Exempel Golfkrieg – Wird die These von der zunehmenden Unführbarkeit von Kriegen widerlegt?

Exempel Golfkrieg – Wird die These von der zunehmenden Unführbarkeit von Kriegen widerlegt?

Eine interaktive multimediale Dokumentation als computergestützte militärische Technikfolgenabschätzung

von Wolfgang Hofkirchner • Peter Purgathofer

Der Krieg am Golf fand statt. Also war er machbar. Also war Krieg machbar. Die Behauptung, Kriege seien in der heutigen Welt nicht mehr machbar, wird durch das Faktum Golfkrieg Lügen gestraft. So einfach ist das. Zu einfach! Denn die These von der Unführbarkeit von Kriegen hebt auf die Zweckmäßigkeit ihrer Führung ab: „Bezwecken Kriege in der Tat noch das, was sie sollen?“ ist die Frage, auf die sie eine negative Antwort gibt.

Krieg ist Mittel der Politik. Krieg ist die Anwendung bewaffneter Gewalt – heute, unter den Bedingungen der Existenz nationalstaatlich verfaßter Gesellschaften – innerhalb von bzw. zwischen Staaten zum Zweck der Erreichung innen- bzw. außenpolitischer Ziele. Diese Ziele sind entweder staatsbürgerlich bzw. nationalstaatlich borniert, d.h. darauf beschränkt, nur einem Teil des gesellschaftlichen Subjekts (bestimmten Gruppen innerhalb einer Nation bzw. bestimmten Nationen innerhalb der Völkergemeinschaft) auf Kosten eines anderen Teils Entwicklungsbedingungen einzuräumen, oder sie umfassen die Aufhebung ebendieser Herrschafts-, Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnisse. Nur in diesem zweiten Fall läßt sich davon sprechen, daß Krieg gerecht(fertigt) sei, sofern die Verhältnismäßigkeit des Mittels gewahrt werden kann, die Größe des Leids also, das durch den Einsatz des Mittels erst verursacht wird, weit unterhalb der Größe desjenigen gehalten werden kann, zu dessen Überwindung es eingesetzt wird.

Aber Krieg bleibt Mittel der Politik auch dann, wenn diese Verhältnismäßigkeit nicht mehr garantiert werden kann. Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde ein Zeitalter eingeläutet, in dem zum einen die Zerstörungskraft der Waffensysteme aufgrund ihrer ins Unermeßliche gesteigerten technischen Leistungsfähigkeit die Grenzen des militärisch Sinnvollen überschritten hat. Mit der Erklärung des obersten Repräsentanten der führenden Militärmacht der Erde, daß ein Atomkrieg niemals geführt werden dürfe, ist diese Erkenntnis seit Mitte der 80er Jahre regierungsamtlich. Und seit damals reift eine weitere Erkenntnis, nämlich daß es die Verwundbarkeit der zivilen Infrastruktur aufgrund ihrer komplizierten und komplexen technischen Interdependenzen zum anderen ist, die den Einsatz von Waffensystemen auch dann schon militärisch sinnlos macht, wenn diese weitaus weniger destruktiv sind. Beide Tendenzen bedeuten, daß Krieg als rationales Mittel der Politik obsolet zu werden beginnt, weil die Folgen der Anwendung bewaffneter Gewalt auch noch so bornierte politische Ziele in ihr Gegenteil zu verkehren drohen. Krieg wird für den Verfolg der eigenen Interessen zunehmend kontraproduktiv.

Und in dieser Situation eskalierte die Krise am Golf zum ersten und gleich mit dem ganzen Arsenal seiner noch nicht auf dem Schlachtfeld erprobten High-Tech-Waffen in Szene gesetzten Mid-intensity-Krieg des Westens nach dem Zusammenbruch des bisherigen Feindbildes Nummer 1. Die einen, die sich von der Beendigung des Ost-West-Konflikts die Perspektive der Zivilisierung der zwischenstaatlichen Beziehungen erwartet hatten, traf der Krieg unvorbereitet, wie ein diabolus ex machina, für die anderen, die im Westen noch nie etwas Neues zu finden bereit gewesen waren, kam er folgerichtig, ja unausweichlich, mit dem Wegfall des Gegners, der in ihrer Sicht allein es vermocht hätte, ihn in die Schranken zu weisen. Obwohl er länger war, als einige vorgesehen hatten, war er doch kürzer, als viele befürchtet hatten. – Ein Erfolg?

Wenn dieser Krieg ein Erfolg war, dann muß die These vom drohenden Verfall der sinnvollen Führbarkeit von Kriegen revidiert werden. Entweder ist sie überhaupt zu verwerfen, oder es ist ihr Geltungsbereich, der eingeschränkt werden muß: Die These ist dann als ganze fallen zu lassen, wenn es falsch ist, daß die waffentechnologische Entwicklung immer lethalere Systeme oder daß die zivilisatorische Entwicklung immer fragilere Systeme hervorbringt, wenn also vielmehr zutrifft, daß die High-Tech-Waffen – etwa aufgrund ihrer typischen Spezifikationen Punktzielgenauigkeit und verkleinerte Sprengkraft – oder der Zivilschutz – etwa durch die Härtung lebenswichtiger Nervenstränge der Gesellschaft – den Trend geradezu umkehren. Die These gilt dann nur in einem Teilbereich, wenn eingeschätzt wird, daß dieser Krieg entweder Kampfhandlungen auf dem Territorium eines Staates mit hoch-verletzlicher industrieller Infrastruktur oder den Einsatz von Waffen hoher Vernichtungswirkung notwendigerweise ausgeschlossen hat – etwa weil es sich bei diesem Krieg um keinen Krieg zwischen hochentwickelten Gesellschaften gehandelt hat, sondern um einen Krieg zwischen Repräsentanten hochentwickelter Gesellschaften auf der einen Seite und Repräsentanten weniger entwickelter Gesellschaften auf der anderen. Die These kann dann für all jene Fälle aufrechterhalten werden, in denen die Beteiligung störanfälliger Infrastruktur oder hoch-zerstörerischer Militärpotentiale nicht mehr auszuschließen ist, während Kriege etwa in der Dritten Welt nicht zu der Klasse der Objekte gehören müssen, über die die These etwas aussagt. (Falls die Verwundbarkeit oder die Vernichtungsfähigkeit im Golfkrieg nicht notwendigerweise, sondern nur zufälligerweise nicht gegeben gewesen sein sollten, muß die These in keiner Weise revidiert werden. Es reicht, daß diese Bedingungen hätten eintreten können. Denn die These behauptet ja gerade, daß sie nicht mehr mit Sicherheit auszuschließen sind.)

Und wenn der Golfkrieg kein Erfolg war, dann wird die These von der verlorengehenden Sinnhaftigkeit der Kriege bestätigt. Sie bewährt sich nicht erst dann, wenn sich zeigen läßt, daß die wirklichen Folgen die angestrebten Kriegsziele konterkarieren. Sie bewährt sich bereits dann, wenn angenommen werden muß, daß derartige Folgen möglich und wahrscheinlich gewesen sind.

Ob die These beibehalten werden kann, ob sie modifiziert oder ob sie zurückgewiesen werden soll, müssen Untersuchungen zeigen.

Unsere Idee ist es nun, in einer Art Synopse militärischer Technikfolgenabschätzung zum Golfkrieg eine computerunterstützte Dokumentation mit den wichtigsten Ergebnissen einschlägiger Studien aufzubauen, die den Benutzer und die Benutzerin befähigt, Argumente pro und kontra gegeneinander abzuwägen und im Dialog mit dem PC eine eigene Gesamteinschätzung zu erarbeiten.

»Militärische Technikfolgenabschätzung«

Im einzelnen sollen Informationen zu den folgenden Gebieten abrufbar sein:

Mensch Technik Natur/Umwelt Gesellschaft
Militärpotential 1.1. 1.2. 1.3. 1.4.
Ziviles Potential 2.1. 2.2. 2.3. 2.4.
Risikopotential 3.1. 3.2. 3.3. 3.4.

1. zum Militärpotential der betreffenden Staaten, u.zw.
1.1. zu den Streitkräften (Truppenstärken, Ausbildungsstand),
1.2. zu den Rüstungen (Waffengattungen, Waffentechnologien, Führungssysteme),
1.3. zu den Aufmarschräumen, und
1.4. zu den Doktrinen, die den Gebrauch des Militärpotentials festschreiben;
2. zum „zivilen“ Potential, d.h. der Wirtschaftskraft, der Lebensfähigkeit, der betreffenden Staaten, u.zw.
2.1. zur personellen Infrastruktur (Wohnbevölkerung, erwerbstätige Bevölkerung, Qualifikationsstruktur),
2.2. zur materiellen Infrastruktur (Produktionsanlagen, Versorgungsnetze),
2.3. zu den natürlichen Ressourcen, und
2.4. zu den Politiken, mit denen die Entwicklung des zivilen Potentials bestimmt wird; und
3. zum „Risikopotential“ der betreffenden Staaten, d.h. dem Möglichkeitsfeld aller Folgewirkungen, die beim Einsatz des vorhandenen Militärpotentials auf der Grundlage des gegebenen zivilen Potentials mit einer gewissen (von 0 verschiedenen) Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind und die Erfüllung der (über)lebenswichtigen gesellschaftlichen Funktionen in einem quantifizierbaren Ausmaß stören, seien sie kurz-, mittel oder langfristig, seien sie lokal, regional oder global, wobei die tatsächlich eingetretenen Folgewirkungen eine Teilmenge dieses Risikopotentials darstellen, u.zw.
3.1. zu den kalkulierbaren sog. Kollateralschäden (zivile Opfer),
3.2. zu den kalkulierbaren Schäden am sachlichen Produktivvermögen,
3.3. zu den kalkulierbaren Umweltschäden (Atmosphäre, Hydrosphäre, Pedosphäre), und
3.4. zu den kalkulierbaren negativen Folgen gesellschaftlicher Art (Konflikte).

Mit diesen Daten sollen Beurteilungen zum Themenkomplex Kriegsfolgen – Kriegsführung – Kriegsursachen – Kriegsverhütung erleichtert werden: War der Krieg schon ein zu großes Risiko, als daß er noch verantwortbar geführt hätte werden können, oder hielt sich das Risiko in Grenzen? Was waren die Kriegsziele und wurden irgendwelche erreicht? Welche gesellschaftlichen Probleme bestanden vor dem Krieg und welche bestehen jetzt, wurden irgendwelche von ihnen durch den Krieg gelöst? Waren Alternativen zum Krieg denkbar?

Dazu beizutragen, daß Fragen wie diese (auch für ein nicht-wissenschaftliches Publikum) wissenschaftlich fundiert beantwortbar werden, ist der Zweck der Dokumentation.

Deshalb soll diese Dokumentation interaktiv und multimedial sein. Das entscheidende Element an interaktiven Dokumentationen ist die Selbstbestimmung im Umgang mit dem Material. Im Gegensatz zu Dokumentationen in anderen Medien, etwa Fernsehen oder Radio, die die NutzerInnen zu reinen KonsumentInnen machen, können diese hier nach eigenem Gutdünken aus dem Fundus des vorhandenen schöpfen. Diesen Vorteil hätte etwa auch ein Buch oder eine Broschüre. Was diesen Medien jedoch fehlt, ist die Einbindung von Animation und Ton sowie schnelle, komplexe Interaktion.

Grundstruktur des Programmes sind Landkarten in drei verschiedenen Maßstäben – eine Weltkarte, eine Regionalkarte und eine Karte, auf der im wesentlichen nur Irak und Kuwait zu sehen sind. Zwischen diesen drei Sichten kann jederzeit gewechselt werden. In jeder Sicht können wie durch Filter unterschiedliche Aspekte hervorgehoben werden, die aus der oben beschriebenen Matrix (Potentiale/Betroffene) stammen. So sind beispielsweise für Kuwait (lokale Sicht) die Folgen der Entzündung der Ölquellen abrufbar. Durch Wechsel der »Brennweite« können die regionalen oder globalen Folgen der Brände abgefragt werden.

In jeder dieser Ebenen liegen zu jedem Aspekt die wichtigsten Informationen in noch detaillierterer Form vor, wobei das Spektrum der Erscheinungsformen dieser Hintergrunddaten von kurzen Textstücken über kommentierte Grafiken oder Darstellungen von Szenarien bis zu Animationen, die Wirkungsweisen besser verständlich machen, reicht.

Da das Lesen von Text auf dem Bildschirm langsamer und ermüdender ist als auf Papier, wollen wir auf lange Textpassagen möglichst verzichten und die Informationen durch grafische Umsetzung und Hervorhebung der essentiellen Daten möglichst leicht erfassbar machen.

Die Umsetzung erfolgt in HyperCard 2.0 auf Macintosh. Wir werden uns voraussichtlich auf das Format der 9“-Bildschirme beschränken, da das Produkt auch auf den kleinsten Macintosh-Modellen lauffähig sein soll. Zur Einbindung von Bildern und Grafiken steht uns neben einem Scanner eine Möglichkeit zur direkten Digitalisierung von Videobildern zur Verfügung, die es ermöglicht, auch in Form von Videokassetten vorliegendes Material einzubinden.

Unterstützung für unser Projekt, Wünsche, Anregungen, Anfragen bitten wir an folgende Anschrift: Institut für Gestaltungs- und Wirkungsforschung, TU Wien, Möllwaldplatz 5, A-1040 Wien

Zwischen Hurra-Patriotismus und nationaler Selbstverwaisung

Zwischen Hurra-Patriotismus und nationaler Selbstverwaisung

Der »Blick von unten« in Buch und Film Letters Home from Vietnam.

von Adi Wimmer

In der offiziellen Geschichtsschreibung über den Vietnamkrieg durch die Joint Chiefs of Staff mit dem Titel The JCS and the War in Vietnam: History of the Indocbina Incident (der 1. Teil, 1940–54 erschien 1988, weitere 4 Bände existieren, sind aber nach top secret,1 wird wohl kaum zu lesen sein, daß sich patrouillierende US-Infanteristen ihr Essen häufig mit »peanut butter« (also Erdnußbutter) erhitzten. Peanut butter war verhaßt, weil es durstig machte, also wurden anfänglich große Mengen von Dosen weggeworfen. Die Viet Congs öffneten die Dose auf einer Seite, schoben eine kleine Menge Plastiksprengstoff hinein verschlossen die Dose mit einer Rohrzange, und brachten an einem Loch im Boden einen einfachen Detonator an. Fertig war eine sehr primitive, aber deswegen nicht uneffektive Brandmine, in der das Erdnußfett die Wirkung des Sprengstoffes auf Soldatenbeine und -weichteile intensivierte. Als die Gls dieser Technik auf die Schliche kamen, warfen sie keine Dosen mehr weg. Aber essen wollten sie das Zeugs auch nicht, also vermengten sie die Erdnußbutter mit einem öligen Insektengift. Erdnußbutter verbrennt sehr schnell, das Insektenöl an sich schlecht ; die Mischung ergab aber einen Heizofen, der ungefähr 10 Minuten zum Kochen zu gebrauchen war.

Die Perspektive von unten

Diese Information erhält man nicht aus den offiziellen Geschichtswerken, man erhält sie aus einem der Briefe der Sammlung Dear America: Letters Home from Vietnam (41)2. Man wird einwenden; daß dieses Detail für die Erstellung einer historischen Kriegschronik entbehrlich sei. lst es so? Wirft das Detail nicht ein kennzeichnendes Schlaglicht auf das Improvisationstalent der vietnamesischen Guerrillas, die sich über Jahre hinweg auch ohne Hilfe aus China oder der SU behaupten konnte; und ein zweites auf die tönerne Unbeweglichkeit des amerikanischen Armeeapparats, denn selbstverständlich wurde Erdnußbutter auch weiterhin dem Infanteristen in den Rucksack gesteckt? Historische Kriegschroniken wie das der JCS sind „wie Kriegskarten, auf denen Frontverlauf und Stellungen, militärische Bewegungen und Truppenstärken mit Pfeilen, Strichen, Ziffern (…) eine Rationalität vortäuschen, aus der die Realität des Leides (…) jenes Geschehens nie sichtbar werden kann“ 3. Der Salzburger Historiker Fritz Fellner fordert daher für die Historiographie des 1. Weltkriegs eine Loslösung von den offiziellen, und eine Hinwendung zu den privaten Quellen, zu Tagebüchern und Briefen. Daß auch diese Quellen, ja sogar die Briefe von Toten, in eine kulturelle Hegemonie kooptiert werden können, hat Bernd Ulrich in seinem Aufsatz „Die Perspektive von unten …“ 4 sehr gut dokumentiert.

„Die Zerstörung war wechselseitig“

Für die Historiographie des Vietnamkrieges sind diese privaten Quellen besonders wichtig. Denn nach dem offiziellen Ende der amerikanischen Partizipation im Februar 1973 überantwortete man Vietnam einem Orwellschen »Erinnerungsloch« . In den frühen 70iger Jahren wurden dutzende Vietnamkriegsmemoiren oder Romane geschrieben, von denen die allerwenigsten eine breitere Öffentlichkeit erreichten. Wieviele Bücher erst gar nicht angenommen wurden, darüber kann nur spekuliert werden. 1974 wurde das Buch des weltberühmten Autors James Earl Jones Viet Journal im Magazin TIME mit den Worten rezensiert: „ … a book about Vietnam for a public that doesn't want to hear anything more about Vietnam“, und die Rezension desselben Buches in der New York Times beginnt folgendermaßen: „Quick – before your mind fogs up at the prospect of yet another report on Vietnam.“.5 Ebenfalls in der NYT wird Michael Herrs Non-Fiction Novel Dispatches 1977 im einem ähnlichen Duktus besprochen: „If you think you don't want to read any more about Vietnam, you are wrong. Dispatches is beyond politics, beyond rhetoric. It is as if Dante had gone to hell with a cassette recording of Jimi Hendrix and a pocketful of pills: our first rock-and-roll war.“ 6 Der Rezensent insinuierte, daß man das Buch lesen könne, ohne dabei an Vietnam denken zu müssen, und selbst wenn man diesen Bezug nicht unterdrücken könne, von Fragen der Politik nicht inkommodiert zu werden. Von Fragen der Moral ganz zu schweigen, wie eine Äußerung von Jimmy Carter im selben Jahr belegt. Die USA hätten gegenüber Vietnam keine Verpflichtung zu Reparationszahlungen,- sagte Carter, „because the destruction was mutual.“ 7

Als Michael Cimino 1978 seinen Film The Deerhunter präsentierte, stürzte sich die Kritik vor allem auf ein total inauthentisches Detail, nämlich die Folterung von US-Gefangenen durch Vietcong-Soldaten, indem sie sie zu russischem Roulette zwangen. Andere spezifische Bedingungen des Kriegs wurden weder durch den Film noch in der Kritik aufgegriffen. Apocalypse Now (1979) beruht auf dem Roman Joseph Conrads Heart of Darkness (1896). Dem Publikumserfolg dieser Streifen gegenüberzustellen ist der totale Mißerfolg von authentischen Filmen dieser Jahre wie The Boys in Company C (1977) oder Go Tell the Spartans (1978). Sie wurden von der Kritik ignoriert und verschwanden sehr rasch in der Versenkung. Ebenfalls ignoriert wurde der nach 1967 erste Band mit Soldatenbriefen, herausgegeben 1975 im Selbstverlag von der Indochina Curriculum Group, Front Lines: Soldiers' Writings from Vietnam.8

Und selbst die 1981 erscheinenden Bände von Oral Histories, Nam (ed. Mark Baker) und Everything We Had (ed. Al Santoli ) werden teilweise von der Kritik mit Etiketten versehen, die ihnen entweder ihr spezifisches Diskurspotential für diesen spezifischen Krieg rauben, oder ihr Potential für einen ethischen Diskurs, oder beides. Drei Beispiele dafür aus Rezensionen von Mark Bakers Nam (alle drei als book blurbs ausgewählt)

Nam speaks with the one true voice, the voice of the universal soldier. (Chicago Tribune.)

Nam is not a political tract. It doesn't try to fix blame. It just overpowers the reader with the images of that catastrophe . (Hartford Courant) (Wer »overpowered« ist, kann nicht mehr nachdenken)

Here is the whole tragic catastrophe that was our involvement in Vietnam.9 (Harry Crews, novelist.)

Dieselbe Tendenz zur Entpolitisierung, die wir in Worten wie »catastrophe« oder »tragedy« finden (im Hegelianischen Sinne denotiert »tragisch« den Konflikt zwischen »gut« und »gut«), steckt auch in der Rezension der Washington Post Book World von Al Santolis Anthologie: „If there are to be any heroes in America then let us begin with the 33 men and women in this book“ 10 Auch Dear America weist eine solche Bucheinbandsrezension vor:

Das Buch präsentiere „the immediate, poignant and gloriously heroic voice of the American serviceman in Vietnam“.11

»Helden« sind erstens zeitlos, und lassen zweitens keine moralische Ambiguität zu. Die vielleicht krasseste Einebnung einer spezifischen Evidenz sehe ich, und das nicht ganz zufällig, in einigen Lobhudeleien zu Wallace Terrys Sammlung von Augenzeugenberichten schwarzer Soldaten in Vietnam.12 TIME Magazine schrieb: „A portrait not just of warfare and warriors but of beleaguered patriotism and pride . (…) Some of these men have witnessed the very worst that people can inflict on one another … their experience finally transcends race; their dramatic monologues bear witness to humanity.“ War die ganz offenkundige Absicht des Herausgebers, vor allem die Ungleichheit von Schwarz und Weiß im Vietnamkrieg, die Ungerechtigkeiten im Apparat und den offenen wie versteckten Rassismus der Militärbürokratie herauszuarbeiten, so postuliert der Rezensent eine vage und alles verbindende »Humnanität« in den Beobachtungen der schwarzen Zeugen, ja er verschließt sogar die Augen vor der Evidenz des Rassismus und spricht von einem „Transzendieren“ der Rassenbarrieren. Oder der Rezensent der Associated Press: „(Terry) wrote a compelling portrait of Americans in combat, and used his words so that the reader (…) knows the soldiers as men and Americans, their race overshadowed by the larger humanity.“ 13

„Eine Tragödie epischen Ausmasses“

Vietnam wird enthistorisiert, moralisch neutralisiert, und schließlich mystifiziert. Es dient als Planke für Diskussionen über die menschliche Psyche, über episches Drama, über Postmodernismus.14 Ausgespart werden alle Fragen über die spezifische Moralität. So z. B. vom Historiker Stanley Karnow, der als Begleitbuch zur PBS-Fernsehserie ein dickes Geschichtsbuch herausgab: „In human terms at least, the war in Vietnam was a war that nobody won – a struggle between victims. (…) But whether a valid venture or a misguided endeavor, it was a tragedy of epic dimensions.“ (S.11)15 An einer anderen Stelle des Buches legt sich Karnow allerdings doch fest: der Vietnamkrieg sei ein fehlgeschlagener Kreuzzug gewesen (43). Eine weitverbreitete Metapher für Vietnam ist auch der »Sumpf« (quagmire), in den der unschuldige Riese USA tapste bzw. von seinem südvietnamesischen Partner hineingezogen wurde. Bestenfalls ist Vietnam, wie schon anklang, eine Katastrophe, ein Desaster, so wie ein Erdbeben oder ein Wirbelsturm, für den niemand etwas kann. Die heute weitverbreitete Metapher für den Krieg »The Vietnam Experience« belegt den Prozeß der Extraktion von Aktanten; von Nutznießern, von Kausalitäten.16 Geradezu olympische Distanziertheit zeigt der Buchtitel, den ich eingangs zitiert habe: A History of the Indochina Incident. Auch in zwei Fällen, in denen Gerichtsverfahren angestrengt worden waren, manifestierte sich diese unbefriedigende Tendenz der Verschleierung, des Vermeidens von Konflikten. General Westmoreland klagte 1984 den Fernsehkonzern CBS an, der in einer Dokumentation dargelegt hatte, daß der einstige Oberbefehlshaber in Vietnam in seinen Berichten nach Washington bewußt die Sachlage verfälscht hatte. Im Verlauf des Prozesses wurde immer klarer, daß der General verlieren würde. Aber anstatt die Sache bis zum Ende durchzustehen und die gerichtliche Imprimatur für die Richtigkeit der Anschuldigungen zu erhalten, akzeptierte CBS einen faulen Yergleich, in dem Westmoreland seine Klage bei Übernahme aller angelaufenen Kosten zurückzog; und CBS im Gegenzug eine öffentliche Ehrenerklärung für den General abgab. Der zweite Fall: die Veteranenorganisation VVA klagte 1982 Dow Chemicals, die Herstellerfirma des dioxinhaltigen Entlaubungsgiftes Agent Orange, auf Wiedergutmachung für hunderte an Krebs erkrankte amerikanische Soldaten. Auch hier kam es 1985 zu einer außergerichtlichen Einigung: Dow zahlte 180 Mio. Dollar in einen Hilfsfond ein, ohne zugeben zu müssen, daß die Krebsfälle wirklich durch Agent Orange verursacht wurden; und die Fragen, was die Experten von Dow Chemicals über die Gefährlichkeit des Dioxinmittels genau wußten, und wie fahrlässig unvollständig die Beschreibungen des Mittels wirklich waren, können nie mehr geklärt werden.

In seinem Vorwort zu Everything We Had schreibt Al Santoli: „It must always be remembered that the Vietnam War was a human ordeal and not an abstract heroic adventure as might be understood by Hollywood or a politician's speechwriter.18 hat Michel Foucault zwischen hierarchischen und damit historischen sanktionierten Diskursen und »subjugiertem« Wissen unterschieden, welches er als „those blocs of historical knowledge“ bezeichnet, „which were present but disguised within the body of functionalist and systematising theory.“ (82). Damit war es immer ein »machtloses« Wissen, ein marginalisiertes, diffamiert als amorph, bar jeder Theorie und damit jeder Wissenschaftlichkeit. Aber indem sich die Vorstellung von der reinen und wissenschaftlichen Wahrheit, von der desinteressierten Objektivität sich mehr und mehr als eine Schimäre herausstellt, verliert im selben Maße das tradierte Corpus von geordnetem, scholastischem, funktionalistischem Wissen an Bedeutung:

„I would say that what has emerged in the course of the last ten or fifteen year is a sense of the increasing vulnerability to criticism of things, institutions, practices. A certain fragility has been discovered in the very bedrock of existence“ (…)(80)

Es ist dies, wie im weiteren klar wird, v.a. eine Fragilität jener Theorien, die die Totalität der Welt umfassen wollen, z. B. des Marxismus. Nur eine Aufgabe solcher Ansprüche kann uns in der Forschung weiterbringen: „the attempt to think in terms of a totality has in fact proved a hindrance to research.“ (81)

In dieser Situation tritt das temporär unterdrückte, fragmentierte und regionale Wissen auf den Plan, ein Wissen; das sich nicht als anti-intellektuell versteht, nicht als anti-kognitiv, sondern zuvörderst als insurrektiv, als in Opposition stehend zu den Machtansprüchen des herrschenden Diskurses. Foucault spricht von einer

„(…) insurrection of knowledges that are opposed primarily not to the contents, methods and concepts of a science, but to the effects of the centralising powers which are linked to the institution and functioning of an organised scientific discourse within a society such as ours.(84)20

Man müßte nun zur Schlußfolgerung kommen, daß im letzten Jahrzehnt subversive Formen des Diskurses über Vietnam die Oberhand gewonnen haben. Feministinnen, radikale Veteranenorganisationen, Theatergruppen wie das Vietnam Veterans Ensemble Theatre in New York, Vereinigungen von ethnischen Minoritäten innerhalb der Veteranen würden wichtige Beiträge leisten zu einem Vorgang der konterkulturellen Verarbeitung von Vietnam. Die simple Tatsache ist aber, daß wir – wie noch auszuführen sein wird – gerade das Gegenteil davon erleben, nämlich eine Rekonstruktion des Konsensus über Vietnam in allen kulturell irgendwie bedeutsamen Medien und Repräsentationsformen. Diese Vereinnahmung ist Teil der amerikanischen Ideologie, von der John Carlos Rowe schreibt: „What is unique and singular about American ideology – the ideology first to have made the most efficient political uses of diverse cultural representations – is the speed with which it can incorporate a wide variety of critical perspectives in an enveloping rhetorical system designed to maintain traditional order and values.“(S. 200)21

Dies ist das große Erscheinungsbild. Wie das im kleinen mit einer Herausgabe von Soldatenbriefen funktioniert, will ich im letzten Teil meiner Ausführungen zeigen.

„Ein Buch der Wahrheit“

Ich habe vorhergehend die These aufgestellt, daß dem heutigen Soldatenbericht a priori mehr Relevanz für das Bemühen um Wahrheit zugestanden wird als z. B. im Gefolge des 1. Weltkriegs. Als Beispiel führe ich die Buchbesprechung des Boston Globe an, in der befunden wurde : „(Dear America) is not a history book, not a war novel, it is a book of truth“ 22. Wenn dieser Rezensent „a book of truth“ als Opposition zu „a history book“ empfindet, dann ist er in seinem Mißtrauen gegenüber offiziellen Instanzen als Mediatoren der Wahrheit ein wahres Kind des Postmodernismus. Auch der Film Dear America deklariert sich bereits im Vorspann als ein Film der Wahrheit. Oral Histories schießen – in Europa wie in den USA – wie die Schwammerln aus dem Boden; das ist bekannt. Augenzeugenberichte aus dem Krieg in Vietnam sind in den letzten Jahren populärer als fiktionalisierte Behandlungen. Die wichtigen Indochinakriegsfilme seit 1985 (The Killing Fields, Platoon, Hamburger Hill, Hanoi Hilton, Casualties of War, Dear America, und Born on the 4th of July) basieren auf authentischen Berichten. (Nur 3 Ausnahmen: Gardens of Stone, Coppola; Full Metal Jacket, Stanley Kubrick, und Komödie Good Morning Vietnam.) Man mißtraut jedem Anspruch auf eine höhere, objektive Wahrheit und hält sich lieber an Fragmente subjektiver Wahrheit, die dem Leser zwar eine höhere Arbeitsleistung abfordern, ihm dafür aber ein echtes Beteiligungsangebot bei der Sinnkonstitution sowohl der Texte wie auch der Kontexte bietet.

Briefe aus dem Krieg, vor allem Briefe von später Getöteten, beeindrucken uns nicht nur wegen ihrer ungeschminkten Authentizität. Sie berühren uns, weil wir in Besitz und Kenntnis der weiteren Geschichte sind, welche den Schreibern der Briefe verborgen blieb. Sie besitzen damit eine Kraft, die aus der Universalität des Leides herrührt, und diese Kraft des Leides sollte allein genügen, uns die Faszination am Krieg abzugewöhnen.

Genau wie im 1. Weltkrieg wurden Soldaten des Vietnamkriegs dazu ermuntert, regelmäßigen Briefkontakt mit Angehörigen und Freunden zu pflegen. An die Stelle der Feldpostkarte (die man lesen und ev. zensurieren konnte) trat der kostenlose (und selbstverständlich nicht zensurierte) Flugpostbrief. Es gab dafür ein eigenes Kuvert mit dem Landkartenumriß von Vietnam, wo man an die übliche Stelle der Briefmarke lediglich das wort »free« schrieb. Von diesem Privileg, so berichtet William Broyles, wurde ausgiebig Gebrauch gemacht; einige seiner Leute schrieben bis zu 27 Briefe an einem Tag!23 Wie in jedem anderen Krieg, bestand die besondere Aktualität dieser Briefe oft in der bewußten Reflexion der eigenen Existenz, der Unsicherheit der eigenen Zukunft. Raymond Griffith, einer von diesen, schrieb: „I can tell you truthfully, I doubt if I'll come out of this war alive. In my original squad l'm the only left unharmed. In my platoon there's only 13 of us. It seems that every day another young guy 18 and 19 years old like myself is killed in action (…).“ (277.) Die Befürchtung sollte sich in ihrer Gänze bewahrheiten, denn am 4. July 1966 wurde Private Griffith getötet. Andere Männer knüpften gerade wegen der existentiellen Unsicherheit große Hoffnungen an ihr Leben, das mit dem Ende der 365 Tage Kriegsdienst erst richtig beginnen würde. Joseph Kerr Bush, 25, reagierte am 5.2.1969 auf die Sorgen seiner jungen Frau, er würde sich nach Ende seines Jahres freiwillig zu einem weiteren Jahr Gefechtsdienst melden: „Don't worry, old Joseph will come home to his wife and daughter in April as planned even if he has to swim the Pacific.“ (282) Er kam noch sechs Wochen vor diesem Datum nach Hause, in einem Sarg. Einen der bewegensten Briefe schrieb Tyrone Pannell am 11.8.1965 an seine neugeborene Tochter. „When I next see you …“ schließt er sein Schreiben, aber diese Begegnung sollte nie erfolgen.(246) 6 Monate später wurde er von einer Mine zerrissen, und das zaghafte Versprechen dieses Briefes konnte nicht eingelöst werden.

Andere Soldaten waren in ihren Berichten robuster, ja ungerührt; das ging hin bis zu jenem Infanteristen, der seinem Mädchen das abgeschnittene Ohr eines Vietcongs schickte, und sich dann wunderte, warum keine Post mehr kam.

Denn umgekehrt war das Erhalten von Briefen außergewöhnlich wichtig. Broyles gibt an, auf Soldaten seiner Einheit, die wenig oder keine Post erhielten, ein besonderes Augenmerk gehabt zu haben, es waren seine Sorgenkinder. Besonders gefürchtet waren die sogenannten »Dear John« Briefe, Briefe; mit denen ein geliebtes Mädchen, zuweilen sogar die angetraute Frau, eine Beziehung aufkündigte. In seiner Autobiographie erzählt William D. Ehrhart, wie sein Kamerad Calloway sich auf einen solchen Brief hin vor den Augen der entsetzten Freunde erschoß.24

Der Band Dear America: Letters Home from Vietnam muß in diesem Licht gesehen werden. Sein Zustandekommen ist eher ungewöhnlich. Auf den großen Erfolg des Vietnam Veterans Memorial hin konstituierte der New Yorker Bürgermeister Ted Koch 1982 eine Kommission mit dem Ziel, 1985 (zum 10-Jahresjubiläums des Kriegsendes) ein Vietnam-Denkmal in Manhattan einzuweihen. Das Exekutivkommittee; dem kein geringerer als Donald Trump als Vizepräsident angehörte, entschied bei 1.100 unterbreiteten Modellen25 auf einen Denkmalsentwurf in der Form einer durchscheinenden Glasziegelmauer in den Proportionen 20 mal 4,88 Meter. In die Glasziegeln einzuätzen waren Auszüge von Soldatenbriefen. Und das stellte die Kommission vor das Zusatzproblem der Auswahl: was sollte auf dem Denkmal stehen? Was ins Auge springt, ist die Verwässerung der ursprünglichen Idee, als Texte nur Feldbriefe zuzulassen; denn es finden sich auf dem Denkmal auch Aussprüche von vier ehemaligen Präsidenten der USA sowie von Martin Luther King, etliche Nachrichtenfetzen aus der New York Times, dazu noch einiges andere Material, das fehl am Platz erscheint. Da man aber schon mehr als 3000 eingesandte Briefe26 gelesen hatte, entstand die Idee, aus einer Auswahl davon ein Buch zu machen. Von der hardcover-Erstausgabe (1985) wurden insgesamt 47.000 Exemplare verkauft, auf welche zwei Taschenbuchversionen folgten, mit insgesamt 125.000 verkauften Exemplaren. Das Buch ist nach immerhin 5 Jahren seit der Ersterscheinung weiterhin im Druck und erhältlich.27 Die Rezensionen in amerikanischen Zeitungen waren mit der einzigen (aber bedeutsamen) Ausnahme der Washington Post positiv bis hymnisch, das Nachrichtenmagazin TIME brachte sogar ausführliche Auszüge daraus. Der Fernsehkonzern HBO kaufte 1986 für eine nicht bekannte Summe die Filmrechte. Gedreht wurde der Film auf den Philippinen bei einem relativ bescheidenen Budget von 1 Mio Dollar28; die Filmpremiere fand im April 1987 im HBO-Fernsehkanal statt. Nachfolgend wurde der Film im September 1988 in einer sehr begrenzten Anzahl von Kopien in den USA und Kanada gezeigt, aber wegen des offensichtlich nicht sehr großen Interesses nach 2 Wochen abgesetzt. (Schlechtes Timing, im TV seit 1/2 Jahr »Tour of Duty«, im Sommerkino »Good Morning Vietnam«) Daraufhin erfolgte die Freigabe auf Video. Besser erging es dem Film in Europa, Asien und Australien, wo er 1989 die Runde machte. Insgesamt sahen mehrere Millionen Menschen die Filmversion, womit sicherlich die Kosten mehrfach hereingebracht wurden. Damit hat aber diese Briefsammlung die bei weitem größte Breitenwirkung in der Geschichte des Genres erzielt.

„Den Krieg vom Krieger trennen“

Der Herausgeber B. Edelman schildert die editoriale Vorgangsweise für das Zustandekommen des Bandes in einem einzigen Satz. Er lautet: „Zwei Kriterien wurden bei der Auswahl des Materials eingehalten: alle Briefe mußten während des Krieges geschrieben worden sein, und jeder Brief sollte eine Beschreibung oder eine psychologische Einsicht bieten, die uns irgendwie die menschliche Dimension der Erfahrung von Vietnam besser nahebringen würde.“ 29 In einem nachfolgenden Brief war Edelman spezifischer: „Weil die Aufgabe der Kommission darin bestand, zu heilen und zu versöhnen, den Dienst und die Opferbereitschaft der Angehörigen der Streitkräfte anzuerkennen und zu würdigen, darum entschieden wir uns schon sehr früh, daß das Buch wie auch das Memorial keine spezifische politische Richtung haben könne.“ Und der Kernsatz dieser Intention: „Wir versuchten, den Krieg vom Krieger zu trennen.“ 30

Hier haben wir jenen hierarchischen, funktionalistischen universitären Diskurs, den Foucault als repressiv bezeichnet: „den Krieg vom Krieger“ trennen – das wollten auch jene konservativen Abgeordneten in der Weimarer Republik. Es erübrigt sich zu sagen; das dies nicht möglich ist; und übrigens ist der Soldat der, letzte, der das will.31 Der Krieg ist ihm, egal ob er ihn verabscheut oder klammheimlich liebt,32 eine fundamental wertvolle existentielle Erfahrung, die er sich nicht nehmen läßt. Selbst der Berichterstatter Michael Herr konstatierte: „We came to cover the war, and the war covered us.“ 33 Was können daher die Motive sein, die den Herausgeber dazu verleiten, eine offenkundig nicht einlösbare Herausgabestrategie anzunehmen? Sie sind jenen ähnlich; mit denen sich 60 Jahre zuvor Mitglieder eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses herumschlugen (KuL 2,47): Die Froschperspektive des gemeinen Soldaten ist lediglich im Bereich des »rein menschlichen Erlebens« zu etwas zu gebrauchen, und jeder Versuch, diese Perspektive zur Beantwortung der wirklich entscheidenden Fragen heranzuziehen, dient dazu, Fragen z. B. über die Legalität des Krieges oder die angeblich »veredelnde Natur« des Krieges, von vornherein abzuwürgen.

In der Weimarer Republik ging es den konservativen Kräften darum, das Bild vom Krieg als »große und heroische Zeit« zu bewahren, und die Mär von der freudigen Soldatenbeteiligung an einem patriotischen Unternehmen fortzuschreiben. Die diskursive Strategie der Rekonstruktion des Konsensus über Vietnam in den USA verläuft ein wenig anders.34 Ausnahmesituation des homo bellicosus. Daran ist maßgeblich ein spezifischer Umstand beteiligt. Der Vietnamkrieg wird Amerikanern weniger deswegen in Erinnerung bleiben, weil 10.000 Meilen entfernt etwas Mörderisches vor sich ging, sondern er wird ihnen wegen der Ereignisse im eigenen Land in unangenehmer Erinnerung sein. Und man muß konstatieren, daß es über diese Ereignisse über die mannigfachen Proteste, die bis knapp an die Unregierbarkeit des Landes führten – heute noch immer keinen rechten Diskurs gibt. Der Vietnamdiskurs von heute konzentriert sich auf die Figur des ehemaligen Kämpfers. Über Jahre hinweg hatte man ihn entweder ignoriert oder ihn als Babykiller, als Heroinjunkie, als durch den Krieg psychisch Deformierten stigmatisiert. In den 1970ern findet sich der Vietnamveteran in einer Fülle von Filmen und Trivialromanen als Sociopath, als Krimineller, als Zombie dargestellt, sehon deshalb, weil es politisch weniger brisant war, den Vietnamsoldaten anzugreifen als den Vietnamkrieg. Die Regisseure versuchten also genau dasselbe wie der Herausgeber von Dear America: den Krieger vom Krieg zu dissoziieren.

Die Veteranen als unbedankte Heroen

Erst in den 1980ern bricht dieses Stereotyp zusammen, und zwar im Gefolge von zwei Aufdeckungen: 1) daß Tausende Vietnamveteranen, die mit dem Entlaubungsgift Agent Orange in Kontakt kamen, Krebs entwickeln, und daß ihre Kinder häufig genetische Schäden aufweisen, und 2) daß das »Post-Vietnam-Syndrom«, auch »Posttraumatischer Stress« genannt, ein massenweise real existierendes psychisches Problem ist, welches lange Jahre unter den Teppich gekehrt worden war. Es wurde zögernd akzeptiert; daß man den Veteranen Unrecht angetan habe. Das Bild des Veteranen macht eine 1800> Kehrtwendung; die Emphase ist jetzt auf einem neuen Stereotyp, des zu Unrecht Leidenden, des Patrioten, des unbedankten Heroen. In einer Reihe von Ritualen, wie z.B. den »Welcome Home Parades« 10 Jahre nach Ende des Krieges (7. Mai 1985 in New York, die dann in vielen anderen Städten nachgeahmt wurden) wird der ehemals Geächtete rehabilitiert. Der Vietnamveteran ist damit wieder in die Gesellschaft aufgenommen, allerdings um den Preis der Aufgabe seiner diskursiven Möglichkeiten. Denn die Zeit, in der man ihn ins Abseits drängte, die Zeit des Krieges selbst, war eine Zeit der »Zerrissenheit.«“ Will der Veteran seine in Vietnam gewonnenen spezifischen Erkenntnisse in einen öffentlichen Diskurs einbringen, so trägt er damit wieder zu gesellschaftlichem Zwiespalt bei. Wie es Bernard Edelman mit hörbarem Schauder sagt: „Vietnam was an era that wrenched apart our nation.“ 35 Dorthin will man bei Gott nicht zurück, schon gar nicht in einer Zeit, in der in öffentlichen Reden (vor allem vor dem Veterans Memorial in Washington D. C. permanent Phrasen wie »healing« und »reconciliation« gedroschen werden.36

Was man dem Veteranen als Ersatz für ein echtes Einbringen von Erfahrung anbietet, ist die Rolle des Geschädigten und des Trauernden und diese Trauer wird uns v.a. in der Filmversion mit einer gewissen Penetranz aufgedrängt. In seiner individuellen Not nimmt ihn die Gesellschaft an, die ihrerseits profitiert, indem sie nicht mehr über Vietnam zu befinden hat, und aus dem Stadium der Zerrissenheit herausgetreten ist. Die alte kulturelle Hegemonie kann solcher Art rekonstruiert werden, ja, man kann sogar jenen eins auswischen, die damals gegen den Krieg opponiert haben: im Gegensatz zum Veteranen, der seiner Nation ohne Wenn und Aber diente, verloren sie das Vertrauen in Amerikas intrinsische Moralität. Sie sind in Wirklichkeit schuld am Dilemma der Veteranen, die sie zuerst in Vietnam, dann in der Heimat verrieten. (Rambo I und II!)

Ich erinnere an Bernard Edelmans Deklaration des editorialen Prinzips: „we determined that the book could not adopt any political bias.“ Eine nähere Prüfung einzelner Brief ergibt aber, daß weder die Forderung nach Vermeidung von »bias« wie von »politischen Inhalten« eingelöst wurde. Beispiele:

„Some people wonder why Americans are in Vietnam. The way I see the situation, I would rather fight to stop communism in South Vietnam than in Kincaid, Humboldt, Blue Mound, or Kansas City, and that is just about what it would end up being.“ (Jack Swender, 20.9.65. S.205).

(Aus einem Brief an eine Schulklasse:) „The reason that I and all the other soldiers are in Vietnam is so that you children will always be safe in our great country.“ (Robert B. Jackman, 21.5.66. S.206)

Einen schon etwas zweifelhafteren Ton schlägt Robert Salerno an: „There are so many things here that I 've seen that make me proud to be an American, proud to be a soldier. Yet there are times too when I wonder why things are the way they are in the war, in the Army.“ (30.10.69. S.223)

Marion Lee Kemper argumentiert, daß der Einsatz von US-Truppen in Vietnam mindestens genauso legitim ist wie frühere amerikanische Kriege: (ungewollte Ironie: genauso illegitim)

„Our claim to legality (…) is a lot more stronger than (…) before , such as (in) the Spanish American War, a host of expeditions against South American sovereignities, or, for that matter, our declaration of war against Germany in World War I. (…) As to the effect of the war upon the people, who can tell? All of our wars have had some effect, usually for the better (…)“ (9.8.66. S.206-7)

Rodney D. Baldra schreibt aus dem Lazarett, von wo er dennoch die hohe Moral der Truppe lobt: „The spirit of the men in Vietnam is overwhelming, for most every man believes that he is doing an important job and believe me, he is.“ Auch seine Verwundung kann ihn von dieser überzeugung nicht abbringen: „I was wounded about six weeks ago by a Russian pineapple grenade which was boobytrapped by a VC who was most likely just a brainwashed communist farmer.“ (June 1967. S.208)

Rodney Chastant schreibt an seine Eltern, er sei „proud to be an American, proud to be a Marine, proud to be fighting in Asia.“ Auch sonst kann er seinem Kriegsdasein allerhand abgewinnen, indem er ihnen von seiner Beförderung zum Hauptmann berichtet, und einer damit zusammenhängenden Gehaltserhöhung auf $ 9000 p.a.: 11.000 Dollar habe er sich bereits erspart, fügt er stolz hinzu: „That is not a bad start in life.“ Im September 1968 hätte Rodney nach seinem Einsatzjahr heim nach Alabama gehen können, verlängerte aber seinen Vertrag um ein weiteres Jahr. Ein Monat später wurde er getötet. (19-10.67, S.210)

Und natürlich verbergen sich politische Aussagen in einem Corpus obsoleter Sprache, die Paul Fussell37 mit dem Begriff »high diction« charakterisiert hat: z.B. wenn die Todesfälle unter den Kameraden als „heroic deaths“ (212)bezeichnet werden. Dasselbe funktioniert auch umgekehrt, wenn in mehreren Briefen die gegen den Krieg protestierenden jungen Amerikaner als „a bunch of bloody bastard radicals“ (with) „feeble and deteriorating and filthy degenerate minds“ (226) bezeichnet werden. In seinem Brief vom 5. April 1968 weigert sich Phil Woodall, um den eben ermordeten Martin Luther King zu trauern, und reserviert diese für die – wie er sagt – „wirklichen Friedensapostel“, Leute wie er selbst ; auch darin erkenne ich eine politische Aussage (214). Wenn die Entscheidungen Nixons zur Eskalierung des Krieges nach Kambodscha ausdrücklich belobigt wird, steckt eine politische Aussage darin. (226) Das Ganze ist so offensichtlich, daß die Langatmigkeit meiner Darlegung nur aus der expliziten Aussage des Herausgebervorwortes zu rechtfertigen ist, dies sei ein unpolitisches Buch.

Der Krieg war unamerikanisch, die Soldaten waren ehrenhaft

Es ist allerdings kein einseitiges Buch; Einseitigkeit wäre innerhalb einer amerikanischen Ideologie der größtmöglichen Diversizität (als Strategie der Entschärfung antihegemonialer Kräfte) ja nur kontraproduktiv. Briefe mit Kritik am Krieg gibt es, wenngleich auch diesen die spitzesten Zähne gezogen sind, und häufig das kritisiert wird, was man schon früher kritisieren durfte: die Arroganz von Vorgesetzten, die Verschwendung von Geld, besonders aber die Unzuverlässigkeit der verbündeten südvietnamesischen Armee. Immerhin werden in einigen Briefen Zweifel geäußert, ob man sich von dieser kriegsführenden Nation nicht lossagen sollte: Von „self-doubts“ ist Rob Riggan gequält (166), „I feel like I am at the bottom of a great sewer“ schreibt Tom Pellaton (106), als angstvoll ausgehöhlte Rassel bezeichnet sich John Houghton (200), und Joseph Morrissey, ein staff sergeant, forderte gar seinen Bruder auf, zu Hause an Demonstrationen gegen die Regierung teilzunehmen.

Im Vergleich zu Oral Histories oder zu Publikationen des zivilen Widerstandes in den USA fallen besonders jene Wahrheitslücken auf, die zur anerkannten Spezifizität dieses Krieges gehören: die zahllosen Verletzungen der Genfer Konvention, die bis hin zu Morden an der Zivilbevölkerung reichten38 (eine Ausnahme, S. 627) der weitverbreitete Gebrauch von Rauschgift, die ab 1970 zahlreichen Meutereien, die Praxis des »fragging«. Diesen unbequemen Fakten steuert Bill Broyles in seinem Vorwort bewußt entgegen, wenn er über die Vietnamsoldaten sagt: „(They) were the best we had, doing the best they could in a difficult and unpopular war.“ 39 Und schließlich ist noch ein subtiler wenngleich von den Briefautoren nicht zu verantwortender Mechanismus der Falsifizierung zu erwähnen: die in fast jedem Brief anzutreffenden liebevollen Anreden für Mütter, Väter oder Geschwister insinuieren eine mit sich im Frieden lebende amerikanische Gesellschaft, wenn doch genau das Gegenteil der Fall war. Die Intaktheit der Familie als Basiseinheit der Gesellschaft dient zur Approbierung ihrer unterlagernden Ideologie, ähnlich wie die Qualität der Kameradschaft, der Männerfreundschaft im Krieg als Argument dafür herhalten muß, daß nicht alles an ihm schlecht sein kann. In der Summe haben wir hier einen Diskurs, der über den Krieg selbst zwar zur Ansicht kommt, er sei falsch und unamerikanisch gewesen, doch für die Soldaten und ihr Verhalten nur ehrenvolle Attribute findet.

Anmerkungen

1) The History of the Joint Chiefs of Staff. The JCS and the War in Vietnam. A History of the Indochina Incident, 1940-54, The Pentagon. Washington D.C. 1989 (Quelle: Indochina Chronicle, VIII/4 (Oct.-Dec. 1989), 25 Zurück

2) Bernard Edelman (Hrsg.), Dear America. Letters Home from Vietnam, New York, Simon & Schuster/Pocket Books, 1986. (In Klammern gesetzte Zahlenangaben beziehen sich auf diese Ausgabe) Zurück

3) Fritz Fellner, Der Krieg in Tagebüchern und Briefen<169> in: Klaus Amann, Hubert Lengauer (Hg.), Der große Krieg 1914-1918, Wien, Christian Brandstätter, 1988, 205-213. Zurück

4) Bernd Ulrich, Die Perspektive »von unten« und ihre Instrumentalisierung am Beispiel des Ersten Weltkrieges<169>, Krieg und Literatur/War and Literature, I/2 (1989), 47-64 Zurück

5) Zit. von Zalin Grant, Vietnam as Fable<169>, The New Republic, 25 March. 1978, 31-34. Ein namentlich nicht angeführter Journalist befürchtete 1983, daß die Falsifizierungen über Vietnam weiter an Boden gewinnen würden und schließlich ein alles umfassender Gedächtnisverlust und Instinkt für Selbstrechtfertigung<169> in den USA die Oberhand gewinnen wird. (Newsweek, Oct. 3, 1983, 58) Zurück

6) Zit. in James William Gibson, The Perfect War. The War We Couldn`t Lose and How We Did, New York, Random House/Vintage Books, 1988, 4. Zurück

7) President Carter zit. von Noam Chomsky, »Dominoes«, Granta, 15 (Frühjahr 1985), 129-134 Zurück

8) Glenn Munson (ed.), Letters from Vietnam, New York, Parallax 1966, ict. die erste Briefedition. Eine zweite wurde hrsgg. von der Indochina Curriculum Group, Front Lines. Soldiers` Writings from Vietnam, Cambridge MA, 1975 Zurück

9) Mark Dukes (Hg.), Nam. The Vietnam War in the Words of the Soldiers Who Fought There, New York, Berkeley Books, 1983. (Die Zitate stammen vom rückwärtigen Einband dieser Ausgabe) Zurück

10) Al Santoli (Hg.), Everything We Had. An Oral History of the Vietnam War by Thirty-Three American Soldiers Who Fought There, New York, Ballantine Books, 1982. (Das Zitat aus der Rezension der Washington Post findet sich am rückwärtigen Einband) Zurück

11) Autor Joe Klein wird mit seiner Rezension am Einbanddeckel von Dear America, op.cit. zitiert. Zurück

12) Time zit. in Wallace Terry (Hg.), Bloods. An Oral History of the Vietnam War by Black Veterans, New York, Ballantine Books, 1984, i. Zurück

13) Associated Press zit. an derselben Stelle. Zurück

14) John C. Rowe, Bringing it All Back Home`. American recyclings of the Vietnam War<169>, in: Nancy Armstrong, Leonard Tennenbaum (Hg.), The Violence of representation. Literature and the History of Violence, New York, Routledge, 1989, 197-218 Zurück

15) Stanley Karnow, Vietnam. A History, New York, The Viking Press, 1983, 11. An einer anderen Stelle seines Buches nennt Karnow den Vietnakrieg einen gescheiterten Kreuzzug<169>, S. 43 Zurück

16) Time-Life gibt eine 24-bändige Geschichte des Vietnamkrieges heraus; der Titel: The Vietnam Experience. Philipp Beidler, einer der ersten Autoren einer Untersuchung über Vietnamkriegsliteratur, nannte seine Untersuchung American Literature and the Experience of Vietnam<169> (University of Georgia Press, 1982). Zurück

17) Everything We Had, op. cit., xv. Zurück

18) Michel Foucault, Power/Knowledge: Selected Interviews and Other Writings 1972-1977, New York, Pantheon Books, 1980, 82. (Hg. Colin Gordon, ins Engl. übersetzt durch Colin Gordon, Leo Marshall, John Mepham, Kate Soper) Zurück

19) Ibid., 80, 81, 84. Zurück

20) Michel Foucault, Geschichte der Sexualität (Bd.I), Frankfurt, Suhrkamp, 1977, S. 75-83. Zurück

21) Rowe, op. cit., 200 Zurück

22) zit. in Dear America, i. Zurück

23) William Broyles, Vorwort zu Dear America, 10. Zurück

24) William D. Ehrhart, Vietnam-Perkasie. A Combat. Marine Memoir, Jefferson N. C. and London, Mc Farland, 1983, 79. Zurück

25) Bürgermeister Ed Koch, Vorwort zu Dear America, 16. Zurück

26) Bernard Edelman, Einleitung zu Dear America, 23. Zurück

27) Edelman, persönl. Korrespondenz mit dem Verf., 3. Juli 1990. Zurück

28) ebd. Zurück

29) Einleitung zu Dear America, 23. Zurück

30) Persönl. Korrespondenz. Zurück

31) Bernd Ulrich, op. cit. Zurück

32) Dazu ein sehr persönlich gehaltener und ehrlicher Bericht von William Broyles, Why Men Love War<169>, Esquire, November 1984, 60-65. Zurück

33) Michael Herr, Dispatches, London, Picador Books, 1978, 24. Zurück

34) Ausführlicher dazu Adi Wimmer, The Vietnam Veterans in American Literature and Popular Art<169>, in Mirko Jurak (ed.), Cross-Cultural Studies, Ljubljana University, 1988, 201-214. Zurück

35) s. Fußnote 27 Zurück

36) Harry Haines, What Kind of War? An Analysis of the Vietnam Veterans Memorial<169>, Critical Studies in Mass Communication, 3/1 (March 1986), 1-20; and Richard Morris, The Vietnam Veterans Memorial and the Myth of Superiority<169>, in: Richard Morris, Peter Ehrenhaus (ed.), The Cultural Legacies of Vietnam. Uses of the Past in the Present, Norwood N.J., Ablex Publishing, 1990, 199-228. Zurück

37) Paul Fussell, The Great War and Modern Memory, Oxford University Press, 1975, 21 passim Zurück

38) Gibson, op. cit., vor allem Kapitel 5, hat überzeugend nachgewiesen, daß Verletzungen der Genfer Konvention im Vietnamkrieg die Norm darstellten und keineswegs auf einzelne Vorfälle beschränkt blieben. Zurück

39) An anderer Stelle hat Broyles allerdings konstatiert, daß viele ethisch unzureichend veranlagte Amerikaner nach Vietnam geschickt wurden, weil die besten jungen Männer diesem Krieg ihre Unterstützung verweigerten. Die Katastrophe von My Lai führt Broyles auf diesen Umstand zurück. Leutnant Calley sei ein drop-out and loser<169> gewesen, der nie jene verantwortungsvolle Position bekleiden hätte können, wenn sich die College Studenten der Einberufung nicht entzogen hätten (Brothers in Arms. A Journey from War to Peace, New York, Avon Books, 1986, 238) Zurück

Dr. Adi Wimmer ist Universitätsassistent am Institut für Amerikanistik der Universität Klagenfurt. Korrespondenzadresse: Universitätsstraße 65, A-9020 Klagenfurt. Der obige Beitrag ist Teil einer größeren Untersuchung über das kulturelle Erbe des Vietnamkrieges in den USA.

Editorial

Editorial

von Paul Schäfer

die Hoffnung auf den Abschied von der Kriegsgeschichte scheint zu trügen: 1991 droht der größte Krieg seit dem Zweiten Weltkrieg. Es mag sein, daß eine europazentrierte Friedensbewegung »out« ist – doch nicht eine, die sich auch um Waffen und Soldaten kümmert. Und die neuen Themen sind so neu nicht: Rohstoffe, Energieressourcen, Weltwirtschaft & Entwicklung, konsequente Zivilisierung und Demokratisierung des internationalen Lebens. Die »Altlasten des Kalten Krieges« (D. Senghaas) aufzuarbeiten, wird noch reichlich Zeit brauchen; die »Konversion der Rüstungsdynamik« (U. Albrecht) steht erst am Anfang. Die Friedensbewegung wird weiterhin gebraucht. Gerade die jüngst vollzogene Krönung des Kanzlers aller Deutschen und die eklatante Schwächung der Opposition machen eigenständige außerparlamentarische Aktivitäten nötiger denn je. Und eine kritische Publizistik.

Die LeserInnen des „Informationsdienstes“ haben auf diese Ausgabe – die zudem eine Doppelnummer ist – länger warten müssen. Dies hatte vornehmlich finanzielle Gründe. In der letzten Zeit haben wir uns an die Devise gehalten: Über Geld spricht man nicht, man hat es. Doch freilich: der Informationsdienst konnte nur erscheinen, weil er durch den Verleger, den Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, engagiert und großzügig subventioniert wurde. So gelang es uns, den Info-Dienst als eines der wenigen Projekte der Friedensbewegung zu halten. Die AbonnentInnenzahl (über 1000) blieb trotz wahrlich widriger Marktlage stabil, an der Qualität wurden keine Abstriche gemacht. Doch wenn der Informationsdienst Wissenschaft & Frieden weiter publiziert werden soll, müssen unabweisbar Kosten eingespart und Einnahmen wesentlich erhöht werden.

Wir rufen deshalb dringend unsere Leserinnen und Leser auf, Abonnements für den „Infodienst“ zu werben. Kostenlose Werbeexemplare senden wir gerne zu. Ohne einen großen Zuwachs an Abonnements wird es nicht gehen.

Auch haben wir in den letzten Wochen viele Gespräche geführt mit Initiativen aus der Friedensbewegung, mit den engagierten Wissenschaftlervereinigungen, mit Kolleginnen und Kollegen aus der Friedensforschung und -publizistik. Daraus entstand der Vorschlag, durch eine veränderte (gemeinsame) Herausgeberschaft die Zeitschrift zu einem Ort enger Zusammenarbeit der im Wissenschaftsbereich angesiedelten Initiativen zu machen – zumal so überflüssige Doppelarbeit vermieden und Kostenersparnisse erreicht werden können.

Insbesondere haben wir geprüft, ob es nicht sinnvoll ist, den Informationsdienst Wissenschaft & Frieden und den Rundbrief der Naturwissenschaftler-Initiative »Verantwortung für den Frieden« zusammenzuführen. Hier ergeben sich inhaltlich die stärksten Berührungspunkte. Die Gründung des Informationsdienstes Wissenschaft & Frieden stand in enger Verbindung zum ersten Naturwissenschaftler-Kongreß gegen das Wettrüsten im Sommer 1983 in Mainz. Im Herausgeberkreis sind mehrere Mitglieder der Naturwissenschaftler-Initiative vertreten. Ein erheblicher Teil der Autoren kommt aus diesem Bereich. Der Informationsdienst behandelt schwerpunktmäßig die Themen, die auch von ihnen bearbeitet wurden: Militär & Wissenschaft, Weltraumrüstung, Technikentwicklung, Verantwortung der Wissenschaftler & Wissenschaftlerinnen. Die Initiative würde den »neuen« Info-Dienst ihren Mitgliedern als Dienstleistung zur Verfügung stellen. Dadurch ergäbe sich eine nicht unbeträchtliche Ausweitung des Bezieherkreises. Zugleich könnten beide Redaktionen voneinander profitieren. Eine weitere inhaltliche Verbesserung wäre von dieser Kooperation zu erwarten. Die Naturwissenschaftler-Initiative hat auf ihrer letzten Mitgliederversammlung im Oktober ausführlich über diese Frage diskutiert und einhellig für diese Lösung optiert. Sie will die gesamte Mitgliedschaft von der intendierten Fusion in Kenntnis setzen; eine endgültige Entscheidung soll auf der Mitgliederversammlung im Februar fallen.

Auch eine Kooperation haben wir vereinbart: mit der Arbeits- und Forschungsstelle Militär • Ökologie • Planung (MÖP) e.V. Die MÖP wird künftig an Stelle ihres Rundbriefs regelmäßig ihre Beiträge im Informationsdienst publizieren. Mit dieser Ausgabe haben wir auf den Seiten 71-77 einen Anfang gemacht. Die ökologischen Fragen bekommen im Rahmen internationaler Sicherheitspolitik und der nationalen bzw. regionalen Abrüstung zunehmendes Gewicht. Dem hoffen wir Rechnung tragen zu können durch die Zusammenarbeit mit der MÖP.

Die aktuelle Zuspitzung am Golf zeigt, daß kriegerische Konflikte immer noch an der Tagesordnung sind. Soll die »neue Weltordnung« mit dem alten Gewaltparadigma und dem Triumph militärischer Stärke ins Werk gesetzt werden? Noch zu wenig im Bewußtsein sind die neuen Konfliktpotentiale und ihre riesigen Dimensionen: Die Fragen der Ressourcenverteilung, der ökologischen Krisenbewältigung, der Entwicklung der 2/3-Welt werden ausgangs des 20. Jahrhunderts die weltpolitische Szene mehr und mehr bestimmen. Die neuen Konflikte werden zugleich als Legitimation benutzt, um den eingeleiteten Prozess der Abrüstung in den Hauptmächten des »Nordens« zu drosseln und durch neue qualitative Rüstung zu konterkarieren. Friedenswissenschaftliche Publizistik ist nötig, um die neuen internationalen Konflikte zu analysieren, um Möglichkeiten globaler Lösungen zu diskutieren und um Konzepte der Konversion und Zivilisierung in die Öffentlichkeit zu tragen.

Der Informationsdienst Wissenschaft & Frieden wird im Grundsätzlichen sein bisheriges interdisziplinäres Profil beibehalten. Natürlich muß er sich den oben skizzierten »neuen« Entwicklungen stellen. In einer Reihe von Fragen wollen wir ihn verbessern:

Der Info-Dienst wird künftig kontinuierlich die Behandlung der friedensrelevanten Fragen im bundesdeutschen Parlament, in den Ausschüssen, in internationalen Einrichtungen verfolgen. Die wichtigsten Informationen über die Aktivitäten des BMVg sollen zusammengetragen und kritisch durchleuchtet werden.

Der Info-Dienst berichtet ausführlich von den verschiedenen Verhandlungen über Rüstungskontrolle, Abrüstung und Vertrauensbildung. Ob es wirklich zu tiefen Einschnitten in die Waffenarsenale kommt, wird sich in den nächsten Jahren entscheiden.

Noch immer werden wir auch über die Entwicklung neuer Vernichtungsinstrumente und über Waffengeschäfte schreiben müssen. Und über das Beharrungsvermögen militaristischen Denkens.

Im Info-Dienst werden Fragen friedensfördernder Strategien erörtert und Vorstellungen für alternative Politiken dargelegt. Dabei geht es um die grundlegenden Fragen globaler Friedenssicherung: Neue Sicherheitsstrukturen, Rüstungskonversion, Weltwirtschaft & Entwicklung, Menschenrechte, Ökologie.

Wachsendes Gewicht werden Fragen des Nord-Süd-Konflikts und Probleme der 2/3 Welt erhalten. Künftige Themen werden dabei sein: Regionale Konflikte, weltwirtschaftliche Probleme, Kritik der westlichen Zivilisation und der antizivilisatorischen Fundamentalismen.

Darüberhinaus veröffentlicht der Info-Dienst interessante Beiträge aus Naturwissenschaft, Technik, Kultur, in denen die Paradigmen einer neuen Friedenskultur entwickelt werden.

Der Info-Dienst wird zukünftig stärker als bisher statistische Unterlagen aufbereiten.

Endlich werden weiterhin regelmäßig Literaturhinweise und -tips, Kontaktadressen für Projekte und Veranstaltungen vermittelt.

Die Dossiers zu Schwerpunktthemen – als Bestandteile des Heftes – werden fortgesetzt.

Der Informationsdienst Wissenschaft & Frieden erscheint weiterhin vierteljährlich im bisherigen Umfang von ca. 64 S. Da wir uns stärker auf die Vermittlung von Informationen und Position konzentrieren wollen, werden wir zukünftig – leider! – auf die (sehr teure) Auflockerung mit Photos verzichten müssen.

Wir sind also entschlossen, den Informationsdienst weiterzuführen. Wir vertrauen auf die angestrebte Neuregelung. Wir bauen auf Ihre Unterstützung. Ihre Vorschläge für die Verbesserung der Zeitschrift und ihre Kritik werden gebraucht. Auf Ihre positive Rückmeldung hoffend wünschen wir Ihnen ein friedliches, erfolgreiches 1991!

Ihr Paul Schäfer

Ästhetik der Kriegswaren und „Gute Industrieform“

Ästhetik der Kriegswaren und „Gute Industrieform“

von Udo Klitzke

In Air Land Battle 2000 kann man lesen, daß das Pentagon die Lust des Spielens von Kindern und Jugendlichen mit Computern und Videos militärisch nutzen will. Es ist zu vermuten, daß die hier vorgebrachten Thesen zur Vereinnahmung unserer Sinnlichkeit durch militärisches Interesse eher noch ungenügend erfassen.

In Air Land Battle 2000 steht: „Insbesondere der jüngere Teil unserer Bevölkerung gewöhnt sich zusehends an eine Video Display und Computerspiele Umwelt. Die Waffensysteme der Zukunft müssen diesen Trend ausnutzen.“ (zit. nach Blätter für deutsche und internationale Politik, Köln, H. 10, 1983, S. 1381 So verwerflich die Kriegsspiele der Kinder mit herkömmlichem Kriegsspielzeug sind, so „harmlos“ nehmen sie sich gegen diese abartige Vereinnahmung des Spiels der Kinder aus. Das bisherige Kriegsspiel der Kinder ist offenkundig und dies gibt die Möglichkeit, erzieherisch einzugreifen. Es war auch nicht als Kriegstechnik für's Militär zu verwerten. Das Spiel mit Computern und Videos jedoch muß und braucht keineswegs unmittelbar Kriegsspiel zu sein, um die in diesem Spiel gelernten Techniken militärisch zu nutzen.

Das Phänomen: Die sinnliche Gleichheit der „Form“ militärischer und ziviler Waren

Ein Vergleich von Katalogabbildungen der Exponate der Sonderschau „Gute Industrieform“ auf der Hannover-Messe mit Abbildungen im redaktionellen oder Anzeigenteil wehrtechnischer Zeitschriften zeigt: viele Waren für das Militär und zivile Waren mit „guter Industrieform“ gleichen sich wie ein Ei dem anderen.

Datenverarbeitungs- und Navigationsanlagen, Kommunikationsmittel und Meßinstrumente, Peilgeräte und Bedienpulte sind an Hand ihrer „Form“ nicht als Militärwaren zu erkennen.

Diese Gleichheit im Design gilt freilich auch für Gewehre, Mörser, Raketenwerfer usw. Daß der Konzern Heckler und Koch für sein „Waffen Munitions System Gewehr G 11 mit hüllenloser Munition“ u. a. „(g)utes ergonomisches Design, dadurch hohe und schnelle Feuerbereitschaft“ (Wehrtechnik, H. 8/1982, S. 7) anführt, zeigt, daß die Gestaltung solcher Waffen einen hohen Stellenwert für deren Funktion hat. Die im Sinne der „Guten Industrieform“ hervorragend gelungene „Form“, fand denn auch ihre entsprechende Anerkennung, indem das Gewehr System auf dieser Sonderschau ausgestellt wurde. Ebenso hätte dort auch das Mörsergeschoß „Bussard“ ausgestellt werden können.

Diese Beispiele sollen zeigen, eine eindeutige Zuordnung bestimmter Militärwaffen ist im Unterschied zu der Zeit der Technisierung der Militärwaren zu Beginn dieses Jahrhunderts und der folgenden Jahrzehnte über die sinnliche Erscheinung nicht mehr eindeutig möglich. Da der Umgang mit Gestaltungsmitteln sicherlich bei Militärwaren nicht beliebt ist, stellt sich die Frage nach den Gründen dieser „Angleichung“. Ein Grund könnte darin liegen, daß die modernen industriell gefertigten Waren, gleich welcher Gattung sie angehören, auf eine einheitliche „Formsprache“ hindrängen. Ein anderer Grund könnte der sein, daß die Waren mit „guter Industrieform“ schlicht Adaptionen der Formgestaltung von Militärwaren sind. Eine Umkehrung dieses Schlusses ergibt deshalb keinen Sinn, weil gerade in Rüstungswaren die höchste Form von Planung bei Entwurf und Produktion im Kapitalismus zu verzeichnen ist.

Gleichheit in der Technik

Die Möglichkeit, für militärische Zwecke entwickelte Waren auch im Produktionsbereich einzusetzen, ist v. a. darin begründet, daß sich aus der Sichtweise des Kapitals Probleme der Steuerung und Regelung von Maschinen und Anlagen, der Datenerfassung, -verarbeitung und -übermittlung, der Kommunikation usw. prinzipiell mit denen der Militärs gleichen, so daß das Kapital in für das Militär entwickelter Technik auch sein Verwertungsinteresse gewahrt sieht. Oder anders ausgedrückt: aus den vielfältigen Möglichkeiten der vom Kapital und vom Militär vorgefundenen und gesetzten Situationen, die es durch Technik zu lösen gilt, wird genau die technische Möglichkeit realisiert, die ihren Interessen gleichermaßen entspricht. Dabei ist als eine Voraussetzung gegeben, daß sich die Interessen beider bei der Problemdefinition decken. Sie „ziehen“, wie die Analyse des Militär Industrie Komplexes (MIK) zeigt, „zumindest ein stückweit an einem Strang“.

Als eine Voraussetzung für die Gleichheit der sinnlichen Erscheinung von Kriegs- und Zivilwaren ist auszumachen, daß der eindeutig vorhandene Spielraum alternativer Lösungen technischer Probleme vom gleichen Interesse des Militärs und Kapitals für ihre Zwecke genutzt wird und nicht im Allgemeininteresse nach humaner Arbeit, humanen Leben überhaupt. Selbstverständlich ist in diese Voraussetzung eingeschlossen, daß die Technik, gleich welchem Bereich sie dienen soll, identisch behandelt wird, als Technik an sich. Insofern hat hierin die Gleichheit der sinnlichen Warenerscheinung beider Warengattungen eine ihrer Voraussetzungen.

Auf Ergonomie reduzierte Handhabung

Als ein weiterer Beleg für die These der Gleichheit von Kriegs- und Zivilwaren in ihrem Design muß die Verwendung ergonomischer Erkenntnisse bei der Warengestaltung gelten.

In den 60er und v. a. in den 70er Jahren trat die Ergonomie in der Formgestaltung einen Siegeszug an. Sie wurde zur „Zauberformel“ für „gutes Design“. Abzulesen ist dies z. B. über den Stellenwert der „Handhabung“ bei Warentests der Stiftung Warentest und bei Designbewertung des Rates für Formgebung. Angesichts der marktstrategischen Bedeutung guter Testergebnisse dürfte evident sein, daß ein großer Teil des Kapitals bei der Warengestaltung auf ergonomische Erkenntnisse zurückgreift.

Eine solche Entwicklung ist im Interesse der Warenkäufer zu begrüßen, aber ist sie es vorbehaltlos? Ist der hier zur Geltung kommende Handhabungsbegriff ausreichend?

Bei der Beantwortung dieser Frage ist zunächst festzuhalten, daß die Ergonomie, wie dies Murell schreibt, den Anstoß für ihre schnelle Entwicklung auf militärischem Gebiet im Weltkrieg erhielt und dies setzt sich auch nach dessen Ende fort. Im Resultat erbrachte dies, daß „sich in der Tat in Amerika das Studium der menschlichen Arbeitskraft vorwiegend mit militärischen Problemen befaßt … .“ (Murell, S. 17). D. h. die Ergonomie ist in ihrer konkreten Ausprägung vorwiegend durch die Lösung militärischer Probleme bestimmt und zwar sowohl in ihrer Theorie- als auch Methodenbildung. Wenn in dieser Wissenschaft wie bei Murell von „menschlicher Arbeitskraft“ die Rede ist. so heißt dies wohl, daß darunter ein Mensch gefaßt wird, der in der Kriegsmaschinerie fungiert.

In der BRD entwickelte und verbreitete sich die Ergonomie wesentlich später als in den USA., d. h. die hier tätig werdenden Wissenschaftler lernten v. a. jene in den USA im Militärbereich entwickelte Wissenschaft. Dabei war es keineswegs so, daß nun die aus den USA kommende Ergonomie aufgrund ihrer „militärischen Abkunft“ in Frage gestellt wurde, sondern in der Theorie und Methodenbildung kam es zu Kontinuität.

Die Leitfunktion der im Militärinteresse betriebenen Forschung reichte bis in die konkrete Gestaltung von Gegenständen: Bedienhebel, Schalthebel, Drehknöpfe, Steueraggregate, Optimierung von Greifräumen usw. müssen zur Hand gehen, bzw. ihr entsprechen. Die Bedienung einer Maschine muß unter Hinzuziehung ergonomischer Erkenntnisse totsicher sein.

Optimale Bedienung und Handhabung von Kriegswaren muß auch den Eigenarten unserer visuellen Wahrnehmung entsprechen. Skalen, Zeichen, Symbole usw. müssen hierfür entwickelt werden. Auch in diesem Bereich erhielt die im militärischen Interesse entwickelte Ergonomie eine Leitfunktion in Theorie-, Methoden und Gestaltbildung.

Hinzu kommt ein weiterer Punkt: Die Anpassung der Warenoberfläche an eine optimale Bedienung und Handhabung erfordert eine adäquate Farbgestaltung, die zugleich auch immer auf's Gemüt wirkt. Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß Rüstungswaren nicht in jedem Fall über den kriegerischen Tarnanstrich verfügen. Im Inneren des Panzers, der Kommandostelle, der Funkstation und anderer Orte muß sich der NATO Soldat nicht vor dem Feind tarnen. Hier hat die Farbe, wie Oberhaupt die Gestaltung, die wesentliche Funktion der Bedienungs- und Handhabungsoptimierung und die der Streßkompensation. So ist z. B. auch das Bedienpult FERA (vgl. Wehrtechnik, H. 8/1982, S. 39) an Hand des Design nicht als das zu erkennen, was es ist.

Allein diese Beispiele zeigen, da aufgrund der enormen Forschungsressourcen der Militärforschung, diese Forschung Leitfunktion erhält, weil sie Untersuchungen zur Handhabung und zum Bedienungskomfort machen kann, die in anderen Bereichen kapitalistischer Warenproduktion nicht möglich erscheinen. Sie muß diese Forschung im Militärinteresse auch betreiben, um die Wirkung aggressiver Hochrüstung auch zu gewähren, wie dies ein Beispiel einer Einschätzung der israelischen Okkupation Libanons in der Zeitschrift „Wehrtechnik“ zeigt. Dort steht, daß die eingreifenden Syrer überraschend holte Verluste hinnehmen mußten, obschon sie von der UdSSR hochwertige Waffensysteme hatten. Für diese Verluste führt die Zeitschrift u. a. folgenden Grund an: „Ein wesentlicher Faktor in dieser psychologischen Situation schien auch die lähmende Enge in den sowjetischen Fahrzeugen zu sein, die besonders bei der in diesem Krieg herrschenden Hitze zu Ermüdungs- und Streßreaktionen führte. Fahr- und Bedienungskomfort ist noch immer ein zu wenig beachteter 'Teil des Waffenbaus.“ (Wehrtechnik, H. 10/1982, S. 32).

Nun, der Ratschlag an die UdSSR diese Punkte beim „Waffenbau“ zukünftig besser zu beachten, soll hier nicht weiter interessieren. Galt es doch zu zeigen, daß bei Kriegswaren quasi kein Punkt bei der Konstruktion und Gestaltung außer Acht gelassen wird, daß sie in höchster Form sowohl in Technik und Gestaltung aufwarten und ihrer Entstehung eine Wissenschafts- und Gestaltungsqualität von sonst unerreichbarer Dimension verdanken.

Zum falschen Stellenwert der Kriegstechnik

Wenn Funktionalisten wie Muthesius zu Beginn dieses Jahrhunderts die Kriegswaren als Vorbilder für eine funktionale Gestaltung Hinstellten, so ließen sie sich von dem Gedanken und der Erkenntnis leiten, daß in diesem Bereiche kapitalistischer Produktionsverhältnisse die Surrogatproduktion“ nicht zu Hause sein kann.

Wenn je von der Erfüllung der Forderung nach Material-, Kontruktionsgerechtigkeit und innerer Wahrhaftigkeit im Kapitalismus die Rede sein kann, so sind hier insbesondere die Kriegswaren anzuführen. Sie sind aufgrund der für ihre Herstellung betriebenen Forschung auf ihre Funktion hin optimal konstruiert und gestaltet. Sie erreichen selbst unter extremen Belastungen eine lange Gebrauchsdauer, sie sind im Hinblick auf Bedienung und Handhabung optimal für ihre Zwecke gestaltet und konstruiert.

Weil die kapitalistischen Verhältnisse eine Waren- und Umweltgestaltung im Allgemeininteresse verhindern, kann eine aus der Militärtechnik ins zivile Leben übertragene Gestaltung eine falsche Bedeutsamkeit erlangen. In ihr wird das positiv bewertet, was in anderen Warengattungen z. T. nur rudimentär vorhanden ist: die hohe Übereinstimmung von technischem Gebrauchswert, Gestalt und Zweck.

Da die Forschungserkenntnisse in der Technik und Gestaltung aus ihrem Entwicklungskontext, dem Militärinteresse, herausgelöst werden, „an sich“ erscheinen, erzielen sie eine scheinbare Wertneutralität, die wiederum die Basis für ihren beliebigen Umgang abgibt. Insofern erscheint es als selbstverständlich, daß sie, entsprechend ihrer gewonnenen Beliebigkeit, Wissen und Erkenntnis schlechthin sind. Es erscheint nicht als Zumutung, in der militärischen Ergonomie nicht von Soldaten zu sprechen, sondern von „Arbeitskraft“. Und wer wird sich schon darüber aufregen, über „Arbeitskräfte“ gewonnene Erkenntnisse zu verwenden? Das Computer und Videospiel der Kids ist zunächst nichts Militärisches, aber indem es durch die Pentagon Strategen zum Material von Militärischem wird, wird es unter der Hand militärisches Spiel für Kinder und Jugendliche. So kommt über das Video Display und das Computerspiel die Funktion des Soldaten zu den Kids, die dann, wenn sie nun wirklich Soldaten sind, ihre Feststellungen treffen können, daß zwischen ihrem Spiel und ihrer Kriegsübung der Unterschied nicht so groß ist. Und auch die Waffen werden über ihr Design dazu beitragen, daß sie ihr Soldatensein nicht als Bruch, der zum Denken anregen könnte, empfinden. Sehen das Mörsergeschoß „Bussard“ und das „Gewehrsystem G 11“ nicht schön aus? Sind sie in ihrem Design nicht der nahtlose Übergang aus dem Zivil- ins Militärleben?

In unser aller Interesse muß der schleichenden Militarisierung unseres ganzen Lebens und mithin auch der falschen Bedeutsamkeit militärischer Waren Einhalt geboten werden. Bei dem Erarbeiten und Aufzeigen von Alternativen gilt freilich, daß „der Gegenstand“, wie Marx sagt, „kein Gegenstand überhaupt (ist), sondern ein bestimmter Gegenstand, der in einer bestimmten, durch die Produktion selbst wieder (zu) vermittelnden Art konsumiert werden muß.“ (Marx, S. 624) Wie der Hunger nicht gleich Hunger ist (vgl. ebda.), ist die Hand nicht gleich Hand. Die Hand, die die Kriegsmaschinerie bedient, ist eine andere als die, die gesellschaftlich sinnvolle Produkte herstellt, die zum Genuß und zur Lust spielt, die Kunstprodukte herstellt und Liebe gibt. Muß nicht auch die Technik und Gestaltung diesen Eigenarten unserer Hand, unseres Gehörs, unserer Augen, unserer Sinne gemeinhin Rechnung tragen?

Literatur

Air Land Battle 2000, zit. nach Blättern für deutsche und internationale Politik, H. 10/1983
Auf Gedeih und Verderb, hrsg. v. Friedrichs, G. u. Schaff, A., Wien 1982
Marx, K.: Einleitung zur Kritik der politischen Ökonomie, MEW 13, Berlin 1971
Murell, K. F. H.: Ergonomie, Düsseldorf und Wien 1971
Noble, D. F.: Maschinen gegen Menschen. Nachdruck des Alektor Verlags, Stuttgart o. J. Stern, H. 10/1983
Wehrtechnik, H. 8/1982
Wehrtechnik, H. 10/1982

„Berichte von der Front“ – Kriegsbilder im Science-Fiction-Film

„Berichte von der Front“ – Kriegsbilder im Science-Fiction-Film

von Brunhilde Janßen

Sei es der „Krieg der Welten“ H. G. Wells, 1898 oder der „Krieg der Sterne“ (1977) – in der Geschichte der SF spielt der Themenbereich Konflikte, Katastrophen und Krieg eine zentrale Rolle. Kriegerische Katastrophen haben sich entweder schon ereignet oder drohen, sich in nächster Zukunft abzuspielen, wenn sie nicht sogar selbst Thema von SF sind. Fast immer geht es dabei um die gewaltsame Eroberung des Alls und fremder Planeten oder aber ein in neuerer Zeit häufiger auftauchendes Bild – um die Verteidigung der menschlichen Rasse gegen aliens, die aus den Tiefen des Alls in unsere Galaxie vorgedrungen sind, um auch diese zu erobern und zu beherrschen.

Ein Krieg im Weltall, so suggeriert die SF, kann sehr schön sein und läßt den Betrachter seine womöglich realen Erfahrungen mit dem Krieg oder zumindest sein Problembewußtsein bezüglich der realen Kriege auf unserer Erde vergessen. Das All, an sich von einer endlosen und faszinierenden Weite und Anonymität, belebt sich mit Tötungsmaschinen unterschiedlicher Art: majestätische „Kampfschiffe“ schweben ebenso lautlos und leicht durch den Raum wie kleine und schnelle Angriffsfahrzeuge, die mit allen Wundern der Technik ausgestattet sind. Angereichert wird dieses Waffenpotential durch eine Vielzahl von Strahlenwaffen, atomaren Sprengköpfen oder auch seit es den Film „Krieg der Sterne“, Teil 1 gibt Licht- und Strahlenschwertern, die an archaische Formen des Kampfes erinnern.

Die technischen Wunderwerke erlangen ihre Ästhetik und Faszination durch ihr Schweben im unendlichen Raum. in dem sie für den Betrachter wie Sterne leuchten und strahlen, und diese Faszination nimmt auch nicht ab, wenn plötzlich eines dieser Gebilde vorn Bild verschwindet: abgeschossen und verglüht. Der Kampf der Raumschiffe soll Spannung und Nervenkitzel erzeugen. Doch letztlich bleibt der Krieg im Weltall schön und lautlos. Selbst die Explosion eines Raumfahrzeuges erzeugt noch ein ästhetisches Bild, das zum Staunen anregt und die Distanz, in der solches geschieht, enthebt den Zuschauer der unangenehmen Problematik, sich womöglich mit dem Tod von Menschen auseinandersetzen zu müssen. Die kriegerische Auseinandersetzung bleibt für den Betrachter prinzipiell folgenlos, Übrigens auch für die Hauptpersonen in einem solchen SF-Film. Der Tod erhält ein anonymes Gesicht, für den Zuschauer nicht mehr begreifbar als Leiden und Sterben, sondern vorwiegend als logisches Faktum: das getroffene Objekt verschwindet einfach, ohne Lärm, ohne Blut, ohne Leiche. Töten wird so zu einem selbstverständlichen Vorgang, der auch vom Zuschauer aufgrund seiner Distanzierung ohne weiteres akzeptiert werden kann, ja sogar von ihm am nächsten Computer-Spielautomaten selbst nachgeahmt werden kann. Natürlich findet der Krieg im Weltall nicht grundlos statt. Er erhält seine Legitimation aus zwei Quellen: zum einen handeln die Guten, also die Identifikationsfiguren, immer aus einer Notwendigkeit heraus, da sie bedroht oder von Fremden angegriffen werden, zum anderen aber kämpfen sie für das Gute an sich, für die gesamte menschliche Rasse. Ohne inhaltlich genauer definiert werden zu müssen, ist dieses Gute immer im Recht, denn es verteidigt uns, die Menschen.

Dem Guten, repräsentiert durch hübsche, mutige und ehrenwerte Personen, die mit Vorliebe weiß gekleidet sind, steht das Böse gegenüber: dunkel, maskiert, anonym und niederträchtig. Die Beweggründe der bösen Personen sind schnell genannt. Sie wollen Macht und Besitz, und was sich nicht beherrschen läßt, soll getötet, besser: vernichtet werden. So einfach die Handlungsmotive der bösen Protagonisten sind, so einfach hat auch die Reaktion darauf zu sein. Dein Zuschauer wird die Notwendigkeit vor Augen geführt, radikal und durchaus gewalttätig gegen das Böse vorzugehen, ohne etwa nach Hintergründen oder gar nach Verhandlungsmöglichkeiten zu fragen. Daß Böse muß ausgerottet werden, da es sonst uns, die Menschen, vernichtet.

Daher geht es um die Art und Weise, wie die SF der letzten Jahre das Thema Krieg behandelt. Dem Zuschauer oder Leser wird eine simple Schwarz-Weiß-Sicht der viel komplizierteren realen gesellschaftlichen und politischen Vorgänge angeboten, die ihm letztlich eine Einsicht in die Gründe, warum in unserer Gegenwart Kriege geplant und geführt werden, verstellt. Vor allem aber lernt er zu akzeptieren, daß es zur Vernichtung des Übels sogar notwendig sein kann, die eigene Zerstörung in Kauf zu nehmen, wenn nur irgendwelche, womöglich wertvollere Repräsentanten der menschlichen Rasse vor dem Untergang bewahrt werden.

Und noch etwas anderes wird in den meisten SF-Produktionen der jüngeren Vergangenheit als selbstverständlich vorausgesetzt: der 3. Weltkrieg hat auf der Erde bereits stattgefunden, der Planet Erde ist in den Weiten des Alls verglüht. Ein Gedanke, der uns im Jahre 1984 Angst macht, weil er im Bereich des Möglichen und Denkbaren liegt, wird uns zugleich als akzeptabel und prinzipiell fast folgenlos präsentiert. Die Erde existiert nicht mehr, aber die menschliche Rasse gibt es noch und sie kämpft in alter Manier für ihr Überleben.

Die Weltsicht, die hinter diesen Bildern steht, ist eindeutig: ein von den Menschen gefürchteter Atomkrieg ist gar nicht so gefährlich, denn man kann ihn überleben. Wer ihn aber nicht überlebt hat, der ist für die Vernichtung des Bösen gestorben. Denn – „es gibt Wichtigeres, als im Frieden zu leben“.

Nicht zufällig findet sich diese Anschauung besonders in amerikanischen SF-Produktionen. Ihre Wirkung ist bemerkenswert. Mehr als die durchschnittlichen deutschen SF-Film Zuschauer sind die amerikanischen Zuschauer bereit, die „Commies“ (= Kommunisten) als dunkle, gewalttätige Monster, als Vertreter einer undefinierbaren, jedenfalls aber bösen Macht zu betrachten. Die gedankliche Hemmschwelle, gegen den historischen Gegner in einem realen Krieg möglicherweise auch Atomwaffen einzusetzen, um sich „seiner (zu) entledigen“ (R. Reagan), ist dann auch sehr niedrig: ca. 40% von befragten amerikanischen Zuschauern wären dazu bereit.1

Die ideologische Aussage der SF in den letzten Jahren, die sich mit dem Motiv des Krieges thematisch beschäftigt, ist also nicht nur Widerspiegelung der Realität, sondern zugleich konkretes Mittel zur politischen Auseinandersetzung. Sie postuliert die Vorstellung und Akzeptanz des bisher Undenkbaren.

Zugleich impliziert eine solche Sichtweise des Krieges als einzig funktionierendes und deshalb durchaus legitimes Mittel in der politischen Auseinandersetzung auch eine Reihe weiterer gesellschaftsbezogener Aussagen in der SF. Der Krieg, so erfährt der Zuschauer, macht es notwendig, daß alle Beteiligten gehorsam ihrem Oberhaupt, ihrem Führer, ihrem Vater, z. B. im „Krieg der Sterne“ auch versinnbildlicht im Darth Vader, dem Oberhaupt der „Bösen“, folgen. Eine Hierarchie, offenbar von Urzeiten an bestehend und von Prinzen, Prinzessinnen oder Herrschern repräsentiert, darf nun auch nicht hinterfragt werden, denn Unterordnung und Gehorsam sind wichtiger. Schließlich geht es um das Überleben des Imperiums oder der menschlichen Rasse selbst.

Bis in die Rollenstrukturen von Mann und Frau wirkt die permanente Krisensituation hinein: der Krieg in den Galaxien ist auch der Kampf der Geschlechter, ohne daß dies allerdings thematisiert würde. Schließlich mag es als selbst-verständlich erscheinen, daß der Kampf gegen mächtige und monströse Gestalten des bösen Reichs nur von mutigen, starken und tatkräftigen Männern geführt werden kann, während Frauen als Opfer oder namenlose Zuschauer zu fungieren haben. So ist es nur folgerichtig, daß das Imperium des Guten zwar grundsätzlich von schönen, kindlich-unschuldigen aber durchaus erotisch anziehenden Prinzessinnen repräsentiert, letztlich aber von starken Männern beherrscht und verteidigt wird. Nur ihnen kann die nötige Kaltblütigkeit und Tötungsbereitschaft zugetraut werden, nur sie – so wird dem Zuschauer suggeriert – verfügen über die Rationalität und notfalls gefühlsmäßige Kälte, um als Soldaten ihres Reichs zu kämpfen.

Frauen dagegen sind Garnitur oder sogar überhaupt anonyme Masse, zumindest aber sind sie immer potentielles Opfer des Geschehens. Handlungsfähigkeit kann ihnen abgesprochen werden und so werden sie vom Feind gejagt und gefangengenommen, als Sexualobjekt benutzt und von den guten Helden, für die sie im Grunde nichts anderes bedeuten, wieder befreit. Prinzessin Leia im „Krieg der Sterne“ bildet hierfür ein deutliches Beispiel.

Zwar gibt es auch böse Prinzessinnen („Buck Rogers“), die mit ihren niederträchtigen Beweggründen die Mächte des Bösen und Dunklen vertreten. Doch auch sie sind letztlich nur Objekte der Handlung, indem sie – zumeist mit großem Kostümaufwand als galaktische femmes fatales gekennzeichnet – gegen die wirklich bösen Männer in ihrem Rücken doch nicht antreten können. Selbst intellektuell zu schwach und auch nicht rücksichtslos genug, sind sie dem Untergang geweiht. Frauen sind also. in der SF zumeist schwach und unterlegen, gleichgültig ob gut oder böse, und auch der vereinzelte Kampf gegen die Vorherrschaft der Männer ändert nichts an ihrer Aufgabe, als Farbtupfer die männliche und von Soldaten geprägte Welt aufzuhellen.

Die waffenstarrende Symbolisierung der männlichen Vorherrschaft reicht bis in psychoanalytische Ebenen hinein. Nur zu leicht lassen sich die Strahlenwaffen, vor allem aber die Lichtschwerter, mit denen die Hauptakteure gegeneinander antreten, als Phallussymbole interpretieren. Strahlenwaffen sind utopisch wie archaisch zugleich: Laserstrahlen zeigen die Macht des technologischen Fortschritts, doch die Form des Schwerts steht für den männlichen Kampf in seiner „klassischen“ Gestalt: zwei Männer stehen sich mit dem Vorsatz gegenüber, einander zu töten.

Die moralische Vereinfachung, visuell gekennzeichnet durch das Gegenüber von Hell und Dunkel in der Kleidung der Protagonisten, findet ihre äußerliche Entsprechung in der monumentalen Aufteilung der Räume – im Innern der Raumschiffe wie im All. Figuren wie Ben Kenobi, Luke Skywalker oder – auf der anderen Seite Darth Vader im „Krieg der Sterne“ sind nicht nur Repräsentanten von gut und böse, sie sind vor allem Führer ganzer Raumschiff-Flotten und riesiger Heere von Raumsoldaten. Dem entsprechen die häufig auftauchenden Paraden und Begrüßungsszenerien, in denen weitläufige Hallen mit uniformierten und zumeist auch maskierten Soldaten angefüllt sind. Tausende von Soldaten stehen stramm, im Imperium des Guten ebenso wie im dunklen Reich des Bösen. Unterschiede lassen sich nur an Äußerlichkeiten festmachen: natürlich lassen sich die Soldaten des Guten noch als Menschen identifizieren, die ihre Pflicht tun, während die in Metall und Kunststoff verkleideten Kämpfer der dunklen Macht genausogut Maschinen sein können. Dies erleichtert zusätzlich die Legitimation ihrer Vernichtung. Das alles findet in monumentalen Räumen und Bauwerken statt, die die Wirkung einer normierten Masse von Lebewesen deutlicher hervorzuheben vermögen.

Daß einzelne Szenarios aus der SF an den NSDAP-Reichsparteitag im Jahre 1936 erinnern, ist kein Zufall. Die SF-Requisitenwelt versinnbildlicht die skizzierten ideologischen Hintergründe. Große Massen soldatischer Männer dienen als „Kanonenfutter“ in einem wahnsinnigen, aber notwendigen Krieg, während die Leitfiguren allein über Handeln und Strategie entscheiden. Dabei ist nicht nur die Masse der Menschen an sich wertlos (soweit es nicht um ihre Rolle innerhalb der Erhaltung der Rasse geht), sondern auch der Gegner bereits per definitionem minderwertig. Diesen faschistoiden Elementen entspricht die soldatische Härte der Personen, die die Autorität der Führer vorbehaltlos anerkennen und deren Befehle ohne Zögern befolgen, sei es auch mit der Konsequenz des eigenen Todes. Vorgeführt wird eine ethische Entmenschlichung des Individuums. Seit den 50er Jahren ist die Science Fiction nicht bloß bunter und phantastischer geworden. Der Zuschauer von 1984 soll lernen, seinen eigenen Untergang, der ihm so faszinierend vorgeführt wird, zu akzeptieren.

Brunhilde Janßen ist Lehrerin. Sie wohnt in Königswinter

Anmerkungen

1 Vgl. dazu einen Bericht in der Zeitschrift KONKRET, Nr.12, Dez. 1983, S. 47 Zurück

gekürzter Vorabdruck aus: Harald Kimpel/Gerhard Hallenberger (Hg.), Zukunftsträume. Bildwellen und Weltbilder der Science Fiction. ed. 8 1/2 (erscheint Ende April). Das Buch ist eine Begleitpublikation zu einer gleichnamigen Ausstellung, die vom 30.4.-17.6. in der Kasseler Orangerie gezeigt wird.

Editorial: Was für eine Wissenschaft?

Editorial: Was für eine Wissenschaft?

von Redaktion

„Die postnukleare Gesellschaft wird lernen müssen, sich im Umfeld ionisierender Strahlung zu bewegen. Im Ganzen betrachtet wird nach Meinung des Forschungsberichtes keine Panikstimmung auftreten, Die Verhaltensmuster der Überlebenden werden durchaus adaptiv sein. Die meisten Menschen können eine Zeit bis zu mehreren Wochen mit geringstem Ausmaß von Nahrungsmittelzufuhr überleben. Das Wasser- und Nachrungsmittelproblem ist jedoch nur eine Organisationsfrage. Die Natur ist durch die menschliche Zivilisation bereits so gründlich verändert, daß eine nukleare Katastrophe höchstens zu einer allmählichen Rückkehr zur ursprünglichen Situation fuhren dürfte. Großräumige Waldbrände, Insektenplagen oder andere Störungen des ökologischen Gleichgewichts sind jedoch nicht zu erwarten. Ausgedehnte Studien an bestrahlten Patienten, sowie an Opfern aus Hiroshima und Nagasaki zeigen jedoch, daß die genetischen Schäden im Vergleich zu den bisher beschriebenen Atomkriegsfolgen eher ein „Hintergrundgeräusch“ darstellen.“ (Forschungsbericht des amerikanischen Zivilschutzes vom Mai 1979, J. Greene, in: Münchner medizinischer Wochenschrift 121 (1979), Nr. 36, S. 1124ff.).

Was ist das für eine Wissenschaft. Sie ist unmoralisch und zynisch, das sicherlich, Mehr noch.- sie ist grauenerregend. Ihre „objektiv-nüchterne“ Verharmlosung der Atomkriegsfolgen ist geradezu Kriegsführungsoption.

Ein Ziel des Informationsdienstes Wissenschaft und Friede ist es, zur Diskreditierung solcherart Wissenschaft beizutragen. Mit dem Thema Kriegsfolgen befassen sich einige Beiträge dieses Heftes. „Auch nach den Pershings“ so lautet die Titelzeile unseres ersten Heftes, das in den Tagen des Stationierungsbeginns erschien . Schon jetzt, ein paar Wochen danach, zeigt sich die Korrektheit dieser Einschätzung trotz mancherlei Resignations- und Spaltungserscheinungen. Die seitdem publizierten (und in diesem Heft dokumentierten) Wissenschaftleraufrufe die zahlreichen Aktivitäten zum Jahrestag des Stationierungsbeschlusses am 12.12., endlich die außerordentlich umfangreichen Aktionen der Studentenschaft im November/Dezember 1983 zeigen, daß der Stationierungsbeginn zu keinem emotionalen, bzw. politischen Zusammenbruch der Friedensbewegung geführt hat.

Ein kleines Indiz hierfür ist auch die beträchtliche Resonanz auf das Projekt des Informationsdienstes – das immerhin eben zu einem Zeitpunkt gestartet wurde, als viele das Ende der Friedensbewegung gekommen sahen. Wir haben in nur zwei Monaten Hunderte von Abonnenten gerade auch außerhalb des Wissenschaftsbereiches gewonnen. Offenbar ist der Informationsdienst nützlich. Und er ist anscheinend auch wirksam: die Frankfurter Allgemeine Zeitung nahm sich der Dokumentation militärischer Forschung an den Hochschulen an, vermutete Enthüllungen, Kampagnen, Antiamerikanismus, die Hand Moskaus, ach ja. Es bedurfte keiner Enthüllungen, die der Dokumentation zugrundeliegenden Quellen sind öffentlich (und auch noch offiziös). Der beliebten Aufforderung, doch auch über die militärische Forschung in der UdSSR zu berichten (so die FAZ), werden wir bei Gelegenheit gerne nachkommen mit oder ohne „Beziehungen“ (FAZ). Die Resonanz hat uns veranlaßt, für Studenten, Schüler und Arbeitslose einen niedrigeren Verkaufspreis als ursprünglich kalkuliert einzuführen. Das bedeutet aber auch, daß wir auf jedes Abonnement angewiesen sind. Wir bitten daher alle Leser, Mitarbeiter. und Vertreter der Wissenschaftlerinitiativen und Friedensgruppen, den Informationsdienst zu nutzen, ihn zu abonnieren und für ihn zu werben. Er ist ein Projekt der Friedensbewegung.

»Medien-Blauhelme« in der DR Kongo

»Medien-Blauhelme« in der DR Kongo1

von Etienne Fopa und Christiane Lammers

Seit Jahrzehnten wird die Berichterstattung über Afrika durch die drei großen »K’s«: Kriege, Katastrophen und Krankheiten dominiert. Aber nicht nur das Fremdbild, d.h. die Berichterstattung im westlichen Ausland, ist einseitig und ideologisch geprägt. Auch in den afrikanischen Staaten selbst mangelt es oft an Medien, die sich dem Anspruch einer umfassenden, informativen Innensicht stellen. Der folgende Beitrag stellt ein solches Projekt vor.

Im Zeitalter der Massenmedien ist die Bedeutung der Massenkommunikationsmittel kaum zu unterschätzen, was ihre politische und politisierende Wirkung angeht. Dies umso mehr in Gesellschaften, in denen desolate Infrastrukturen und ökonomischer Mangel dazu führen, dass die gesellschaftliche Teilhabe der Bevölkerungsmehrheit auf ein Minimum reduziert wird bzw. werden kann. Demokratisierung und Entwicklung, verstanden als Prozesse von »unten«, sind wesentlich von einer Verbesserung der Kommunikationsmöglichkeiten und -strategien abhängig.2 Nicht zuletzt geht es aber auch um die Anerkennung eines Menschenrechtes, nämlich des uneingeschränkten Rechtes auf Information.

1995 wurde in der Schweiz mit Hilfe des dortigen Entwicklungsministeriums, konkret der »Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit«, die Stiftung »Hirondelle« gegründet. Die Stiftung versteht sich als eine Journalisten-Organisation, die in Krisengebieten neue Medien aufbaut. Ihr Präsident, der Journalist Jean-Marie Etter, war zuvor als Generalsekretär der Schweizer Sektion von »Reporter ohne Grenzen« tätig und arbeitete bei »Radio Agatashya« in der Gegend der Grossen Seen in Afrika. Der Name der Stiftung deutet auf dieses erste Projekt der Stiftung hin: Agatashya bedeutet in Deutsch »Schwalbe«(franz. »Hirondelle«). Die Stiftung »Hirondelle« baute in den letzten 10 Jahren »Star Radio« in Liberia auf, »Radio Blue Sky« im Kosovo, »Radio Ndeke Luka« in Bangui (Republik Zentralafrika), und unterstützte das nationale Radio/Fernsehen RTTL in Osttimor. Das älteste Projekt von »Hirondelle« ist jedoch kein Radio, sondern die Presseagentur »Arusha« in Tansania, die die Arbeit des Internationalen Kriegsverbrechertribunals in Ruanda begleitete.

In einem Interview äußert sich Etter zu den die Arbeit der Stiftung bestimmenden Werten: »Es gibt einerseits professionelle Werte. Ich glaube an journalistische Grundsätze, die universelle Gültigkeit besitzen und in der Praxis angewendet werden müssen. Daneben gibt es ethische Werte wie den Respekt der Menschenwürde, Ehrlichkeit und Transparenz. Unser aller tiefster Grundsatz ist jedoch die Unabhängigkeit von wirtschaftlicher und politischer Macht3

Konkret heißt das: Die Stiftung will ihr Know-How, ihr Ansehen und ihre Erfahrung den Mitarbeitern/innen vor Ort vermitteln und ihnen somit helfen, unabhängige Medien auf Dauer betreiben und die volle Verantwortung übernehmen zu können. In der Regel arbeitet also die Stiftung mit lokalen Mitarbeitern/innen, mit Ausnahme der Projektleitung. Die Medien werden von Anfang an so konzipiert, dass sie den lokalen Mitarbeitern übergeben werden können. Die Budgets werden entsprechend ausgerichtet und erforderliche Ausbildungen vorgesehen, sowohl für die Journalisten, die Techniker wie auch für das Managementpersonal. Die Sicherung der Unabhängigkeit der Medien bedarf auch der Kontrolle des gesamten Produktionsprozesses, vom Papier zur Verteilung, vom Sammeln der Informationen bis zur Sendung. Um die Qualität dieser ganzen Ketten abzusichern, bemüht sich die Stiftung ständig darum, die notwendigen materiellen Grundvoraussetzungen zu schaffen.

Journalismus in Konfliktsituationen

Innergesellschaftliche Konflikte haben tiefgreifende politische Wurzeln, die seit Jahrzehnten gewachsen sind, wobei die aktuelle Situation nur ein Punkt mehr auf der Konfliktskala darstellt. Die Journalisten sind daher mit besonderen Herausforderungen konfrontiert: »In times of political confrontation and internal conflicts in society, journalists – as allegedly objectives reporters, are more than ever in danger of becoming themselves part of the dispute by selecting an evaluating information.“4 Journalisten gehen, bei bestem Willen, ständig das Risiko ein, zu Mittätern zu werden: durch den unreflektierten Gebrauch von Sprachregelungen, bei der unzulänglichen Vereinfachung komplexer Zusammenhänge, durch die Bedienung tradierter Klischees etc. Vor der Gefahr von Missverständnissen können sie sich nur schützen, indem sie sich ihrer Verantwortung bewusst werden und sich dieser stellen. Kompromisse sind hier nicht denkbar. Sie haben alle ihnen zur Verfügung stehenden Wege der Kommunikation intensiv und gewissenhaft zu prüfen, bevor sie sie nutzen, um Ereignisse und Zusammenhänge transparenter machen oder Konfliktparteien lösungsorientierte Wege vorzuschlagen5: »Conversely, the approach of crisis reporting know in the Anglo-Saxon world as peace journalism, which avoid any simple attribution of roles of victim/perpetrator and instead focuses on all sides of the conflict in an equal measure, is based on the assumption that communication via the media may also have a de-escalating effect and that journalists should deliberately assume a mediating position for the sake of peaceful solution.«6

Voraussetzung für diese Mediatorenfunktion ist allerdings neben einer entsprechend ausgerichteten professionellen Ausbildung auch die materielle Absicherung. Dies schließt auch den konkreten Schutz von Gebäuden und Personen mit ein. In Konfliktgebieten kann dies bedeuten, dass Medienprojekte darauf angewiesen sind, Unterstützung zum Beispiel von UNO-Missionen vor Ort zu erhalten.

»Radio Okapi«

Seit 2002 betreibt die Stiftung »Hirondelle« in Partnerschaft mit der UNO, konkret der MONUC, das »Radio Okapi« in der Demokratischen Republik Kongo. Es handelt sich um das größte Radioprojekt der UNO. Okapi gilt heute als das wichtigste Medium in der DR Kongo, da es als einziges Medium landesweit ausstrahlt und damit ca. 20 Mio. der 60 Mio. Einwohner des Landes erreicht, das etwa so groß wie ganz Westeuropa ist.

Für Kongo ist Radio Okapi längst mehr als »nur« eine glaubwürdige Informationsquelle, obwohl das allein eine reife Leistung in einem Land ist, in dem einst die Abendnachrichten mit dem Bild eines auf einer Wolke schwebenden Diktator zu beginnen pflegten. Der Radiosender ist zu einer nationalen Identitätsklammer geworden, weil er in einem Land ohne Straßen und doch so groß wie Westeuropa die Menschen wieder zusammengeführt hat. Knapp 200 Mitarbeiter in acht Regionalstudios und der Zentrale in Kinshasa sowie ein flächendeckendes Sendernetz sorgen dafür, dass »Radio Okapi« auch im entlegendsten Winkel Kongos zu empfangen ist. Zudem sendet »Radio Okapi« neben der normalen FM-Frequenz auf Kurzwelle und in fünf Sprachen: Französisch, Lingala, Swahili, Tshiluba und Kikongo. Das Hauptstadtstudio ist auf dem Gelände der MUNOC in Kinshasa untergebracht.

Die Qualität des Journalismus, die Aktualität und nicht zuletzt die Diskussionsforen unter Beteiligung der Bürger haben »Radio Okapi« nicht nur zum unumstrittenen Leitmedium im Land gemacht, sondern die Arbeit bei diesem Sender führt bei den Mitarbeitenden zu Lernprozessen, die durch ihre Multiplikatorenfunktion Einflüsse auf die Gesamtgesellschaft haben.

Okapi hat die Fähigkeit, neutral in der Berichterstattung zu bleiben. Mitarbeiter Okapis sollen auf diese Weise auch in ihrem Bürger-Bewusstsein gestärkt werden. Menschen im Kongo, wie in weiten Teilen Afrikas überhaupt, haben in ihrer Lebensgeschichte keinen positiven Bezug zum Nationalstaat entwickeln können. Jede/r fühlt sich mehr seiner Ethnie verbunden als dem Land selbst. Dazu kommen noch alle kulturellen Feinheiten der jeweiligen Regionen, schließlich die Familienzugehörigkeit und das Verbundensein mit einer politischen Partei. Und gerade die afrikanischen Parteien spielen stark mit der ethnischen Zugehörigkeit. Die Journalisten, z.B. des staatlichen Senders RTNC, wurden durch das System derart ›formatiert‹, nur eine Meinung zu vertreten: sie berichteten, was die Volks-Revolutionäre Partei von Mobutu (der man per Geburt angehörte!) verlangte. Trotzdem waren sie als Journalisten gut ausgebildete Leute, die jedoch jahrelang keine Möglichkeiten hatten, objektive Berichterstattung zu leisten. Sie waren es gewöhnt, neben ihrem Beruf, noch (Geld-)Geschenke zu bekommen und anzunehmen. Bei »Radio Okapi« bekamen viele von ihnen eine neue Chance als einheimische Mitarbeiter und hatten überraschend große Erfolge. »Sie sind sehr gute Journalisten und haben es nachgewiesen; unter Mobutu hatten sie auch sehr gut gearbeitet, aber mit gebundenen Füssen. Jetzt haben sie das Bewegungsrecht und die Kongolesenbehaupten, wir haben nur die besten ausgesucht.“7

Wahlen als Testfall

Ein wichtiger Prüfstein für eine qualifizierte Berichterstattung waren die Wahlen im Juli 2006. Die Verantwortung, zur politischen Information und Aufklärung beizutragen, war in dieser Situation besonders groß. Groß war aber auch die Gefahr, dass alte Bekanntschaften und Abhängigkeiten bis hin zur Korruption wieder zu einer manipulativen Berichterstattung führen würden. Um hier vorzubeugen, verschärfte Okapi die Arbeitsregelungen in Bezug auf die Wahlen. »Les employés de Radio Okapi doivent refuser les cadeaux, les bénéfices, l’argent ou toute autre compensation offerte. La finalité de ces propositions est toujours d’influencer la décision électorale de Radio Okapi. Les employés de radio Okapi ne doivent pas laisser penser, par leur tenue vestimentaire, qu’ils soutiennent tel ou tel parti ou candidat, par exemple en portant des vêtements ou accessoires au nom ou à l’effigie d’un parti ou d’un candidat.«8

Zusammengefasst wurden alle diese Bedingungen in den sogenannten Produktionsnormen. Für manch einen der Mitarbeiter waren diese Einschränkungen schwer zu akzeptieren, denn es bedeutete »frei« und doch »nicht frei« sein. Zum Beispiel forderte »Radio Okapi« jeden Mitarbeiter auf, zu den Wahlen zu gehen, da jeder verpflichtet sei, diese Aufgabe als Bürger zu erfüllen. Andererseits ist es den Mitarbeitern des Radios streng verboten, sich öffentlich zu positionieren – etwa zu einem aktuellen Referendum, einer Volksabstimmung oder einer Wahl. Die Mitarbeiter dürfen auch nicht als Aktivisten erscheinen oder ein politisches Wahlamt übernehmen.9

Zu den Wahlen hat »Radio Okapi« unter dem Titel »Das sind unsere Überzeugungen«10 10 Regeln aufgestellt:

  • Radio Okapi begleitet den Prozess der demokratischen Wahlen.
  • Radio Okapi begünstigt die Verbreitung der Ideen, Meinungen und Informationen.
  • Radio Okapi gewährleistet die Gesamtheit der aus seinem Haus gesendeten Informationen.
  • Radio Okapi sendet faire, exakte, vollständige und ausgewogene Informationen.
  • Radio Okapi sendet nur Tatsachen.
  • Radio Okapi überprüft die Tatsachen durch Berücksichtigung unterschiedlichster Quellen.
  • Radio Okapi kann überprüfte Informationen nicht zurückhalten.
  • Radio Okapi tritt nicht mit editorialen Stellungnahmen auf.
  • Radio Okapi behandelt jeden mit Respekt und Gerechtigkeit.
  • Radio Okapi lehnt alle Geschenke, Überschuss und »Coupages«11 ab.

Diese Regeln dienen als »Taschenbuch« für Okapi-Journalisten. Das bedeutet: ganz gleich woher sie kommen und welcher Ethnie sie angehören, sie müssen die Regeln des Radios anerkennen und sich an diese halten.

Das Verhalten der Journalisten von Okapi ist die konsequente Pflege des Images von Okapi, persönlich wie öffentlich, intern wie extern. Der Anspruch ist, dass die einheimischen Mitarbeiter in der DR Kongo keine einfachen Reporter des neuen Senders sind, sondern »Le nouvel Homme des media congolais«12, der als Vorbild den Journalisten im ganzen Land dienen soll.

Die Wahlen in der DR Kongo sind vorbei, sie sind überraschend friedlich verlaufen. Die Konsequenz: Der Kongo ist heute aus den westlichen Medien fast vollständig wieder verschwunden. »Radio Okapi« jedoch sendet weiter (www.radiookapi.net)13 und ist auch bei uns zu hören.

Anmerkungen

1) Der Beitrag beruht zum Teil auf der Diplomarbeit: von Etienne Simon Fopas: »Medien zwischen Konflikt und Frieden. Die Bedeutung der UNO und die ›Fondation Hirondelle‹ für eine Friedensförderung durch Medien in Afrika: Das Radio Okapi in Kongo Zaire« (April 2006; Institut für Journalistik, Universität Dortmund).

2) Vgl. Die Rolle der Medien, Magazin für Kommunikation, E+Z, Jg. 45 (2004), S.276.

3) www.swissinfo.org/ger/dossiers/portrait/detail/Die_Stimme_der_Schwalben_im_Kampf_fuer_Freiheit.html (26.06.2007).

4) Klussmann, Jürgen: Medien im Konflikt – Mittäter oder Mediatoren. Internationale Konferenz, Friedrich-Ebert–Stiftung, Berlin, 11. Mai 2000, S.8.

5) Vgl. Zint, Martin: Friedensjournalismus als Beruf, in: Wissenschaft & Frieden, Heft 4/2000.

6) Klussmann, Jürgen, a.a.O.

7) Schmidt, Christian, im Interview mit E. Fopa, siehe Fußnote 1.

8) Wahlcharta, Radio Okapi, Interne Schriften; Kap. 5, §2, Abs.2, Kinshasa 2005, S.8. gekürzte Übersetzung. Im Original heißt es, dass Mitarbeiter von Okapi keine Geschenke oder Geld annehmen dürfen. Dies erweckt den Eindruck der Beeinflussung der Meinungen. Mitarbeiter dürfen auch keine Gadjets (eine Art »Fanartikel« wie Kappen, Halstücher, etc.) tragen mit dem Foto von Kandidaten.

9) Wahlcharta, ebenda.

10) Wahlcharta, ebenda, S.10.

11) Coupage (franz. umgangssprachlich in Kongo) bedeutet »Bestechung«

12) Etter, Jean Marie, im Interview mit E. Fopa, siehe Fußnote 1

13) Auch die Wochenzeitung »Die Zeit« bietet seit längerem einen blog zum Kongo: http://blog.zeit.de/kongo/, in dem über Alltägliches und Politisches im Kongo berichtet wird. Die zuständige Redakteurin ist Andrea Böhm.

Etienne Fopa, geb. in Kamerun, ist Absolvent am Institut für Journalistik der Universität Dortmund und Trainer für Medien und Konflikt bei Pecojon Germany (peace and conflict journalism network). Christiane Lammers ist Redakteurin von Wissenschaft und Frieden.

Die Projektgruppe Friedensforschung Konstanz

Die Projektgruppe Friedensforschung Konstanz

von Wilhelm Kempf

Die Projektgruppe Friedensforschung Konstanz ist eine informelle Arbeitsgruppe innerhalb der Arbeitseinheit »Methodenlehre« im Fachbereich Psychologie an der Universität Konstanz. Sie entstand im Studienjahr 1977/78 aus einem DGFK-Projekt über »Kritische Meinungsbildung als Grundlage für Konfliktlösung« und entwickelte im Laufe der Zeit unterschiedliche Forschungsschwerpunkte. Inzwischen ist die Perspektive der konstruktiven Konfliktberichterstattung bestimmend.

Der Forschungsschwerpunkt der Projektgruppe lag zunächst auf der wissenschaftstheoretischen Grundlegung psychologischer Friedensforschung (Kempf 1978). Mitte der 80er Jahre verlagerte er sich auf die empirische Untersuchung von Kriegsberichterstattung und Propaganda, zunächst am Beispiel des nicaraguanischen Contra-Krieges (Kempf 1990), später im Falle der nationalen (Kempf 1994) und internationalen (Nohrstedt & Ottosen 2001; Kempf & Luostarinen 2002) Medienberichterstattung über den Golfkrieg und der Berichterstattung über die ex-jugoslawischen Bürgerkriege (Jaeger 1998; 2001; Sabellek 2001; Kempf 2002; Annabring & Jaeger 2005).

Dabei war es der Projektgruppe jedoch stets nicht nur ein Anliegen, die sozialpsychologischen Mechanismen zu untersuchen, auf denen das Funktionieren von Propaganda beruht. Es ging ihr auch darum, positive Impulse zu setzen und Modelle zu entwickeln, wie die Medien, statt Kriege anzuheizen, zur Friedensstiftung und zur Versöhnung zwischen den Konfliktparteien beitragen können. Dementsprechend verlagerte sich der Forschungsschwerpunkt der Projektgruppe schließlich auf die Rolle der Medien in Nachkriegsgesellschaften und auf die Fragen, ob eine konstruktive Konfliktberichterstattung von der Öffentlichkeit überhaupt akzeptiert würde und welchen Einfluss sie auf die mentalen Modelle ausübt, auf deren Grundlage die Rezipienten die berichteten Ereignisse interpretieren (Projektgruppe Friedensforschung 2005; Kempf 2005; Schaefer 2006; Spohrs 2006).

In theoretischer Hinsicht steht die Arbeit der Projektgruppe in der Tradition der Konflikttheorie von Deutsch (1973). Deutsch geht davon aus, dass die Eskalation von Konflikten kein unentrinnbares Schicksal ist, sondern aus den emotional-kognitiven Schemata resultiert, mittels derer Konflikte interpretiert werden. Diesen Erklärungsansatz mit den Eskalationsmodellen von Creighton (1992) and Glasl (1992) verbindend, entwickelte die Projektgruppe eine Typologie mentaler Konfliktmodelle. Danach sind solche Modelle entlang der folgenden Dimensionen zu beschreiben: (a) Konzeptualisierung des Konflikts als win-win, win-lose oder lose-lose Prozess, (b) Wahrnehmung der Rechte und Ziele der Konfliktparteien, (c) Bewertung ihres Verhaltens und (d) emotionale Konsequenzen dieser Interpretationen (Kempf 2000).

Dieses Evaluationsmodell wurde in einer Vielzahl von empirischen Untersuchungen zur Medienberichterstattung über Kriege (Golfkrieg, Bosnien und Kosovo), zur Nachkriegsberichterstattung (Deutsch-französische Beziehungen nach dem 2. Weltkrieg, Serbien nach Milosevic) und zur Berichterstattung über Friedensprozesse (Nordirland, Israel-Palästina) validiert. Darauf aufbauend wurde ein zweistufiges Modell der konstruktiven Konfliktberichterstattung entwickelt (Kempf 2003; Bläsi 2006), das dem Konzept des Friedensjournalismus nach Galtung (1998) nahesteht. Im Unterschied zu Lynch & McGoldrick (2005) interpretiert die Projektgruppe Friedensforschung Friedensjournalismus jedoch nicht als eine Form von Meinungsjournalismus oder Friedens-PR, sondern als eine Form von Qualitätsjournalismus. Er wird den journalistischen Qualitätskriterien der Wahrheitstreue, Neutralität und Objektivität gerecht, indem er auf konflikttheoretische und sozialpsychologische Kompetenzen zurückgreift, um den Wahrnehmungsverzerrungen entgegen zu wirken, die sich in eskalierenden Konflikten gleichsam naturwüchsig einstellen.

Journalismus und Medien spielen eine wesentliche Rolle in der gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit. Sie können diese Rolle so oder so ausfüllen: Durch die Art der Berichterstattung können sie entweder der Eskalation oder der Deeskalation von Konflikten Impulse geben. In der Regel tendieren Journalisten dazu, Konflikte mittels derselben mentalen Modelle zu interpretieren, welche in der jeweiligen Gesellschaft dominant sind und/oder ihrer politischen Agenda entsprechen. Sie passen diese mentalen Modelle aber auch den sich verändernden politischen Bedingungen an, und die Art und Weise, wie sie Konflikte interpretieren, bleibt nicht ohne Einfluss auf die öffentliche Meinung. In den meisten Fällen eilt die Medienberichterstattung dem Eskalationsprozess um einen halben Schritt voraus und wird so selbst zu einem Motor der Konflikteskalation (neben anderen). Diesen Prozess umzukehren und einen halben Schritt in Richtung Deeskalation und Versöhnung vorauszugehen, ist die Alternative, welche das Konzept der konstruktiven Konfliktberichterstattung anbietet und welche nach dem bisherigen Stand der Forschung auch von den Rezipienten als faire, unparteiliche und kompetente Berichterstattung anerkannt wird.

Während der heißen Phase eines Konflikts ist jedoch eine Beschränkung auf deeskalationsorientierte Konfliktberichterstattung anzuraten, d.h. eine Beschränkung auf sachliche, distanzierte und gegenüber allen Seiten faire und respektvolle Berichterstattung, die den Konflikt nicht weiter anheizt und sich zu den Kriegführenden jeder Couleur auf kritische Distanz begibt. Lösungsvorschläge erscheinen in dieser Phase noch nicht angebracht. Das Risiko, dass die Berichterstattung vorschnell als unglaubwürdig oder als feindliche Gegenpropaganda abgewehrt werden könnte, ist noch zu hoch. Deshalb kann es in dieser Phase nur das vorrangige Ziel sein, aus der Fixierung auf Gewalt und gegenseitige Vernichtung herauszufinden und dem Publikum die Augen für einen Außenstandpunkt zu öffnen, der die antagonistische Wirklichkeitsauffassung und die Polarisierung der Konfliktparteien dekonstruiert.

Erst als zweite Stufe kann man zu lösungsorientierter Konfliktberichterstattung übergehen, die auf die Annäherung der Gegner hinarbeitet und für alle Betroffenen akzeptable Wege aus dem Konflikt sucht. Obwohl er als konsistente Minderheitsposition auch schon während des Krieges einen Beitrag zur sukzessiven Dekonstruktion des Kriegsdiskurses leisten kann, wird dieser Schritt jedoch erst dann mehrheitsfähig sein, wenn der Konflikt aus seiner heißen Phase herausgetreten ist und nicht mehr reflexartig jede Stimme als feindlich wahrgenommen wird, die nach Mäßigung ruft.

Den Stand der Forschung zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das Publikum einer konstruktiven Konfliktberichterstattung weit offener gegenübersteht als gemeinhin angenommen wird. Auch auf Seiten der Journalisten finden sich zahlreiche Beispiele dafür, dass Spielräume für konstruktive Nachkriegsberichterstattung erkannt und genutzt werden. Dennoch sollte man die Entwicklung dieser bei Journalisten wie auch bei Rezipienten bereits vorhandenen Kompetenzen nicht einfach dem Zufall überlassen, sondern sowohl in der Journalistenausbildung als auch in der Medienpädagogik systematisch fördern und weiterentwickeln.

Literatur

Annabring, U. & Jaeger, S. (2005): Der Wandel des Feindbildes Serbien nach dem Machtwechsel. In: Projektgruppe Friedensforschung Konstanz (Hrsg.): Nachrichtenmedien als Mediatoren von Peace-Building, Demokratisierung und Versöhnung in Nachkriegsgesellschaften, Berlin: irena regener, S.129-148.

Bläsi, B. (2006): Keine Zeit, kein Geld, kein Interesse …? Konstruktive Konfliktberichterstattung zwischen Anspruch und medialer Wirklichkeit. Berlin: irena regener.

Creighton, J. L. (1992): Schlag nicht die Türe zu. Konflikte aushalten lernen. Reinbek: Rowohlt.

Deutsch, M. (1973): The resolution of conflict. New Haven: Yale University Press.

Galtung, J. (1998): Friedensjournalismus: Warum, was, wer, wo, wann? In: W. Kempf & I. Schmidt-Regener (Hrsg.): Krieg, Nationalismus, Rassismus und die Medien, Münster: LIT, S.3-20.

Glasl, F. (1992): Konfliktmanagement. Ein Handbuch zur Diagnose und Behandlung von Konflikten für Organisationen und ihre Berater. Bern: Haupt.

Jaeger, S. (1998): Propaganda mit Frauenschicksalen? Die deutsche Presseberichterstattung über Vergewaltigung im Krieg in Bosnien-Herzegowina. In: W. Kempf & I. Schmidt-Regener (Hrsg.): Krieg, Nationalismus, Rassismus und die Medien, Münster: LIT, S.75-88.

Jaeger, S. (2001): Rollenkonstruktion im Bosnien-Konflikt. Westliche Kriegsberichterstattung zwischen Ambivalenz und Anteilnahme. In: J. Richter (Hrsg.): Deutschland: (un)bewältigte Vergangenheiten, Tübingen: dgvt, S.151-160.

Kempf, W. (1978): Konfliktlösung und Aggression. Zu den Grundlagen einer psychologischen Friedensforschung, Bern: Huber.

Kempf, W. (1994): Manipulierte Wirklichkeiten. Medienpsychologische Untersuchungen der bundesdeutschen Presseberichterstattung im Golfkrieg, Münster: LIT.

Kempf, W. (1990): Medienkrieg oder der Fall Nicaragua. Politisch-psychologische Analysen über US-Propaganda und psychologische Kriegsführung, Berlin: Argument.

Kempf, W. (2000): Konfliktursachen und Konfliktdynamiken. In: ÖSFK (Hrsg.): Konflikt und Gewalt, Münster: agenda, S.44-65.

Kempf, W. (2002): Escalating and de-escalating aspects in the coverage of the Bosnia conflict. In: W. Kempf & H. Luostarinen (Hrsg.): Journalism and the New World Order. Studying War and the Media, Göteborg: Nordicom, S.227-258.

Kempf, W. (2003): Constructive Conflict Coverage. A Social Psychological Approach (edited by the Austrian Study Center for Peace and Conflict Resolution). Berlin: irena regener.

Kempf, W. (2005): Two experiments focusing on de-escalation oriented coverage of post-war conflicts. conflict & communication online, 4/2.

Kempf, W. & Luostarinen, H. (Hrsg.) (2002): Journalism and the New World Order. Studying War and the Media. Göteborg: Nordicom.

Lynch, J. & McGoldrick, A. (2005): Peace Journalism. Gloucestershire, UK: Hawthorn Press.

Nohrstedt, S.A. & Ottosen, R. (2001): Journalism and the New World Order. Gulf War, National News Discourses and Globalization. Göteborg: Nordicom.

Projektgruppe Friedensforschung Konstanz (Hrsg.) (2005): Nachrichtenmedien als Mediatoren von Peace-Building, Demokratisierung und Versöhnung in Nachkriegsgesellschaften. Berlin: irena regener.

Sabellek, Ch. (2001): Die Entwicklung des Kosovokonflikts und die Wahrnehmung durch die Medien. In: J. Richter (Hrsg.), Deutschland: (un)bewältigte Vergangenheiten, Tübingen: dgvt, S.161-172.

Schaefer, C.D. (2006): The effects of escalation vs. de-escalation-orientated conflict coverage on the evaluation of military measures. conflict & communication online, 5/1.

Spohrs, M. (2006): Über den Nachrichtenwert von Friedensjournalismus – Ergebnisse einer experimentellen Studie. conflict & communication online, 5/1.

Prof. Dr. Wilhelm Kempf lehrt am Fachbereich Psychologie der Universität Konstanz und ist Herausgeber von conflict & communication online

Kriegsdarstellung in den Medien

Kriegsdarstellung in den Medien

Ein DVD-Bildungsprojekt

von Magdalena Kladzinski

Viele Menschen in Deutschland – und vor allem die meisten Jugendlichen – kennen den Krieg aus den Bildschirmmedien. Dass mediale Wirklichkeit eine konstruierte Wirklichkeit ist, ist unumstritten. Dennoch finden medial vermittelte Informationen über kriegerische Auseinandersetzungen in unterschiedlichem Ausmaß Eingang in unsere Erfahrungswelt und werden zu Deutungsmustern über die Geschehnisse in der Welt. Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf die Bildung Jugendlicher ist zu fragen, welche Bilder vom Krieg den jungen Menschen präsentiert werden und welche Auswirkung das auf ihre Entscheidungsfindung als mündige Bürger in Bezug auf gesellschaftlich-politische Prozesse haben kann?

Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass Jugendliche einen durchaus kritischen Umgang mit Medienangeboten und – genauso wie der größte Teil der gesamten Bevölkerung – eine deutliche Anti-Krieg-Haltung aufweisen. Auf der anderen Seite aber gehören kriegerische Auseinandersetzungen zu den Themen, die junge Menschen faszinieren. Für Bildungsarbeit bedeutet dies, Jugendlichen einerseits die Fähigkeit zur kritischen Auseinandersetzung mit medial vermittelten Inhalten zu vermitteln und andererseits die Reflexion der Wirkung dieser Inhalte auf die eigene Einstellung und Handlung anzuregen. Keine leichte Aufgabe, vor allem, da die Vermittlung von friedenspädagogischen Grundgedanken und eines medienkritischen Umgangs nicht losgelöst von der Tatsache behandelt werden können, dass kriegerische Handlungen Jugendliche aufgrund ihrer adoleszenten Entwicklungsaufgaben (Kampf um Autonomie und Anerkennung) faszinieren.

Das DVD-Projekt »Krieg in den Medien« ist ein Versuch, Jugendliche an die Kriegsdarstellung in den Medien heranzuführen. Im Vordergrund des Projektes steht die Aufgabe, den Jugendlichen den Unterschied zwischen realer und medialer Wirklichkeit aufzuzeigen. Den Ausgangspunkt für das Projekt bildet die Erkenntnis, dass mediale Kriegsproduktionen (Filme, Fernsehnachrichten und Computerspiele) interessengeleitet sind und wenig mit dem realen Krieg zu tun haben. Das Interesse von Filme- und Computerspielmachern ist, audiovisuell perfekt inszenierte Kampfszenen (in Bild und Ton) zu produzieren, die die Zuschauer – in welcher Form auch immer – an das Medium binden. Und auch wenn sich die filmischen Bilder zwischen Abschreckung und Faszination bewegen – in eine spannende Geschichte eingebunden und mit Topbesetzung mit bekannten Schauspielern werden sie oft zu Kassenschlagern. Ähnliches gilt für Computerkriegsspiele. Ist die Oberflächenstruktur von Computerspielen realitätsgetreu dargestellt (Sound, Grafik, menschenähnliche Spielfiguren usw.) und die Story spannend, können die Computerspielemacher mit wirtschaftlichem Erfolg rechnen. Bei Nachrichten, die ihrem Charakter nach als nicht-fiktionale Formate gelten, handelt es sich um gezielt nach Selektionskriterien ausgesuchte Informationen, die sowohl mit Hilfe von unterschiedlichen Ton- und Visualisierungstechniken als auch durch Einsatz von Computeranimationen an die Rezeptionsgewohnheiten des Publikums angepasst werden.

Das ökonomische Interesse der Medienmacher bei der Herstellung von Medienprodukten mit Kriegsinhalten und das Interesse des Publikums an Unterhaltung einerseits und die Möglichkeit der Medien als Vermittlungsinstanzen von Informationen an die breite Öffentlichkeit andererseits haben zur Folge, dass die Medien sehr leicht ein wichtiges Mittel für die Manipulation werden können, d.h. sie können – zwecks Propaganda – offene oder versteckte politische Botschaften und Ansichten mit Hilfe von rhetorischen und audiovisuellen Mitteln transportieren.

In demokratischen Staaten braucht der Krieg Legitimation – sowohl in Kriegs- und Krisenzeiten als auch im Frieden, in dem die Menschen möglicherweise auf einen neuen Krieg vorbereitet werden sollen. Medien als Informationsquellen eignen sich hervorragend als Übermittler solcher Botschaften. Dem Interesse der Medien nach Unabhängigkeit steht das Interesse der Politik nach politikfreundlicher Berichterstattung entgegen. Über Zensur, Behinderung oder gar Verbot der Informationstätigkeit der Medien gibt es ausreichend Beispiele aus den vergangenen Kriegen. Auch die Prinzipien der Kriegspropaganda sind von der ferneren Vergangenheit bis heute unverändert geblieben – die eigenen Stärken mit allen visuellen und rhetorischen Mitteln zu präsentieren, den Feind hingegen als schwach und grausam darzustellen. Dabei gibt es eine Tendenz zur versteckten Propaganda im Sinne von Informationslenkung und -manipulation. Diese Art von Propaganda ist nicht auf den ersten Blick zu durchschauen.

Das Zusammenspiel von Medien, Politik und Militär ist von einem wechselseitigen Vorteil geprägt: Medien sind an politischen und militärischen Themen interessiert und machen sie gerne zum Inhalt – auch wenn das meistens Selbstzensur und Objektivitätsverlust nach sich zieht. Für Politik und Militär sind Medien aufgrund ihrer kommunikativen und technologischen Möglichkeiten Instrumente für Öffentlichkeitsbeeinflussung. Was machen die Medien mit den Menschen? Oder sollte man eher umgekehrt fragen: Was machen die Menschen mit den Medien?

Auf der Grundlage einschlägiger wissenschaftlicher Literatur zur Medienanalyse und zur Bedeutung von Medien für Politik und Militär und basierend auf einer explorativen Untersuchung zur Kritikfähigkeit Jugendlicher wurden im Zusammenhang mit dem DVD-Projekt einzelne themenrelevante Schwerpunkte erarbeitet und – um der Komplexität der Thematik eine Struktur zu geben – in drei Themenbereiche eingeteilt:

  • Live dabei? Der Krieg und die Medien
  • Medienprodukt Krieg? Die Inszenierung des Krieges in den Medien
  • Alles Propaganda? Medien als Instrument der Beeinflussung.

In allen drei Abschnitten haben die Schüler die Möglichkeit, das Wissen »interaktiv« zu erwerben. Anhand von vielen Beispielen können die Jugendlichen die Darstellung des Krieges in den Bildschirmmedien analysieren und die Wirkungsweise von spezifischen Gestaltungskomponenten selbst ausprobieren. Neben Ausschnitten aus Filmen, Computerspielen und Fernsehnachrichten gibt es zahlreiche Beispiele aus Printmedien, Experteninterviews, Aussagen von Jugendlichen, Datenbanken und ein Glossar, in denen die Thematik und Problematik aufgezeigt wird. Als Medium dient didaktisch aufbereitetes Bildungsmaterial, das sowohl im als auch außerhalb des Unterrichts eingesetzt werden kann. Für Pädagogen gibt es zusätzlich eine Handreichung für die Vorbereitung des Unterrichts.

Das DVD-Projekt ist in einer Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen e.V. (FSF), der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK), dem Institut für Bildung in der Informationsgesellschaft e.V. (IBI), der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) und ProSiebenSat1 Media AG entstanden.

Magdalena Kladzinski ist Gastforscherin in der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung

»Hallo Krieg«

»Hallo Krieg«

Internationale Videoprojekte zur politischen Bildung

von Andreas von Hören

Das Medienprojekt Wuppertal konzipiert und realisiert seit 1992 erfolgreich Modellprojekte aktiver Jugendvideoarbeit unter dem Motto »das bestmögliche Video für das größtmögliche Publikum«. Innerhalb kurzer Zeit hat sich das »Medienprojekt« zur bundesweit größten und ambitioniertesten Jugendvideoproduktion entwickelt. Jugendliche und junge Erwachsene werden im Rahmen von pädagogischen Institutionen oder frei organisiert bei ihren eigenen Videoproduktionen unterstützt, ihre Videos im Kino, in Schulen, Jugendeinrichtungen etc. in Wuppertal präsentiert und als Bildungsmittel bundesweit vertrieben. Alle Projekte dienen der aktiven Medienerziehung und dem kreativen Ausdruck jugendlicher Ästhetiken, Meinungen und Lebensinhalte.

Die Doku-Serie »Hallo Krieg«

Unter dem Titel »Hallo Krieg« produzierte das Medienprojekt Wuppertal von Januar bis August 2003 mit Jugendlichen eine Doku-Serie zum Irakkrieg. Deutsche, irakische und amerikanische Jugendliche dokumentierten in diesem weltweit einzigartigen tri-nationalen Projekt mit der Videokamera ihr Leben und ihre Gedanken über mehrere Monate vor, während und nach dem Krieg. Sie wurden dabei angeleitet von Medienpädagogen und Filmemachern. Die Doku-Serie wurde in Bagdad, Wuppertal, Iowa und Oklahoma produziert. Mit dem Filmprojekt sollte erreicht werden, Krieg und seine Auswirkungen für Jugendliche in allen drei Ländern aus den verschiedenen Perspektiven und Erfahrungen nachvollziehbarer zu machen.

»Hallo Krieg« wurde in 30-minütigen Folgen von Februar bis Mai alle 3 Wochen veröffentlicht und bundesweit als politisches Bildungsmittel für Schulen, Jugendeinrichtungen, Veranstaltungen und Privatpersonen vertrieben. Ausschnitte und Making-of-Reportagen aus dem Projekt wurden regelmäßig aktuell im Fernsehen gezeigt. Für den abschließenden fünften Teil reisten im August 2003 drei Schülerinnen mit dem Projektleiter nach Bagdad, um dort eine Reportage über den Krieg und die Kriegsauswirkungen im Irak aus junger Sichtweise zu drehen.

Der medienpädagogische Ansatz des Projektes

Der medienpädagogische Ansatz setzt auf Peereducation/Peerinvolvement: Jugendliche klären Jugendliche am besten auf. Jugendliche sollen sowohl medial als auch politisch partizipieren und ihre junge mediale Artikulation in Verbindung mit ihrer breiten öffentlichen Publikation gefördert werden.

Viele Jugendliche sind nicht politikverdrossen, sondern Politikerverdrossen, d.h. frustriert und ablehnend gegenüber dem in den »großen Medien« i.d.R. lancierten personenbezogenen Politikstil mit offensichtlichen Unmoralitäten. Andererseits engagieren sich viele Jugendliche für moralische Zwecke aus ihrem Lebensumfeld, wenn man sie lässt und dabei unterstützt. Dieses ist auch für sie oftmals ungewohnt und muss erst mal gelernt werden – von den produzierenden Jugendlichen, von den unterstützenden Medienpädagogen, von den kritisierten Politikern.

Unpolitische PädagogInnen machen unpolitische Medienarbeit. Als negative Vorbilder für Jugendliche sind viele MedienpädagogInnen mit ihrer journalistischen oder künstlerischen Artikulation traditionell näher an der Pädagogik als an den Medien. In politischen Projekten geht es nicht nur um das klassisch-pädagogische »Reden über« sondern um ein »Engagieren für«. Außerdem müssen die Jugendlichen das Medium technisch und künstlerisch beherrschen und nicht andersherum das Medium die Jugendlichen.

Politische Gruppen haben für ihre Videoarbeit oftmals weder ausreichendes Know-how noch adäquates Equipment oder Publikationsmöglichkeiten außerhalb ihrer Subkultur. Video bietet die Möglichkeit einer Verbindung von kognitiven und emotionalen Inhalten, von Kommunikation und Aktion und gleicht damit der politischen Einmischung selbst. Video ist als publiziertes Medium massenwirksam, politisiert informell und schafft so politische Partizipation für Jugendliche. Politisch partizipative Videoarbeit versucht Jugendliche zu unterstützen, individuelle und gesellschaftliche Grenzlinien zu überschreiten und somit auszudehnen. Hierbei stößt sie an institutionelle Grenzen, in dem sie politische Reaktionen provoziert. Was für den Medienpädagogen eine Gefahr ist, wird für Jugendliche zum Erfolg.

Politische Bildungsarbeit via Medienpädagogik ist dann erfolgreich im Sinne der Zielgruppe, wenn sie keinen individuell-defizitären sondern einen positiven, gesellschaftskritischen Ansatz verfolgt. Politische Filmarbeit versucht reflektiert Parteilichkeit, Emotionalität und Spaß miteinander zu verquicken. Wenn Demokratie individuell und gesellschaftlich das Ziel ist, so gilt es demokratische Mittel zu nutzen. Unsere Projekte zeichnen sich durch die inhaltliche Autonomie der jugendlichen FilmemacherInnen, filmgestalterische Unterstützung »learning by doing« durch »Film-Profis« mit politischem Bewusstsein, mobiles Digital-Videoequipment für Produktion und Postproduktion, massenwirksame öffentliche und szenemäßige Publikationsforen mit entsprechendem Marketing und begleitende Medienkampagnen aus.

In ihren Videos bearbeiten Jugendliche nicht abstrakte oder recherchierte Themen sondern Selbstthematisierungen, wo sie tatsächlich involviert sind. Deswegen sind ihre Filme oft dynamischer, authentischer, direkter und kompromissloser als Fernsehproduktionen.

Die produzierende Gruppe

Die Doku-Serie wurde hauptsächlich von 8 Wuppertaler Jugendlichen (7 Mädchen und 1 Junge) im Alter zwischen 18 und 19 Jahren produziert. Die Gruppe arbeitete mehrere Monate mit bemerkenswerten Engagement an allen Stufen dieses Projektes: Konzeption, Recherche, Dreh, Interviews, Schnitt, Organisation von Werbung für Aufführungen, Pressetermine, Gesamtorganisation und Konzeption von Aktionen. Ermutigt wurde die Gruppe, die zum großen Teil im Abitur stand, durch den politischen Anlass und das positive Feedback im persönlichen Kreis sowie in der bundesweiten Berichterstattung. Die Gruppe merkte, dass sie tatsächlich etwas bewegen konnte. Neben dieser Kerngruppe arbeiteten noch zwei Austauschschüler in den USA mit amerikanischen Jugendlichen an dem Projekt. Sie produzierten zahlreiche Interviews, die per Post alle 3 Wochen nach Wuppertal geschickt wurden. Mit Studenten aus Bagdad nahm die Wuppertaler Gruppe einen langfristigen Kontakt auf, zunächst in Telefoninterviews, später mit einem Besuch vor Ort. Es fand auch eine enge Zusammenarbeit mit in Wuppertal lebenden Irakis statt, die zunächst reine Interviewpartner waren. Später entstanden private Kontakte mit der produzierenden Gruppe und sie nahmen Pressetermine gemeinsam wahr. Neben der Kerngruppe arbeiteten diverse weitere Jugendliche an dem Projekt auf vielen Ebenen: Als Synchronsprecher, ein aus Kanada stammender Student beteiligte sich an der Übersetzung, bei Straßenaktionen wirkten weitere SchülerInnen mit.

Bei der Bagdadreportage für Teil 5 der Serie bestand die Gruppe aus 3 Mädchen, die zu der Kerngruppe zählen, welche seit Beginn beim Projekt teilnehmen. Das Projekt war sehr Mädchen-dominant, weil Mädchen nach unseren Erfahrungen – im Durchschnitt – neben gleichen filmischen Kompetenzen höhere kommunikative, sensitive Fähigkeiten, die für Dokumentarprojekte wichtig sind, mitbringen sowie eine größere Ausdauer und Konzentrationsfähigkeit aufweisen.

Die RezipientInnen

Die Filme wurden vor, während und nach dem Irakkrieg alle drei Wochen aktuell in einem Wuppertaler Kulturzentrum vor mehreren hundert Zuschauern uraufgeführt. Die Altersstruktur war gemischt. Sie bestand zu ca. 2/3 aus Jugendlichen und jungen Erwachsenen (12 bis 25 Jahre), zu ca. 1/3 aus Erwachsenen jeglichen Alters. Die Aufführungen erfolgten immer zeitnah zu den aktuellen Geschehnissen. Außerdem fanden Aufführungen in einer Wuppertaler Kirche statt. Die einzelnen Serienteile wurden in einer Auflage von je ca. 250 Stück bundesweit als Bildungsmittel vertrieben und wurden so von mehreren 10.000 Personen gesehen. Ferner bekamen alle Wuppertaler Schulen kostenfrei und unmittelbar nach der Fertigstellung Exemplare für den Schulunterricht geliefert. Die Filme wurden auch flächendeckend als Unterrichtsmaterial eingesetzt. Extra für Unterrichtsstunden gibt es optional auch eine Kurzfassung von 15 Min. auf dem Videotape, um den Film auch in einer Einzelstunde behandeln zu können.

Nach Erscheinen der aktuellen Teile tourten Mitarbeiter und jugendliche Filmemacher mit Videoleinwand und Beamer durch Kneipen, Clubs und Discos. Es gab eine breite mediale Berichterstattung und regelmäßige Fernsehausstrahlungen von Ausschnitten der Filme und Making-of-Reportagen. Ein 60minütiger Zusammenschnitt aller Serienteile wurde nach Abschluss des Projektes bundesweit als Bildungsmittel vertrieben. Dieser soll nicht nur über den immer noch aktuellen Krieg berichten, sondern zeigen, welche Auswirkungen Krieg im Verlauf auf junge Menschen in verschiedenen Ländern hat

Auszeichnungen

Die Doku-Reihe »Hallo Krieg« wurde mit zahlreichen renommierten Preisen ausgezeichnet, wie dem 1. Preis des Dieter-Baacke-Preises 2003, dem Jugendkulturpreis NRW 2004 und demHans-Götzelmann-Preis 2004. Auszeichnungen sind nicht nur als qualifiziertes Feed Back und zur Anerkennung der medienpädagogischen, künstlerischen und inhaltlichen Leistung aller ProjektteilnehmerInnen wichtig. Die öffentliche Darstellung und Wahrnehmung ist zum einen wichtig, weil politische Filmprojekte bei politischen Entscheidungsträgern oft umstritten sind und von diesen nur auf Grund der veröffentlichten Meinung wahrgenommen und wertgeschätzt wird: Was gilt der Prophet im eigenen Land, und gerne tötet man den Überbringer von »bösen« Nachrichten. Zum anderen ist die Filmarbeit finanziell von Förderungen abhängig, qualifizierte Bewertungen helfen hierbei perspektivisch.

Andreas von Hören ist Gründer und Geschäftsführer des Medienprojektes Wuppertal e.V.