, wäre die Verfassung bereits geändert, die Soldaten auf die Straße schicken, weil irgendwas ja immer droht oder bedroht. Man kann argumentieren, dass sich anti-demokratische militaristische Kräfte von einer Verfassung nicht aufhalten lassen würden. Aber allzu leicht sollte man es ihnen nicht machen.“ (Daniela Vates in BZ, 13.4.16, S.8)

Zitierte Tageszeitungen: Berliner Zeitung (BZ), DIE WELT, Frankfurter Allgemeine (FAZ), Hannoversche Allgemeine, Münchner Merkur, neues deutschland (ND), Süddeutsche Zeitung (SZ), Der Tagespiegel, tageszeitung (taz).

Die teure Truppe

Die teure Truppe

von Jürgen Nieth

„Getrennt marschieren, gemeinsam schlagen – so lautete der strategische Grundsatz des preußischen Generalstabschefs Helmuth von Moltke […] Nun haben ihn aktuell die Aufsichtsinstanzen über die Bundeswehr nachgeahmt: Fast zur gleichen Zeit präsentieren […] der Wehrbeauftragte Hans Peter Bartels und […] die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen verschiedene Zahlen und Grafiken, die auf dieselbe Forderung hinauslaufen: Der personelle und finanzielle Schrumpfungsprozess der Bundeswehr muss ein Ende nehmen.“ (FAZ, 28.1.16, S.1)

Von allem zu wenig …

… hat die Bundeswehr nach den Ausführungen Bartels (SPD). „Der Fehlbestand beginne beim Großgerät, wie Panzerhaubitzen, Transportflugzeugen, Hubschraubern oder Fregatten, und er reiche bis zu Schutzwesten, Nachtsichtbrillen, Munition oder tauglichen Kampfstiefeln.“ Bartels legt nach: „Nie zuvor in den 60 Jahren ihres Bestehens […] habe die Bundeswehr »eine derartige Fülle unterschiedlicher Aufgaben und Einsätze« bewältigen müssen: der verlängerte und ausgeweitete Einsatz in Afghanistan mitsamt dem Erstarken der Taliban, die Russland-Ukraine-Krise mit der Wiederentdeckung der NATO-Aufgaben zur Bündnisverteidigung, die Konflikte in Syrien, im Irak und in Mali, ein Dutzend weiterer Auslandseinsätze mit kleineren Kontingenten – und dazu der Amtshilfeeinsatz der Streitkräfte in der Flüchtlingskrise.“ (Welt, 27.1.16, S.5)

Deshalb bezeichnet Bartels „die Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011 ohne entsprechendes Personalkonzept als falsch“ (ND 27.1.16, S.5). Er möchte nicht nur bei der Ausrüstung, sondern auch beim Personal der Bundeswehr nachlegen und spricht davon, dass die Zahl der Soldaten „von 600.000 im Jahr 1990 in West- und Ostdeutschland auf heute 177.000 aktive Soldatinnen und Soldaten reduziert“ worden sei (Welt 27.1.16, S.1). Zumindest sollten „die 185.000 Stellen, die bisher nur auf dem Papier stehen, auch tatsächlich besetzt werden“ (SZ 27.1.16, S.5). Unter geht bei Bartels, dass es sich bei den 600.000 noch um die SoldatInnen zweier Armeen handelte, die sich vorher im Kalten Krieg an der wohl gefährlichsten Front gegenüberstanden und deren Größe eben auch mit dieser Konfrontation zwischen NATO und Warschauer Pakt begründet wurde. Ebenfalls nicht erwähnt wird, dass die Zahl 185.000 nicht als Soll-, sondern als Obergrenze festgelegt wurde.

Geldsegen für die Truppe

Dahingestellt sei, ob es sich bei von der Leyens Antwort auf Bartels um eine schnelle Reaktion handelte oder um ein abgekartetes Spiel: der eine morgens, die andere am Nachmittag. Für Ottfried Nassauer (taz 28.1.16, S.1) treibt es „Ursula von der Leyen […] auf die Spitze [….] Die zusätzlichen 8 Milliarden binnen vier Jahren, die ihr bisher zugestanden wurden, reichen nicht. 130 Milliarden Euro verteilt auf 15 Jahre fordert die Verteidigungsministerin nun alleine in Bewaffnung und Ausstattung der Bundeswehr zu investieren. Pro Jahr wären das etwa 3 bis 4 Milliarden mehr als bisher.“ Auch die FAZ (27.1.16, S.4) stellt fest: „Gemessen an dem aktuellen Budgetposten für Beschaffung und Rüstung, der 2016 bei weniger als fünf Milliarden Euro liegt, müssten sich die Jahresetats in den Jahren bis 2030 jährlich auf 8,7 Milliarden Euro nahezu verdoppeln.“ An anderer Stelle weist die FAZ (28.1.16., S.4) darauf hin, dass die Opposition der Ministerin vorrechne, „zu den verlangten höheren Rüstungskosten […] kämen [jährlich] weitere Milliarden hinzu, da sich in der Folge auch die Kosten für Materialerhalt und für Personal erhöhten“.

Von der Leyens Wunschliste

René Heilig zitiert im ND (28.1.16., S.5) aus der Wunschliste der Verteidigungsministerin. „Statt 225 »Leopard«-Panzern soll es 320 geben, der Bestand an Fennek-Spähpanzern soll um 30 auf 248 steigen. Statt 89 will man 101 Panzerhaubitzen. Außerdem sollen sechs Marine-Helikopter zusätzlich angeschafft werden und 40 schwere Transporthubschrauber als Ersatz für die alten CH53-Maschinen. Für einen internationalen Hubschrauberverbund kommen 22 NH90-Helikopter dazu. Man will 80 »Tornados«, 138 »Eurofighter«, verschiedene Aufklärungs- sowie 16 kampffähige Drohnen fliegen lassen. Statt der bislang geplanten vier Mehrzweckkampfschiffe schickt man sechs über die Weltmeere. Noch gibt es keine großen Veränderungen gegenüber den von de Maizière 2011 bestimmten Obergrenzen. Doch wohlgemerkt – das ist der aktuelle Bedarf. Was man demnächst alles in IT-Systeme und die Cyberkriegsführung investieren will, ist gewiss weniger sichtbar als Panzer oder Raketen, wohl aber kampfstärker. Zudem geht von der Leyen davon aus, den Prozess der erhöhten Rüstungsausgaben »zu verstetigen«.“

NATO will mehr Geld

Für Johannes Leithäuser (FAZ 28.1.16., S.1) hat die Verteidigungsministerin mit ihrem Vorstoß „doppelte Erwartungen geweckt: Bei den Soldaten, die schon lange auf eine vollständige Ausrüstung warten, aber auch bei den Partnern Deutschlands, vor allem bei jenen der NATO, die schon lange die deutsche Beteuerung hören, die Verteidigungsausgaben wieder in Richtung des NATO-Ziels von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu bringen“. Otfried Nassauer sieht als ersten Adressaten der Ansage von der Leyens die amerikanischen Teilnehmer der Münchner Sicherheitskonferenz: „Hört, hört! Wir Deutschen tun etwas und stocken unsere Militärausgaben auf.“ (taz 28.1.16., S.1) Und Olaf Standke (ND 29.1.16., S.4) kommentiert den Jahresbericht des NATO-Generalsekretärs mit den Worten, dass dieser „sichtlich erfreut verkünden [konnte], dass die Militärausgaben diverser Mitgliedsländer wieder gewachsen seien; das bewege sich in die »richtige Richtung« […] [D]ie zwei Prozent des Bruttosozialprodukts, auf die man sich 2014 geeinigt hat, bringen zum Ärger des Hauptquartiers nur fünf Staaten auf, darunter zynischerweise das im besonderen Maße schuldengeplagte Griechenland.“

Übrigens: In diesem Jahr steigt der Anteil des Verteidigungsetats der BRD am Bruttosozialprodukt von 1,16% im Vorjahr auf 1,18% (Welt 27.1.16., S.5). Eine Erhöhung auf zwei Prozent, das wären jährlich nicht nur vier, sondern über 20 Milliarden Euro mehr.

Zitierte Presseorgane: DIE WELT (Welt), Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), neues deutschland (ND), Süddeutsche Zeitung (SZ), tageszeitung (taz).

Jürgen Nieth

Mehr Verantwortung? Ja, bitte!

Mehr Verantwortung? Ja, bitte!

von Paul Schäfer

Vorstand und Redaktion von W&F waren bei der Jahresplanung 2015 relativ schnell einig: „Wir müssen was zur deutschen Rolle in der heutigen Welt machen.“ Ausgangspunkt der Diskussion waren die programmatisch anmutenden Reden dreier deutscher PolitikerInnen auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2014, in denen das veränderte Gewicht Deutschlands in Europa und der Welt beschworen und daraus ein »Mehr an Verantwortung« abgeleitet wurde.

Bei der Vorbereitung des vorliegenden Heftes sind wir aber rasch darauf gestoßen, dass eine solide Einschätzung der Rolle Deutschlands schwieriger ist als gedacht. Weil die Reden der Konferenz doch nur eine Momentaufnahme darstellen, weil eine Reihe von Ereignissen – Ukrainekrise, Islamisches Kalifat in Nahost, Flüchtlingsdrama – einschneidende Prozesse in Gang gesetzt hat, die nicht so einfach zu erfassen sind, und weil die Bundesregierung diesbezüglich durchaus widersprüchliche Signale aussendet. Wir haben uns daher vorgenommen, eher eine Annäherung an das Thema zu versuchen. Am Anfang des Schwerpunktthemas stehen daher pointierte und kontroverse Statements zu der Frage, ob »München« eher für eine Zäsur oder doch eher für ein Kontinuum der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik steht. Die Folgebeiträge brechen diese Frage, direkt oder indirekt, herunter auf sicherheits- und militärpolitische Entwicklungen der jüngsten Zeit. Diese wiederum stehen in engem Zusammenhang mit dem wieder aufgebrochenen großen Konflikt zwischen den NATO- und den EU-Mitgliedsstaaten auf der einen Seite und Russland auf der anderen sowie mit den immer weiter eskalierten Gewaltszenarien vor allem in Nahost. Es ergeben sich einzelne Mosaik-Teile, ein fertiges Bild fügt sich daraus (noch) nicht zusammen. Aber vielleicht liegen die Widersprüche in der Sache selbst?

Kein Zweifel: Deutschland hat vor allem innerhalb der EU erheblich an Gewicht gewonnen. Dies ist offenkundig mit der gestärkten Position Deutschlands nach der Weltfinanzkrise 2007/8 verknüpft. Die Ultimaten setzende Politik der Bundesregierung in den »Verhandlungen« über die Schuldenkrise Griechenlands ist ein Beispiel dafür. „In Europa wird wieder deutsch gesprochen“, hieß es da. Die Regierung nutzt das stärkere ökonomische Gewicht, um bilateral wie in internationalen Gremien Einfluss zu nehmen. Aber welchem Kompass folgt sie dabei? Sie will weiter an der globalen Durchsetzung der neoliberal geprägten Weltwirtschaftsordnung arbeiten; sie möchte im deutschen Interesse die EU als Faktor in diesem globalen Wettbewerb stärken. Zugleich ist die Regierung mit den vehementen Folgen dieser »Weltordnung« konfrontiert – den „Schattenseiten der Globalisierung“, von denen inzwischen selbst die Kanzlerin spricht. Eine Konsequenz: Man müsse sich stärker in internationales Krisenmanagement einbringen. Aber wie? Und in welchem Verhältnis soll diese Krisendiplomatie mit dem auf der Münchner Konferenz unüberhörbar geforderten intensiveren militärischen »Engagement« stehen?

Im Osten hat man mit rücksichtsloser Markterweiterungspolitik einen geopolitischen Wettlauf mit Russland ausgelöst, dadurch in der Ukraine Gewaltprozesse befördert, und schickt sich dann an, Feuerwehr zu spielen. »Friedensdiplomatie« wird mit Säbelrasseln und Sanktionen garniert. Wohin soll das führen?

Noch irritierender die Eindrücke in der Flüchtlingsfrage. Deutschland hat sich mit der Aufnahme hunderttausender Flüchtlinge positiv profiliert, avanciert fast schon zum gelobten Land. Aber werden daraus endlich Konsequenzen gezogen? Neben der »Willkommenskultur« erleben wir gleichzeitig, dass die Bundeswehr zur Flüchtlingsabwehr im Mittelmeer aktiv werden soll. Und was gedenken die Bundesregierung und die EU zu tun, um sich endlich den Fluchtursachen zuzuwenden? Bis dato hat man sich überwiegend im Windschatten der USA bewegt und ist damit mitverantwortlich für das, „was westliche Politik im Orient anrichtet“ (Michael Lüders). Wird es hier, unter dem Druck der Ereignisse, ein Umdenken geben?

Für eine „vorausschauende Politik“ möchte der Bundesaußenminister sein Haus besser wappnen. Doch dazu gehört entschieden mehr als eine neue Abteilung für Krisenprävention am Werderschen Markt. Es geht um Grundkonzepte: Vereinte Nationen oder Mächtekoalitionen? Gerechtigkeit global oder Behauptung der eigenen Privilegien? Vorrang für zivil oder Fortsetzung militärisch gestützter Interessenpolitik? Werden die immer wieder proklamierten Wertemaßstäbe endlich auch auf das eigene Handeln angewandt?

Sollte Deutschland in dieser laut Außenminister »aus den Fugen geratenden Welt« mehr internationale Verantwortung übernehmen? Ja! Wie wäre es, wenn Deutschland bei der Umsetzung der neuen UN-Nachhaltigkeitsziele voranginge? Wenn die Bundesrepublik grundsätzlich auf Rüstungsexporte verzichten würde? Wenn sich unser Land ein besonderes internationales Profil erarbeitete, das auf Friedensdiplomatie und ziviler Konfliktbearbeitung beruht?

Ihr Paul Schäfer

Kommt eine neue Rüstungswelle?

Kommt eine neue Rüstungswelle?

von Alexander S. Neu

Vor wenigen Monaten verabschiedete der Deutsche Bundestag den Haushaltsplan 2015 der Bundesregierung. Nach dem Budget für »Arbeit und Soziales« ist der Etat für »Verteidigung« mit 32,3 Mrd. Euro der zweitgrößte Posten.

Tatsächlich dürften die Militärausgaben aber noch deutlich über diesen 32 Mrd. Euro liegen. Vieles wird versteckt: militärische Forschung im Etat für Wissenschaft und Forschung, Ausgaben für verletzte oder traumatisierte Soldaten im Sozialetat usw. Legt man NATO-Kriterien zugrunde – die anderen sind da etwas ehrlicher als wir –, hat der deutsche Militäretat eine Höhe von 35,1 Mrd. Euro. Dass ergibt umgerechnet auf 82 Mio. Einwohner ca. 440 Euro pro Person. Eine vierköpfige Familie zahlt also im Durchschnitt 1.760 Euro im Jahr für die Bundeswehr.

Von diesen 35,1 Mrd. Euro sind ungefähr 6,2 Mrd. Euro für »verteidigungsinvestive« Ausgaben, also Rüstungsausgaben, verplant. Die laufenden Kosten für die gegenwärtigen Auslandseinsätze der Bundeswehr sind 2015 dagegen vergleichsweise gering. Für diesen Posten sind nach dem Abzug des größten Teils der BundeswehrsoldatInnen aus Afghanistan noch 500 Millionen Euro vorgesehen. Trotz der hohen jährlichen Investitionen geriet das militärische Großgerät der Bundeswehr im Herbst letzten Jahres wieder einmal in die Schlagzeilen. Solche Debatten begleiten die Bundeswehr seit Jahrzehnten: Es ging im Wesentlichen um jahrelange Verzögerungen bei der Auslieferung, um unvorstellbare Kostenexplosionen und um mangelnde Leistungsfähigkeiten. Diesmal stand die Nichteinsatzfähigkeit eines großen Teils des schweren militärischen Geräts im Mittelpunkt.

Ich hatte Anfang Januar 2014 eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gerichtet mit dem Titel »Kostenentwicklung bei Großwaffensystemen« (Drucksache 18/336). Es ging speziell um neun Beschaffungsprojekte, u.a. Eurofighter und A400M. Die Beantwortung der Fragen hätte eigentlich kein Problem sein dürfen. Die Aufgabe stellte sich für die Bundesregierung jedoch als äußerst schwierig dar, da in der Vergangenheit offensichtlich die Rüstungsverträge, Kostensteigerungen etc. der verschiedenen Projekte nicht in ein einheitliches Analyse- und Bewertungssystem eingepflegt wurden. Für diese Annahme spricht auch, dass Verteidigungsministerin von der Leyen just in diesem Zeitraum ein »Rüstungsboard« eingerichtet hat. Dieses sollte den Entwicklungs- und Beschaffungszustand, Risiken und Probleme von 15 Beschaffungsprojekten in je eigenen »Statusberichten« darstellen.

Auf den Tag genau zeitgleich mit der Antwort auf meine Kleine Anfrage (Drucksache 18/650), ging die Ministerin am 20. Februar in die Offensive und verkündete: Erstens könne sie die »Statusberichte« nicht abnehmen, da sie unzureichend seien, und sie ziehe diesbezüglich personelle Konsequenzen im Verteidigungsministerium. Zweitens werde sie eine externe Unternehmensberatung beauftragen, bis Oktober 2014 einige laufende Rüstungsprojekte zu untersuchen.

Die Unternehmensberatung KPMG erhielt dann auch den Auftrag, das zu untersuchen, was im Wesentlichen Gegenstand meiner Kleinen Anfrage war: KPMG sollte einen seriösen und systematisierten Überblick über die Entwicklung und Beschaffung ausgesuchter Projekte erstellen, weil das Verteidigungsministerium selbst dazu offensichtlich nicht in Lage war. Der Rüstungslobbyist Adamowitsch kommentiert das in der Frankfurter Rundschau (9.10.2014): „Da ist in 60 Jahren im Ministerium ein System entstanden, das keiner mehr beherrscht.“

Die Unternehmensberatung lieferte ihr Ergebnis im September 2014. Ihrem Bericht zufolge waren u.a. einsatzfähig: ein Viertel der Hubschrauber der Marken Tiger, Marder und Sea King, deutlich weniger als die Hälfte der Tornados, Eurofighter und C160-Transall-Transportflugzeuge. Das gleiche Bild bei den Korvetten, den Marder-Panzern und den Truppentransporten Boxer.

Im gleichen Monat, als diese Zahlen veröffentlicht wurden, bekräftigten die NATO-Mitgliedstaaten auf ihrem Gipfel in Wales ihren Willen, die Militärausgaben auf zwei Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. Deutschlands Militärhaushalt liegt derzeit bei ca. 1,3 Prozent des BIP. Ein Anstieg auf zwei Prozent hieße für Deutschland – auf der Grundlage des BIP des Jahres 2013 in Höhe von 2,8 Billionen Euro – ein Anstieg um 21 Mrd. Euro auf 56 Mrd. Euro. Angesichts der Haushaltskrise in etlichen NATO-Mitgliedstaaten ist die Zahl von zwei Prozent für viele illusorisch. Die Bundesregierung aber scheint dem Beschluss mittelfristig nachkommen zu wollen. Er wäre kaum gegen das Votum der deutschen Regierung gefasst worden, und es gibt zahlreiche Hinweise, dass der Militärhaushalt ab 2016 stufenweise angehoben werden soll. Da dies nicht sonderlich populär ist, bietet die westlich-russische Krise der Bundesregierung eine ausgezeichnete Gelegenheit, der Öffentlichkeit die Notwendigkeit, ja sogar die Alternativlosigkeit, einer Aufrüstung und Modernisierung der Bundeswehr zu verkaufen.

Sehr gut passen da die Berichte über marodes militärisches Großgerät. An einen Zufall scheint selbst die Frankfurter Allgemeine Zeitung (30.09.2014) nicht zu glauben: „Diese Materialkrise hätte die Bundeswehr kaum zu einem günstigeren Zeitpunkt treffen können. Das sicherheitspolitische Empfinden in Deutschland ist durch die Gewalt im Nahen Osten und in der Ukraine gereizt wie nie seit dem 11. September 2001, der Wille zur Zusammenarbeit in Rüstungsvorhaben und militärischen Einsätzen in der NATO stärker denn je seit dem Ende des Kalten Krieges […] Daher könnte aus der aktuellen Krise binnen eines Jahrzehnts eine Bundeswehr entstehen, die besser und verlässlicher ausgerüstet ist als heute.“

Die Berichte über nicht einsatzfähiges militärisches Großmaterial sind mit viel Vorsicht zu genießen. Wie schreibt der oben zitierte Rüstungslobbyist Adamowitsch: „Wir müssen aufpassen, dass der Zustand der Bundeswehr nicht zu schlecht geredet wird.“ In der Neuen Zürcher Zeitung wird am gleichen Tag das Ganze als „Pseudodebatte“ bezeichnet und darauf verwiesen, dass es keinerlei Hinweis darauf gebe, dass „die Einsatzfähigkeit [der Bundeswehr] […] ernsthaft gefährdet ist“.

Da bleibt die Frage: Wozu soll dann die Bundeswehr „besser und verlässlicher ausgerüstet“ werden?

„Eine unmittelbare territoriale Bedrohung Mitteleuropas und damit Deutschlands mit konventionellen militärischen Mitteln besteht heute nicht mehr. Das wird angesichts des erweiterten europäischen Sicherheits- und Stabilitätsraumes und der erkennbaren Fortschritte in der Zusammenarbeit mit Russland auf absehbare Zukunft auch so bleiben.“ Zu diesem Schluss kam der »Bericht des Generalinspekteurs der Bundeswehr zum Prüfauftrag aus der Kabinettsklausur vom 7. Juni 2010«, der im September 2010 vorgelegt wurde. Andere sprachen schon mal davon, dass wir seit 1990 von Freunden umzingelt seien.

Von Fortschritten in der Zusammenarbeit mit Russland können wir heute natürlich nicht mehr sprechen. Aber wenn die Zusammenarbeit mit Russland in den letzten Jahren schweren Schaden genommen hat, so liegt das sicher nicht nur an einer Seite. Der Krim ging schließlich die westliche Unterstützung bei der Zerschlagung Jugoslawiens, eine NATO-Osterweiterung und eine sehr expansive Politik westlicher Länder – nicht nur in der Ukraine – voraus. Allerdings lassen sich diese Probleme mit Sicherheit nicht militärisch lösen.

Hinter den Beschaffungsprogrammen der Bundeswehr stand und steht denn auch keine Bedrohung von außen. Der tiefere Grund, warum sämtliche Bundesregierungen nach dem Ende des Ost-West-Konflikts, ob CDU/CSU–FDP, SPD-Grüne oder CDU/CSU-SPD, an den Großrüstungsprojekten bis heute festhielten, liegt in den zunehmenden Ambitionen Deutschlands auf der weltpolitischen Bühne.

Das wird auch in dem oben genannten Bericht von Generalinspekteur Wieker deutlich:

„Die geostrategische Lage in der Mitte Europas, die weltweite Verflechtung als Handels- und Industrienation ebenso wie die internationalen Verpflichtungen, die insbesondere aus der Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen, der NATO und der Europäischen Union erwachsen, setzen den Rahmen deutscher Sicherheitspolitik.

Zu den deutschen Sicherheitsinteressen gehören,

  • […] regionalen Krisen und Konflikten, die Deutschlands Sicherheit und Interessen beeinträchtigen können, vorzubeugen und zur internationalen Krisenbewältigung beizutragen,
  • globalen Herausforderungen, vor allem der Bedrohung durch den internationalen Terrorismus und der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen zu begegnen,
  • den freien und ungehinderten Welthandel als Grundlage unseres Wohlstands zu fördern und zu schützen, […].

Ziel deutscher Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist – auf der Grundlage unserer Werte und in Umsetzung unserer Interessen – die Sicherung von Frieden, Freiheit und Wohlstand unserer Bürgerinnen und Bürger.

Die Verwirklichung dieser Ziele und die Wahrung unserer Interessen erfordert eine kontinuierliche Überprüfung und Anpassung der sicherheitspolitischen Instrumente.“

Der schönen Worte entkleidet heißt das: Wir brauchen zur Sicherung unseres welt- oder machtpolitischen Anspruchs, unseres Lebensstandards, unserer politischen und wirtschaftlichen Interessen eine effektive, schlagkräftige und schnell verlegbare Armee. Die Fähigkeiten für eine Interventionsarmee sollen weiter ausgebaut werden; als Symbol dafür steht der strategische Transportflieger A400M.

Gleichzeitig greifen Politiker – vor allem aus der CDU/CSU – wieder in die Mottenkiste der Militärpolitik aus Zeiten des Kalten Krieges. Angesichts des »russischen Bären« wollen sie auch die Panzerflotte wieder aufrüsten. Der Bestand an »Leopard 2«-Kampfpanzern beträgt noch rund 230 Stück; der soll nach dem Willen der CDU/CSU ergänzt werden um eine modernisierte Variante (gleichsam »Leopard 3«). Beschlossen hat das Verteidigungsministerium bereits den Kauf von 131 zusätzlichen Radpanzern des Typs »Boxer« im Wert von ca. 620 Mio. Euro.

Schwarze Null hin, schwarze Null her, wenn es um Rüstungsgeschäfte geht, scheinen die Steuergelder locker zu sitzen, gespart werden muss dann woanders.

Hätte die Bundesregierung die Auslandseinsätze der Bundeswehr evaluiert, hätte sie zu der Erkenntnis kommen müssen, dass in keinem einzigen Krieg der letzten Jahre die anfangs gesetzten Ziele erreicht wurden. Auf all die großen militärischen Interventionen folgte das Chaos in den betroffenen Ländern, so in Irak oder Libyen, und in Afghanistan wird es nicht anders sein.

Das unterstreicht eindringlich: Wir brauchen weder eine weltweit operierende Interventionsarmee noch eine neue »Panzerarmee« für den europäischen Kontinent. Statt Militarisierung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik brauchen wir eine Politik der Konfliktprävention und zivilen Konfliktbearbeitung, eine Politik der Verständigung.

Dr. Alexander S. Neu, Mitglied des Bundestages, ist Obmann im Verteidigungsausschuss der Fraktion DIE LINKE.

Behandlungsziele vorgegeben?

Behandlungsziele vorgegeben?

Psychotherapie für Soldaten

von Neue Gesellschaft für Psychologie

Im März 2014 fand an der Freien Universität Berlin das Symposium »Trommeln für den Krieg« der Neuen Gesellschaft für Psychologie (NGfP, ngfp.de) statt. Auf dem Symposium wurde vom NGfP-Vorstand eine Stellungnahme zu einem Kooperationsvertrag über die psychotherapeutische Betreuung von Soldaten zwischen der Bundespsychotherapeutenkammer und der Bundeswehr abgegeben. Der Präsident der Psychotherapeutenkammer reagierte mit einem Gesprächsangebot, um offensichtlich entstandene „Missverständnisse“ auszuräumen. Die NGfP entschied sich aber, die Diskussion lieber öffentlich fortzusetzen und konkretisierte ihre Haltung zum Thema daher in einem Offenen Brief. W&F dokumentiert die beiden Texte.

Stellungnahme zur Psychotherapie von Soldaten

Am 16. September 2013 trat eine Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium der Verteidigung und der Bundespsychotherapeutenkammer in Kraft, nach der zivile Psychotherapeuten in Privatpraxen Soldaten nach Verfahren behandeln, die von der Bundeswehr geregelt sind. Der Vereinbarung ging eine gleichartige Übereinkunft des Bundesministeriums der Verteidigung mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung [über die ärztliche Versorgung von Soldaten; d.Red.] voraus. Die Bundeswehr und die Psychotherapeutenkammer veranstalten zudem am 13. März 2014 in Berlin im Offiziersheim der Blücher-Kaserne eine erste gemeinsame Fortbildungsveranstaltung, die Therapeuten auf die Behandlung von Soldaten vorbereiten soll.

Aus der Vereinbarung, dem Programm der Fortbildungsveranstaltung und aus Äußerungen des Präsidenten der Bundespsychotherapeutenkammer, Professor Rainer Richter, am 26. November 2013 geht eindeutig hervor, dass es sich um psychotherapeutische Behandlungen durch zivile Therapeuten unter der Regie und im Interesse der Bundeswehr handelt. Richter ließ erklären, dass bei zunächst psychisch erkrankten und dann „erfolgreich behandelten“ Soldaten nichts gegen eine Teilnahme an Auslandseinsätzen spreche.

Psychisch belastete oder traumatisierte Soldaten bedürfen selbstverständlich einer psychotherapeutischen Behandlung, aber psychotherapeutische Behandlung von Soldaten muss unabhängig von der Bundeswehr sein. Das Bundesverteidigungsministerium oder die Truppe dürfen weder die Behandlungsmethoden noch Behandlungsziele vorgeben. Es kann nicht Aufgabe von Psychologen sein, Reaktionen von Soldaten auf Kriegshandlungen – wie Entsetzen, Abscheu und Angst vor erneutem Erleben – wegzutherapieren, um Soldaten für den nächsten Einsatz fit zu machen. Therapien mit solchen Zielsetzungen dienen der Unterstützung und Fortsetzung von kriegerischen Einsätzen der Bundeswehr.

Im Mittelpunkt jeder Therapie haben allein Wohl und Gesundheit des Klienten zu stehen.

Es ist Pflicht des Therapeuten dafür zu sorgen, dass Dritte mit anderen Interessen keinen Einfluss auf die Behandlung nehmen können. Daher lehnen wir solche psychotherapeutische Behandlungen unter der Regie der Bundeswehr ebenso wie die von der Bundeswehr organisierten Fortbildungen ab.

Berlin, 9. März 2014 Der Vorstand: Prof. Dr. Klaus-Jürgen Bruder, Dr. Christoph Bialluch, Dipl.-Psych. Jörg Hein

Offener Brief an den Präsidenten der Bundespsychotherapeutenkammer

An den Präsidenten der Bundespsychotherapeutenkammer, Prof. Dr. Rainer Richter

Sehr geehrter Herr Richter, die Neue Gesellschaft für Psychologie (NGfP) hat sich am 9. März 2014 in einer Stellungnahme gegen die Zusammenarbeit der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) mit der Bundeswehr und dem Bundesverteidigungsministerium gewandt. In Ihrer Antwort auf unsere Erklärung haben Sie von Missverständnissen unsererseits gesprochen und ein Gespräch angeboten, um diese Missverständnisse über Ihre Kooperation mit der Bundeswehr auszuräumen. Wir möchten aber stattdessen weiter öffentlich über diese Kooperation debattieren und wollen Ihnen hier unseren Standpunkt vertiefend erläutern. Inzwischen hat auch die Ärzteorganisation IPPNW eine kritische Stellungnahme zur Ihrer Zusammenarbeit mit der Bundeswehr abgegeben, der wir voll zustimmen.

Ihre Bemühungen, zivilen PsychotherapeutInnen ohne Kassensitz in Privatpraxen die Behandlung von SoldatInnen zu ermöglichen, hatten einen längeren Vorlauf. Noch im Juni 2013 klagte Ihre Kammer, die deutschen Streitkräfte blockierten die „schnelle psychotherapeutische Versorgung traumatisierter Soldaten“, indem sie diesen die Nutzung von Privatpraxen untersagten. Im September vergangenen Jahres unterzeichnete die Kammer dann eine Vereinbarung mit dem Verteidigungsministerium, die Hindernisse für Behandlungen in Privatpraxen aus dem Weg räumte.

Am 13. März fand in Berlin im Offiziersheim der Blücher-Kaserne eine erste Fortbildung der Bundeswehr für privat abrechnende PsychotherapeutInnen statt. Die Veranstaltung eröffnete der Beauftragte des Verteidigungsministeriums für posttraumatische Belastungsstörungen, Brigadegeneral Klaus von Heimendahl. DozentInnen waren ausschließlich PsychologInnen und ÄrztInnen im Bundeswehrdienst. Die TeilnehmerInnen wurden unter anderem informiert über „Besonderheiten des Soldatenberufs“, über Spezifika einer „Heilbehandlung für die Bundeswehr“, über „aktuelle Einsatzgebiete und Einsatzsituationen“ und über das Thema „Truppenpsychologen im Einsatz – mit Soldaten auf Patrouille/auf Wache/im Feldlager“.

Dieses thematisch erstaunliche Fortbildungsprogramm war zuletzt der Anlass für unsere Erklärung. Hinzu kam Ihre Äußerung als Kammerpräsident, dass bei traumatisierten psychisch erkrankten Soldaten nach erfolgreicher Behandlung nichts gegen einen erneuten Auslandseinsatz spreche. Als NGfP sind wir zum einen aus politischen Gründen gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr. Davon unabhängig lehnen wir auch eine Psychotherapie ab, für die das Wohl der Klientin/des Klienten nicht höchster Maßstab ist, die sich vielmehr in den Dienst der Bundeswehr und ihrer Ziele stellt.

Die psychischen Störungen von BundeswehrsoldatInnen, die sich seit einigen Jahren häufen und um deren Behandlung es geht, sind meist Folge traumatisierender Kriegserlebnisse im Ausland, etwa von Erlebnissen, bei denen Kameraden der Betroffenen getötet oder schwer verletzt wurden oder bei denen die betroffenen Soldaten selbst Menschen getötet oder verletzt haben.

Die traumatisierten Soldaten haben ein Recht auf therapeutische Hilfe. Es kann aber nicht Aufgabe von PsychologInnen sein, Reaktionen von SoldatInnen auf Kriegshandlungen, wie Entsetzen, Abscheu und Angst vor erneutem Erleben, wegzutherapieren, um diese schnell für den nächsten Einsatz fit zu machen. Dies haben wir bereits in unserer Erklärung betont.

In Ihrer Antwort auf diese Erklärung widersprechen Sie unserer Kritik und schreiben, es sei „absurd und entbehrt jeder Grundlage, die Bundeswehr würde Behandlungsziele vorgeben“. Die Vereinbarung, die Sie im vergangenem September mit der Bundeswehr abgeschlossen haben, gliedert aber die Behandlung von Soldaten durch privat abrechnende TherapeutInnen in die truppenärztliche Versorgung ein. TruppenärztInnen sind rechtlich verpflichtet, vor allem für die Einsatzfähigkeit von SoldatInnen zu sorgen. Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit ist das ihnen vorgegebene Behandlungsziel.

BundeswehrsoldatInnen sind nicht krankenversichert. Sie haben keine freie Arztwahl. „Vielmehr erfolgt die Versorgung der Soldaten über den Truppenarzt. Dieser entscheidet, ob ein Soldat auf weitere Fachärzte zugreifen könne“, so sagte es auch eine Psychologin der Bundeswehr bei der oben erwähnten Fortbildung. Allein der Truppenarzt kann psychisch erkrankte Soldaten an freie Therapeuten überweisen. Der Therapeut habe dem überweisenden Truppenarzt Diagnose sowie Indikation und Therapieziel mitzuteilen, heißt es in den Informationen Ihrer Kammer zur »Behandlung von Soldaten in Privatpraxen«. Der Truppenarzt genehmige die Therapie und entscheide später auf Grundlage eines ausführlichen Berichts über Verlängerungen.

Die rechtlichen Regeln der truppenärztlichen Versorgung finden sich in einer Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesbesoldungsgesetz. „Die unentgeltliche truppenärztliche Versorgung dient […] der Erhaltung und Wiederherstellung der Dienst- und Einsatzfähigkeit der Soldatinnen und Soldaten. Sie umfasst alle damit im Zusammenhang stehenden notwendigen und angemessenen Maßnahmen zur Gesunderhaltung, Verhütung und frühzeitigen Erkennung von gesundheitlichen Schäden sowie die zur Behandlung einer Erkrankung spezifisch erforderlichen medizinischen Leistungen“, heißt es einleitend in Paragraf 2 der Vorschrift.

Das übergeordnete Ziel der truppenärztlichen Versorgung ist somit die „Erhaltung und Wiederherstellung der Dienst- und Einsatzfähigkeit“. Die „Maßnahmen zur Gesunderhaltung“ dienen diesem Zweck. Nur zum Vergleich: Die Behandlung ziviler KassenpatientInnen hat nach dem Sozialgesetzbuch V „die Aufgabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern“. Hier steht die Gesundheit und nicht berufliche Einsatzfähigkeit im Vordergrund. Anders als Soldaten können Kassenpatienten den Arzt ihres Vertrauens wählen und müssen nicht immer zuerst einen bei ihrem Arbeitgeber angestellten Mediziner aufsuchen.

Bei den meisten körperlichen Leiden gibt es zwischen den Zielen „Gesunderhaltung“ von SoldatInnen und deren „Einsatzfähigkeit“ sicher keinen Konflikt: Je körperlich fitter der Soldat/die Soldatin, desto einsatzfähiger ist er/sie. Anders sieht es auf dem Felde der psychischen Gesundheit aus. Vor allem bei SoldatInnen, die durch Kriegseinsätze im Ausland erkrankt sind, ist ein Zielkonflikt zwischen psychischer Gesundung und „Wiederherstellung der Dienst- und Einsatzfähigkeit“ ohne weiteres denkbar. Für eine Therapie, die von vornherein dem rechtlich von der Bundeswehr vorgegebenen Ziel „Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit“ folgt, ist das Wohl der KlientInnen daher nicht mehr oberster Maßstab.

Die Bundespsychotherapeutenkammer hat in den Veröffentlichungen zur Zusammenarbeit mit der Bundeswehr an keiner Stelle berufsethische Probleme angesprochen, die mit dem vorgegebenen Therapieziel „Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit“ verbunden sind. Stattdessen stand das Bestreben im Vordergrund, die Bundeswehr als neuen Auftraggeber für TherapeutInnen zu gewinnen.

Zudem hat die Kammer oder haben Sie, Herr Richter, auch die Probleme unerwähnt gelassen, die sich aus der Verschwiegenheitspflicht von SoldatInnen für eine Therapie ergeben. Erst auf der erwähnten Fortbildungsveranstaltung waren dann die Grundrechtsbeschränkungen im Wehrbereich und das Soldatengesetz Thema. Dieses Gesetz verlangt in Paragraf 14 vom Bundeswehrangehörigen, „über die ihm bei oder bei Gelegenheit seiner dienstlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren“. Aufgehoben ist die Verschwiegenheitspflicht nur für innerdienstliche Mitteilungen und für Tatsachen, „die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen“.

Selbst für Aussagen über dienstliche Begebenheiten vor Gericht oder in Ermittlungsverfahren brauchen SoldatInnen stets eine Genehmigung. Anders als das Gespräch mit dem Truppenarzt/der Truppenärztin, zählt die Sitzung bei externen TherapeutInnen kaum zum innerdienstlichen Verkehr. Damit dürfen SoldatInnen den TherapeutInnen nur offenkundige oder bedeutungslose Erlebnisse im Auslandseinsatz schildern. In den Mitteilungen der Kammer ist an keiner Stelle davon die Rede, dass SoldatInnen vor der ersten Sitzung beim externen Therapeuten von der Verschwiegenheitspflicht entbunden würden. Eine Therapie aber, in der der Traumatisierte/die Traumatisierte nicht offen und über alles sprechen kann, ist schlechterdings eine Absurdität.

Eine Psychotherapie traumatisierter SoldatInnen, die dem truppenärztlichen Ziel Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit folgt, lehnen wir aus ethischen und politischen Gründen ab. Therapie muss offen sein, auch gerade offen für die Erkenntnis der Klientin/des Klienten, dass Kriegseinsätze und Gewalt gegen Mitmenschen auch SoldatInnen krank machen können und künftig zu meiden sind. Politisch fügt sich die Vereinbarung Ihrer Kammer mit der Bundeswehr für uns in die Bestrebungen ein, mehr Akzeptanz für deutsche Kriegseinsätze im Ausland zu schaffen. Obwohl der erste Kriegseinsatz der Bundeswehr, 1999 im Kosovo-Krieg gegen Jugoslawien, nunmehr 15 Jahre zurückliegt, obwohl Politiker verschiedenster Couleur, wie zuletzt Bundespräsident Joachim Gauck, immer wieder offensiv für Einsätze werben, lehnen die Bundesbürger diese weiter mehrheitlich ab.

Die Vereinbarung der Bundespsychotherapeutenkammer mit der Bundeswehr wurde im Namen der Kammermitglieder abgeschlossen. PsychotherapeutInnen sind Zwangsmitglieder der Kammer. Eine öffentliche Diskussion unter den Mitgliedern über die Vereinbarung gab es aber nicht. Wie viele andere PsychotherapeutInnen sehen wir in der Vereinbarung ein Bekenntnis der Kammer zu einer kriegerischen deutschen Außenpolitik. Wir fühlen uns in diesem Punkt von der Kammer nicht vertreten.

Wir fordern Sie daher auf, die ohne Zustimmung der Kammermitglieder abgeschlossene Vereinbarung aufzukündigen sowie die dieser zugrundeliegenden Verträge und Absprachen zu veröffentlichen und sich einer Diskussion mit den Mitgliedern über Ihre Kooperation mit der Bundeswehr zu stellen.

Berlin, Ostern 2014 Mit freundlichen Grüßen Vorstand: Prof. Dr. K.-J. Bruder, Dr. Ch. Bialluch, Jörg Hein

Veteranen

Veteranen

von Michael Daxner

Veteranen? Sind das nicht die betagten Herren, die, manchmal in ihrer alten Uniform, bei Gedenkfeiern und Jahrestagen stramm stehen, ihre Orden stolz an der Brust? Oder die ärgerlichen Männer, die als »Veterans for Peace« Proteste gegen die laufenden Kriege organisieren? Mit solchen Klischees hat Michael Daxner bei seinem Nachdenken über Veteranen der Bundeswehr nichts im Sinn.

Gerne würde ich von Einsatzrückkehrern sprechen. Ich wollte damit die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr bezeichnen, die in Auslandseinsätzen tätig und militärisch aktiv waren. Aber die Sozialwissenschaft wird eine soziale Gruppe ebenso wenig mit Autorität wirksam definieren wie das Verteidigungsministerium oder die Medien.

Es gibt sie, die Veteranen, und der Begriff ist organisatorisch längst verankert, etwa im Bund Deutscher Veteranen (BDV). Spätestens seit zwei Jahren befasst sich die Politik mit dieser neuen gesellschaftlichen Formation, und die Gruppe wird zum Gegenstand wissenschaftlicher Forschung und politischer Auseinandersetzung. Letztere führt einen ebenso zähen wie ergebnisoffenen Kampf um die Definition der Gruppe: Sind Veteranen alle ehrenhaft aus der Bundeswehr entlassenen Soldaten (General Glatz zugeschrieben), sind nur solche Soldaten Veteranen, die aus Auslandseinsätzen lebend zurück gekehrt sind, oder gar nur solche, die in Kampfhandlungen aktiv waren, nicht aber solche, die im Feldlager Service und Logistik geleistet haben? Das wird innerhalb der Rückkehrer-Gruppe ebenso heftig diskutiert wie außerhalb. Auch gibt es gelegentlich Ansprüche ziviler Rückkehrer von Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen, ebenfalls als Veteranen zu gelten.

In verschiedenen Diskursen wird um die Definition und die Grenzen einer sozialen Gruppe gerungen, von der wir nur wenig wissen, aber viel vermuten dürfen. Wir wissen, dass diese Gruppe zahlenmäßig in den nächsten Jahren anwachsen wird, und zwar mit den Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Wir wissen, dass die meisten Rückkehrer männlich sind, dass aber der Frauenanteil steigt. Wir können ferner beobachten, dass je nach Macht- und Interessenkonstellation die Aufmerksamkeit sich auf bestimmte Segmente des Veteranenlebens bezieht, z.B. Versicherungs- und Fürsorgefragen, Beziehungsstabilität, Weiterverwendbarkeit in der Truppe, Statuszuweisungen, symbolische Würdigungen und Abwertungen, Pathologisierung (Posttraumatische Belastungsstörungen) etc., und dass aus jedem dieser Segmente einiges in diskursive Strategien eingebracht wird. Systematisch lässt sich da noch nicht viel Handfestes sagen, auch wenn es eine Reihe von Hypothesen gibt, die gut begründet sind und nachfolgend angerissen werden sollen.

Interesse

Die Bundeswehr hat an den Veteranen sicher andere Interessen als Psychologen oder Friedensforscher. Wenn sie alle zu ihrem Recht kommen sollen, dann ist es angebracht, zunächst soziologische Phänomene und eine grundsätzliche Form ethnographischer Kartierung zu erkunden. Sehr einfach zusammengefasst: Es tritt eine anwachsende soziale Gruppe auf, deren gemeinsame Merkmale sind: Sie kehren als Überlebende aus einem Auslandseinsatz zurück nach Deutschland; sie waren während des Einsatzes und davor keine Veteranen, werden es aber voraussichtlich ihr Leben lang bleiben, selbst wenn sie in derartige Einsätze zurückkehren; sie erfahren Zuschreibungen durch andere gesellschaftliche Gruppen, die sie nicht unbedingt selbst mittragen, die ihnen aber auch Macht und bestimmte Positionen innerhalb der gesellschaftlichen Beziehungen zuweisen.

Dass Veteranen so lange in den Friedens-, Sicherheits-, Kriegs- und Interventionsdiskursen Deutschlands keine große Rolle spielten, hat zwei Gründe. Zum einen ist jede Form echter, behaupteter oder vermeintlicher Weiterführung bzw. Neuauflage nationalsozialistischer Tradition (Emblematik, Semantik, »Imagery« in den meisten öffentlichen Diskursen, vor allem den politischen) ein Tabu; zum anderen gab es ja tatsächlich vor 1999 keine Einsatzrückkehrer in dem Sinn, dass Bundeswehreinsätze die Grenzen friedensbildender Begleitmaßnahmen überschritten hätten.

Aus all diesen Gründen versuche ich, zunächst das Feld »Einsatzrückkehr(er)« soweit zu dekonstruieren, dass seine Tiefendimensionen wenigstens ansatzweise sichtbar werden und sinnvolle Forschungsprogramme entwickelt werden können.

Selbstwahrnehmung und Fremdbild

Was interessiert wen und warum an den Veteranen? Zunächst: Sie selbst haben ein großes Bedürfnis, ihre Selbst- und Fremdwahrnehmung zu konstruieren. Es darf vermutet werden, dass die Rollenmodelle, die es ohne Zweifel gibt – Weltkriegsveteranen, Vietnamveteranen, Einsatzrückkehrer der heutigen Kriege in Echtzeit etc. – nicht überzeugend und eindeutig genug sind. Deshalb werden Definitionsversuche und Selbstbeschreibungen, aber auch Ableitungen derzeitiger und künftiger Rollen aus Heimkehrerliteratur zur Identitätsbildung benutzt (vgl. Bund Deutscher Veteranen/veteranenverband.de oder, hoch segmentiert, Recondo Vets Military Motorcycle Club/recondo-vets.de).

Das Interesse der Bundeswehr, aber auch privater Sicherheitsfirmen, kann unschwer differenziert werden. Für die Bundeswehr ist nicht nur die Einsatzerfahrung im Sinne von »Lessons Learned«-Elementen wichtig, sondern auch die Reputation der Ehemaligen und somit der Streitkräfte. Für private Sicherheitsunternehmen sind die Erfahrungen der Veteranen und ihre Einstellung zu den militärischen Diskursen und Institutionen von Bedeutung; hier findet sich ein noch ungefestigtes Rekrutierungsfeld. Friedensforscher- und Wissenschaftler verfolgen besorgt die langsame Erosion der »Inneren Führung« hin zu »Warrior«-Konzepten, deren Medialisierung auf amerikanische Ästhetik und überkommene deutsche Textstrukturen zurückgeht (vgl. die Links auf andere Videos bei »Kriegerethos Bundeswehr«, youtube.com/watch?v=esq-GzGjPRY).

Für die staatliche Wohlfahrtsgovernance, Sozialpolitik, Kulturpolitik sind Veteranen sowohl Kosten- und Betreuungsfaktoren als auch Akteure mit unterschiedlichem Aktionsradius. Sie lassen sich in verschiedene Stakeholder-Konzepte einpassen und werden bei künftigen Einsätzen politisch stärker thematisiert werden (müssen). Dazu gehört auch der große und teilweise bereits im Fokus der Forschung befindliche Bereich der Vereinbarkeit von Militär und sozialen Beziehungen, insbesondere in puncto Familie, und deren Modifikation durch den Veteranenstatus. Einige Studien von guter Qualität (Näser-Lather 2001; Seiffert/Heß 2014) müssen diesbezüglich stärker mit dem Thema der aus der Bundeswehr ausgeschiedenen Veteranen verknüpft werden

Für die Friedens- und Konfliktforschung sind Akteure wichtige Auskunfts- und Bezugspersonen der ersten Ordnung, d.h., ihre Erfahrungen, Rückblicke und gegenwärtigen Diskursstrategien sind von unmittelbarem Interesse für diese Forschungsgebiete. Im Verhältnis dieser Wissenschaft zur Öffentlichkeit lassen sich alle bisher genannten Segmente von Erkenntnisinteresse unter einer starken These zusammenfassen: Veteranen werden als Autoritäten mit hoher – akzeptierter oder angefeindeter – Deutungshoheit eine nachhaltige und wirkungsvolle Rolle in den Diskursen über Krieg und Frieden, Nation und globale Sicherheit, rechtliche Institutionen und eine Ausnahmejustiz für ihre Gruppe spielen. Als Kontrapunkt zu dieser These steht die Vermutung, dass über Medien, Literatur, Kunst, zunehmend auch TV und Film, eine Agenda befördert wird, die die Veteranen mehr oder weniger selbst beeinflussen.1

Überleben

Einsatzrückkehrer haben ihren Einsatz überlebt. Sie waren in einer Situation, in der Mit-dem-Leben-davongekommen-Sein nicht in die versicherungsmathematische Normalität der Risikogesellschaft eingepasst ist, sondern einen Sonderfall darstellt. Im Kampfeinsatz meint der Soldat zu wissen, was er tut; mehr oder weniger eingeübt folgt er einer Rationalität, die nicht vollständig, aber weitgehend regelhaft ist. Zugleich ist er aber Objekt kontingenter Ereignisse: Ob es ihn oder den Soldaten neben ihm »trifft«, ob er ein Ziel oder bloß Gegenstand zufälligen Streufeuers wird, ob sein Handeln eine für ihn fatale Reaktion auslöst oder als zurechenbares Handeln gar nicht ihm zugeschrieben wird – im Moment des Kampfes weiß er das nicht. Erst wenn der akute Krisenmoment überstanden ist, wenn er also überlebt hat, wird die Entscheidung rekonstruiert und sein Status als Überlebender konstruiert. Letztlich werden die entscheidenden Prädikate des Veteranendaseins da hergestellt.

Aus diesem relativ einfachen Sachverhalt leiten viele Veteranen mehrere nachhaltige Optionen ab: zum einen ihre Selbstkonstruktion als Opfer, zum zweiten die Abwägung ihrer Konfrontation mit dem entgangenen Tod – sie sind ja nicht gestorben.

Die Dekonstruktion der Erinnerungen ist schwierig und stößt in ungesichertes Gelände vor. Nehmen wir den nicht pathogenen Fall an, dass Veteranen nicht zusätzlich traumatisiert sind oder gar manifeste psychische Schäden verarbeiten müssen. Dann stehen sie bei der Verarbeitung ihrer Einsatzerlebnisse vor mehreren Fragen: Wie kann man dem Überleben (zusätzlich) Sinn abgewinnen? Der primäre Sinn war ja nicht Leben oder Sterben, sondern einen Kampf bestehen, Siegen. Und zwar für etwas – den Frieden, das Vaterland, den Befehl – oder für jemanden, was eine weitere Dimension von Subtexten auftut: Für wen riskiert jemand sein Leben? Wir wissen von Selbstmordattentätern, dass der Nachruhm oft ein wichtigeres Motiv dafür ist, sich zum Sterben zu bringen, als Geld oder die taktischen Erfolge eines Kampfes (UNAMA 2007). Die Sinngebung ihres Einsatzes kann rational, kritisch, politisch erfolgen; sie ist aber vielfach untermischt mit der Selbstverortung in einem größeren Geschehen (Einsatz, Krieg, Deutschland in der Welt) oder einem symbolischen Imperativ (Auftrag, Sendung, Freiheit verteidigen, Terror abwehren), der »jeden Mann« (vielleicht zukünftig auch »jede Frau«), also »mich«, braucht.

Die nachträgliche Sinnkonstruktion hat einige Vergleichsmomente regelmäßig zur Auswahl. Der Vergleich mit dem Vorbild, meist mit dem Helden, ist eine verbreitete Variante, die durchaus unter dem Postheroismus (Münkler 2014) gegenwärtiger Kriegsführung leidet – und das auch zum Ausdruck bringt. Wer vor dem Computer in einer Leitstelle sitzt, greift direkt ins Kampfgeschehen ein, er kämpft aber nicht, sein Körper wird dem Geschehen entzogen, der Körper aber ist im Kampf und für den Helden unerlässlich. Das wird in der höherklassigen Literatur sehr differenziert abgehandelt (Giordano 2014), während diese Reflexion in der Masse der Heimkehrerliteratur fast eine Leerstelle bildet.2

Eine andere Vergleichsebene führt zum Opferdiskurs, der bei den Veteranen in ihren Erinnerungen ausgeprägt ist. Aufgrund der relativ kurzen Zeiträume des neuen, nicht mehr am Weltkrieg orientierten, Veteranengedächtnisses können hier nicht stark belastbare Befunde dargestellt werden, aber so viel ist klar: Die auffällige Selbstbeschreibung als Opfer in doppelter Begriffsbedeutung ist ein Schlüssel zum Verstehen der Rückkehrer. Veteranen sehen sich zum einen als Opfer (im Sinne von »victim«) und rechnen mit den Umständen und den Personen, die sie zu Opfern gemacht haben, ab. Sie sind Opfer schlechter Ausrüstung, unsinniger Befehle, unzumutbarer Voraussetzungen für tatsächlichen, d.h. Kampf-Einsatz, geworden; sie hätten ja besser kämpfen können, wenn die Missstände abgeschafft worden wären, bevor man sie ins Feuer geschickt hatte. Sie sind auch Opfer von Unverständnis und Undankbarkeit. Deshalb müssen sie entweder den Sinn nachträglich korrigieren, offenlegen, kritisch vorbringen – oder sich zurückziehen, verbergen und unter sich, d.h. in der Familie oder aber im Veteranenverband, bleiben. Man kann oft ablesen, wieviel aus Vergleichen gezogene Bezugsstellen dabei schon internalisiert sind. Andererseits haben sie Opfer gebracht (im Sinne von »offering«, »sacrifice«). Sie wurden geopfert: auf dem Altar des Vaterlandes, der Ehre; oder sie haben sich geopfert, aus Pflichterfüllung freiwillig und gerne… Das steht in engem Zusammenhang mit der Frage der Anerkennung und der Integration in herrschende Diskurse.

Wir können ein Anwachsen des Veteranendiskurses als sicher voraussagen. Er kann sich allerdings polarisieren: zum einen in Richtung auf das affirmative Vorbild des nachholenden »Warrior«-Ethos (kriegerisch und männlich handeln im Kontext unbedingter nationaler Loyalität; das Vorbild hierzu ist etwa Marcus Luttrell in Lutrell und Robinson (2014)), zum andern in Richtung auf einen einsatzkritischen Realismus der Deutung von Kriegsgeschehen (hier sind paradigmatisch Hetherington (2010) und Junger (2010) zu nennen).

Für die Forschung unverzichtbar und für die Politik ein Aufmerksamkeits-»Trigger« sollten die vielen Blogs und Selbstverständigungsforen sein. Ein Einstieg ist fast unumgänglich bei Thomas Wiegold zu suchen (augengeradeaus.net).

Deutungsmacht

Veteranen werden Deutungsmacht beanspruchen; ihre Erfahrungen und ihre Sinnstiftung sind nicht schon festgelegt. Es ist zu befürchten, dass Auslandseinsätze und Kriege, in die Deutschland direkt oder indirekt verwickelt ist, umso gewaltnäher, opferorientierter und nationalistischer interpretiert werden, je weniger informierte Aufmerksamkeit den Veteranen durch Politik und Öffentlichkeit geschenkt wird. In den USA erfährt der Vietnamkrieg eine neue Deutung, bald werden Irak und Afghanistan folgen. Kosovo und Afghanistan werden – weil nur oberflächlich aufgearbeitet – Deutungsfelder für Veteranen werden, und hier werden Medien ein breites Feld diskursiver Strategien finden, weil sie ja die neuen Bilder und Begriffe zu Krieg und Einsatz finden müssen, für die es zunehmend neue Texte gibt. Man wird eben die jüdischen Soldaten und Veteranen des Ersten Weltkriegs nicht mit den muslimischen Veteranen der Bundeswehr vergleichen – die wird es aber geben. Für die Friedensbewegung ist das achselzuckende »Selber schuld!« angesichts des Leidens von Veteranen ebenso unangemessen, wie eine reduzierte Form der Heldenverehrung, weil sie ja im Feld gewesen sind. Vielmehr sollten sie ihre Erfahrungen in die Diskussion um Konfliktprävention und friedensschaffende Funktionen des Militärs einbringen können.

Anmerkungen

1) In meinem theoretischen Konzept gehe ich nicht davon aus, dass primär die Massenmedien die Agenda setzen, obwohl sie, neben Politik und anderen Akteuren, natürlich daran beteiligt sind, insbesondere als Arena. Vgl. Neumann 2012.

2) Es ist für eine tiefergreifende Dekonstruktion fast unvermeidlich, die Argumente von Peter Weiss in der »Ästhetik des Widerstands« (bei der Ausleuchtung von Herakles als Gegenmythos zu Odysseus) heranzuziehen. Das ganze Opus passt gut zu unserer kritischen Betrachtung des Heroismus, der Körperaspekt aber ist besonders wichtig, da auch im politischen Kontext eher unterdrückt (Weiss, 1975-1981). Die typische Heimkehrerliteratur verbindet die Opferzuschreibung mit einer zunehmenden Deutungshoheit über Kriegs- und Einsatzdiskurse, z.B. Timmermann-Levanas und Richter (2010), Brinkmann et al. (2013), Schnitt (2012); frühe Fremdzuschreibungen finden sich bei Reichelt und Meyer (2010).

Literatur

Sascha Brinkmann, Joachim Hoppe, Wolfgang Schröder (Hrsg.) (2013): Feindkontakt – Gefechtsberichte aus Afghanistan. Hamburg: Mittler.

Michael Daxner und Hannah Neumann (Hrsg.) (2012): Heimatdiskurs – Wie die Auslandseinsätze der Bundeswehr Deutschland verändern. Bielefeld: transcript.

Paolo Giordano (2014): Der menschliche Körper. Reinbek: Rowohlt.

Tim Hetherington (2010): Infidel. London: Chris Boot.

Sebastian Junger (2010): War. London: Fourth Estate; dt. erschienen unter dem Titel »War – Ein Jahr im Krieg« bei Karl Blessing.

Marcus Luttrell und Patrick Robinson (Patrick 2014): Lone Survivor: SEAL-Team 10 – Einsatz in Afghanistan. Der authentische Bericht des einzigen Überlebenden von Operation Red Wings. München: Heyne.

Herfried Münkler (2014): Helden, Sieger, Ordnungsstifter – Humanitäres Völkerrecht in den Zeiten asymmetrischer Kriege. Internationale Politik, Jg. 69, Ausgabe 3, Mai/Juni 2014, S.118-127.

Marion Näser-Lather (2011): Bundeswehrfamilien – Die Perzeption von Elternschaft und die Vereinbarkeit von Familie und Soldatenberuf. Baden-Baden: Nomos.

Hannah Neumann (2012): Heimatdiskurs – mediales Konstrukt und empirische Realitäten. In: Daxner und Neumann, op.cit., S.74f.

Julian Reichelt und Jan Meyer (2010): Ruhet in Frieden, Soldaten! Wie Politik und Bundeswehr die Wahrheit über Afghanistan vertuschten. Berlin: Fackelträger.

Jonathan Schnitt (2012): Foxtrott 4 – Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan. München: C. Bertelsmann.

Anja Seiffert und Julius Heß (2014): Afghanistanrückkehrer – Der Einsatz, die Liebe, der Dienst und die Familie. Ausgewählte Ergebnisse der sozialwissenschaftlichen Langzeitbegleitung des 22. Kontingents ISAF. Potsdam: Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMS-Bw).

Andreas Timmermann-Levanas und Andrea Richter (2010): Die reden – Wir sterben. Wie unsere Soldaten zu Opfern der deutschen Politik werden. Frankfurt am Main: Campus

United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) (2007): Suicide Attacks in Afghanistan (2001-2007). Kabul: UNAMA.

Peter Weiss (1975-1981): Die Ästhetik des Widerstands. 3 Bände, Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Prof. Dr. Michael Daxner ist Soziologieprofessor und Präsident der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg emeritus. Seit 2009 leitet er am Sonderforschungsbereich 700 der Freien Universität Berlin das Teilprojekt »Sicherheit und Entwicklung in Nordost-Afghanistan«.

Wer wird Soldat?

Wer wird Soldat?

Zur Motivation junger Menschen, Soldat zu werden

von Jonna Schürkes

Die Aussetzung der Wehrpflicht im Juni 2011 hat das Rekrutierungsproblem der Bundeswehr verstärkt. Gleichzeitig wird ein neuer Trend erkennbar: Es verpflichten sich vor allem solche Menschen als Soldaten, die befürchten, auf dem zivilen Arbeitsmarkt nicht zum Zuge zu kommen. Obwohl die sozioökonomische Herkunft der Soldaten sowohl in der Bundeswehr als auch in den Medien und im Bundestag immer wieder Thema ist, werden in Deutschland , anders als in den USA, keine diesbezüglichen Daten veröffentlicht. Das Thema ist für die friedenspolitische und antimilitaristische Arbeit allerdings zu wichtig, als dass man es aufgrund der fehlenden Datenlage einfach beiseite lassen könnte.

Für den vorliegenden Artikel wurden Aussagen von Militärs und Verteidigungspolitikern, Umfrageergebnisse zur Motivation junger Menschen, sich bei der Bundeswehr zu verpflichten, und aufgrund von Anfragen im Bundestag sporadisch veröffentlichte Daten zusammengetragen. Dabei bestätigt sich: In vielen Fällen ist eine gewisse Perspektivlosigkeit Vorraussetzung dafür, dass jemand Soldat wird und damit die Gefahren der zunehmenden Auslandseinsätze auf sich nimmt.

„Wer Alternativen hat, geht nicht zur Bundeswehr“

Das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMS, früher Sozialwissenschaftliches Institut der Bundeswehr/SOWI), führt seit 2004 regelmäßig Umfragen unter 15- bis 24-Jährigen durch und befragt diese zu ihrer Bereitschaft, Soldat zu werden. Die Umfragen dienen der Bundeswehr in erster Linie dazu, ihre Rekrutierungsstrategien zu verbessern.

Vor allem die Umfrageergebnisse der ersten Jahre zeigten, dass sich ein erheblicher Teil der neu rektrutierten Soldaten aus Angst vor der Arbeitslosigkeit zum Dienst an der Waffe verpflichtete. Die 2005 verabschiedeten Hartz-IV-Gesetze und der durch sie aufgebaute massive Druck v.a. auch auf junge Arbeitslose, jeden Job anzunehmen, wurden von der Bundeswehr genutzt, um Nachwuchs zu rekrutieren.1

Auch die jüngste, im Dezember 2013 veröffentlichte ZMS-Studie untersucht, wieviele Jugendliche sich vorstellen können, eine Mannschaftslaufbahn bei der Bundeswehr einzuschlagen.2 Hier sind die Umfrageergebnisse nicht mehr so eindeutig wie in den Studien zuvor. Vermutlich haben Jugendliche heute weniger Angst, keinen Arbeits- oder Ausbildungsplatz zu finden. Nun erwägen offenbar vor allem Jugendliche ohne Schulabschluss oder mit Hauptschulabschluss, Soldat zu werden.

Als Gründe für ein grundsätzliches Interesse an einer Laufbahn bei der Bundeswehr werden vor allem „Gesichertes Einkommen“, „Neues Lernen/Erfahrungen sammeln“, „Sicherer Arbeitsplatz/Ausbildungsplatz“, „Wenn in der freien Wirtschaft kein Ausbildungsplatz zu finden ist“ genannt. Die Auslandeinsätze hingegen sind mit Abstand das wichtigste Argument, kein Soldat zu werden, gefolgt von „Widerspricht (z.B. religiösen) Überzeugungen“ und „Andere berufliche Pläne, Zeitverlust“.

Die jüngsten Umfrageergebnisse bestätigen damit das Bild, das bereits die Vorgängerstudien gezeichnet haben: Es zeigt sich, „dass die Streitkräfte als Arbeitgeber vor allem für diejenigen in Frage kommen, die geringe sonstige berufliche Chancen besitzen. Umgekehrt verfügen die allermeisten, die für sich eine Tätigkeit in den Streitkräften ausschließen, über ihnen geeigneter erscheinende Möglichkeiten. Die Jugendlichen, die bereits eine Ausbildung oder einen Beruf haben, der ihnen zusagt, entwickeln in der Regel kein Interesse am Soldatenberuf. Zugespitzt formuliert heißt das: Wer berufliche Alternativen hat, geht nicht zur Bundeswehr“, so beschreiben es Nina Leonhardt, Dozentin an der Führungsakademie der Bundeswehr, und Heiko Biehl, Leiter des Forschungsbereichs Militärsoziologie am ZMS.3

Der »Freiwillige Wehrdienst«: nur wenn's sein muss

Sowohl diejenigen, die sich gegebenenfalls als Soldat auf Zeit verpflichten würden, als auch diejenigen, die sich für den Freiwilligen Wehrdienst (FWD) entscheiden, tun dies nicht unbedingt, weil sie von der Sinnhaftigkeit eines Militärdienstes überzeugt sind: Sobald sich eine zivile Alternative bietet, springen viele wieder ab.

Der FWD, der 2011 mit der Aussetzung der Wehrpflicht geschaffen wurde, gilt der Bundeswehr als wichtiges Instrument, um ausreichend Nachwuchs zu gewinnen. Ursprünglich sollten jedes Jahr mehr als 12.000 Freiwillige rekrutiert werden, die sich für sechs bis 23 Monate verpflichten und, anders als Wehrpflichtige, auch in den Auslandseinsatz geschickt werden. Im ersten Jahr des FWD bewarb sich tatsächlich die angestrebte Zahl junger Menschen für den Dienst, was vorwiegend auf die doppelten Abiturjahrgänge zurückzuführen war. Seitdem sind die Bewerberzahlen deutlich geringer.4

Innerhalb der ersten sechs Monate können die Freiwillig Wehrdienstleistenden (FWDL) die Bundeswehr jederzeit wieder verlassen. Von dieser Möglichkeit machten seit Beginn des Dienstes mehr als 25 Prozent Gebrauch.5 Als Grund für ihren Weggang gaben 34 Prozent an, zwischenzeitlich eine zivilberufliche Alternative, zum Beispiel eine Ausbildungsstelle oder einen Studienplatz, gefunden zu haben. Auch FWDLer, die die Probezeit schon hinter sich haben, tendieren dem Bericht des Wehrbeauftragen zufolge dazu, aus der Bundeswehr auszusteigen, wenn sich ihnen eine Alternative bietet.6 Am FWD zeigt sich, wie schwer der Bundeswehr die Rekrutierung von Nachwuchs fällt. Aus diesem Grund hat das Verteidigungsministerium die angestrebte Zahl FDWLer inzwischen auf 5.000 gesenkt.7

Enge Kooperation mit den Arbeitsagenturen

In der Hoffnung, wenigstens jene Jugendlichen rekrutieren zu können, die arbeitslos oder von Arbeitslosigkeit bedroht sind, kooperiert die Bundeswehr seit Jahren eng mit den Arbeitsagenturen. So unterzeichneten die Bundeswehr und die Bundesagentur für Arbeit (BA) im Februar 2010 ein Abkommen, in dem sie vereinbarten, „durch Optimierung der Kommunikationsmöglichkeiten zwischen der Wehrdienstberatung und den personalwerblichen Zielgruppen über die BA die Rahmenbedingungen zur Personalgewinnung für die Bundeswehr zu verbessern“. Kurz gesagt: Die Arbeitsagenturen sollen die Bundeswehr aktiv bei der Rekrutierung unterstützen. Dazu soll zum einen die Präsenz der Bundeswehr in den Arbeitsagenturen weiter erhöht werden, zum anderen sollen Angestellte der Arbeitsagenturen von der Bundeswehr im Rekrutieren fortgebildet werden. So besuchten 2014 Mitarbeiter der Arbeitsagenturen in Baden-Württemberg eine Kaserne, um sich „hautnah, sogar mit Waffenschau, über berufliche Perspektiven, die die Bundeswehr bieten kann“, zu informieren.8

Die enge Kooperation zwischen Bundeswehr und Arbeitsagenturen zeigt sich auch in Personalfragen: So wurde die Kooperationsvereinbarung von Seiten der Bundesagentur von ihrem Chef Frank Jürgen Weise unterzeichnet. Wiese war zum damaligen Zeitpunkt auch Vorsitzender der Strukturkommission der Bundeswehr, die im Auftrag des Verteidigungsministeriums die Strukturreform der Bundeswehr vorbereiten sollte.

Mit der Abschaffung der Wehrpflicht wurden auch die Kreiswehrersatzämter geschlossen und 110 ständige und mehr als 200 mobile Karriereberatungsbüros eingerichtet. Mindestens in 18 Städten befinden sich die ständigen Karriereberatungsbüros in denselben Gebäuden wie die Arbeitsagenturen.9 Auch die mobilen Beratungsbüros bieten regelmäßig Informationsveranstaltungen in den Räumen der Arbeitsagenturen an, die diese aktiv bewerben.

Fazit

Geht es nach dem Willen des Bundespräsidenten Joachim Gauck und der aktuellen Bundesregierung, wird die Bundeswehr in Zukunft noch mehr Soldaten in Kriegseinsätze schicken. Die Frage, warum junge Menschen in diese Kriege ziehen, ist zu wichtig, um ihre Beantwortung alleine der Bundeswehr zu überlassen. Denn auch wenn Michael Wolffsohn, ehemals Professor für Neuere Geschichte an der Universität der Bundeswehr in München, für seine Aussagen, der Bundeswehr drohe eine „Ossifizierung“ und aus dem Staatsbürger in Uniform werde das „Prekariat in Uniform“, sowohl vom damaligen Verteidigungsminister Thomas de Maiziere als auch vom Bundeswehrverband massiv Schelte bekam, besteht im Militär erkennbar ebenfalls die Sorge, nur noch jene rekrutieren zu können, die in der »freien Wirtschaft« keinen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz bekommen.10 Dabei geht es einerseits um die Befürchtung, langfristig nicht genug Soldaten rekrutieren zu können; es geht der Militärelite aber auch um das Ansehen ihres Berufstandes: „Die Befürchtung, es könne am unteren Ende der gesellschaftlichen Skala eine selektive Wehrpflicht wirksam werden, die insbesondere sozial und wirtschaftlich Schwächere in die Streitkräfte drängt, treibt nicht zuletzt die Militärelite um, die befürchtet, eine solche Entwicklung […] gefährde ihr soziales Standing.“ 11

Die Friedens- und antimilitaristische Bewegung weist immer wieder darauf hin, dass die Realität des Soldaten Krieg ist und die Bundeswehr ihr Versprechen vom »sicheren Arbeitsplatz« nicht hält. Dabei muss sie enger mit Arbeitsloseninitiativen und anderen Gruppen, die gegen die Prekarisierung in Deutschland kämpfen, zusammenarbeiten. Denn solange es Menschen gibt, die sich als Soldat verpflichten, um der Arbeitslosigkeit und dem Druck durch die Arbeitsagenturen zu entgehen, solange wird es genügend Nachwuchs für die Kriegseinsätze der Bundeswehr geben.

Anmerkungen

1) Vgl. Jonna Schürkes, Heiko Humburg, Jürgen Wagner (2008): Sozialabbau und Rekrutierungsstrategien der Bundeswehr. W&F-Dossier 58.

2) Jana Hennig: Attraktivität der Mannschaftslaufbahn der Bundeswehr. Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMS), Dezember 2013.

3) Nina Leonhardt und Heiko Biehl: Beruf: Soldat. In: Nina Leonhard u.a. (Hrsg.) (2012): Militärsoziologie – Eine Einführung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2. Auflage, S.414.

4) Genaue Zahlen zu Bewerbungen, Einstellungen und Kündigungen von FWDLern (allerdings nur für 2012) finden sich in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Linken »Umsetzung des Freiwilligen Wehrdienstes in den Jahren 2012 und 2013«, Bundestags-Drucksache 17/14082 vom 25.6.2013.

5) Thomas Wiegold: Kündigung im freiwilligen Wehrdienst: Ein Drittel sieht keine Perspektive in der Truppe. Augen Geradeaus, 17.6.2013.

6) Bericht des Wehrbeauftragten 2013. Bundestags-Drucksache 18/300 vom 28.1.2014.

7) Dem freiwilligen Wehrdienst droht das Aus. Die Welt, 16.8.2013.

8) Kooperation Bundeswehr und BA: Berufskunde mit Waffenschau. Dialog 4/2014 (Mitarbeiterzeitschrift der Arbeitsagentur); online unter kritischerkommilitone.wordpress.com.

9) Die Karriereberatungsbüros in Ansbach, Aurich, Braunschweig, Coesfeld, Göttingen, Hagen, Hamm, Herford, Mainz, Mühlhausen, Neuruppin, Offenburg, Paderborn, Rheine, Rostock, Schwäbisch Gmünd, Siegen und Weilheim haben die selbe Adresse wie die jeweiligen Arbeitsagenturen.

10) Vgl. beispielsweise das Interview mit dem ehemaligen Wehrbeauftragten des Bundestages, Reinhold Robbe: „Es reicht nicht, ein paar Faltblättchen zu verteilen“. tagesschau.de, 1.7.2011.

11) Leonhardt und Biehl, op.cit., S.422.

Joanna Schürkes ist Politikwissenschaftlerin und im Beirat der Tübinger Informationsstelle Militarisierung (IMI).

Die Bundeswehr in Führung?

Die Bundeswehr in Führung?

Die Reklamekampagne der Bundeswehr

von Christian Stache

Im Juni 2014 stellte Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) die Reklame- und Rekrutierungskampagne »Aktiv. Attraktiv. Anders. – Bundeswehr in Führung« der Öffentlichkeit vor. Die Attraktivitätssteigerung des Dienstes an der Waffe durch einen Acht-Punkte-Plan ergänzt die Auf- und Umrüstung des deutschen Militärs. Die Kampagne hat zum Ziel, neue Soldatinnen und Soldaten zu gewinnen und bereits aktive zu binden sowie die politisch-ideologische Verankerung der Bundeswehr in der Gesellschaft zu vertiefen. Auf diese Weise soll die Kampagne die Kriegsfähigkeit der Bundesrepublik und ihre Einsatzfähigkeit als Interventionsarmee steigern.

Anfang 2014 gab Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen der Bild am Sonntag ein ausführliches Interview, in dem sie unter anderem ihre Vorhaben für die Bundeswehrreform im Kalenderjahr 2014 skizzierte. Dem Leitmedium des Springer-Verlags sagte sie, die Bundeswehr müsse im „Wettbewerb um die besten Köpfe mit den vielen zivilen Arbeitgebern bestehen“ können. Ihr Ziel sei es daher, „die Bundeswehr zu einem der attraktivsten Arbeitgeber in Deutschland zu machen“. Denn, so die Ministerin einige Monate später, nach Bekanntgabe der so genannten Attraktivitätsoffensive des Bundesverteidigungsministeriums (BMVg), die Frage der Attraktivität der Bundeswehr als Arbeitgeber sei für die Einsatzfähigkeit von entscheidender Bedeutung. Und um diese zu steigern, wolle sie „nur die Besten“ für das deutsche Militär.

Das Personalproblem

Trotz des sukzessiven Anstiegs der Ausgaben für PR- und Rekrutierungsmaßnahmen auf jährlich knapp 30 Millionen Euro1 und zahlreicher Initiativen zur Attraktivitätssteigerung des Dienstes an der Waffe2 strömen die jungen Arbeitskräfte nicht in Massen in die Kasernen. Der Presse- und Informationsstab des BMVg beteuert zwar, „die Lage der militärischen Personalgewinnung“ könne „sowohl rückblickend für das Jahr 2013 als auch vorausschauend für 2014 als gut und stabil bezeichnet werden“.3 Doch auch die PR-Abteilung des Ministeriums kann nicht gänzlich kaschieren, dass Personal fehlt. Ihr zufolge verpflichteten sich 2013 nur 87 Prozent der benötigten Soldaten auf Zeit. Bei den Mannschafts- und Unteroffizierslaufbahnen unterschritt die Armee die erforderliche Zahl sogar um 15 Prozentpunkte, ganz zu schweigen von den so genannten Spezialisten, „insbesondere in den Bereichen IT/Elektronik und Sanitätsdienst. Hier ist es schwer, geeigneten Nachwuchs zu finden“, räumen die Kommunikationsexperten von der Hardthöhe ein. Von den seit 1. Juli 2011 eingestellten 28.830 Freiwilligen Wehrdienstleistenden hat nach Angaben des Bundesverteidigungsministeriums etwa ein Viertel den Dienst innerhalb der ersten sechs Monate quittiert. Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags, Hellmut Königshaus (FDP), sprach in seinem Jahresbericht gar von „erheblichem Personalmangel vor allem beim Heer und der Marine“. Laut Königshaus müsse heute die Basis dafür geschaffen werden, dass die Bundeswehr „auch in Zukunft genügend und ausreichend qualifizierten Nachwuchs gewinnen kann“. Dies sei „eine Überlebensfrage für die Streitkräfte“.4

Der Acht-Punkte-Plan

Von der Leyen weiß um die Achillesferse der Bundeswehr, auch wenn sie solch deutliche Formulierungen wie die ihres Kollegen Könighaus vermeidet. Eines der größten Risiken für die Einsatzfähigkeit der Truppe sei, dass ihr die qualifizierten Menschen ausgingen, sagte die Ministerin vor der Bundespressekonferenz Mitte 2014. Damit dies nicht passiert und die Bundeswehr weiterhin weltweit Operationen durchführen kann, wie von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), Bundespräsident Joachim Gauck und von der Leyen im ersten Halbjahr 2014 unisono gefordert,5 legte das BMVg nach langer Vorarbeit einen Maßnahmenkatalog zur Attraktivitätssteigerung der Arbeit bei der Bundeswehr vor.

Von der Leyen stellte die Kampagne ihres Hauses mit dem Titel „Aktiv. Attraktiv. Anders. – Bundeswehr in Führung“ Anfang Juni 2014 der Öffentlichkeit vor. Im Wesentlichen handelt es sich um einen Acht-Punkte-Plan, unterfüttert mit 29 „untergesetzlichen“ Maßnahmen, d.h. Reformen, die nicht per Gesetz geregelt werden müssen. Mit ihrer Hilfe sollen die angestrebten Veränderungen erreicht und junge Menschen zum Dienst in den Streitkräften bzw. bereits »dienende« Soldatinnen und Soldaten für eine längerfristige Tätigkeit beim Militär motiviert werden.

Bei den acht Kernvorhaben handelt es sich um folgende Punkte: die Einführung eines neuen Führungsmanagements (1) und neuer Rekrutierungs- und Fortbildungsmöglichkeiten (2), die Vereinbarkeit von Familie und Beruf (3), flexiblere Arbeitsverhältnisse (4) bei gesteigerter Planbarkeit und besseren Aufstiegsbedingungen (5), die Entwicklung eines Gesundheitsmanagements (6), die moderne Einrichtung der Kasernen (7) sowie die vertiefte Verankerung der Bundeswehr in der Gesellschaft (8).6

Hier sollen die einzelnen Punkte kurz beleuchtet werden.

Die Führungsebene der Bundeswehr ist offensichtlich zu dem Ergebnis gekommen, es bestünden erhebliche Defizite in der „Art und Weise, wie respektvoll und wertschätzend Vorgesetzte und Untergebene tagtäglich miteinander umgehen“. Außerdem geht bei den Militärs wohl immer noch die Pflicht des Korps über die Belange des Individuums. Daher soll das neue Führungsmanagement „Gute Führung“ (Punkt 1) die militärischen Führungskader sensibilisieren. Über Lehrgänge, Schulungen und eine Kanonisierung dessen, was man sich unter „guter Führung“ vorzustellen hat, soll das Leitungspersonal der Bundeswehr soziale Techniken – »soft skills« – erlernen, um die Untergebenen effektiver zu führen, ohne dabei auf die bestehenden Hierarchien direkt Bezug nehmen zu müssen. Zudem sollen die Vorgesetzten die privaten Belange der ihnen unterstellten Soldatinnen und Soldaten berücksichtigen.

Ein zentraler Pfeiler der aktuellen Bundeswehrreform und der Kampagne zur Attraktivitätssteigerung ist die Entwicklung neuer Methoden zur Nachwuchsgewinnung und internen Weiterbildung (Punkt 2). Diese bilden gemeinsam mit der gesteigerten Planbarkeit und den besseren Aufstiegsbedingungen das Herzstück der Reformagenda. Die Bundeswehr will z.B. durch einen „24-Stunden-Service für Jobangebote und Kontaktaufnahme“ in Form des „E-Recruiting“, die „Einrichtung eines Call-Centers für zivile Laufbahnen“ und einen Talentpool, über den grundsätzlich geeignete, aber zunächst nicht ausgewählte Bewerber weitere Stellenangebote erhalten, den „Kontakt zum Arbeitgeber Bundeswehr“ erleichtern. Außerdem hofft sie durch die Erhöhung „der Azubi-Übernahmequote aus Ausbildungswerkstätten von 25 auf 70%“, neue Arbeitskräfte zu gewinnen. Das BMVg beabsichtigt darüber hinaus, den Soldatinnen und Soldaten die Weiterbildung zu garantieren und frühzeitige Anschlussangebote sowie Beratung zu weiteren Berufsperspektiven bei der Bundeswehr sicherzustellen. Gleichzeitig sollen Versetzungen früher angekündigt, mit den Betroffenen erörtert und insgesamt die Zahl der Verlegungen verringert, die Aufstiegschancen an einem Standort erhöht und eine Online-Informationsbörse über Dienstposten eingerichtet werden, sodass die Soldaten sich einfach über mögliche Anschlussjobs informieren können.

Ergänzt werden diese Vorhaben durch Maßnahmen, mit denen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessert und die Arbeit flexibler gestaltet werden kann (Punkte 3, 4 und 5). Die Bundeswehr hat schon damit begonnen, mehr Belegrechte in Kitas zu erwerben, mehr Tagespflegeangebote zu machen und auch Kitas an eigenen Standorten zu eröffnen.7 Es ist zudem geplant, an jedem Standort eine „zentrale Ansprechstelle für alle Probleme rund um Familie und Dienst“ zu schaffen und den Soldaten im Einsatz überall kostenfreie Telefon- und Internetnutzung anzubieten. Ferner will das BMVg Teilzeitarbeitsmodelle und Langzeitarbeitskonten für alle Beschäftigte einführen, damit diese Zeit für private Anliegen haben. Zusätzlich soll durch mobile Informationstechnologie – also Laptops, Tablets und Smartphones – „zeit- und ortsunabhängiges Arbeiten“ unterstützt werden.

Die Einführung eines „betrieblichen Gesundheitsmanagements“ (Punkt 6) beginnt mit einem Pilotprojekt an zehn Standorten und dient der Kontrolle und Sicherstellung der Leistungsfähigkeit der Truppe. Es zielt auf Stress- und Suchtprävention und umfasst voraussichtlich Gesundheitschecks und Sportangebote.

Unter modernen Unterkünften (Punkt 7) stellt sich Ministerin von der Leyen vor allem eine neue Inneneinrichtung (Möbel, Fernseher und Kühlschränke) sowie freien und ungehinderten Internetzugang in allen Kasernen vor. Diese Ausstattung soll den Wohnkomfort und den Wohlfühlfaktor für die Soldatinnen und Soldaten deutlich erhöhen.

Ein besonderes Schmankerl sind die Projekte, die man sich auf der Hardthöhe für eine stärkere Verankerung der Bundeswehr in der Gesellschaft ausgedacht hat (Punkt 8). Unter anderem soll im Jahr 2015 „anlässlich des 60-jährigen Bestehens der Bundeswehr“ bundesweit ein „Tag der Bundeswehr“ gefeiert werden, „an dem sich die Bundeswehr an zahlreichen regionalen Standorten auch als attraktiver Arbeitgeber mit Hunderten spannenden zivilen und militärischen Berufen präsentiert“. Fortan, so die Planung, ist der Tag jedes Jahr zu begehen. Außerdem wird ab 2015, ganz im Geiste der zivil-militärischen Kooperation an der Heimatfront, jährlich der Preis »Bundeswehr und Gesellschaft« an „Personen und Institutionen, die sich auf allen gesellschaftlichen Ebenen in besonderem Maße für die Belange der Bundeswehr oder ihrer Angehörigen einsetzen“, verliehen.

Insgesamt werden für das Reformpaket laut Bundesverteidigungsministerin für einen Zeitraum von fünf Jahren 100 Millionen Euro veranschlagt. Die Ausgaben würden aus den laufenden Jahresetats bestritten, d.h. es fallen angeblich keine Mehrkosten an. Dies wurde in den Reihen der Bundestagsopposition bereits in Zweifel gezogen. Ähnliche Versprechungen wurden auch in der Vergangenheit selten eingehalten.

Es ist vorgesehen, dass der überwiegende Teil der Pläne in den nächsten zwei Jahren realisiert wird. Die Umsetzung einiger Vorhaben wird sich bis ins Jahr 2017 hinein ziehen; dann soll auch die aktuelle Bundeswehrreform abgeschlossen sein soll.

Nach der Attraktivitätsoffensive ist vor der Attraktivitätsoffensive

Die Große Koalition hatte bereits im Koalitionsvertrag angekündigt, sie beabsichtige, große Summen Steuergelder für die Rekrutierung von Nachwuchs und für Bundeswehr-Reklame auszugeben: „Wichtig ist es, dass der Dienst in der Bundeswehr attraktiv bleibt. Wir werden eine Attraktivitätsoffensive voranbringen.“ Der Koalitionsvertrag enthält eine relativ detaillierte Liste an Vorschlägen, die einen Teil der jetzt vorgestellten Maßnahmen bereits vorweg nehmen. Daher ist die zurückhaltende Kritik des SPD-Verteidigungsexperten Rainer Arnold an den Plänen der Ministerin kaum ernst zu nehmen. Zumal Arnold im Namen der SPD-Fraktion noch wenige Wochen vor Veröffentlichung der BMVg-Agenda die Vorschläge des Bundeswehrverbandes zur Attraktivitätssteigerung des Militärs begrüßte und erklärte: „Die Bundeswehr muss attraktiver werden.“ 8

Der Acht-Punkte-Plan wird durch eine weitere Initiative des BMVg ergänzt, die allerdings noch nicht beschlossen wurde, weil die rechtlichen Anforderungen an sie höher sind: das so genannte Artikelgesetz. Es soll Ende 2014 vom Bundestag verabschiedet werden und bereits am 1. Januar 2015 in Kraft treten. Maßgeblich sollen die Grenzen für zusätzliche Verdienste für Berufssoldaten wegfallen. Auch die Rente für Soldaten auf Zeit wird neu geregelt. Schließlich soll für pendelnde Soldatinnen und Soldaten die Möglichkeit geschaffen werden, zwischen Trennungsgeld und Umzugskostenvergütung zu wählen. Gerd Hoofe, Staatssekretär im BMVg, kündigte bereits im Juli 2014 an, dass die „bisher vorgestellten Maßnahmen“ der Kampagne »Aktiv. Attraktiv. Anders. – Bundeswehr in Führung« nicht abschließend seien, sondern „fortgeschrieben und weiterentwickelt werden, unter anderem in einer »Personalstrategie 2020+«“. Die Chefetage des Militärs forderte er zudem auf, „kontinuierlich alle sich ergebenden Möglichkeiten der Attraktivitätssteigerung“ auch in der Alltagsarbeit auszuschöpfen. Es ist also davon auszugehen, dass das Ende der Rekrutierungsbemühungen und des Reklame-Bombardements noch nicht erreicht ist.

Erhöhte Kriegsfähigkeit: Attraktivität plus Waffen

Kaum hatte von der Leyen im Juni 2014 ihre Pläne vorgestellt, standen sie im Kreuzfeuer der Kritik. Insbesondere der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, ließ kein gutes Haar an der Ministerin und ihren Vorschlägen. Er polterte gegenüber dem FOCUS: „Von der Leyen hat ganz offensichtlich keine Ahnung vom Militär.“ 9 Die Ministerin komme ihm vor „wie eine gute Hausfrau, die ihre Kinder versorgt“. „Und“, so Kujat gegenüber der Süddeutschen Zeitung, „es wirkt auf mich, als sei diese Ideensammlung von Leuten erstellt worden, die die Bundeswehr nicht kennen.“ Soldaten bräuchten vor allem eine vernünftige Ausrüstung. „Das macht den Soldatenberuf sicherer und damit attraktiv.“ 10 Der ehemals ranghöchste Militär der Bundesrepublik erhielt Unterstützung von einem nicht namentlich genannten hochrangigen Offizier aus dem BMVg, den der FOCUS mit folgenden Worten zitierte: „Die Ministerin verpasst uns mit dieser Agenda das Image von Weicheiern und Warmduschern, kein Mensch wird doch Soldat, weil er wohnliche Beleuchtung für seine Stube bekommt.“ 11

Der Kritik wurde postwendend von höchster Stelle begegnet. Der amtierende Generalinspekteur der Bundeswehr, General Volker Wieker, sagte in einem Interview mit der FAZ, ohne Kujat beim Namen zu nennen, es sei „unzulässig, die Modernisierung von Ausrüstung und Bewaffnung der Bundeswehr in eine Entweder-oder-Konstellation mit der Attraktivitäts-Agenda zu stellen, die gerade vorgestellt worden ist“; einige Einwände gegen von der Leyens Pläne seien „rückwärtsgerichtet“ und schadeten der Bundeswehr.12 Der Inspekteur der Marine warb in einem offenen Brief um Unterstützung für die Werbe- und Rekrutierungsbemühungen. Attraktive Rahmenbedingungen seien für die Marine auch in Anbetracht der aktuellen Personallage geradezu überlebenswichtig.13 Auch der Bundeswehrverband stand der Ministerin zur Seite. In einer Pressemitteilung bezeichnete dessen Bundesvorsitzender, Oberstleutnant André Wüstner, die Reformvorschläge von der Leyens als „guten Anfang“. Es müssten aber weitere Maßnahmen folgen.14 Zuspruch kam sogar aus der Opposition. Doris Wagner, Mitglied des Bundestages für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, begrüßte die „Attraktivitätsagenda der Ministerin“ als einen „wichtigen Schritt in die richtige Richtung. […] Wer gute Männer und Frauen für die Bundeswehr begeistern will, muss auch gute Arbeitsbedingungen bieten.“ 15 Von der Leyen meldete sich schließlich noch einmal selbst zu Wort: Für sie sei es „nicht ein Entweder-oder, sondern es ist ein Sowohl-als-auch“.16 Die Ministerin will also nicht nur eine attraktivere Armee, sondern auch bessere Waffen. Sie ließ zwar in den vergangenen Monaten (mit niederschmetterndem Ergebnis) einige große Rüstungsprojekte prüfen, an ihrer generellen Absicht, die Bundeswehr weiter hochzurüsten, bestehen aber kaum Zweifel.

Der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, Wüstner, lieferte schließlich unzweideutig die Begründung für die Attraktivitätsoffensive: „Die Steigerung der Attraktivität ist kein Selbstzweck. Sie ist existenziell für motivierte und einsatzbereite Streitkräfte.“ Softskills plus Drohnen oder Attraktivität plus Waffen, das ist das Konzept der ersten Verteidigungsministerin der Republik, um die Kriegsfähigkeit des deutschen Militärs zu erhöhen und die Interessen der deutschen Wirtschaft und der deutschen Politik militärisch durchzusetzen.

Berufsrisiko Krieg

Die Protagonistinnen und Protagonisten dieser Kontroverse sparen aus, dass der Job bei der Bundeswehr wohl kaum ein Beruf »wie jeder andere« ist. Im Begleitvideo zur Rekrutierungs- und Werbekampagne »Aktiv. Attraktiv. Anders. – Bundeswehr in Führung« spielt die Kriegsrealität nicht ansatzweise eine Rolle. Von der Leyen spricht zwar davon, die Bundeswehr sei aufgrund der Auslandseinsätze „ein besonderer Arbeitgeber“ mit „ganz besonderen Aufgaben“, aber nur, um diese Besonderheit in ihrem Sinne positiv zu wenden: „[G]erade weil wir viel von den Soldatinnen und Soldaten verlangen, müssen wir ihnen auch im Grundbetrieb viel bieten.“ 17

Das BMVg will vor allem und ausdrücklich auf die Bedürfnisse der Zielgruppe »jung und qualifiziert« eingehen. In dem Flyer zur Werbe- und Rekrutierungskampagne heißt es: „Als Arbeitgeber im Wettbewerb um Fachkräfte müssen wir attraktiv sein für junge Männer und Frauen, die berufliche Herausforderungen suchen und die notwendigen fachlichen und sozialen Kompetenzen mitbringen.“ 18 Die Charmeoffensive des BMVg richtet sich entsprechend nicht in erster Linie an Jugendliche, deren Schulabschluss schlecht ist, oder an Menschen mittleren Alters, die keinen Job finden – die kommen auch ohne extra Überzeugungsarbeit in ausreichender Zahl. Die jungen qualifizierten Arbeitskräfte hingegen haben andere Möglichkeiten, einen Arbeitsplatz zu finden, und nutzen diese auch. Die demographische Entwicklung verschärft die Konkurrenz mit den zivilen Unternehmen zusätzlich. Entsprechend müsse die Bundeswehr, so ist ihrer Homepage zu entnehmen, „in den nächsten drei Jahren auf die Überholspur gehen, um sich einen vorderen Platz im Wettbewerb um die besten Köpfe zu sichern“.19 „Ziel ist es“, wird in dem oben erwähnten Flyer des Ministeriums formuliert, „die vielen Guten, die sie hat, zu halten und möglichst viele neue motivierte Männer und Frauen für sich zu gewinnen.“

Demographischer Wandel, verschärfte Konkurrenz mit zivilen Unternehmen um Arbeitskräfte usw. – Argumente, die die Bundeswehr seit Jahren als Erklärung für ihre schlechte Personalsituation anführt -, sind zwar aus Sicht der Bundeswehr durchaus ernstzunehmende Probleme. Es sind aber vor allem die Kriege und militärischen Operationen im Ausland, die der Attraktivität der Bundeswehr und der Nachwuchsförderung diametral entgegenstehen. Dies wird allerdings nur selten ausgesprochen. Alexander S. Neu, Obmann der Fraktion DIE LINKE im Verteidigungsausschuss, äußerte sich kritisch über die Pläne des BMVg und die Erfolgsaussichten der Reformen: „Die Bundeswehr hat ein grundsätzliches Problem: Junge Menschen wollen nicht in Kriege geschickt und dort verheizt werden.“ Die mangelnde Attraktivität des Militärdienstes führt er auf „die Ausrichtung der Bundeswehr als globale Interventionsarmee im Dienste einer militarisierten Außenpolitik“ zurück. „Die Bundeswehr ist eben kein normaler Arbeitgeber, sondern einer, der junge Menschen sucht, die bereit sind zu töten und selbst getötet zu werden.“ 20

Diese Position wird untermauert von den Ergebnissen einer Studie des Potsdamer Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr. Auch wenn das Institut mit seiner Studie lediglich die „Attraktivität der Mannschaftslaufbahn“ erforscht hat, sind die im Dezember 2013 veröffentlichten Resultate durchaus auf die Bundeswehr insgesamt übertragbar. Der Erhebung zufolge seien die Auslandseinsätze und das damit verbundene Berufsrisiko der „wichtigste Grund gegen eine Verpflichtung in der Mannschaftslaufbahn“. Sogar „für die Jugendlichen, die sich für eine Tätigkeit als Soldat bzw. Soldatin der Mannschaftslaufbahn interessieren, sind die Auslandseinsätze der mit Abstand häufigste genannte Grund gegen eine solche Verpflichtung“.21

Lebensverlängernde Maßnahme

Mittelfristig stellt sich die Frage, ob es den Strateginnen und Strategen des BMVg gelingt, die berechtigten Bedenken und nachvollziehbaren Sorgen der Menschen sukzessive aus dem kollektiven Bewusstsein zu verdrängen, indem man sie mit stetig neuen Versprechungen und materiellen Zugeständnissen überlagert. Bislang zumindest hält sich hartnäckig die Erkenntnis, dass der Verzicht auf einen Job beim – in den Worten des BMVg – „hochmodernen, global agierenden Konzern“ Bundeswehr eine lebensverlängernde Maßnahme ist.

Anmerkungen

1) Kleine Anfrage »Umfang von Werbemaßnahmen der Bundeswehr im Jahr 2013« der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag. Drucksache 18/1018, 16.5.2014.

2) Mehr dazu in Christian Stache: Arme und Ausländer, zu den Waffen und an die Front! Die Bundeswehr startet Charme-Offensive für ihre Transformation zur Armee im Einsatz. Tübingen: Informationsstelle Militärisierung, IMI-Analyse 2011/05.

3) Presse- und Informationsstab BMVg: Die Lage der Personalgewinnung in der Bundeswehr. Berlin, 5.3.2014.

4) Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten. Jahresbericht 2013 (55. Bericht). Bundestags-Drucksache 18/300, 28.1.2014.

5) Siehe z.B. Florian Gathmann: Gauck auf Sicherheitskonferenz: Deutschland, auf in die Welt. Spiegel Online. 31.1.2014.

6) Die Bundeswehr stellt auf ihrer Homepage reichlich Material zur Kampagne zur Verfügung. Um einen ersten Überblick zu erhalten, sind die „Informationen für die Medien“ besonders geeignet, in denen die acht Schwerpunkte benannt und die dazugehörigen Maßnahmen stichpunktartig aufgeführt werden. Dies gilt auch für den achtseitigen »Flyer« des Bundesverteidigungsministeriums zur Kampagne, der im Juni 2014 erschienen ist. Diese Materialien wurden durchweg für die Veröffentlichung werbewirksam aufbereitet.

7) Zu den Folgen und Problemen siehe z.B. Thomas Mickan: Motivationsfaktor Kita. Über Belegrechte und die Privilegierung der Bundeswehr. Tübingen: Informationsstelle Militärisierung, IMI-Analyse 2013/019.

8) SPD-Bundestagsfraktion, Arbeitsgruppe Sicherheits- und Verteidigungspolitik, Abgeordneter Rainer Arnold: Bundeswehr muss attraktiver werden. Pressemitteilung, 7.5.2014.

9) Ulrike Demmer: Die Wellness-Truppe. FOCUS Magazin Nr. 23, 2.6.2014.

10) Kritik an von der Leyens Plänen für attraktivere Bundeswehr. Süddeutsche.de, 31.5.2014.

11) Von der Leyen erntet Spott mit Attraktivitätsoffensive für Bundeswehr. focus.de, 1.6.2014.

12) Johannes Leithäuser im Gespräch mit dem Generalinspekteur der Bundeswehr, Volker Wieker: Rückwärtsgerichtete Kritik schadet der Bundeswehr. FAZ.net, 8.6.2014.

13) Vizeadmiral Axel Schimpf: Inspekteurbrief zur Attraktivitätsoffensive der Bundeswehr. 19.6.2014, marine.de.

14) Deutscher Bundeswehrverband: Attraktivitätsoffensive der Bundeswehr – Wüstner: Guter Anfang – jetzt Finanzmittel bereitstellen und notwendige Gesetze erlassen! Pressemitteilung Nr. 8/2014, Berlin, 30.5.2014.

15) Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen: Bundeswehr – Attraktivität-Agenda ohne Abstriche. Pressemitteilung, 4.6.2014.

16) BMVg: Pressekonferenz – Statement der Verteidigungsministerin zur Attraktivität der Bundeswehr [vor der Bundespressekonferenz]. Berlin, 4.6.2014.

17) Ibid.

18) Siehe Fußnote 6.

19) Die Bundeswehr geht in die Attraktivitätsoffensive. bundeswehr.de, 2.6.2014.

20) Linksfraktion Alexander Neu: Wohlfühl-Angebote machen eine Interventionsarmee nicht attraktiv. Pressemitteilung, 4.6.2014.

21) Jana Hennig: Attraktivität der Mannschaftslaufbahn der Bundeswehr. Forschungsbericht. Potsdam: Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, Dezember 2013.

Christian Stache, M.A. der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, promoviert derzeit an der Universität Hamburg und ist Beirat der Informationsstelle Militarisierung (IMI).

Soldatinnen

Soldatinnen

von Cordula Dittmer

Fast 14 Jahre sind vergangen, seit der Europäische Gerichtshof im Fall Tanja Kreil entschied, die Gleichstellungsrichtlinie der EU sei auch vom Arbeitgeber Bundeswehr einzuhalten (Dittmer/Mangold 2005). Der Ausschluss der Frauen vom Dienst an der Waffe wurde damit aufgehoben, und innerhalb eines Jahres wurden die rechtlichen, organisatorischen und infrastrukturellen Voraussetzungen für die Aufnahme von Soldatinnen in den bewaffneten Dienst der Bundeswehr geschaffen (Apelt/Dittmer/Mangold 2005). Für das deutsche Militär, das sich bis dato als »Hort der Männlichkeit« verstanden hatte, war und ist dies eine Herausforderung und bedingt anhaltende geschlechtsspezifische Verhandlungen innerhalb der Streitkräfte.

Zum 1. Januar 2001 traten die ersten Soldatinnen ihren Dienst in den Streitkräften an; mittlerweile stellen Frauen rund 10% aller Soldaten, von diesen 10% sind ca. 30% im Sanitätsdienst eingestellt. Seit der Öffnung hat sich für die Bundeswehr auch ansonsten vieles geändert: Die Wehrpflicht wurde abgeschafft; die Streitkräfte wurden zur Freiwilligenarmee umgestaltet; das Verteidigungsministerium wird gegenwärtig von einer Frau geführt. Außerdem nimmt Deutschland eine immer aktivere Rolle in der internationalen Außen- und Sicherheitspolitik ein.

Die Bundeswehr präsentiert sich in der Öffentlichkeit als attraktiver Arbeitgeber, als „hochmoderner, global agierender Konzern“ (Bundeswehr 2014a), für den sowohl die Gesundheit seiner Mitarbeiter*innen als auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder die Flexibilität im Arbeitsalltag eine zentrale Rolle einnehmen. Dem Thema »Frauen in der Bundeswehr« hingegen wird, anders als zur Zeit der Öffnung, medial und in der Selbstdarstellung keine große Aufmerksamkeit mehr geschenkt, es wird als „gelebte Normalität“ verstanden (Bundeswehr 2014b). Die offizielle Website der deutschen Streitkräfte zeigt denn auch Fotos lachender Soldatinnen, die in der Bundeswehr ihre berufliche und private Erfüllung gefunden zu haben scheinen.

Blickt man hinter die Kulissen der »Attraktivitätsoffensive«, sieht die Sache allerdings anders aus. So ist in der aktuellen Studie »Truppenbild ohne Dame?« des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr zu lesen, dass es deutliche Schwierigkeiten – wörtlich „Eintrübung“ (Kümmel 2014, S.5) – bei der Integration und Anerkennung der Soldatinnen gibt. Rund 40% der männlichen und knapp 30% der weiblichen Soldaten äußerten z.B. die Meinung, Frauen sollten von „Kampfverwendungen ausgenommen“ werden, und knapp ein Viertel der männlichen Soldaten sieht die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr durch die Frauen massiv gefährdet (Kümmel 2014).

Über die Gründe, warum auch ein derart großer Anteil an Soldatinnen Frauen in Kampfpositionen ablehnt, kann nur spekuliert werden: Da mögen zum einen die eigenen negativen Erfahrungen in diesen Positionen sein, die zu einer erheblichen Frustration führen. Weitaus wichtiger erscheint jedoch, dass Frauen in ihrer Selbstdefinition als Soldatinnen männlich geprägte und dominierte Erklärungs- und Legitimationsstrategien übernehmen, um als Soldatinnen anerkannt zu werden (Dittmer 2008).

Das Militär als Hort von Männlichkeit

Mit der Einführung der männlichen Wehrpflicht 1913/14 wurde das deutsche Militär, in dem zuvor auch Frauen als Tross- und Schanzweiber, Marketenderinnen oder Kämpferinnen ihren Platz hatten, vollständig zu einer „Schule der Männlichkeit“ (Frevert 1997, S.145). Das Militär fungierte fortan als Symbol des nationalen Bewusstseins und stand für die „Schlagkraft und Männlichkeit einer Nation“ (Däniker 1999, S.116). Zentrales Definitionskriterium militärischer Männlichkeit war der Soldat als Kämpfer, der mittels der Beherrschung und Anwendung von Gewalt und der soldatischen Tugenden, wie Gehorsam, Opferbereitschaft, Mut und Disziplin, bereit war, sein Leben für die Nation zu opfern (Apelt/Dittmer 2007). Die anfängliche Begeisterung für den Ersten Weltkrieg speiste sich auch aus der Hoffnung auf eine Bewährung der Männlichkeit in Heldentum und Kampf (Frevert 1990: S.103ff.). Dieses Kämpferbild wurde auch nach der Niederlage des deutschen Militärs 1918 aufrechterhalten. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg erlitt der Soldatenberuf aufgrund der Verbrechen deutscher Soldaten an der Zivilbevölkerung und der als Folge davon verfassungsrechtlich zugestandenen Möglichkeit, den Wehrdienst zu verweigern, einen hohen Prestigeverlust. Ganz erloschen ist die „Ausstrahlungskraft des soldatischen Männlichkeitskonstrukts“ (Frevert 1990, S.370) allerdings auch dann nicht.

Die umfassende Integration von Frauen in alle Bereiche der militärischen Organisation fordert(e) die konstitutive Funktion dieses soldatischen Männlichkeitskonstrukts heraus und führte zu einer umfassenden Verunsicherung der beteiligten Akteure. Zunächst versuchte man, die Organisation möglichst wenig zu verändern und Sondermaßnahmen für Frauen einzuführen, die die bereits bestehenden Stereotype eher zementierten, als eine Veränderung der Geschlechterordnung zu bewirken. Frauen wurden weiterhin als Abweichung von der männlichen Norm definiert.

Im Jahr 2005 wurde ein Gleichstellungsgesetz für Soldatinnen und Soldaten verabschiedet, welches eine Frauenquote, das Recht auf Teilzeitarbeit (mit Ausnahmen) und familiengerechte Arbeitszeiten, die Einführung von Gleichstellungsbeauftragten und einen stärkeren Schutz gegen sexuelle Belästigung für Männer und Frauen vorsieht und vor allem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Soldatinnen und Soldaten verankert. Erst jetzt wurden auch die organisatorischen Strukturen an die veränderten gesamtgesellschaftlichen Rahmenbedingungen angepasst (dazu ausführlicher Dittmer/Mangold 2007). Die Bundeswehr und der Soldatenberuf changieren damit zwischen den Erfordernissen und Anforderungen an zivile Organisationsformen einerseits und der besonderen Position des Militärs als Schutzorgan des Staates gegen äußere Bedrohungen, für das zivile Anforderungen nur bedingt gelten, andererseits. Je nach Kontext wird der eine oder andere Deutungsrahmen in Anspruch genommen, wenn es darum geht, die Rolle der weiblichen Soldaten in der Organisation auszuhandeln.

Geschlechtsspezifische Verhandlungen

Das Ideal des Soldaten speist sich aus einer Vielzahl an historisch und gegenwärtig aufgeladenen Bedeutungsdimensionen, wie einer hohen körperlichen Leistungsfähigkeit, der Verbindung von Waffengebrauch und Männlichkeit oder der Heterosexualität. Dies lässt sich exemplarisch anhand der Bereiche sexuelle Belästigung und Umgang mit Waffen zeigen.

Sexuelle Belästigung

In den ersten Jahren nach der Öffnung wurden publik gewordene Fälle der sexuellen Belästigung in der Bundeswehr von der medialen Öffentlichkeit aufmerksam verfolgt. Die männlichen Soldaten fühlten sich massiv verunsichert und äußerten große Ängste, unschuldig der sexuellen Belästigung beschuldigt zu werden (Dittmer 2008). Diese vorwiegend medial inszenierte Aufregung hat sich mittlerweile zwar gelegt, sexuelle Belästigung ist bundeswehrintern aber nach wie vor ein wichtiges Thema. Der Wehrbeauftragte berichtete für das Jahr 2013 von 64 gemeldeten Fällen, in denen Soldatinnen Übergriffen von männlichen Kameraden oder Unbekannten ausgesetzt waren (Könighaus 2014). Kümmel (2014), der den Begriff der sexuellen Belästigung weiter fasst (von sexistischen Witzen bis hin zu Übergriffen), stellte in seiner Befragung von 2011 fest, dass mehr als die Hälfte der Soldatinnen mindestens einer Belästigung ausgesetzt war, rund ein Viertel erfuhr unerwünschte körperliche Berührungen, ca. 3% erlebten eine Vergewaltigung (Kümmel 2014). Aber auch rund ein Zehntel der männlichen Soldaten fühlten sich sexuell belästigt; in diesen Fällen wurde für mehr als die Hälfte der »Belästiger« als Geschlecht »weiblich« angegeben.

In der feministischen und gendersensiblen Forschung wird sexuelle Belästigung vor allem als Mittel der Ausübung und Verstetigung von Machtverhältnissen, der Polarisierung der Geschlechterdifferenzen und der Abwertung von Weiblichkeit diskutiert. Frauen werden über das Mittel der sexuellen Belästigung für den Übertritt von Gendergrenzen sanktioniert und daran erinnert, dass „du in meinen Augen nur eine Frau bist“ (Cockburn 1993, S.161). Dabei ist problematisch, dass die juristische, wissenschaftliche und alltagspraktische Definition dessen, was als sexuelle Belästigung verstanden wird, weit auseinanderklafft und man bei Befragungen dementsprechend sehr unterschiedliche Angaben erhält; oft verschwimmen die Grenzen zwischen sexueller Belästigung und »normalem« sexuellen Umgang bzw. Flirten (Dittmer 2008).

Die Soldatinnen und Soldaten betonen durchweg, dass es in der Bundeswehr über das Disziplinarrecht bessere Möglichkeiten als im zivilen Leben gibt, sich gegen sexuelle Belästigung zur Wehr zu setzen. Die weiblichen Soldaten nehmen für sich in Anspruch, sich gegen sexuelle Belästigung durchaus zur Wehr setzen zu können. Das hat seinen Grund: Es ist im männlich definierten Feld »Bundeswehr« für die Soldatinnen existentiell, nicht als potentielle Opfer männlicher Handlungsmacht zu gelten, sondern als gleichberechtigte Kameraden, die keine Angriffspunkte für Übergriffe bieten (Dittmer 2008).

Umgang mit Waffen

Zentrales Definitionskriterium und – neben der Polizei – Alleinstellungsmerkmal des Soldatenberufs ist die Möglichkeit und Pflicht, an der Waffe ausgebildet zu werden und im Ernstfall auch davon Gebrauch zu machen. Für Soldatinnen ist die Ausbildung an der Waffe oft sogar ein Grund, sich für den Dienst in der Bundeswehr zu entscheiden. Sie sind begeistert von der Schießausbildung und sehr stolz, wenn sie die Ausbildung erfolgreich absolvieren und dabei zum Teil besser abschneiden als ihre männlichen Kameraden. Soldatinnen sehen „das Tragen einer Waffe als Privileg und als Ausweis ihres militärischen Wertes sowie als Quelle von Autorität und Selbstvertrauen“ (Sasson-Levy 2003, S.84).

Im Prozess der »Soldatwerdung« müssen Frauen, die in das Militär eintreten, die männlich besetzten Räume erobern und sich aneignen. Neben dem Tragen der Uniform, dem Bestehen militärischer Übungen, dem Beweis körperlicher Leistungsfähigkeit und der Ausübung von Kameradschaft stellt die Ausbildung an der Waffe die letzte Hürde in der Identifikation mit dem Soldatenberuf und der „Aneignung von Verletzungsmacht“ dar (Dittmer 2014). Erst durch das Beherrschen der Waffe können sie also an militärischer Männlichkeit teilhaben und die Geschlechtergrenzen überschreiten.

Auf der anderen Seite zeigt sich im Diskurs um den Waffengebrauch auch die Schwierigkeit der Frauen, ein positives soldatisches Selbstbild zu entwickeln. Sie identifizieren sich einerseits nicht mit dem vorgegebenen militärischen Weiblichkeitsideal – der schwachen und zu beschützenden Frau -, können andererseits aber die soldatische Identität als Kämpfer nur unter großer Anstrengung erlangen. So beschreiben viele Soldatinnen das Tragen und den Gebrauch von Waffen explizit als körperlich sehr anspruchsvolle Aufgaben, denen sie als Frau nicht gut gewachsen seien.

Soldatinnen sind also in einer ambivalenten Position: Die Ausbildung an und der Gebrauch von Waffen sind zentral, um an der militärischen Männlichkeit zu partizipieren und »richtige« Soldaten zu werden. Zugleich werden sie immer auch als Frauen mit bestimmten weiblich konnotierten Eigenschaften wahrgenommen.

Schluss

Abgesehen von einer kurzen Phase der medialen Aufmerksamkeit und der Öffnung der Bundeswehr für bundeswehrferne und/oder -kritische Beobachter, ist es sehr still geworden um die Frage nach der Integration von Frauen in die Streitkräfte. Erst als im Dezember 2013 mit Ursula von der Leyen eine Frau an die Spitze des Verteidigungsministeriums rückte, wurden einige wichtige, lang zurückgehaltene Studien veröffentlicht. Sie geben einen Einblick in die Entwicklungen der letzten Jahre. Wie sich die Bundeswehr und die Soldatinnen und Soldaten in dem immer größer werdenden Spagat zwischen Unternehmen/ziviler Arbeitgeber und schlagkräftiger Einsatzarmee positionieren und wie sie ihre soldatische Geschlechtsidentität definieren werden, ist momentan völlig offen.

Durch den zunehmenden Einsatz von Drohnen werden traditionelle Vorstellungen vom Soldatenberuf, in dem körperliche Leistungsfähigkeit eine so zentrale Rolle einnimmt, verstärkt in Frage gestellt und damit auch die Gestaltungs- und Handlungsspielräume von Frauen – und Männern – erweitert. Der Blick in die Geschichte zeigt, dass Phasen zunehmender Technisierung von Kriegswaffen historisch immer wieder mit der Aufwertung kognitiver und der Abwertung körperlicher Fähigkeiten einhergingen, traditionelle Männlichkeitskonzepte in Frage stellten und mehr Frauen die Teilhabe an soldatischer Identität ermöglichten bzw. diese erzwangen.

Literatur

Maja Apelt, Cordula Dittmer, Anne Mangold (2005): Die Bundeswehr auf dem Weg zur Gleichstellung der Geschlechter? In: Jens-Rainer Ahrens, Maja Apelt, Christiane Bender (Hrsg.): Frauen im Militär. Erste empirische Befunde zur Integration von Frauen in die Streitkräfte. Wiesbaden: VS Verlag, S.108-133.

Maja Apelt und Cordula Dittmer (2007): »Under pressure« – Militärische Männlichkeiten im Zeichen neuer Kriege und veränderter Geschlechterverhältnisse. In: Mechthild Bereswill, Michael Meuser, Sykla Scholz (Hrsg.): Dimensionen der Kategorie Geschlecht: Der Fall Männlichkeit. Münster: Westfälisches Dampfboot, S.68-83.

Bundeswehr 2014a: Aktiv. Attraktiv. Anders. – Bundeswehr in Führung. bundeswehr.de.

Bundeswehr 2014b: Gelebte Normalität: Frauen in der Bundeswehr. bundeswehr.de.

Kathrin Däniker (1999): Die Truppe – ein Weib? Geschlechtliche Zuschreibungen in der Schweizer Armee um die Jahrhundertwende. In: Christine Eifler und Ruth Seifert (Hrsg.): Soziale Konstruktionen – Militär und Geschlechterverhältnis. Münster: Westfälisches Dampfboot, S.110-134.

Cordula Dittmer (2008): Gender trouble in der Bundeswehr. Bielefeld: transcript.

Cordula Dittmer: Genderdimensionen des Waffengebrauchs. APuZ, Jg. 64, Nr. 35-37/2014, 25.8.2014, S.34-39.

Cordula Dittmer und Anne Mangold (2005): Die Integration von Frauen in die europäischen Streitkräfte – das Militär zwischen internationalem Recht und nationaler Sicherheitspolitik. In: Annette Jünemann und Carmen Klement (Hrsg.): Die Gleichstellungspolitik der Europäischen Union. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, S.65-80.

Cordula Dittmer und Anne Mangold (2007): Auf dem Weg zu einer Gleichstellung der Geschlechter? Das Gleichstellungsgesetz für Soldatinnen und Soldaten. femina politica, Nr. 1/2007, S.78-88.

Ute Frevert (1997): Das Militär als »Schule von Männlichkeit«. Erwartungen, Angebote, Erfahrungen im 19. Jahrhundert. In: Ute Frevert (Hrsg.): Militär und Gesellschaft im 19. und 20. Jahrhundert. Stuttgart: Klett-Cotta, S.145-172.

Hellmut Könighaus (2014): Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten. Jahresbericht 2013 (55. Bericht). Deutscher Bundestag, Drucksache 18/300.

Gerhard Kümmel (2014): Truppenbild ohne Dame? Eine sozialwissenschaftliche Begleituntersuchung zum Stand der Integration von Frauen in die Bundeswehr. Potsdam: Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr.

Orna Sasson-Levy (2003): Frauen als Grenzgängerinnen im israelischen Militär – Identitätsstrategien und -praktiken weiblicher Soldaten in »männlichen« Rollen. In: Christine Eifler und Ruth Seifert (Hrsg.): Gender und Militär. Internationale Erfahrungen mit Frauen und Männern in Streitkräften. Königstein/Taunus: Ulrike Helmer Verlag, S.74-100.

Dr. Cordula Dittmer, Soziologin, arbeitet an der Katastrophenforschungsstelle der Freien Universität Berlin und ist Frauenbeauftragte der Arbeitsgemeinschaft Friedens- und Konfliktforschung (AFK).

Sozialisation im Militär

Sozialisation im Militär

von Maja Apelt

Die militärische Sozialisation vollzieht sich nicht nur in der Grundausbildung, sondern während der gesamten Dienstzeit und vor allem in den Einsätzen selbst. Die Frage, welche funktionalen und dysfunktionalen Wirkungen sie im Hinblick auf die Handlungsfähigkeit in den Einsätzen und die Identitätsentwicklung hat, ist allerdings weitgehend ungeklärt. Dies ist problematisch, und zwar sowohl hinsichtlich der widersprüchlichen Anforderungen in den Einsätzen als auch des Verhältnisses von Militär und Gesellschaft.

Die militärische Grundausbildung in der Bundeswehr hat sich in den letzten 50 Jahren stark gewandelt und ist zumindest in einigen Aspekten ziviler und menschlicher geworden. Die Frage, ob sie damit den Anforderungen der neuen Einsätze gerecht wird, wird allerdings kontrovers diskutiert, denn die Bundeswehr steht vor einem Dilemma: Sie muss die Soldaten angemessen für die von ihnen zu erfüllenden Aufgaben ausbilden, darf sich dabei zugleich nicht zu weit von der Gesellschaft entfernen.

Das Grundproblem

Der Kern des Soldatenberufs besteht darin, bereit und fähig zu sein, Menschen zu verletzen, ihre Lebensgrundlagen zu zerstören und dabei auch das eigene Leben und die eigene Gesundheit zu riskieren, dies alles aber nur und ausschließlich innerhalb einer militärischen Hierarchie (vgl. Kliche 2004).

Um dies zu erreichen, geht die militärische Grundausbildung wesentlich weiter als vermutlich jede andere Berufsausbildung: Rekruten lernen nicht nur den Umgang mit Waffen, sie werden darüber hinaus für eine bestimmte Zeit oder dauerhaft von ihren Familien, Verwandten, Freunden abgeschottet, das Verlassen der Kaserne wird zumindest während der ersten Zeit streng reglementiert. Detailliert wird nicht nur vorgeschrieben, was Rekruten dürfen und was sie nicht dürfen,. auch der Alltag wird bis ins Detail vorgeschrieben. Die Privatsphäre – so es denn außerhalb der Kaserne eine gab oder gibt – wird aufgehoben oder auf ein Minimum reduziert. Soldaten müssen lernen, ihre Uniform nach Vorschrift zu tragen, die Stube und den Spind penibel aufzuräumen und das Bett auf Kante zu richten; sie lernen, zu marschieren, stramm zu stehen usw.

Das Problem besteht darin, dass Soldaten nicht mehr nur kämpfen, sondern auch andere, zumeist polizeiliche Aufgaben übernehmen müssen. Soldaten früherer Armeen waren häufig in Kolonien stationiert und mussten Aufstände bekämpfen. Heute wird das in der Sprache der Strategie des US-Militärs »couterinsurgency« – Aufstandsbekämpfung – genannt. In der Gegenwart sollen Soldaten die Entwicklungszusammenarbeit stützen, Wahlen absichern, den Terrorismus bekämpfen usw. Zeitweise wurden Soldaten sogar als »bewaffnete Sozialarbeiter« bezeichnet, das hieß, dass sie sich auch diplomatische und sozialarbeiterische Fähigkeiten aneignen sollten.

Kampf- und Polizeieinsätze gehen heute ineinander über, und Soldaten müssen teilweise eigenständig entscheiden können, wann sie in welcher Rolle auftreten, was sie wann tun müssen, wie sie wann auf welche Menschen reagieren. Kurzum: Die Anforderungen sind höchst problematisch und widersprüchlich.

Welch dramatische Folgen es haben kann, wenn Soldaten nicht wissen, was sie tun sollen, oder die falsche Entscheidung treffen, wurde etwa 1995 beim Völkermord in Srebrenica trotz der Anwesenheit niederländischer Blauhelmsoldaten oder 2009 bei der Entscheidung von Oberst Klein, in Nordafghanistan einen Luftangriff auf entführte Tanklastwagen anzufordern, sichtbar. Dazu kommt eine wachsende Zahl von Soldaten mit posttraumatischem Belastungssyndrom, die zeigt, dass die psychischen Anforderungen und Belastungen des Einsatzes tiefe Spuren hinterlassen.

Welche Hintergründe dies hat und inwiefern die militärische Ausbildung geeignet ist, auf den Einsatz vorzubereiten, soll nachfolgend aus sozialisationstheoretischer Perspektive diskutiert werden.

Ungenügender Wissensstand zur militärischen Sozialisation

Welche funktionalen oder dysfunktionalen Wirkungen die militärische Ausbildung und der soldatische Dienst haben, darüber fehlen weitgehend wissenschaftlich belegte Untersuchungen und Aussagen. Dies hat mehrere Gründe: Zum einen erschwert die Bundeswehr die Möglichkeit der Forschung, versucht die Veröffentlichung der Forschungsergebnisse zu kontrollieren oder zumindest die von unliebsamen Ergebnissen zu verzögern oder zu verhindern. Dies machen auch private Unternehmen; der Unterschied besteht hier allerdings darin, dass es sich um einen staatlichen Akteur handelt, der unter der Kontrolle der Öffentlichkeit und Politik stehen muss.

Die Kehrseite ist, dass die aktuelle Forschung über das Militär in der Öffentlichkeit und der »scientific community« kein hohes Ansehen genießt, und dies gilt weitgehend unabhängig davon, ob es sich um kritische Forschung handelt oder nicht. Wissenschaftler müssen sich also genau überlegen, ob sie sich eine solche Forschung leisten können.

Überdies hat die empirische Sozialisationsforschung mit dem Problem zu kämpfen, dass belastbare Aussagen darüber, welche Auswirkungen bestimmte Sozialisationsbedingungen haben, äußerst schwierig sind. Dahinter steht, dass Sozialisation weit mehr umfasst als Erziehung. Erziehung besteht in dem Versuch der methodischen Einflussnahme auf ein Individuum; Sozialisation dagegen umfasst alle gewollten wie ungewollten Umweltfaktoren auch jenseits der Erziehung sowie den Eigenanteil des Individuums selbst, also wie es Einflüsse und Anforderungen verarbeitet, Belastungen überwindet oder daran womöglich zerbricht. Sozialisation, dies ist auch wichtig, ist ein lebenslanger Prozess. Im Nachhinein zu bestimmen, was welchen Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung hatte, ist äußerst schwierig.

Die spezifische militärische Grundausbildung

Seit der Durchsetzung der stehenden Heere wurden Rekruten militärisch ausgebildet und trainiert. Sie lernten den Umgang mit Waffen, wurden uniformiert, gedrillt und körperlich geschult. Sie wurden dazu wie oben beschrieben abgeschottet, reglementiert und jeglicher Privatsphäre beraubt. In der sog. Formalausbildung lernten die Rekruten, militärisch zu stehen, zu gehen, zu marschieren, sich anzukleiden und zu grüßen. Der eigene Name verlor zugunsten des Dienstgrades und der Position an Bedeutung. Für kleinste Vergehen wurden drakonische Strafen verhängt. Schikanen von Vorgesetzten, aber auch von den eigenen »Kameraden«, gehörten zur Tagungsordnung; auch wenn sie zumeist formal verboten waren, wurden sie informell doch mehr als geduldet (so z.B. »Code Red« im Militär der Vereinigten Staaten, die »Dedowschtschina« in den russischen Streitkräften oder die »EK-Bewegung« in der Nationalen Volksarmee der DDR).

Weitere militärische Elemente, die die Fähigkeit und Bereitschaft zu kämpfen befördern sollten und die gesamte Organisation betrafen, kamen hinzu. So etwa Traditionen, Zeremonien und Symbole, deren Funktion es ist, den Schmerz, Verwundung und Tod symbolisch zu überformen und moralisch aufzuladen und so dem zerstörerischen Handeln einen Sinn zu geben. Bis heute zeigt sich, dass Rituale und Symbole den Soldaten von seinem Eintritt in die Organisation bis zu seinem Ausscheiden und darüber hinaus begleiten, sie werden Teil der Identitätsausrüstung des Soldaten und sollen die frühere private Identität überdecken oder ersetzen. Und auch in der Gegenwart gilt, dass Streitkräfte mit öffentlichen Zeremonien, feierlichen Gelöbnissen, Militärparaden und Ehrenbekundungen gegenüber »gefallenen« Soldaten sowie mit Ehrendenkmälern ihren Anspruch auf eine besondere Ehrerbietung seitens der übrigen Gesellschaft formulieren. Erreicht werden soll, dass das militärische Handeln nicht als kriminell oder abweichend sanktioniert, sondern als Dienst an der nationalen Gemeinschaft gewürdigt wird. Je kriegerischer die Einsätze des Militärs, desto wichtiger werden diese Ehrenbekundungen in der Öffentlichkeit (Burk 1999).

Eine besondere Bedeutung kommt aber der Kameradschaft zu: Sie soll die Defizite einer rigiden Hierarchie und Formalstruktur ausgleichen, und mit dem Hinweis auf Kameradschaft können Vorgesetzte Forderungen formulieren, die weit über das Formale hinausgehen. Außerdem kann die Kameradschaft der Forderung, das eigene Leben einzusetzen, einen Sinn jenseits nur politischer Ideologie geben: Wenn schon nicht für's Vaterland, so kämpft man wenigstens für die Kameraden; man lässt sie nicht im Stich. In unseren Befragungen war Kameradschaft das zentrale Argument, die Waffe im Einsatz einzusetzen. Das Motto war: Wenn ich es tue, muss es mein Kamerad nicht tun (Apelt 2012).

Die militärische Sozialisation ist demzufolge der Prozess, in dem sich die Soldaten diese Kultur aneignen.

Militärische Sozialisation aus der Perspektive Goffmans und Foucaults

Wie der Aneignungsprozess einer Kultur verläuft, die der zivilen Kultur außerhalb der Kaserne widerspricht, lässt sich mit Goffmans Theorie der »totalen Institution« (1973) erklären. Goffman zeigt auf, wie totale Institutionen die Identität ihrer Insassen soweit angreifen und verändern, dass es möglich wird, bereits internalisierte (zivile) Normen aufzuheben und durch neue (militärische) zu ersetzen und die dazugehörigen Handlungsmuster zu etablieren. Ergebnis einer Sozialisation in »totalen Institutionen« ist im Extremfall, dass die Insassen in der Lage sind, sich im Rahmen dieser Organisationen zu bewegen und deren Anforderungen zu erfüllen. Nur in der individualisierten bürgerlichen Gesellschaft – so Goffman – können sie dann nicht mehr bestehen.

Diese »totalen Institutionen« zeichnen sich einerseits dadurch aus, dass Schlafen, Arbeiten und Freizeit nicht mehr voneinander getrennt sind und die Insassen von der Außenwelt abgeschottet werden; dadurch erleiden sie einen Rollenverlust und den Verlust möglicher Hinterbühnen. Die Grenze, die Individuen gegenüber ihrer Umwelt normalerweise ziehen können und die es ihnen ermöglicht, eine eigene Identität auszubilden, sich von gesellschaftlichen Zumutungen zumindest teilweise abzugrenzen, wird aufgehoben.

Zum anderen sind Insassen von totalen Institutionen einer einzigen Autorität unterstellt und werden nach festen Regeln und einem umfassenden Plan verwaltet. Durch die totale Institution werden die Widerstände gegen die Organisation und ihre Zumutungen gebrochen. Zusätzlich werden Neulinge einem Gehorsamstest – einer Probe zur Brechung ihres Willens – unterzogen. Wer sich widersetzt, wird unmittelbar und sichtbar bestraft.

Mit Foucault (2008) lässt sich ergänzen, dass sich diese Institutionen des Körpers der Insassen bemächtigen: Dieser wird isoliert, überwacht und diszipliniert; zugleich wird damit der Geist geformt. Die zentralen Medien dieser Formung sind die genaue Aufgliederung und Verknüpfung von Zeit und Raum, Übungen und Prüfungen. Vorbild ist das Bentham'sche Panopticon. In ihm ist die Überwachung allumfassend, lückenlos und zugleich unmerklich. Um den Strafen zu entkommen, bleibt den Insassen nur die Chance, sich selbst zu bewachen.

In Anlehnung an Foucault untersuchte Treiber (1973) zwischen 1968 und 1970 die Sanktionspraxis in der Bundeswehr. Sein besonderes Interesse richtete sich dabei auf das Phänomen der »Normenfalle«. Die Rekruten, so sein Befund, müssten so viele neue Verhaltensanforderungen gleichzeitig erfüllen, dass sie notgedrungen scheitern müssten. Sie gerieten in einen Zustand ständiger Kritisierbarkeit. Zudem weise ein Teil der Normen eine gewollte Unschärfe auf, die den Zweck habe, dass die Regeln nicht einhaltbar sind und die Rekruten permanent sanktioniert und verunsichert werden könnten. Treiber schlussfolgert, diese Mechanismen der totalen Institution und der Normenfalle seien nicht dazu geeignet, selbständig denkende und handelnde Soldaten heranzubilden (vgl. auch Steinert/Treiber 1980).

Liliensiek (1979) ging mit seiner Kritik am Militär noch einen Schritt weiter. Während das Alltagsverständnis das Militär gern als Instanz betrachtete, in der Jugendliche zu »echten« Männern gemacht werden, betonte er den reifungshemmenden Charakter des Militärdienstes (so auch Böhnisch/Winter 1997, S.93f.). Ausgangspunkt für Liliensieks Überlegungen war, dass der Wehrdienst in die Phase der späten Adoleszenz fällt und die Grundausbildung die Befriedigung der in der Adoleszenz besonders virulenten Bedürfnisse nach unterschiedlichen sozialen Kontakten, Anerkennung u.ä.m. nicht nur verhindere, sondern einen Rückfall der jungen Männer in die frühe Kindheit, speziell in die anale Phase (also 2. bis 3. Lebensjahr), hervorrufe. Denn auch da lernen Kinder zu stehen, zu gehen und zu laufen. Mit diesem Rückfall in eine frühkindliche Phase würden die Soldaten in ihrem innersten Wesen massiv verunsichert, die Identität würde geschwächt und abweichendes Verhalten (z.B. unerlaubtes Entfernen von der Truppe) gefördert.

Einfluss von Zivildienst und technologischer Entwicklung

Die militärische Grundausbildung in der Bundeswehr – insbesondere die Sanktionspraxis – hat sich seit den 1970er Jahren gravierend geändert. Dafür gab es mehrere Gründe. Im Zuge der langen Friedensperiode und angesichts der Gefahr eines Atomkriegs wurde ein Krieg immer weniger vorstellbar, die militärischen Einsatzszenarien verloren an Glaubwürdigkeit, und die Akzeptanz des Militärs in der Gesellschaft sank – es rückte mehr und mehr an den Rand der Gesellschaft. Aufgrund der gesellschaftlichen Demokratisierung und Individualisierung in den 1970er und 1980er Jahren verlor das Militär weiter an Ansehen und Attraktivität. Immer weniger junge Männer waren bereit, sich dem Pflichtdienst fraglos unterzuordnen. Die Möglichkeit der Verweigerung des Militärdienstes und der Ableistung eines Wehrersatzdienstes wurde zunehmend in Anspruch genommen.

Trotz der Klagen der Militärs über die sinkende Zahl der Wehrdienstleistenden kam ihnen diese Entwicklung entgegen, denn mit steigendem technischen bzw. technologischen Niveau der Ausrüstung reduzierte sich der Nutzen, potentiell unwillige Zwangsdienstleister an dieser Ausrüstung zu unterweisen. Wenn potentielle »Störer und Versager« nicht mehr in die Kasernen müssen, so entfällt die Notwendigkeit, sie durch Zwangsmaßnahmen und Sanktionen zu Soldaten zu machen (vgl. Bröckling 1997, S.318).

Und nicht zuletzt setzte sich die »Innere Führung« durch, Im Zuge der Integration der Soldaten der ehemaligen Nationalen Volksarmee (NVA) in den 1990er Jahren diente das Leitbild des »Staatsbürgers in Uniform« plötzlich auch denjenigen konservativen Offizieren, die dieses Konzept bis dahin eher abgelehnt hatten, als Markenzeichen, das die Bundeswehr deutlich von der NVA unterschied.

All diese Veränderungen führten aber nicht zu einer Auflösung der Grenzen zwischen Militär und Gesellschaft und der Spezifika militärischer Kultur und Sozialisation. Wahrscheinlich trifft, vor allem seit der Aussetzung der Wehrpflicht 2011, auch auf die Bundeswehr zu, was Heins und Warburg (2004, S.124) in Anlehnung an David Lipsky (2004) über die Kadetten der Militärakademie West Point schreiben. Diese Hochschule des US-Militärs wäre „eine erstaunlich ironiefreie Zone […] Die Kadetten entgehen dem in der Normalgesellschaft üblichen Druck der permanenten Selbstfindung und Individualisierung, indem sie sich in einer vorgefertigten Ordnung bewegen […]“.

Neue Einsätze

In den 1990er Jahren und mit dem Einsatz der Bundeswehr in zunächst noch klassischen Peacekeeping-Einsätzen sowie bei der Hochwasserkatastrophe an der Oder 1997 schien es, als ob der Soldat tatsächlich zum Katastrophenhelfer und bewaffneten Sozialarbeiter mutieren würde. Inzwischen hat die Realität der neuen Einsätze die Bundeswehr aber wieder eingeholt. Bedenkt man, dass die ersten Bundestagsabgeordneten über einen Einsatz von Bundeswehrsoldaten gegen die IS-Kämpfer im Nahen Osten nachdenken, so deutet dies auf eine Remilitarisierung des Militärs hin.

Dies aber bedeutet nicht einfach eine Rückkehr zum klassischen Krieg, sondern eine Verschärfung der Dilemmata militärischen Handelns, da die neuen Einsätze für die Streitkräfte gleichermaßen eine Verpolizeilichung wie eine Remilitarisierung nahelegen. Welche Schlussfolgerungen daraus für die Struktur der Bundeswehr und der Ausbildung zu ziehen sind, ist unklar.

Schluss

Die militärische Sozialisation vollzieht sich nicht nur in der Grundausbildung, sondern während der gesamten Dienstzeit und vor allem in den Einsätzen selbst. Fraglos sind die Soldaten in den Einsätzen nicht nur der Gefahr für das eigene Leben und die eigene Gesundheit ausgesetzt, sondern sie müssen damit rechnen, die Waffe selbst einsetzen oder anderen den dafür erforderlichen Befehl (oder im Falle des Oberst Klein die entsprechende Information) geben zu müssen. Zusätzlich tragen die Camps, in denen sie in den Einsatzgebieten leben, wesentliche Merkmale totaler Institutionen. Das prägt die Identität der Soldaten und ihre sich dadurch etablierenden Handlungsmuster weitgehend unabhängig von formalen Vorgaben und wahrscheinlich auch von den Vorstellungen der »Inneren Führung«.

Die Widersprüche zwischen Militär und Gesellschaft werden damit größer, sie erschweren die Integration und Sozialisation ins Militär ebenso sowie die Rückkehr in die Zivilgesellschaft. Die Heroisierung oder Militarisierung der Gesellschaft, wie sie Münkler (2006, S.310ff.) vorzuschlagen scheint, würde daran nichts ändern.

Literatur

Maja Apelt (2012): Militär. In: dies. und Veronika Tacke (Hrsg.): Handbuch Organisationstypen. Wiesbaden: Springer VS.

Ulrich Bröckling (1997): Disziplin. Soziologie und Geschichte militärischer Gehorsamsproduktion. München: Vink.

James Burk (1999): Military Culture. In: Lester Kurtz (ed.): Encyclopedia of Violence, Peace and Conflict. San Diego: Academic Press, S.447-462.

Michel Foucault (2008): Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Erving Goffman (1973): Asyle. Über die soziale Situation psychiatrischer Patienten und anderer Insassen. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Volker Heins und Jens Warburg (2004): Kampf der Zivilsten. Militär und Gesellschaft im Wandel. Bielefeld: transcript.

Thomas Kliche (2004): Militärische Sozialisation. In: Gert Sommer und Albert Fuchs (Hrsg.): Krieg und Frieden. Handbuch der Konflikt- und Friedenspsychologie. Weinheim: Beltz, S.344-356.

Peter Liliensiek (1979): Bedingungen und Dimensionen militärischer Sozialisation. Ein Beitrag zur Bundeswehrsoziologie. Frankfurt am Main: Peter Lang.

David Lipsky (2004): Absolutely American: Four Years at West Point. New Yor:. Houghton Mifflin.

Herfried Münkler (2006): Der Wandel des Krieges. Von der Symmetrie zur Asymmetrie. Weilerswist-Metternich: Velbrück Wissenschaft.

Hubert Treiber (1973): Wie man Soldaten macht. Sozialisation in »kasernierter Gesellschaft«. Düsseldorf: Bertelsmann.

Hubert Treiber und Heinz Steinert (1980): Die Fabrikation des zuverlässigen Menschen. Über die »Wahlverwandtschaft« von Kloster- und Fabrikdisziplin. München: Moos.

Prof. Dr. Maja Apelt, Diplom-Soziologin, ist Professorin für Organisations- und Verwaltungssoziologie der Universität Potsdam, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät.