Toxische Kriegsrückstände

Toxische Kriegsrückstände

Workshop »Exploring a Legal Framework for Toxic Remnants of War«, 22. Juni 2012, Berlin

von Manfred Mohr und Alexander Stöcker

Mit der Entwicklung des Humanitären Völkerrechts hat sich der Schutz von Menschen während Kriegen und internationalen Konflikten verbessert. Doch besonders zum Ende des 20. Jahrhunderts wurde deutlich, dass der Schutz der Umwelt bisher nur unzureichend gewährleistet wird. Der Einsatz von Agent Orange während des Vietnamkriegs und die brennenden Ölfelder im Irakkrieg sind nur zwei Beispiele für die enormen Belastungen der Umwelt während kriegerischer Auseinandersetzungen. Infolgedessen drängt dieses Thema auch immer mehr in den Fokus der Diskussion der internationalen Gemeinschaft. UN-Organisationen wie die Umweltorganisation UNEP, Nichtregierungsorganisationen und das Internationale Komitee des Roten Kreuzes befassen sich mit der Thematik, doch bis heute fehlt es an einer klaren Einordnung und speziellen Regeln, die den Schutz der Umwelt während eines Konflikts gewährleisten.1

Die Erkenntnis, dass spezielle militärische Materialien und Praktiken zu großen Umweltschäden führen können, die auch das Potential haben, die Gesundheit der Zivilbevölkerung zu beinträchtigen, wächst jedoch. Explosive Kriegsrückstände werden bereits umfassend dokumentiert und zunehmend besser gehandhabt (siehe Verträge zu Landminen und Streumunition), toxische Kriegsrückstände, die bei militärischen Aktivitäten entstehen, hingegen werden als solche bisher kaum erfasst.

Mit dieser Thematik beschäftigt sich nun das Toxic Remnants of War (TRW) Project.2 Am 22 Juni 2012 während eines Workshops an der Freien Universität Berlin stand die juristische Einordnung dieser Thematik im Vordergrund. Dort kamen Völkerrechtler, Umweltrechtler und Militärvertreter zusammen, um den aktuellen Stand zu diskutieren und einzuschätzen, inwieweit toxische Kriegsrückstände in bestehenden Regeln bereits berücksichtigt werden und wie eine künftige Regulierung aussehen könnte.

Der politisch- rechtliche Rahmen

Grundsätzlich gilt, dass auf das Problem der toxischen Kriegsrückstände wie auf den Umweltschutz in Verbindung mit bewaffneten Konflikten mehrere Rechtsgebiete parallel Anwendung finden. Dazu gehören das Humanitäre Völkerrecht, das Umweltrecht und die Menschenrechte (etwa in Gestalt des in Art. 12 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte verbürgten Rechts auf eine gesunde Umwelt).

Von großer Bedeutung ist dabei auch das Gewohnheitsrecht. So wird (u.a. vom Roten Kreuz) aus Schutzvorschriften des I. Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen abgeleitet, dass von Konfliktparteien Umweltschutzbelange angemessen berücksichtigt werden müssen (sog. »due regard«-Regel). Dies geschieht im Zusammenhang mit einem Grundsatz, der für die Be- und Verurteilung von Umweltzerstörung durch Krieg besonders relevant ist: dem Vorsorgeprinzip (precautionary principle), das sich sowohl im Humanitären als auch im Umweltrecht findet.

Wie auf dem Berliner Workshop vorgestellt, geht das TRW-Projekt von einer breiten Arbeitsdefinition aus. Danach sind TRW toxische Substanzen, die während militärischer Aktivitäten verwandt werden oder daraus resultieren und die eine Gefährdung (hazard) für die Umwelt darstellen. Es geht um Schädigungshandlungen bzw. Auswirkungen vor, während oder nach einem Konflikt, egal ob absichtlicher oder unabsichtlicher Art. Das Schwergewicht liegt auf Post-Konflikt-Situationen (denen man bereits ein eigenes Recht – das »jus post bellum« – zuordnet), aber in Anbetracht der häufig enormen »Aufräumkosten« auch auf Prävention. Wir bewegen uns weniger im Bereich der Waffenverbote als dem der (Verpflichtung zur) Folgenbeseitigung.

Was sind toxische Kriegsrückstände?

Zu den toxischen Kriegsrückständen gehört fraglos das genotoxisch wirkende abgereicherte Uran (depleted uranium – DU), das beim Einsatz von Uranmunition Mensch und Umwelt gefährdet. Als Beispiel für weitere Substanzen mit potenzieller TRW-Qualität könnte man beispielsweise Thorium, weißen Phosphor und Dioxine nennen. Damit eine solche Substanz tatsächlich unter den TRW-Ansatz fällt, muss eine bestimmte Dosis gekoppelt mit Ausgesetztheit (exposure) vorliegen.

Um mit der Arbeit voranzukommen, kann das TRW-Projekt einen Abgleich mit vorhanden Listen von Substanzen vornehmen, die als gefährlich und risikoreich eingestuft (vereinbart) wurden. Solche finden sich sowohl im Bereich der Rüstungskontrolle (Beispiel Chemiewaffenkonvention) als auch dem des Internationalen Umweltrechts. Letzteres hat ein instruktives, expandierendes Recht zum gefährlichen Abfall entwickelt. Beispielhaft ist hier die 1989er »Baseler Konvention zur Verbringung gefährlicher Abfälle« – auch deshalb, weil eine Liste von Abfallkategorien (Stoffen) mit einer Liste von gefährlichen Eigenschaften verbunden wird.

Überhaupt ist das Internationale Umweltrecht, einschließlich vorhanden »soft laws«, von großer Relevanz für das TRW-Problem. Hierzu zählen etwa die in der Stockholmer UN-Deklaration von 1972 enthaltenen Prinzipien: Nummer 6 untersagt die Verbreitung toxischer Substanzen, die Ökosysteme ernsthaft oder irreversible schädigen; Nummer 21 und 22 sprechen die Verantwortung der Staaten an, dafür zu sorgen, dass durch Aktivitäten unter ihrer „Jurisdiktion und Kontrolle“ keine Umweltschädigungen außerhalb des Bereichs nationaler Jurisdiktion stattfinden.

Nationale Entwicklungen

Wird nationales Umweltrecht auf toxische Kriegsrückstände angewandt, können zum einen die Gesetze des Landes angewandt werden, in dem TRW anfallen. In Post-Konflikt Ländern ist die Umsetzung der eigenen Gesetze jedoch mangelhaft, da sowohl finanzielle Mittel fehlen als auch Umweltschutz meist nur eine untergeordnete Rolle spielt. Dies trifft beispielsweise auf Afghanistan, Irak und Kosovo zu. Des weiteren sind ausländische Militärangehörige häufig von diesen Gesetzen ausgenommen, da hier bilateral ausgehandelte Verträge zur Anwendung kommen.

Umweltverschmutzungen durch militärische Aktivitäten, die nicht während eines unmittelbaren Kampfeinsatzes entstehen, lassen sich grundsätzlich besser erfassen und juristisch verfolgen. Hierzu gibt es aktuell den Fall des NATO-Schießübungsplatzes Salto di Quirra auf Sardinien. Dort wurden über Jahrzehnte alle Arten von Waffen getestet und entsorgt, wodurch es zu verheerenden Umweltschäden kam, die auch die umliegende Bevölkerung betreffen. Unter anderem fanden Tests mit deutscher Beteiligung statt, wie im Fall der Erprobung des Lenkflugkörpers KORMORAN.3

Vor diesem Hintergrund wurde von dem zuständigen Staatsanwalt Domenico Fiordalisi ein Verfahren eingeleitet, um diese Geschehnisse aufzuklären. Derzeit sind 20 Personen angeklagt, darunter Personal des italienischen Militärs und Verteidigungsministeriums sowie Universitätsmitarbeiter. Die Anklagepunkte beinhalten unter anderem die vorsätzliche schwere Missachtung der Vorsichtsmaßnahmen zur Verhinderung von Unfällen und Naturkatastrophen sowie Falschaussage und Beihilfe zu einer Straftat. Herangezogen wird u.a. das italienische Gesetz Nummer 152, welches Umweltnormen vorgibt. Nach Staatsanwalt Fiordalisis Aussagen wurden an den Orten militärischer Aktivität viele der Grenzwerte für Schwermetalle überschritten. Das Ergebnis des Verfahrens bleibt abzuwarten, ebenso, wie mit den Militäranlagen auf Sardinien weiter verfahren wird.

Eine grundlegend andere Herangehensweise ist die Anwendung von nationalen Umweltnormen des Landes, das für die Freisetzung von TRW verantwortlich ist. Dabei bleibt zu klären, ob solche Normen extraterritoriale Geltung beanspruchen können. Besonders interessant ist hier die Politik des US-Militärs angesichts seiner globalen Präsenz, die durch eine Weltpolizisten-Rolle oder eines Agierens zum (reinen) Machterhalt bedingt ist.

In Einklang mit dem Prinzip der »Jurisdiktion und Kontrolle« können Militärbasen in Übersee beispielsweise als »Quasi-Territorien« eines Landes angesehen werden, aufgrund der umfangreichen Kontrolle, die das Militär über diese Basen hat. Das US-Verteidigungsministerium verfolgt dabei den Grundsatz der Einhaltung von US- oder inländischem Umweltrecht, je nachdem, welches strikter ist. In der Realität mangelt es aber an der Umsetzung dieses Grundsatzes bzw. vorhandener Normen, besonders in weniger entwickelten, konfliktbelasteten Ländern. So werden vom US-Militär in Afghanistan und Irak mehrere hundert so genannte »burnpits« betrieben, auf denen ohne sichtbare Einhaltung von Umweltrichtlinien jegliche Arten von Müll verbrannt werden, was zu immensen Belastungen der Umwelt und der dort lebenden Bevölkerung führt.

Über mehrere Gesetzgebungen findet der »Resource Conservation and Recovery Act«, das US-Gesetz für die Handhabung von toxischem Abfall, für alle Anlagen des Verteidigungsministeriums Anwendung. Nichtsdestotrotz stellte das US General Accounting Office in mehreren Gutachten fest, dass das Verteidigungsministerium Schadstoffe auf seinen Anlagen weiterhin nur unzureichend verwaltet.

Einen Sonderfall bilden die Rüstungsaltlasten in der Bundesrepublik Deutschland. Im Rahmen einer (neuerlichen) Bundesratsinitiative für ein »Rüstungsaltlastenfinanzierungsgesetz« soll erreicht werden, dass der Bund die Kosten für diese Art der Kriegsfolgenbeseitigung ganz übernimmt4 (sie würden dann pro Jahr ca. 40 Mio. Euro betragen). Besonders interessant ist an diesem Vorschlag, dass nunmehr unter Rüstungsaltlasten auch Umweltschäden aus der Zeit der (deutschen) Vorbereitung auf den Zweiten Weltkrieg fallen sollen.

Lösungsansätze

Die Frage nach Lösungsansätzen konnte auf dem Berliner Workshop nur gestreift werden. Im Übrigen war man sich jedoch einig, dass das Thema der toxischen Kriegsrückstände von größter Aktualität und Brisanz ist. Es bringt konkret auf den Punkt, was Umweltschutz in Verbindung mit militärischen Konflikten und Aktivitäten ausmacht, was Umweltzerstörung durch Krieg bedeutet und wie man dagegen vorgehen kann. Klar ist auch, dass es sich um ein Thema von hoher politischer Sensibilität und größter Tragweite handelt: Es reicht praktisch vom NATO-Schießplatz Salto di Quirra bis zu den Giftfässern in Nord- und Ostsee aus der Zeit der Weltkriege.

Beginnen könnte man vielleicht mit der Ausarbeitung einer Deklaration zu toxischen Kriegsrückständen. Sie würde ein politisches und konzeptionelles Zeichen setzen und könnte die Staaten und die Zivilgesellschaft auffordern, sich einer Lösung des Problems zuzuwenden. Dies könnte u. a. durch eine entsprechende nationale Gesetzgebung oder ein neues, spezielles internationales TRW-Instrument (nach dem Model von Protokoll V über explosive Kampfmittelrückstände unter dem UN-Waffenübereinkommen) geschehen. Angesichts der enormen wissenschaftlich-fachlichen und politisch-rechtlichen Herausforderung steht bislang nur so viel fest: Das Thema ist und bleibt spannend.5

Anmerkungen

1) Siehe beispielsweise die Übersicht des United Nationals Environment Programme (UNEP): Protecting the Environment During Armed Conflict. An Inventory and Analysis of International Law. November 2009.

2) toxicremnantsofwar.info. Das Projekt wird finanziell von der norwegischen Regierung gefördert.

3) Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesministerium der Verteidigung, Christian Schmidt, vom 13.06.2012 auf schriftliche Fragen der Abgeordneten Agnieszka Brugger (Grüne).

4) Vgl. Bundestags-Drucksache 17/7968.

5) Wer Anregungen, Fragen oder gar den Wunsch zur Mitwirkung hat, kann sich gerne an einer der Autoren wenden: Prof. Dr. Manfred Mohr, Leiter des Legal Toxic Remnants of War Project, mohrm@gmx.net; Alexander Stocker, Mitarbeiter des Legal Toxic Renants of War Project, alexander.stoecker@live.com.

Manfred Mohr und Alexander Stöcker

Die syrische Flüchtlingskrise

Die syrische Flüchtlingskrise

von Susanne Schmelter

Seit Beginn der Proteste gegen das Regime von Bashar al-Assad sind über 110.000 syrische Staatsangehörige in die Nachbarländer Jordanien, Libanon, Irak und Türkei geflohen (Angaben des UNHCR, Stand Juli 2012). Und die Flüchtlingszahlen steigen täglich weiter. Der Bürgerkrieg in Syrien führt zu einer großen Flüchtlingskrise in einer Region, in der die letzte noch nicht bewältigt ist. Allein in Syrien warten noch rund 87.000 beim UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) registrierte Flüchtlinge aus dem Irak auf eine Aufnahme in einem Drittland. Während die allgemeine Flüchtlingsschutzsituation in der Region sich drastisch verschlechtert, schaffen es bis jetzt nur sehr wenige Schutzsuchende nach Europa. Die aktuellen Entwicklungen stellen die Abschottungspolitik der EU folglich mit neuer Vehemenz in Frage.

Seit 1971, als Hafez al-Assad, der Vater von Bashar al-Assad, an die Macht kam, unterdrückt das Regime innergesellschaftliche Konflikte rigoros. Der Assad-Clan gehört den Alawiten an und hat andere wichtige Positionen innerhalb des Staatsapparates ebenfalls mit Alawiten besetzt. Mit circa 11% sind sie die größte religiöse Minderheit in Syrien, gefolgt von Christen (10%), Drusen (3%) und kleineren muslimischen Glaubensgemeinschaften (2%). Mit über 70% stellen Sunniten die Mehrheit in einer syrischen Gesamtbevölkerung von über 22 Millionen.1

Unter Verweis auf die ethno-konfessionelle Gewalt im Irak und im Libanon stilisierte sich das Assad-Regime stets als Garant für Stabilität. Seit Beginn der Proteste im März 2011 zeigt es jedoch keinerlei Skrupel, selbst die ethno-konfessionelle Karte auszuspielen: Vor allem Alawiten, aber auch Christen und anderen Bevölkerungsgruppen wird mit allen Mitteln suggeriert, dass ihr Schicksal von dem des Regimes abhänge. Die exzessive Gewalt, mit der das Regime versucht, Proteste niederzuschlagen und seine Gegner zum Schweigen zu bringen, kostete bisher weit über 15.000 Menschen das Leben. Unter den syrischen Flüchtlingen sind hauptsächlich Angehörige der sunnitischen Bevölkerungsmehrheit. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung agiert bei den Protesten zwar weiterhin gewaltfrei, mit zunehmender Bewaffnung der Oppositionsbewegung und der damit einhergehenden Ausweitung des Bürgerkrieges ist jedoch davon auszugehen, dass auch verstärkt Angehörige von Minderheiten fliehen werden.

Flucht in die Nachbarländer

Der UNHCR ging Mitte Juli 2012 von über 110.000 syrischen Flüchtlingen in den Nachbarländern Libanon, Irak, Jordanien und Türkei aus.2 Überwiegend stammen sie aus dem stark vom Krieg betroffenem Homs, gefolgt von Dara‘a, Idleb und Hama. Die Zahl derjenigen, die seit Beginn des Aufstandes Binnenvertriebene wurden, ist schwer zu ermitteln, wird aber auf etwa 200.000 geschätzt. Viele von ihnen würden wahrscheinlich lieber ins Ausland fliehen, aber das syrische Regime hat die Fluchtwege Richtung Türkei und Libanon vermint.3 Auch auf dem Weg nach Jordanien sind Flüchtlinge Angriffen ausgesetzt.4

Bisher gilt in der Türkei, in Jordanien und dem Libanon Visafreiheit für syrische Staatsangehörige. Wie lange diese noch aufrecht erhalten wird, ist allerdings ungewiss. Im Juni 2012 begann die jordanische Regierung, nach eigenen Angaben aus Sicherheitsgründen, die Einreise syrischer Flüchtlingen zu beschränken.5

In keinem der vier Aufnahmeländer gilt die Genfer Flüchtlingskonvention für die Schutzsuchenden aus Syrien. Sie gelten als Gäste und haben nur einen temporären Status.

Im Gegensatz zu den irakischen Flüchtlingen, die infolge des Irakkrieges seit 2003 hauptsächlich in den urbanen Zentren von Syrien, Jordanien und Libanon Zuflucht suchten, sind die Schutzsuchenden aus Syrien nur teilweise in die großen Städte gezogen und kommen großteils in Flüchtlingslagern unter.

Libanon

Im Libanon sind über 30.000 syrische Flüchtlinge registriert. Die meisten von ihnen sind im Norden des Libanon, in den Städten Tripoli und Akkar und in der ebenfalls grenznahen Bekaa-Ebene untergekommen. Dort leben sie häufig unter schwierigen Bedingungen bei libanesischen Gastfamilien oder in Sammelunterkünften und neu errichteten Camps. Für die syrischen Flüchtlinge gelten bislang keine Einreisebeschränkungen in den Libanon. Im Land selbst sind die lokalen Behörden jedoch abgeneigt, den Flüchtlingen Mobilitätsgenehmigungen (circulation permits) auszustellen.

Als kleines und gesellschaftlich tief gespaltenes Land hat der Libanon nur begrenzte Aufnahmekapazitäten. Seit Mai 2012 mehrten sich auch im Libanon die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Assad-Anhängern und -Gegnern. Das ohnehin sehr instabile Land ist somit von einem »conflict spill-over« betroffen und kann den Flüchtlingen aus Syrien daher, wenn überhaupt, nur kurzfristig Schutz bieten.6

Irak

Irak ist von den vier benachbarten Aufnahmeländern das Land, in das am wenigsten Schutzsuchende aus Syrien geflohen sind. Nur der Nordirak, der unter kurdischer Verwaltung steht, ist stabil genug, um Flüchtlingen Sicherheit zu bieten. Dort registrierten sich in den Provinzen Dohuk, Erbil und Suleimanya über 6.500 syrische Kurden beim UNHCR. Von ihnen leben über 2.000 in einem offenen Flüchtlingszeltlager in der Provinz Dohuk. Mit der Registrierung in diesem Camp können die Flüchtlinge eine sechsmonatige Aufenthaltsgenehmigung und damit auch freien Zugang zu öffentlichen Einrichtungen erhalten. In Erbil, Suleimanya und anderen Teilen der Provinz Dohuk kommen die Flüchtlinge meist bei Familienmitgliedern oder der lokalen Bevölkerung unter.

Bzgl. der syrischen Kurden ist davon auszugehen, dass sie – wenn auch in unterschiedlichen Fraktionen – im Zuge der Umbrüche ihre eigene Interessenspolitik verfolgen. In diesem Kontext ist es denkbar, dass sich der kurdische Nordirak trotz begrenzter Aufnahmekapazitäten auch weiterhin dafür einsetzt, Kurden aus Syrien ein sicheres Refugium zu bieten.

Jordanien

In Jordanien sind über 32.000 syrische Flüchtlinge beim UNHCR registriert. Die Jordan Hashemite Charity Organisation geht allerdings von insgesamt 50.000 syrischen Flüchtlingen in Jordanien aus, die Regierung sogar von 110.000. Zuletzt nahm Jordanien geschätzte 450.000 Iraker auf; von ihnen erhalten weiterhin circa 30.000 Unterstützung vom UNHCR.7 Das Königreich zeigt sich – obwohl u.a. die Infrastruktur und die Wasserversorgung stark belastet sind – auch gegenüber den Syrern relativ aufnahmebereit.8 Sie werden in Jordanien als »Gäste« angesehen und leben großteils in der Hauptstadt Amman und der nördlich gelegenen Stadt Irbid. Im Norden des Landes wurden außerdem Container und Zelte aufgestellt, in denen zunehmend Flüchtlinge unterkommen; dort leben auch 500 palästinensische Flüchtlinge aus Syrien.9

Türkei

In der Türkei sind über 37.000 syrische Flüchtlinge registriert. Sie erhalten dort »temporären Status« – dies allerdings nur, wenn sie in einem der Flüchtlingslager in den grenznahen Provinzen Hatay, Kilis, Gaziantep oder Sanliurfa bleiben. Die Zahl der Flüchtlinge aus Syrien, die auf irregulärem Weg oder einfach mit einem freien Drei-Monats-Visum in die Türkei eingereist sind, wird auf mehrere Tausend geschätzt. Die Türkei schiebt bis jetzt keine Syrer ab, lässt ihnen ohne gültige Aufenthaltserlaubnis jedoch nur die Option, sich in einem der Lager zu registrieren. Diese werden vom halbstaatlichen Türkischen Roten Halbmond verwaltet. Nichtregierungs- und internationale Organisationen haben keinen Zugang zu den Camps, so dass die Situation vor Ort nicht unabhängig überprüft werden kann.10 Seit Februar 2012 ist ein kleines Team des UNHCR mit »beratender« Funktion in Hatay vor Ort. Mit Verweis auf den temporären Flüchtlingsschutz, den der türkische Staat gewährt, führt das UNHCR selbst aber keine Flüchtlingsfeststellungsverfahren bei Schutzsuchenden aus Syrien durch und hat das Resettlement für diese Flüchtlingsgruppe eingestellt. Dies betrifft auch die 74 syrischen Flüchtlinge, die schon vor März 2011 in der Türkei registriert waren. Dass die Türkei die Grenzen für syrische Flüchtlinge offen hält, ist gut und wichtig. Dennoch können die abgeriegelten Lager im Grenzgebiet – quasi in Schussweite – keine Lösung sein.

Die Türkei hatte schon frühzeitig die Errichtung von Schutzzonen, so genannter »save havens«, auf der syrischen Seite der Grenze ins Gespräch gebracht. »Save havens« wurden mit internationaler Unterstützung 1991-2003 im Nordirak durchgesetzt. Die Errichtung einer solchen Schutzzone käme aber einer Militärintervention gleich, die unabsehbare Folgen haben könnte.

Irakische und palästinensische Flüchtlinge in Syrien

Während aus Syrien immer mehr Menschen fliehen, sind Ende Mai 2012 alleine beim UNHCR Syrien immer noch rund 87.000 irakische Flüchtlinge registriert.11 Gegenüber den irakischen Flüchtlingen zeigte sich Syrien sehr aufnahmebereit und erlaubte ihnen die Einreise unabhängig von Religion oder gesellschaftlichem Hintergrund. Obwohl ihre Lebensbedingungen prekär sind, leben sie meistens schon über fünf Jahre in einer lang anhaltenden Flüchtlingssituation (protracted refugee situation). Der Großteil von ihnen hofft auf einen Resettlement-Platz.12 Aufgrund der Sicherheitslage stellten aber die Aufnahmeländer die Durchführung der entsprechenden Verfahren in Syrien weitgehend ein. Diese irakischen Flüchtlinge drohen angesichts der aktuellen Entwicklungen in Vergessenheit zu geraten. Dabei sind sie nun erneut durch den Bürgerkrieg bedroht und in einer fast ausweglosen Situation gefangen: Sie können aufgrund der unsicheren Lage im Irak meist nicht zurück, kommen aber auch nicht raus, weil die Resettlement-Verfahren weitgehend auf Eis liegen. Im Falle einer Weiterflucht nach Jordanien oder in den Libanon haben sie kaum Chancen, einen regulären Aufenthaltsstatus zu erhalten. Die Zahl der Rückkehrer in den Irak ist 2011 zwar gestiegen,13 laut einer Umfrage des UNHCR Syrien vom Februar 2012 planen jedoch weniger als fünf Prozent innerhalb der nächsten zwölf Monate dauerhaft in ihr Herkunftsland zurückzukehren.14

Außerdem leben circa 422.000 palästinensische Flüchtlinge in Syrien. Sie sind weitgehend lokal integriert, haben jedoch keine Staatsangehörigkeit. Sollten sie erneut zur Flucht gezwungen werden, laufen sie Gefahr, zu »Flüchtlingen zweiter Klasse« zu werden. So verweigerten Syrien und Jordanien nach 2003 palästinensischen Flüchtlingen aus dem Irak die Einreise, und sie mussten bzw. müssen – bis sie mit Hilfe des UNHCR in einen Drittstaat ausreisen können – unter äußerst schwierigen Bedingungen in Camps im irakisch-syrischen bzw. im irakisch-jordanischen Grenzgebiet leben. Der jordanische Außenminister Nasser Judeh stellte Anfang Juni 2012 denn auch klar: „Die Frage der palästinensischen Flüchtlinge wird von der UNRWA [United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East] bearbeitet. Unsere Position zu dem Thema ist klar. Wir werden niemandem, wem auch immer, erlauben, die syrische Flüchtlingskrise als Grund zu nutzen, um die palästinensischen Flüchtlinge in Syrien nach Jordanien zu schicken.“15

Die Flüchtlingspolitik der EU in der Region

Die internationale Gemeinschaft sollte auf eine dramatische Zuspitzung der syrischen Flüchtlingskrise vorbereitet sein. Dabei kommt der Europäischen Union durch ihre geographische Nähe eine besondere Rolle zu. Der Blick auf Syriens Nachbarländer zeigt, dass deren Aufnahmekapazitäten begrenzt sind. Die EU hat bisher 43 Mio. Euro für humanitäre Hilfe für die vom Krieg in Syrien betroffenen Menschen bereitgestellt. Die finanzielle Unterstützung ist wichtig, doch die EU kann die Verantwortung im Flüchtlingsschutz nicht einfach auf die Aufnahmeländer abschieben.

Die Abschottungspolitik der EU zeigt sich in dem EU-Anrainerstaat Türkei besonders deutlich: Da die Fluchtwege über das Mittelmeer weitgehend abgeriegelt sind, ist die Türkei zum wichtigsten Transitland für Schutzsuchende auf dem Weg nach Europa geworden. So halten sich in dem Land am Bosporus Flüchtlinge aus verschiedenen Ländern auf, die den Übertritt in die EU planen. Die EU drängt auf Rückübernahmeabkommen und eine effektive Bewachung der Grenzen. Rückübernahmeabkommen bedeuten allerdings die Gefahr von Kettenabschiebungen, denn die Türkei hat kein Asylsystem für nicht-europäische Flüchtlinge und führt immer wieder Abschiebungen in die Herkunftsländer durch.

Damit die Türkei mehr Verantwortung im Flüchtlingsschutz übernimmt und weiterhin die Grenze für Schutzsuchende aus Syrien offen hält, muss die EU selbst großzügig Flüchtlinge aus der Türkei aufnehmen. In ähnlicher Form gilt das für den Libanon und Jordanien, die nicht nur auf Hilfszahlungen, sondern auf eine solidarische Aufnahmepolitik angewiesen sind. Dabei sollten die irakischen Flüchtlinge in Syrien keinesfalls vergessen werden. Sie befinden sich in einer verzweifelten, ausweglosen Lage, und die EU sollte entschlossen für ihre Aufnahme (Resettlement) eintreten.

Ob die EU aus der irakischen (2003 bis heute) und der libyschen (2011) Flüchtlingskrise gelernt hat, ist jedoch sehr fraglich. Im Falle der irakischen Flüchtlinge leistete die EU nur zögerlich Hilfe: So wurden von über 100.000 Resettlement-Plätzen, die westliche Staaten für irakische Flüchtlinge in der Region bereitstellten, nur 10.000 von der EU angeboten. Im Sommer 2011 schaute die EU tatenlos zu, wie mehr als 1.600 Schutzsuchende aus Libyen auf dem Weg nach Europa im Mittelmeer ertranken.

In Deutschland wurde im Mai 2011 zwar ein Abschiebestopp nach Syrien verhängt, die Bundesregierung weigert sich jedoch, das bestehende Rückübernahmeabkommen mit dem Assad-Regime aufzukündigen. Obwohl bekannt ist, in welchem Ausmaß in den syrischen Gefängnissen gefoltert wird, wurden im Rahmen dieses Abkommens zwischen Januar 2009 und Juni 2010 73 syrische Asylsuchende aus Deutschland abgeschoben – 14 von ihnen wurden umgehend von den syrischen Behörden inhaftiert.

Im Jahr 2011 wurden in den 27 Mitgliedsstaaten der EU 6.725 Asylsuchende aus Syrien registriert – knapp 2.500 Asylgesuche mehr als 201016 –, 1.490 davon in Deutschland.17 Angesichts der Flüchtlingszahlen in der Region und der Bilder, die uns täglich aus Syrien erreichen, sind diese Zahlen marginal. Wenn die EU es mit Demokratie und Menschenrechten ernst meint, sollte sie sich gegenüber den Schutzsuchenden solidarisch zeigen und Fluchtwege nach Europa offen halten.

Anmerkungen

1) Zur syrischen Bevölkerungsstruktur siehe UNHCR (2011): World Directory of Minorities and Indigenous Peoples – Syria: Overview; unhcr.org; zuletzt aktualisiert im Oktober 2011.

2) Für aktuelle Zahlen und UNHCR-Updates zur syrischen Flüchtlingskrise siehe UNHCR: Syria Regional Refugee Response; unhcr.org, laufende Aktualisierung.

3) Human Rights Watch (HRW): Syria: Army planting banned landmines. 13.03.2012.

4) Taylor Luck: Jordan opens new Syrian refugee holding facility amid emerging humanitarian crisis. The Jordan Times, 13.03.2012.

5) Jordan stops Syrian refugees from entering territories. ANSAmed, 12.06.2012.

6) Roots of the chaos in north Lebanon spread far and wide. The Daily Star, 22.05.2012.

7) UNHCR: 2012-2013 planning figures for Jordan.

8) Jordan struggling as Syrian refugees stream across the border. Public Radio International, 16.05.2012.

9) Jordan paying high price for hosting Syrian refugees. Jordan Times, 09.06.2012.

10) Oktay Durucan und Zaid Hydari: Update: Syrian Refugees in Turkey. Fahamu Refugee Legal Aid Newsletter, 01.04.2012.

11) UNHCR Syria Fact Sheet, Juni 2012.

12) Resettlement, die gezielte Aufnahme (Neuansiedelung) von Schutzsuchenden, ist ein wichtiges Instrument im Flüchtlingsschutz, um die Aufnahmekapazitäten von Drittstaaten systematisch zu nutzen und um »irregulären Migranten« die oft sehr gefährlichen Fluchtrouten zu ersparen.

13) Zwischen Januar 2011 und November 2011 wurden 24.980 Rückkehrer aus Syrien registriert.

14) Iraqi protracted displacement. Workshop Report, Amman, 22.03.2012.

15) Jordan paying high price for hosting Syrian refugees. Jordan Times, 09.06.2012.

16) UNHCR (2011): Asylum levels and trends in industrualized countries.

17) Pro Asyl: Zahlen und Fakten 2011.

Susanne Schmelter hat an der Philipps-Universität Marburg Friedens- und Konfliktforschung studiert. Im Jahr 2009/10 hat sie in Syrien gelebt und für ihre Masterarbeit zu irakischen Flüchtlingen in Damaskus und Beirut geforscht.

Innere Bilder, die krank machen

Innere Bilder, die krank machen

von Margarete Hecker

Der amerikanische Sergeant Robert Bales ist nach mehreren Jahren Kriegseinsatz im Irak und Afghanistan zum Massenmörder an Zivilisten geworden. Er soll ursprünglich freiwillig in die Armee eingetreten und ein guter Soldat und Kamerad gewesen sein. Wenn man solche Nachrichten hört, fragt man sich unwillkürlich, was treibt Männer, die jahrelangen Kriegseinsatz in fremden Ländern und Kulturen leisten müssen, zu unkontrollierten Gewaltausbrüchen?

Kann es sein, dass sie diesen Krieg nicht mehr als gerecht und sinnvoll empfinden? Kann es sein, dass der erfolglose Versuch, in einer fremden Kultur unter verfeindeten Gruppen Frieden zu stiften, die Psyche der Soldaten zermürbt? Ist ihnen vielleicht der Glaube an die Sinnhaftigkeit ihres militärischen Einsatzes verloren gegangen? Die Traumaforscherin Judith Herman schreibt in ihrem Buch »Narben der Gewalt« (2000), dem Erfahrungen aus dem Vietnamkrieg zugrunde liegen: „Traumatische Ereignisse vernichten die Vorstellung des Opfers von Geborgenheit, das Bewusstsein seines eigenen Wertes und die Überzeugung, dass der Schöpfung eine sinnvolle Ordnung zugrunde liegt.“ Werden Soldaten somit selbst zu Opfern? Wenn Menschen längere Zeit in Todesangst leben müssen, wenn sie Gewalthandlungen, plötzlichen Tod, Verstümmelungen und Zerstörung um sich herum erleben, liegt es nahe, dass sie den Glauben an eine gerechte, sinnvolle Ordnung des Lebens verlieren. Kann es sein, dass der Sergeant Robert Bales, der sich nach mehreren Jahren aktivem Kampfeinsatz in ein ruhigeres Land versetzen lassen wollte, was abgelehnt wurde, selber ein Zeichen gesetzt hat, und anstatt die Zivilbevölkerung vor Terror zu schützen, nachts sechzehn Menschen, darunter viele Frauen und Kinder, erschossen hat, also zum Mörder wurde?

Inzwischen ist das Kriegstrauma von heimgekehrten Soldaten, die posttraumatische Belastungsstörung, eine anerkannte medizinische Diagnose; ein hoher Prozentsatz auch der deutschen Soldaten, die aus dem Kriegseinsatz zurückkehren, leidet darunter. Viele von ihnen sind suizidal. Die Therapien sind langwierig und gelingen nicht immer zufriedenstellend.

Unsere deutsche Erfahrung aus dem Zweiten Weltkrieg steht der älteren Generation immer noch sehr deutlich vor Augen. Auch die überlebenden Männer waren in jungen Jahren Gewalt, plötzlichem Tod, Verstümmelung und Zerstörung ausgesetzt. Es war oft niemand da, um diese Eindrücke zu besprechen, das erfahrene Leid und die traumatischen Verluste erträglicher zu machen. Oft kommen erst jetzt, 67 Jahre nach Kriegsende, diese inneren Bilder ins Bewusstsein. Es sind Bilder, die krank machen können, nicht nur körperlich, auch seelisch und geistig. Sie können auch noch krank machen, nachdem sie viele Jahre bei den Überlebenden eingekapselt waren. Das gilt für Holocaustopfer gleichermaßen wie für deutsche Überlebende der Bombennächte oder der Flüchtlingskarawanen auf den eisigen Straßen in Richtung Westen im Winter 1944/45.

Manche Erfahrungen sind damals nie ausgesprochen oder mit anderen Menschen geteilt worden. Sie leben aber in den Kindern, Enkeln und Urenkeln weiter. Es scheint, dass erst jetzt die Zeit reif ist, die Fülle der verdrängten traumatischen Erfahrungen von Opfer- bzw. Täterschaft aus der Verdrängung zurückzuholen. Sabine Bode hat mir ihren Büchern »Die vergessene Generation: Die Kriegskinder brechen ihr Schweigen« (2004) und » Kriegsenkel: Die Erben der vergessenen Generation« (2009) einen sehr eindrucksvollen und lebendigen Beitrag zu dieser Thematik geleistet. Die von ihr beschriebenen Fallgeschichten zeigen sehr deutlich, wie zerstörerisch die Kriegserlebnisse auch nach zwei oder drei Generationen weiterwirken und nicht zur Ruhe finden lassen. Junge Menschen haben das Gefühl, buchstäblich keinen sicheren Boden unter den Füßen zu haben, obwohl sie im relativen Wohlstand aufgewachsen sind, eine gute Ausbildung genossen haben, Eigentumswohnung oder Häuser von ihren Großeltern erben. Dennoch erleben sie keine Lebensfreude, keine Sinnerfüllung.

Man kann nur hoffen, dass Robert Bales ein gerechter Prozess erwartet, dass seine Belastungsstörung als solche erkannt und beim Namen genannt wird und dass er nicht seinen Kindern die unerträgliche Belastung als seelisches Trauma weitergibt. Emmy Werner, eine amerikanische Professorin für Entwicklungspsychologie, die in ihrer Jugend die Bombennächte des Zweiten Weltkriegs in Deutschland miterlebt hat und später in ihren Forschungen den Begriff »Resilienz« (Gedeihen trotz widriger Umstände) geprägt hat, sagt am Schluss ihrer neuesten Untersuchung zur Situation von Kriegskindern aus aller Welt: „war is not good for children“.

Margarete Hecker war ca. 30 Jahre Professorin an der Evangelischen Hochschule Darmstadt mit dem Aufgabengebiet Weiterbildung von Sozialarbeitern in systemischer Familienberatung. Ein besonderes Anliegen sind ihr weiterhin die Aufarbeitung der Familien- und Sozialgeschichte der Nachkriegszeit, die Situation der Kinder und Enkel der Kriegsgeneration sowie Migrantenschicksale. Website unter nieder-modau.de.

Irak: Kriegsbilanz

Irak: Kriegsbilanz

von Jürgen Nieth

Zum 1. September zogen die USA den Großteil ihrer Truppen aus dem Irak ab. „Der Kampfeinsatz amerikanischer Streitkräfte im Irak ist nun auch offiziell beendet, etwa 50.000 Soldaten bleiben noch ein Jahr im Irak, um einheimische Sicherheitskräfte auszubilden und bei Einsätzen gegen Terroristen zu unterstützen.“ Der US-Präsident hat damit sein Wahlkampfversprechen gehalten, schreibt Günter Nonnenmacher in der Frankfurter Allgemeinen (FAZ, 02.09.10, S.1).

Rückzug ohne Triumph

Anders als Georg W. Bush, der bereits wenige Wochen nach Kriegsbeginn von einem Flugzeugträger aus den Sieg verkündete, wird Obamas Fernsehansprache von der deutschsprachigen Presse als nachdenklich bis widersprüchlich eingeschätzt. Obama versuchte in seiner Rede „Gräben zu zuschütten. Er attestierte seinem Vorgänger Patriotismus und lobte die amerikanische Armee, die im Irak einen hohen Blutzoll entrichtet hat. Der Subtext der Botschaft war aber nicht zu überhören: Die tausend Milliarden Dollar, die dieser Krieg gekostet hat, wären besser an der Heimatfront eingesetzt worden und sind eine der Ursachen für das horrende Haushaltsdefizit der Vereinigten Staaten.“ (FAZ, 02.09., S.1)

Ähnlich die Berliner Zeitung (BZ, 02.09.10, S.10). Sie hebt hervor, dass Obama keinen Zweifel ließ, „dass er den Krieg noch immer für falsch hält“ und dass er „ungewöhnlich für eine Kriegsrede… zudem auf die wirtschaftliche Lage in den USA“ einging.

Von einem „Etikettenschwindel auf Kosten der Iraker“ spricht dagegen Tomas Avenarius in der Süddeutschen Zeitung (SZ, 28.08.10, S.4). „Während das Land von einer Terrorwelle überzogen wird, vermittelt der US-Präsident den Eindruck, seine Truppen hinterließen halbwegs geordnete Verhältnisse.“ Die Neue Zürcher Zeitung (NZZ, 02.09.10, S.21) sieht eine „recht widersprüchliche Rede an die Nation… Der Präsident versprach einerseits, dem Irak weiter zu helfen, andererseits betonte er, dass Amerika seiner Verantwortung gerecht geworden sei und nun die Zeit gekommen sei, dieses Kapitel abzuschließen. Seinen Landsleuten suggerierte er, dass die USA mit dem offiziellen Ende der Kampfoperationen im Irak eine große, auch wirtschaftliche Bürde abgeschüttelt hätten, an anderer Stelle wies er darauf hin, dass ein Großteil der frei gewordenen Ressourcen in den Krieg nach Afghanistan geflossen sei.“ Die NZZ kritisiert weiter, dass Obama einen Bogen um die nahe liegende Frage machte: „War dieser Krieg tatsächlich gerechtfertigt?“

Kriegsrechtfertigung

Den Versuch, den Krieg nachträglich zu rechtfertigen, unternimmt nur die Welt am Sonntag (22.08.10., S.14). Unter dem Titel „Mission unvollendet“ bedauert Richard Herzinger den „verfrühten“ Abzug der USA. Weiter schreibt er: Hätte man Saddam nicht gewaltsam entmachtet, „hätte er wieder… unkontrolliert schalten und walten können. Die Massenvernichtungswaffen, die man zur Genugtuung der Kriegsgegner nach dem US-Einmarsch nicht finden konnte, hätte er dann in Ruhe tatsächlich entwickeln können.“ Warum er es dann nicht früher gemacht hat, bleibt Geheimnis des Autors.

Ganz anders sieht das Stephan Bierling in der FAZ (27.08.10, S.9): „Der Irak wurde vor allem deshalb zur Zielscheibe, weil er der einfachste Gegner auf jener »Achse des Bösen« war, die schon unter Bushs Vorgänger Clinton Gestalt angenommen hatte.“

Auch die anderen Zeitungen ziehen durchweg eine vernichtende Bilanz.

Schlechter als unter Saddam

In der Wochenzeitung »Der Freitag« (09.09.10, S.10) schildert Jonathan Steele sein Reiseeindrücke: „Überall, wo man in diesem übel zugerichteten Land hinkommt, vergleichen die Menschen ihr Leben unter der Herrschaft Saddams mit dem, was ihnen jetzt widerfährt. Der Vergleich fällt selten zugunsten der »mokhtalin« aus, dem Wort für Invasoren oder Besatzer, das viele der Bezeichnung »die Amerikaner« oder »die Briten« vorziehen.“

Kriegskosten

4.419 US-Soldaten ließen im Irak ihr Leben. Zehntausende kehrten verwundet oder mit schweren Traumata zurück. Ihnen gedachte Obama bei seiner Ansprache an die Nation, die toten Iraker erwähnte er nicht. Andreas Zumach spricht in der taz (20.08.09., S.1) von 100.000 irakischen Zivilisten, die in unmittelbarer Folge von Krieg und Gewalttaten starben. „Rechnet man die Folgen der Zerstörung lebenswichtiger Infrastruktur wie etwa der Wasserversorgung hinzu, kamen knapp 800.000 irakische Zivilisten ums Leben.“

Auch die in Dollar messbaren Kriegskosten sind explodiert. Dem ehemaligen Verteidigungsminister Rumsfeld zufolge sollte der Irakkrieg 50 Milliarden Dollar kosten. Obama bezifferte die Kriegskosten jetzt auf mehr als eine Billion Dollar, „oft finanziert mit geliehenem Geld aus dem Ausland.“ (BZ, 02.09.10, S.10). „Damit untertreibt er aber gewaltig“, so Tilman Brück, Ökonom am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in der BZ. „Die wahren Kosten sind viermal größer.“ Die Obama Rechnung enthält nach der BZ „nur die direkten im US-Haushalt verbuchten Kriegskosten, etwa Sold und Material.“ Nicht berechnet sind die Kosten für Zehntausende Amerikaner, die weiterhin im Irak bleiben, und auch nicht die Kriegsfolgekosten, z. B. für die medizinische Versorgung der Veteranen. „Drei bis vier Billionen Dollar, nur für die USA. Die Kosten für die anderen Länder, vor allem den Irak, sind bislang nicht berechnet worden.“

Ziele nicht erreicht

„Die Intervention hat keines der erklärten Ziele erreicht“, so Viktor Maurer in der NZZ (09.09.10, S.23). „Im Gegenteil: …Erstens hat die Asymmetrisierung der Kriegsführung deutlich zugenommen… Zweitens haben terroristische Anschläge im Irak, im Nahen Osten und weit darüber hinaus zu- und nicht abgenommen. Drittens haben sich die Gewichte in der Region zugunsten Irans verschoben.“

Und in der SZ (28.08.10, S.4) wird bilanziert: „Der Irak hat sich nicht zum Demokratie-Biotop verwandelt. Er ist auch keine Drehscheibe der US-Militärmacht geworden, von der aus sich die Region dominieren ließe. Im Gegenteil: Der Irak-Krieg hat die Grundkonstellation im Nahen Osten auf den Kopf gestellt… Alte Konflikte (wurden) neu geschürt. Der Bagdad-Feldzug… hat jede Menge neue Fronten eröffnet.“

Zusammengefasst

„Desaströser könnte die Bilanz eines Krieges kaum ausfallen. Es muss einem angst und bange werden für die Menschen in Afghanistan, das derzeit mit denselben Methoden befriedet und stabilisiert werden soll“ (Andreas Zumach in der taz, 20.08.10, S.1).

1 Jahr danach

1 Jahr danach

von Jürgen Nieth

Um 3.33 Uhr am Morgen des 20. März 2003 beginnen die USA mit
der Bombardierung des Irak. Ein Jahr später machen drei der überregionalen
deutschen Tageszeitungen mit dem Thema Irak-Krieg auf: Die taz: „Iraks
Zukunft hat schon begonnen“,
die Welt: „Bush: »Die ganze Welt ist im
Krieg.« US-Präsident dankt Irak-Veteranen“
und die Süddeutsche Zeitung: „Bushs
»Koalition der Willigen« wackelt.“
Der angekündigte Abzug der spanischen
Truppen aus dem Irak und die Absatzbewegungen Polens finden auch bei der
Frankfurter Rundschau und der Frankfurter Allgemeinen den Weg auf die
Titelseite.

Erfundene Kriegsgründe

„Selten hat die Geschichte die Politik so schnell Lügen
gestraft wie beim Irak-Krieg. Schon ein Jahr danach ist es reine
Zeitverschwendung, sich noch mit den Begründungen für diesen Krieg aufzuhalten.
Ob Massenvernichtungswaffen oder Terror-Kontakte – das Gebäude der Anklage war
so wacklig konstruiert, dass es gleich nach dem Wüstensturm zusammenbrach,“

schreibt P. Münch in der SZ. T. Krauel in der Welt stellt fest: „Atomwaffen
oder Giftgas hat Washington bislang nicht gefunden. Somit ist die offizielle
Begründung, die seinerzeit für den Krieg ins Feld geführt wurde, derzeit
gegenstandslos.“
Der ehemalige Chef der UN-Waffeninspektionen im Irak, Hans
Blix, weist in einem Interview mit der FR darauf hin, dass es bereits lange vor
dem Krieg Zweifel an der Existenz von Massenvernichtungswaffen gab: „Meine
Zweifel begannen, als wir an den Orten, zu denen uns die Geheimdienste
schickten, nur leere Chemiewaffenköpfe fanden.“

Kriegskosten

Bereits am 19.03 hatte sich die FR ausführlicher mit den
bilanzierbaren Kriegskosten befasst. Danach sind bei „den »offiziellen
Kampfhandlungen« in Irak zwischen dem 17. März und 1. Mai vergangen Jahres …
nach Angaben des US-Militärs 138 US-Militärangehörige getötet worden … Laut
Pentagon sind seit 1. Mai 426 Militärs in Irak gestorben … Verlässliche Zahlen
über die Opfer unter den irakischen Streitkräften oder der Zivilbevölkerung
liegen nicht vor.“
Bundeswehr Oberstleutnant J. Rose spricht in der
Wochenzeitung »Freitag« (19.03) von „über 10.000 getöteten Zivilisten und
einem unbeschreiblichen Massaker in den Reihen des irakischen Militärs.“

Die FR (19.03) rechnet nach: „Der Irak-Krieg hat die USA
bis jetzt 107 Milliarden Dollar gekostet.“
Für M. Ignatieff in der Welt
muss auch zu den Kriegskosten gezählt werden, dass Amerika „sich mit vielen
seiner Verbündeten und den UN überworfen hat.“

Für P. Münch in der SZ zeigt „der Terror von Bagdad über
Basra bis nach Madrid …, dass die Welt (durch den Irak-Krieg) nicht sicherer
geworden ist … Der Feind, den es zu bekämpfen galt, wurde gestärkt.“

Koalition der Willigen wackelt

„Zum Jahrestag des Kriegsausbruchs ist die »Koalition der
Willigen« weiter ins Wanken geraten,“
schreibt die SZ. „Nach Spaniens
Ankündigung seine Truppen abzuziehen, zog am Freitag Südkorea sein Angebot
zurück, Soldaten in die nordirakische Stadt Kirkuk zu entsenden. Zuvor hatte
bereits Polens Ministerpräsident Alexander Kwasniewski beklagt, man habe
falsche Informationen über irakische Massenvernichtungswaffen erhalten und
einen Truppenabzug 2005 in Aussicht gestellt,“
(was der Sicherheitsberater
des Präsidenten später wieder relativierte). Die FAZ ergänzend: „Das
südkoreanische Verteidigungsministerium erklärte zur Begründung, Washington
habe Seoul zur Beteiligung an Militäroffensiven gedrängt. Die geplante Mission
solle jedoch ausschließlich dem friedlichen Wiederaufbau Iraks dienen.“

Perspektiven

Am 30. Juni wird der Irak offiziell in die Souveränität
entlassen. Im Irak ist damit die Hoffnung auf eine eigenständige Entwicklung
weit verbreitet. Das zeigt eine in der taz veröffentlichte Umfrage des »Oxford
Research Instituts« nach der 72,2% ein demokratisches Regime und 66,5% einen
starken Präsidenten wollen.

Zu den Chancen für eine demokratische Entwicklung schreibt
N. Chomsky, Professor am »Massachusetts Institute für Technologie« in Boston in
der gleichen taz: „Die US-Regierung hat absolut keine Absicht, die
Souveränität zu übertragen. Sie besteht auf einem Stationierungsabkommen, das
vorsieht, US-Truppen das Recht zu gewähren, dort zu bleiben und permanente
Militärbasen einzurichten. Und sie baut im Irak die weltweit größte
US-Botschaft. Warum
? Warum benötigen wir dort die größte Botschaft der Welt
… mit über 3.000 Angestellten? Etwa weil wir die Souveränität zurückgeben?“
Für Chomsky sehen Wolfowitz und die Neokonservativen in der Demokratie „ein
bösartiges und elendes System, das zerstört werden muss.“
Er verweist
darauf, dass „die meisten US-Verbündeten in dieser Region (Naher und
Mittlerer Osten) Diktaturen“
sind. „Brutale und gewalttätige Diktaturen
werden unterstützt. Es gibt allerdings einen politischen Führer, der in relativ
freien und demokratischen, international kontrollierten Wahlen gewählt wurde.
Wer? Jassir Arafat.“
Aber genau den möchte die Bush-Administration
eliminieren und durch jemanden ersetzen, „von dem wir erwarten, dass er das
tut, was wir sagen.“

Ein schlechtes Ohmen?

Die FAZ titelt an diesem 20.03.04: „Die Bundeswehr
schickt 600 Soldaten in das Kosovo.“
Ein Thema, dem sich auch die anderen
Tageszeitungen nach den erneut bürgerkriegsähnlichen Zuständen im Kosovo
zuwenden. Das Bundeswehr Kosovo-Kontingent wächst damit auf 3.800 Soldaten. Die
FAZ registriert, dass es auch fünf Jahre nach dem NATO-Krieg gegen Jugoslawien,
noch „keine international anerkannte Strategie für die Zukunft des Kosovo
gibt.“
„Die internationale Friedenstruppe hat ihre Aufgabe bisher alles
andere als erfüllt,“
stellt M. Martens in der gleichen Zeitung fest. Er
bilanziert: Trotz einiger Fortschritte sind mehrere der zentralen Punkte der UN
Resolutionen nicht erfüllt. Dazu gehört die Verhinderung des Ausbrechens neuer
Feindseligkeiten und die vollständige Demobilisierung der albanischen »Nationalen
Befreiungsarmee«: „Noch eindeutiger ist der Misserfolg bei der
Flüchtlingsrückkehr ausgefallen, zwar konnten die Kosovo-Albaner … wieder an
ihre Heimatorte zurückkehren, doch die Serben und andere Minderheiten der
Provinz wagen sich kaum zurück. Mehr als 230.000 Personen …“

Besuch beim »Feind«

Besuch beim »Feind«

Während des Krieges in Jugoslawien

von Horst Bethge

Während des NATO-Krieges gegen Jugoslawien besuchte eine Gruppe von GewerkschaftskollegInnen aus der IG Metall, der IG Medien, der GEW und dem Chemiekreis vom 24.- 28. Mai auf eigene Kosten Novi Sad, Belgrad, Kragujevac, Nis und Aleksinac. Sie wollten sich vor Ort ein Bild von der Situation machen, von dem Leben der Bevölkerung, vor allem der GewerkschaftskollegInnen, von den Schäden durch Bombardements und den Opfern. »Dialog von unten statt Bomben von oben« hieß das Motto der Reise, in deren Mittelpunkt das Gespräch mit ArbeiterInnen und Angestellten zerstörter Betriebe, mit GewerkschafterInnen, LehrerInnen, WissenschaftlerInnen, ÄrztInnen und JournalistInnen, mit VertreterInnen von Menschenrechts- und Friedensgruppen, der Grünen und anderer Parteien und natürlich auch mit ganz normalen PassantInnen stand.

Umstritten war diese Reise. „Du willst wirklich zum Feind fahren?“… „Du kannst dich doch dort nicht frei bewegen und keine offenen Gespräche führen!“… „Du wirst dort nur missbraucht!“ So oder ähnlich reagierten viele KollegInnen wenn sie von unserer Reiseabsicht hörten. Der GEW-Landesvorstand Hamburg gab per Beschluss der Erwartung Ausdruck, dass „den serbischen Gesprächspartnern die Haltung der GEW gegenüber der offiziellen serbischen Vertreibungspolitik im Kosovo nachdrücklich deutlich gemacht wird.“ Einige von uns hatten schon in den Zeiten des Kalten Krieges das Gespräch über die Grenzen hinaus gesucht und wir wollten uns auch diesmal selbst ein Bild von der Situation vor Ort machen, erfahren, was die KollegInnen auf der anderen Seite im Krieg erleben und denken.

Und dann saßen wir bei diesen KollegInnen. Wir führten unsere Gespräche bei Kerzenschein, wenn gerade ein Kraftwerk getroffen worden war, verabschiedeten hastig den ehemaligen Bildungsminister, weil er zu seinem Enkel heim eilte, der bei Luftalarm allein zu Hause geblieben war, schliefen nachts nicht, weil wir beim Heulen der NATO-Flugzeuge und dem Krachen der Missiles Angst hatten, zuckten mitten im Gespräch zusammen, wenn wieder eine Rakete in der Nähe einschlug, verließen bei Luftalarm mit den ArbeiterInnen der Zastava-Autofabrik eilig das Werk, sahen die hell erleuchtete AWACS am Himmel, konnten Fabrikgelände nicht betreten, weil sie voller Kassetten-Splitter-Bombenblindgängern steckten und tappten mit Taschenlampen durchs völlig dunkle Hotel. Sirenengeheul erhielt für uns eine neue Bedeutung: Jisella und Mirella nennen es die Kinder in Kragujevac (Jisell = Anfang vom Wahnsinn = Luftalarm, Mir = Frieden = Entwarnung).

In Nis hörten wir von der Bergarbeiterstadt Aleksinac, in der NATO-Rakten 36 Häuser ganz zerstört und 17 EinwohnerInnen getötet hatten. Spontan entschlossen wir uns, den Umweg in Kauf zu nehmen. Allein in der Dujan-Trivunac-Straße waren 120 Wohnungen nicht mehr bewohnbar. Zögerlich und stockend erzählten uns die AnwohnerInnen von dem Angriff, zeigten uns die an die Laternenpfähle geklebten Todesanzeigen. Wie im Süden üblich, mit Foto, Alter und Nachruf. Immer wieder dasselbe Todesdatum. Ganze Familien sind darunter. Hinzutretende Jugendliche sagten nur kurz: „NATO, NATO, NATO!“

Die Kinder von Aleksinac

Trotz Zeitdrucks sahen wir uns noch das Kellertheater an. Vor acht Jahren war Oliveira Osmanovic nach Deutschland geflohen und drei Tage vor dem Angriff wegen des Osterfestes zurückgekehrt, um mit ihrer Familie Ostern zu feiern. Jetzt erklärte sie uns: „Jugendliche und örtliche Künstler spielen jeden Dienstag und Donnerstag in diesem Luftschutzkeller für die Kinder, um sie mit improvisierten und clownesken Szenen wenigstens stundenweise zum Lachen zu bringen. Das Theater heißt »Smeschko« = Lächeln.“

Später erfuhren wir vom Vorsitzenden der Lehrergewerkschaft, Jagow Bulatovic, dass bis zum 18.05.99 rund 200 Grund- und 60 Mittelschulen, 40 Kindertagesstätten, 15 Fakultäten und 60 Studierenden- und Schülerheime zerstört wurden. Die Gewerkschaft dränge deshalb SchulpsychologInnen und SozialarbeiterInnen, damit sie mit den Kindern die Folgen des Krieges aufarbeiten, auch mit künstlerischen Mitteln.

Überall in diesem eilig hergerichteten Luftschutzkeller, ein ganz normaler, etwas feuchter Hochhauskeller, lagen Luftmatratzen, Decken und Kinderschlafsäcke auf der Erde. Denn bei Fliegeralarm sind alle Kinder in den Kellern. Die Initiative ging hier vom örtlichen Roten Kreuz aus und so erfuhren wir fast nebenbei, dass seit Beginn des Krieges alle Kontakte zum _eutschen Roten Kreuz abgerissen sind. Nur GriechInnen und ÖsterreicherInnen haben nach dem Bombardements Geld und Hilfsgüter geschickt. Spontan spendeten wir dem Kellertheater 1000 Mark.

Als wir einige Tage später abends auf dem Flughafen wieder in Hamburg eintreffen, sagte ein uns abholender Kollege: „Eben habe ich aus dem Internet erfahren, dass sie Aleksinac wieder bombardiert haben. Wieder ein Wohnviertel. Es hat Tote gegeben.“ Uns fallen Namen ein: Jana, Miodrag, Oliveira. Sind sie noch einmal davongekommen?

Vom Leben im Sandwich

Im heutigen Jugowlawien gibt es rund 200 politische Gruppen und Parteien und 30 Ethnien. Die parteipolitische Vielfalt ist breiter als bei uns: Von Neokommunisten über Neue Grüne, der sich jetzt spaltenden Liberalen Partei Djindic' bis hin zu den Royalisten des Vuc Drascovic und den faschistischen Nationalisten der Radikalen Partei Vojslav Seseljs. Milosevic' Partei hat im Lande nicht die absolute Mehrheit (einige sprachen von etwa 27 %). Er regiert mit einem Allparteienkabinett. Die Städte Novi Sad, Belgrad, Nis, Kragujevac, die wir besuchten, werden seit den letzten Kommunalwahlen von Oppositionsbündnissen regiert. Dazu kommen viele soziale, Friedens- und Menschenrechtsgruppen, die den Menschenrechts- und Friedensgruppen in der BRD vergleichbar sind.

Mit VertreterInnen vieler dieser Parteien, Gruppen und verschiedener Gewerkschaften haben wir gesprochen. Ausnahmslos alle unsere GesprächspartnerInnen verurteilten das NATO-Bombardement und bezeichneten es als absolut kontraproduktiv für eine demokratische Entwicklung. Stichworte aus meinen Aufzeichnungen dazu: „Konflikte müssen mit einem Dialog enden, warum hat man ihn nicht gleich nach 1991 begonnen?“ …“ Die Seminare und Begegnungen, die wir seitdem gemacht haben, auch in Kroatien, im Kosovo, auch gemeinsam mit Albanern und Kroaten, zeigen, dass es lange dauert, um zu einem wirklichen Dialog zu kommen. Die verschiedenen Nationalismen schaukeln sich gegenseitig hoch. Aber das Bombardement bringt auf keinen Fall die Demokratie, jetzt sind alle Leute zusammengeschweißt“ … „Wirtschaftsembargo und Krieg fördern den Schwarzmarkt und die Korruption. Kriegsrecht fördert die bei uns herrschende sanfte Diktatur“ … „Der Krieg stärkt autokratische Strukturen, wie sie Milosevic förderte.“ … „Das NATO-Bombardement hat keinem einzigen Albaner geholfen. Aus Bosnien wissen wir, wie schwer es ist, Flüchtlinge in zerstörten Gebieten wieder anzusiedeln.“ … „Wir wollen eine von uns selbst entwickelte Demokratie und keine amerikanische Erzwingungsdemokratie.“ … „Der Westen hat nie ernsthaft unsere demokratische Opposition unterstützt. Weder als vor zwei Jahren Tausende auf den Straßen demonstrierten, noch den gewaltfreien Widerstand der Kosovaren unter Rugova, der immerhin 8 Jahre andauerte.“ … „Wir verstehen vor allem die Deutschen nicht. Ihr wisst doch, dass wir zu Europa gehören. Ihr kennt uns und unser Land.“ ï „Unsere Kultur ist viel älter als die amerikanische. Hier gab es schon Klöster als Amerika erst entdeckt wurde.“

Vertreter von Menschenrechtsgruppen sprachen von der »soften Diktatur« im alten Jugoslawien, in der die Lage der Menschenrechte nie besonders gut war, aber auch nicht so schlecht wie in anderen Staaten des ehemaligen Ostblocks. Sie berichten von Vertreibungen durch serbische Tschetniks und albanische UCK und sie weisen daraufhin, dass bei derselben Verfassungs- und Gesetzeslage das multiethnische Zusammenleben in der Vojvodina u.a. deshalb besser klappte, weil dieser Landesteil wirtschaftlich florierend und ohne große Arbeitslosigkeit war.

Immer wieder das Fazit: Der Westen hat die Opposition sich selbst überlassen. Der Elektronikprofessor, der in Bochum studiert hat, und der Belgrader Soziologe fragten denn auch: „Warum werden wir seit einigen Jahren nicht mehr zu wissenschaftlichen Kongressen eingeladen? Warum kommt kein Fachkollege zu uns? Warum behandelt Ihr uns wie Aussätzige, nur weil wir in Serbien leben?“ Wir konnten es ihnen nicht beantworten aber wir verstanden etwas besser, was damit gemeint war, wenn man uns sagte: „Wir leben im Sandwich – zwischen zwei arroganten Mächten. Der NATO am Himmel und Milosevic am Boden.“ Wir verstanden den Professor, der formulierte:„To cut connections with people, it is absolut stupid.“ und den Kollegen der forderte, „das Bombardement muss schnell aufhören, damit wir wieder eine öffentliche Debatte hin bekommen.“

Bei serbischen Gewerkschaften

Wir sprachen mit GewerkschafterInnen der verschiedenen Ebenen und Gewerkschaften (Jugoslawische Gewerkschaftskonföderation, Serbischer Gewerkschaftsbund, Gewerkschaften der Vojvodina, der Ortskartelle von Novi Sad, Nis und Kragujevac, Betriebs- und Abteilungsgewerkschaften sowie verschiedener unabhängiger Gewerkschaften, z.B. Nezavistnos und der Bildungsarbeitergewerkschaft). Alle Gespräche waren sehr offen und freimütig, teilweise spontan von uns verabredet. Sie wurden auf Deutsch, Englisch und Serbokroatisch geführt, übersetzt von unserem eigenen Dolmetscher oder den BegleiterInnen des Jugoslawischen Gewerkschaftsbundes (von denen einer bis zu seinem Vorruhestand bei der Zentralstelle für ausländische ArbeitnehmerInnen beim DGB-Bundesvorstand in Düsseldorf beschäftigt war).

Zu den jugoslawischen Gewerkschaften ist allgemein zu sagen, dass sie erhebliche Rechte, vor allem auf betrieblicher Ebene, haben und wahrnehmen (Mitentscheidung über Investitionen und Gewinnausschüttung, Tradition des spezifischen jugoslawischen Betriebssyndikalismus). Wer irgendeine, auch betriebliche Funktion in der Gewerkschaft hat, muss seine evtl. Mitgliedschaft in einer politischen Partei ruhen lassen bzw. darf während seiner Amtszeit nicht in eine Partei eintreten. Seit Oktober 1998 gibt es zugespitzte Auseinandersetzungen um Sozial- und Lohnfragen zwischen Gewerkschaften und Regierung. Für den 02. Mai war ein Generalstreik vorbereitet, der auf Grund der NATO-Bombardements zurückgestellt wurde.

Alle GesprächspartnerInnen betonten, dass das NATO-Bombardement die ArbeitnehmerInnen in eine hoffnungslose Lage gebracht habe: Es wurden nahezu 600.000 Arbeitsplätze vernichtet. Die Metallarbeitergewerkschaft legte uns eine Liste mit 30 bis zum 14.04 schwer beschädigten oder zerstörten Betrieben vor. Unter den Betrieben sind Batteriefabriken, das Wasserpumpenwerk, eine Kühlschrankfabrik und ein Heizlüfterwerk. Alleine in den Metallbetrieben wurden 75.470 Arbeitsplätze zerstört, davon direkt betroffen sind 301.700 Familienangehörige. Wer wegen Ausbombung seines Werkes arbeitslos wurde, erhielt DM 10.- monatlich als staatliche Arbeitslosenunterstützung. Staatliche Großbetriebe gaben aus den Betriebssozialkassen pro Beschäftigten DM 3o.- dazu. Damit ist eine große Massenarmut vorprogrammiert. Am bedrückendsten aber war, dass die Kolleginnen und Kollegen für sich keine Zukunft sehen. Immer wieder die Frage: „Wer soll denn den Aufbau der Betriebe finanzieren?“

Dazu kam das Bedauern, dass die Kontakte zu ausländischen KollegInnen abgerissen sind, dass die internationalen Gewerkschaftsbünde die Mitgliedschaft der serbischen Gewerkschaften suspendiert haben oder ruhen lassen, dass in Briefwechseln der westeuropäischen Gewerkschaften fast Wort getreu NATO-Positionen übernommen und für den NATO-Angriff argumentiert wurde. Die KollegInnen erinnerten an die interessanten Diskussionen in der Vergangenheit, als es um den jugoslawischen »Dritten Weg« und ihre direkte Betriebsdemokratie ging und sie kritisierten, dass die westeuropäischen Gerwerkschaften heute nicht stärker differenzieren, wenn es um die verschiedenen politischen Kräfte in Jugoslawien geht.

Eine Differenzierung, die aber dringend erforderlich ist, wie unsere Gespräche gezeigt haben. Wir konnten selbst unsere Route und GesprächspartnerInnen bestimmen, ungehindert diskutieren und alle KollegInnen waren offen für alle gewerkschaftlichen und politischen Fragen und Diskussionen. Niemand leugnete große ethnische Probleme, alle sahen große Probleme auf Grund der Flüchtlingsströme. Verständlich, dass sie dabei aber auch auf die großen Flüchtlingsströme nach Serbien hinwiesen, immerhin rund 600 000 Flüchtlinge aus Kroatien und Bosnien. Bei einigen GesprächspartnerInnen ging die Bereitschaft über ethnische Säuberungen und Vertreibungen zu diskutieren allerdings sofort zurück, wenn wir pauschalisierten und z. B. von »serbischen Vertreibungen« redeten. Nicht selten hörten wir dann: „Entschuldige, ich bin auch Serbe und vertreibe niemanden!“

In allen Betrieben und Einrichtungen, die wir besuchten, arbeiteten KollegInnen verschiedener Ethnien bis heute zusammen. Vielleicht lag es auch daran, dass wir viele Beispielen für gelungene und misslungene Integration verschiedener Ethnien erfuhren. Durchweg erlebten wir eine kritische Position zu den »Radikalen«, den fanatischen NationalistInnen auf albanischer, serbischer und kroatischer Seite, die mögliche Lösungen torpedierten und immer wieder für neue Zuspitzungen sorgten.

Auffallend auch die kritische Distanz zur Parteipolitik. Begriffe, wie »Politiker« oder »politisch« standen immer wieder synonym für korrupt, machtbesessen, zuerst die eigene Seilschaft, Familie, Region fördernd.

Fazit

Wir waren ZeugInnen eines hochmodernen Krieges und haben die Folgen für den »Normalbürger« im Lager des Gegners gesehen. Folgen, wie in anderen Kriegen auch: Tod, Verwundungen, Wohnungs- und Arbeitslosigkeit, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit.

Wir haben erlebt, wie Sprache verharmlosen und technische Lösungen suggerieren kann. Ein Krankenhaus, das viermal bombardiert wurde, eine Schule auf die dreimal Bomben fielen – »Kollateralschäden«. DialysepatientInnen, deren Geräte wegen Stromausfall nicht mehr funktionierten, Frischoperierte, die nach Bombardierungen in Privatwohungen verlegt werden mussten – »Kollateralschäden«. Splitterbomben auf einem Marktplatz und zerstörte Fabriken, die wegen Blingängern nicht mehr betreten werden konnten – »Kollateralschäden«.

Wir haben erfahren, wie Nachrichten gefiltert wurden und die NATO ihren Monopolanspruch zur Nachrichtenübermittlung durchzusetzen versuchte. Deshalb das Unterbinden der Verbreitung serbischer Positionen durch die systematische Zerstörung des serbischen Fernsehens, deshalb der Ausschluss dieses Fernsehens aus der Europa-Satelliten-Kette und der Versuch die Serben aus dem Internet auszuschalten. Und wir erlebten Zensur direkt. Ein deutscher Korrespondent auf unserer Pressekonferenz in Belgrad: „Ich mache natürlich einen Bericht über Sie. Aber ob er gebracht wird, weiß ich nicht. In 4o Jahren Berufserfahrung – und ich war Korrespondent auf mehreren Kriegsschauplätzen – hab ich noch nie eine so große Zensur der Heimatredaktionen erlebt wie jetzt.“

Wir wollten auch Pristina besuchen. Wir haben auf Grund der verstärkten NATO-Bombardements dann doch darauf verzichtet. Doch auch so erfuhren wir von der wachsenden Entvölkerung des Kosovo, einer Entvölkerung durch Vertreibung und Flucht (vor serbischen und albanischen Milizen und den Bomben der NATO). Ein ungeheures Anwachsen der Flüchtlingsbewegung, zu deren Verhinderung angeblich der Krieg begonnen wurde. Hätte es noch eines zusätzlichen Beweises bedurft, dass Krieg keine Probleme löst, hier wurde er geliefert.

Was in der Propaganda als »humanitäre Intervention« verkauft wurde – für uns stellte es sich in allen Bereichen als eine humanitäre Katastrophe für die Betroffenen dar – für SerbInnen und KosovarInnen. Die Bomben haben nicht Milosevic getroffen, sondern SerbInnen, UngarInnen, MazedonierInnen, AlbanerInnen, Roma und Sinti usw. – eben die ganz normale Bevölkerung Jugoslawiens. Jetzt geht es um den Wiederaufbau und da darf Jugoslawien nicht ausgeklammert werden – wie es allen voran die Bundesregierung fordert. Die Ausklammerung Jugoslawiens aus Wiederaufbauprogrammen würde erneut in erster Linie die einfachen Menschen treffen. Diese werden hungern und frieren, wenn es keine Hilfe gibt, nicht die Regierung Milosevic.

Die Herrschenden haben versucht die Begriffe von Solidarität, Humanität und Internationalismus im Interesse einer Kriegspolitik umzuwerten, sie für ihren Interventionismus zu instrumentalisieren. Jetzt wird sich zeigen, was wirkliche Solidarität ist, in der humanitären Hilfe für alle Opfer dieses Krieges, ungeachtet ihrer Nationalität.

Horst Bethge ist Mitglied im geschäftsführenden Ausschuss der GEW Hamburg und aktiv in der Koordination der Internationalen PädagogInnen-Friedensgruppen sowie Bildungspolitischer Sprecher der PDS

Zerbombte Hoffnungen

Zerbombte Hoffnungen

Kriegseindrücke einer Belgrader Grünen

von Branka Jovanovic

Wie erlebte die politische Opposition in Jugoslawien den Krieg? Was ging in den Menschen vor, die zum Teil seit Jahren gegen das Regime Milosevic politisch aktiv waren und deren Heimat jetzt von der NATO zerbombt wurde? Branka Jovanovic, Mitbegründerin der jugoslawischen Grünen schildert ihre ganz persönlichen Eindrücke – als Grüne mit besonderem Bezug auf die Umweltschäden, sie schildert ihre Initiativen und Gesprächsversuche in Richtung alter politischer FreundInnen im »Westen« und ihre tiefe Enttäuschung.

Seit Jahren hören die BürgerInnen Jugoslawiens den Vorwurf, sie hätten durch ihre Wahl eine Politik hingenommen und gefördert, die das ehemalige Jugoslawien zerschlagen und das neue zu Recht isoliert habe. Auch während der brutalen Zerstörung Jugoslawiens durch die NATO hieß es, die BürgerInnen hätten den Genozid gegen AlbanerInnen unterstützt, indem sie die Regierung nicht abgesetzt hätten, die den Genozid verübte.

Eine solche Deutung perpetuiert zunächst alle Irrtümer in der Rezeption der Jahrzehnte dauernden Krise unseres Landes. Dadurch schafft sie die Voraussetzungen für alle möglichen Fehleinschätzungen bezüglich der Tragfähigkeit von Lösungsmodellen für die Krise auf dem Balkan; sie idealisiert die politischen Kreise anderer Teile des ehemaligen Jugoslawiens sowie jener Länder, die die Rolle der Friedensvermittler übernommen haben und sie entledigt sich jeder Verantwortung für die fortdauernde Tragödie.

Man stellt nie die Frage warum gerade die SerbInnen, die 50 Jahre in dem gleichen System mit anderen jugoslawischen Völkern gelebt haben, von diesen so verschieden sein sollen. Sind die Wünsche, Visionen, Interessen der anderen so unterschiedlich gewesen, dass nur sie sich gegen den Hauptstrom der Entwicklung im Osten stellten, um eine eigene Rolle in der Geschichte zu gestalten? Woran liegt das Missverständnis zwischen den SerbInnen und der Welt? Wer trägt zu dieser erschreckenden Distanz bei? Nur die »isolationsbedürftigen« SerbInnen?

Das Nicht-Hinterfragen machte es möglich, alle BürgerInnen der BR Jugoslawien kollektiv so schwer zu strafen, dass sie auf Jahrzehnte hinaus keine Chance mehr auf eine moderne wirtschaftliche, politische und kulturelle Entwicklung haben. Der bosnische Politiker Haris Silajdzic fasste dies neulich in einem Interview für den Sender B92 so zusammen: „Haben die Bürger Jugoslawiens denn gehofft, dass sie unbestraft bleiben, nachdem sie das Regime gewählt haben, das uns so viel Zerstörung gebracht hat?“ Seit wann ist Rache eigentlich ein Bestandteil des internationalen Rechts?

Ich spüre oft maßlose Verbitterung und noch tiefere Lustlosigkeit, irgend etwas zu erklären, mich auszuweisen, zu rechtfertigen, beim kleinsten Treffen den Vorwürfen vorauszueilen: »Ich bin doch nicht regierungstreu! Ich bin doch die Opposition! Selbstverständlich verurteile ich die Verbrechen der politischen Führung unseres Landes! Ich bin für das Haager Tribunal! Natürlich bin ich keine Anhängerin der Verschwörungstheorie, wenn ich Sie frage, ob Sie auch zu unserem Unglück heftig beigetragen haben!«

Erschüttert

Als die erste Sirene über Belgrad heulte, wollte ich es zunächst nicht glauben. Als ich endlich verstand, dass die Sirene tatsächlich einen Angriff ankündigte, fühlte ich mich völlig vernichtet. Alles was ich gelernt habe – ich habe Philosophie studiert – oder was ich mir von der Welt erträumt habe und ich war bei den Belgrader Grünen seit der Gründung der Grünen Partei war auf einmal wertlos.

Ich dachte an meine Winterreisen mit Münchner FriedensfreundInnen in die Berge, bei denen MuslimInnen und SerbInnen zusammenlebten. Ich dachte an das zehnjährige Wettrennen mit der Zeit, als jede Zelle in mir vor Angst bebte, dass unsere Idee des gemeinsamen Lebens doch nicht siegen werde. Jetzt fühlte ich mich nicht nur als Mensch, sondern auch als politisches Wesen, als Weltbürgerin erniedrigt. Wir waren gnadenlos der Vernichtung ausgesetzt. Anders als der Tod ist die Vernichtung eine Tat, ein Verhältnis, die Weise, wie jemand mit uns kommuniziert. Wir lebten doch bisher schon sehr schwer mit dem Abbruch vieler Kommunikationsarten die einfach zur Würde des Menschen gehören. Mit der ersten Explosion waren auch die letzten Kommunikationsstränge abgebrochen. Deshalb werde ich gerade diese erste dumpfe Explosion nie vergessen und nie verzeihen. Sie beendete meinem politischen Optimismus, meine positiven Motive, meine Hoffnung auf grüne Utopie.

»Kollateralschaden« Umwelt

Verblüffend war, dass bereits am ersten Tag der Angriffe drei Gemeinden in der Nähe Belgrads bombardiert wurden, in denen sich Chemiewerke und ein Nuklearreaktor mit einem Atommülllager befinden: Pancevo, Baric und Vinca. Schon am 24.3.1999 um 8.40 Uhr traf man die Flugzeugfabrik Lola Utva in Pancevo. Es wurden Container mit chemischen Substanzen getroffen und in den Fluss Tamis flossen Natriumdioxid, Chromsäure, Salpetersäure, Fluorsäure, Chrom. Was, wenn die NATO die Petrochemie trifft? Das wäre das sichere Ende Pancevos und mehrerer Belgrader Viertel. Ich habe sofort alle Grünen die ich kannte benachrichtigt. Auch an Joseph Fischer sandte ich eine entsprechende e-mail. Die Hauptanklägerin des Haager Tribunals, Frau Luise Arbour, bat ich, die NATO präventiv zu warnen, weil solche Ziele das Leben Hunderttausender BürgerInnen bedrohen.

Doch die Bombardements gingen weiter. Es wurden am 12.4.1999 die Ölraffinerie, am 15.4.1999 die Düngemittelfabrik und am 18.4.1999 die Petrochemie in Pancevo getroffen sowie die Chemiewerke in Baric. Der Direktor der Petrochemie informierte sogar die NATO darüber, welche gefährliche Substanzen auf dem Werksgelände lagerten und dass man es nicht schaffe, alle abzutransportieren oder in die Donau zu leiten. Am darauffolgenden Tag bombardierte die NATO erneut alle drei Werke, obwohl sie bereits nach dem ersten Bombardement außer Betrieb gesetzt wurden und nicht mehr produktionsfähig waren.

In einem Bericht der Gemeinde Pancevo sind die chemischen Stoffe angegeben, die Tag für Tag in die Luft freigesetzt wurden oder den Boden und das Wasser verschmutzten: Man stößt auf verheerende Daten: „18.04.1999.At 01.10 am the second bombardment of DP »HIP Petrochemichals« occurred. Again the installations for VCM production were hit, also the installation for OVC-production. On that occasion the spheric reservoir with 1.200 tons of VMC was destroyed, and 6 train cisterns of 30 tons of VMC each. All VCM contents in the reservoir burned until 8 am, but the train cisterns burned until 3.30 pm…

According to the information of The Pancevo Institut for Health Protection dispatched at 12.63 hrs, the excessive VCM contentration between 6 am and 8 am was 0,53 mg/m3, which is 530.000 nanograms/m3, and the limit is 50,0 nanograms/m3, which is an excess of 10.600 times more than the values allowed.“

In einer anderen Publikation finde ich eine Liste der zerstörten Erdölraffinerien und Treibstofflager: Tausende Tonnen Erdöl wurden verbrannt oder sind ausgeflossen. Auf einem Photo sehe ich einen Bauern auf dem Feld unmittelbar hinter der brennenden Ölraffinerie in Pancevo arbeiten. Es ist eben die Frühlingszeit, Pflanzen keimen und blühen.

Genaue Daten zur Umweltzerstörung in Jugoslawien sind aber ein großes Problem. Die Behörden verschweigen exakte Daten und sie haben auch viele nicht, weil sie keine Messgeräte haben, die einem solchen Desaster gewachsen wären. Die Beschreibungen in den Veröffentlichungen wirken eher zufällig: Vinylchloridmonomer, Phosgen, Polychlorbiphenyle, Ethilendichloride, Chlor, Säuren aller Arten, Ammoniak, Blei, Cadmium, Dioxin, Quecksilber. Die häufigsten Atribute: hochgiftig, karzinogen.

Auch deutsche WissenschaftlerInnen, wie z.B. Prof. Knut Krusewitz, haben festgestellt, dass ein solcher »Umweltkrieg« gegen die Zusatzprotokolle der Genfer Konventionen aus dem Jahre 1977 verstößt und dass schwere Verletzungen dieser Konventionen ein Kriegsverbrechen darstellen.

Obwohl ich seit 1995 eng mit dem Haager Tribunal zusammen gearbeitet habe und in diesem Zusammenhang Frau Arbour mehrmals persönlich getroffen habe, erhielt ich von ihr auf meine Schreiben keine Antwort.

Die Wirkung
»moderner« Waffen

Mehrere Zehntausende Tonnen Explosivstoffe, die giftig und karzinogen sind, explodierten. Man vergleicht die Destruktionskraft gerne mit jener der Hiroshimabombe. Zunächst wurde von der dreifachen Zerstörungskraft gesprochen, dann von der fünffachen, Greenpeace spricht von der zwölffachen. Man spricht von der Destruktionskraft, aber nicht von der Chemie.

Hier nur zwei Beispiele: In den ersten vier Wochen des Krieges wurden ca. 600 Tomahawk-Raketen auf Ziele in der Bundesrepublik Jugoslawien abgefeuert. Die Reichweite der Tomahawks beträgt 1.600 km und eine Rakete trägt 500-950 kg Explosivstoff von großer Zerstörungskraft mit sich. Ein Kilogramm setzt bei der Explosion frei: 51-148 l Kohlendioxid (CO2), 160-288 l Kohlenmonoxid (CO), 60-200 g Kohlenstoff (C), 160-350 l Stickstoff (N2), 37-90 l Stickstoffmonoxid (NO), 47 l Schwefeldioxid (SO2), 83 l HCN-Säure, 62 l HCL-Säure, 56-224 l Wasserstoff (H2), 20 g Bleioxid (PbO).

Multipliziert man diese Mengen (500 kg x 600 Stück), gewinnt man Tausende Tonnen schädlicher Stoffe, die nicht nur Jugoslawien bedrohen. Außerdem entstehen große Schäden durch Brände, weil dabei organische Stoffe, Plastikmasse, Erdöl und Erdölprodukte verbrennen. Dadurch entstehen Kohlendioxide, Russ, Stickstoff, Schwefel, Oxide schwerer Metalle und krebsverursachende Radikale. Man spricht wenig von dem Inhalt des Staubes. Bedenkt man nur die Tatsache, wieviel Asbest im Bauwesen verwendet wurde, wird klar, was die Explosionen mit sich gebracht haben.

Sasa Kovacevic, ein junger Wirtschaftsexperte, informierte mich, als mehrere Umspannwerke in Belgrad getroffen wurden. 100 Tonnen Pyralen flossen in einen kleinen Fluss, der in die Sava mündet. In einem Belgrader Viertel brannte die ganze Umspanneinrichtung aus und ich sah eine riesige Wolke. In Kragujevac wurde eine kleinere Anlage getroffen und eine kleinere Pyralenmenge freigesetzt. Die UNEP-Kommission stellte schlimme Folgen fest. InsiderInnen, die die Arbeit verfolgten, sagten mir in einer verschwörerischen Art, dass manche Mitglieder der Kommission nicht die ganze Wahrheit veröffentlichen wollten. Von jugoslawischer Seite gab es parallele Untersuchungen, aber auch hier sind die Ergebnisse noch nicht veröffentlicht und ich befürchte dass sie auch nie veröffentlicht werden. Nehmen wir also einen allgemeinen Text über die Wirkung Polychlorierter Biphenyle: „PCBs are toxic, and have been linked to a number of toxic responces, including the impairment of the immune responses in biota: human carcinogens and tumorigens, neurotoxicity and reproductive toxicity.“

Ein besonderes Kapitel ist in diesem Zusammenhang der Einsatz von Urangeschossen (Über die Folgen des Einsatzes von Urangeschossen siehe auch den Artikel von G. Mertens in dieser Ausgabe von W&F, S. 45, d. R.). Als die NATO den Einsatz von A10- Flugzeugen ankündigte, zu deren Standardausstattung die Munition mit dem abgereicherten Uran gehört, sandte ich verzweifelte Briefe an mir bekannte Adressen im Westen, eingeschlossen Joseph Fischer und Luise Arbour. Es kamen manche aufgebrachte Antworten: Ob ich denn wüsste, was mit den albanischen Flüchtlingen aus dem Kosovo passiere. Ich wusste es zum Teil aus den Berichten der CNN, BBC, Sky News. Und gleichzeitig war es war für mich sehr schwer festzustellen, was Wahrheit war und was zur Kriegspropaganda zählte, denn natürlich werden viele Berichte über Flüchtlinge auch unverschämt missbraucht. So antwortete ich, dass ich alle Verbrechen verurteile, dass das Haager Tribunal sofort reagieren sollte, dass alle Kriegsverbrecher zur Rechenschaft gezogen werden müssen. Trotzdem wagte ich einige Fragen: Ob man glaubt den AlbanerInnen mit Urangeschossen zu helfen, wenn diese als feiner Todesstaub, je nach dem Willen der Winde, auch sie erreichen? Was wird aus der Umwelt, in die sie zurückkehren werden? Wer wird den krebskranken Kindern helfen – unter ihnen können auch albanische Kinder sein?

Es gab eine Diskussion im Internet und die Meinungen darüber, ob das abgereicherte Uran gefährlich ist oder nicht gingen weit auseinander. Die RussInnen sagten, ein halber Nuklearreaktor sei über Jugoslawien ausgeleert worden. Das Ministerium von Joseph Fischer beteuerte, es sei trotzdem nicht gefährlich. Jugoslawische WissenschaftlerInnen beruhigten uns mit der Behauptung, es gäbe keine erhöhte radioaktive Strahlung. Andere WissenschaftlerInnen wiederum beunruhigten uns mit den damit, dass das Uran verbrennen und in Form eines einzigen nicht messbaren, radioaktiven und hochgiftigen Staubkörnchens in unseren gestressten Zellen karzinogene Folgen verursachen könne. Ich selbst kenne einige Menschen, die nach der Bombardierung Bosniens mit solchen Geschossen an Krebs erkrankten. Ein Zufall?

Übrigens bekam ich auch auf diesen Brief weder von Joseph Fischer noch von Louise Arbour eine Antwort.

Bilder der Zerstörung

Nachdem mich ein Kollege aus Deutschland bat, einen kurzen Film über Belgrad zu drehen, besuchte ich zum ersten Mal die zerbombten Orte. Die Zerstörungen der großen Häuser sind erschreckend, auch architektonisch sehr wertvolle Bauten wurden gnadenlos in Asche verwandelt. Da war z.B. das Fernsehen. Siebzehn Techniker kamen hier ums Leben, als das Gebäude mitten in der Stadt getroffen wurde. Der NATO Sprecher sprach damals von einer Aktion gegen die Leute, die sich am Genozid durch ihre Arbeit beteiligten. Zählte er dazu auch die Gelähmten in dem Krankenhaus, das vernichtet wurde? Hat er je darüber nach gedacht, dass auch das Haager Tribunal die Todesstrafe nicht kennt?

Mehrere Tausend Betriebe in Jugoslawien wurden zerstört, beschädigt oder stillgelegt. Nur in der Stadt Nis sind es 23, in Novi Sad fünfzehn, darunter die bekanntesten Industriezentren.

Fast alle Brücken in Jugoslawien wurden zerstört, vier über die Donau, 49 insgesamt. Ich weiss nicht warum die Zerstörung einer Brücke so wehtut. Liegt es an ihren Symbolwerten, daran, dass Verbindendes zerstört wird?

In einem Krankenhaus filmte ich einen Jungen, dem eine Kassettenbombe beide Beine zerfetzt hat. Er ist 10 Jahre alt und kommt aus dem Kosovo. Sein Gesicht ist voll Wunden, auch der Körper. „Ich bin zu meinem Vater gegangen, der im Feld arbeitete. Ich weiss nicht, was ich getan habe. Sie ist explodiert.“ „Tut es weh?“, fragte die Krankenschwester. „Nur das Auge! Ich kann mit einem Auge nichts mehr sehen, weil es verletzt ist“, war die Antwort und er lächelte, kindlich unbesorgt um seine Beine. In einem anderen Zimmer lag eine ältere Frau. Auch sie das Opfer einer Kassettenbombe, die auf dem Markt in Nis explodierte. Unentwegt fragte sie nach ihrer schwangeren Schwiegertochter, die mit ihr zum Markt gegangen war: „Sie muss tot sein und niemand will mir das sagen. Sie lag unbeweglich neben mir. Sie ist gewiss tot.“ Wie viele ZivilistInnen wurden Opfer der Bomben? Man schätzt 5.000, doch die genaue Zahl ist bis heute nicht veröffentlicht.

Es ist sehr schwer die Zerstörungen meines Landes anzuschauen. Fabriken, Wohnblöcke, Brücken, Eisenbahnlinien, Kirchen, Denkmäler, Flughäfen, TV-Übertragungsanlagen, Krankenhäuser, Flüchtlingsheime, Kindergärten, Schulen, Bibliotheken, Naturschutzgebiete, Wasserwerke, Stromanlagen. Mich verfolgen die Bilder: Da hängen vom Wipfel eines Baumes Kleider, aus einem Paar alter Schuhe ist der Mensch einfach heraus katapultiert worden, sie liegen auf der Straße neben gerade gekauften Radieschen; da sitzt ein Mensch verloren in einem rieseigen Bombenkrater und hält sich am Kopf; da erzählt eine Mutter über ihre Tochter, eine der besten jungen Mathematikerinnen Jugoslawiens, die auf einer Brücke an einem Sonntag ums Leben kam; da hinkt ein Hund mit einem Bein; da sind die Leichen, Kinder deren tote Augen offen starren; da ist die Tigerin aus unserem Zoo, die während eines schweren Angriffes gegen Belgrad ihre Kleinen gefressen hat.

Und dann sind da die Texte und Karikaturen über die SerbInnen. In einer Karikatur der Chicago Tribune sind wir als Schweine in einer Klogrube dargestellt. In einer anderen als Monster. Von einem »Wissenschaftler« lese ich: „Serben sind militant und primitiv, sie sind eine Nation des Todes und der Nekrophilie, sie sind wilde Barbaren, Nachfolger der türkischen Bastarde. Unglücklich und tragisch ist die Nation, die sie zu Nachbarn hat“.

Ich denke an die Generation meiner Eltern. Sie haben sehr ehrlich gearbeitet und vieles aufgebaut. Jetzt wurde ihr Leben zunichte gemacht.

Ohne Perspektive

Durch die Bombardements wurden rund 500.000 Arbeitsplätze direkt vernichtet (wir hatten aber vorher schon mehr als 1 Million Arbeitslose und 1,2 Millionen RentnerInnen). Michel Chossudovsky, der außenpolitische Kommentator der Zeitschrift Le Monde Diplomatique schätzte den Schaden für die jugoslawische Wirtschaft auf 100 Milliarden Dollar.

Den Verlust an Lebenssubstanz, an Glück, an positiven Lebensplänen, ja, die Perspektivlosigkeit für Generationen kann man nicht berechnen. Was kostet es mich, wenn ich nicht mehr im Stande bin, ein Buch zu kaufen oder ins Theater zu gehen? Wer kann das berechnen? Die Jugend Jugoslawiens hat keine Perspektive. Es wird befürchtet, dass viele der gut ausgebildeten Menschen, der HochschulabsolventInnen versuchen werden, Jugoslawien zu verlassen, mit den entsprechend schlimmen Folgen für die Wirtschaft. Es droht der Kreislauf: Verarmung der Gesellschaft – langfristige politische Instabilität – weitere Verarmung. Schließlich will niemand in solchen Ländern investieren.

VerliererInnen

Zwei Monate nach Ende des Nato-Bombardements, am 12.8. 1999, sitze ich mit Amsterdamer Grünen und dem Bürgermeister der Stadt Pancevo zusammen. Wir besprechen Hilfsaktionen für die Bürger, deren Gesundheit schweren Schaden genommen hat. Doch wir finden keine Form der Hilfe. Hilfe darf nur den oppositionellen Gemeinden gegeben werden, Pancevo gehört dazu; die Betriebe aber, die die Sanierung vornehmen müssten, die wissenschaftlichen Institute, die die Vergiftung messen müssten und die Krankenhäuser, in denen es an vielen medizinischen Einrichtungen fehlt, sind staatlich und sie erfüllen dieses Kriterium nicht. Prinzipien! Die VerliererInnen sind wieder einmal die normalen BürgerInnen.

Branka Jovanovic lebt in Belgrad. Sie ist Mitbegründerin der Grünen Partei Serbiens.

Die Kosten und Folgekosten des Kosovo-Krieges

Die Kosten und Folgekosten des Kosovo-Krieges

von Matthias Z. Karádi

Krieg kostet seit alters her viel Geld. Für die modernen Kriege gilt dies in besonderem Maße. Der Einsatz modernster Waffen und Technologie schlägt sich in entsprechenden Kriegskosten nieder. Während die NATO gegen Jugoslawien aus der Luft den High-Tech-Krieg des 21. Jahrhunderts führt, finden gleichzeitig auf dem Boden Metzeleien und Vertreibungen statt. Gegenwärtig ist noch nicht abzusehen, wie lange der Luftkrieg der NATO gegen die Bundesrepublik Jugoslawien dauern wird. Mit Fortdauer des Krieges steigen nicht nur die sogenannten »Kollateralschäden«, sondern auch die Opfer. Je länger der Krieg dauert, umso deutlicher wird, dass es den – von der NATO propagierten – sauberen, chirurgischen Krieg nicht gibt. Gleichzeitig schwindet die Zustimmung innerhalb der NATO-Staaten. Nicht erst seit der Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad, ist die Zielplanung der NATO in die Kritik geraten. Sollte bis zum Spätsommer des Jahres 1999 keine politische Lösung erzielt werden, dürfte die NATO den Einsatz von Bodentruppen in Erwägung ziehen.1 Mit anderen Worten: Die Kosten des Krieges sind stark von der weiteren Entwicklung abhängig, die veranschlagten Summen können deshalb nur ungenaue und vorläufige Schätzungen sein.

Bei der Schätzung der Kosten und Folgekosten des Krieges ist zu unterscheiden zwischen 1. den militärischen Kosten der kriegführenden NATO-Länder2; 2. den Kosten, die den Nachbar- und Anrainerstaaten als Folge des Krieges entstehen; 3. den Zerstörungen, die die NATO-Bomben in der Bundesrepublik Jugoslawien anrichten und 4. den zu erwartenden Kosten für Wiederaufbau- und Unterstützungsmaßnahmen für die Region, die derzeit unter den Begriffen »Stabilitätspakt für Südosteuropa« und »Marshallplan für den Balkan« diskutiert werden. Fest steht, dass die sozialen und wirtschaftlichen Lasten für das Kriegsgebiet und die direkt betroffenen Anrainerstaaten am höchsten sind.

Die Kriegskosten der NATO

Die unmittelbaren Kriegskosten für die beteiligten NATO-Staaten können nur ungefähr geschätzt werden. Mit der Intensivierung der Luftangriffe und der Verlegung von zusätzlichen Flugzeugen, Kampfhubschraubern und Soldaten in die Region steigen auch die Kosten. Sollte sich die NATO doch noch für den Einsatz von Bodentruppen entscheiden, würde dies nicht nur eine neue Qualität des Krieges, sondern eine weitere Kostenexplosion mit sich bringen. So würde ein Einsatz von Bodentruppen nach Schätzungen des Institute for Strategic Studiesin New York die Kriegskosten vervierfachen.3

Die bislang detaillierteste Auflistung der Kriegskosten findet sich in einer Studie der Universität der Bundeswehr München.4 Die entstehenden Kosten für die NATO-Staaten summieren sich aus folgenden vier Faktoren: 1. Munitionseinsatz, 2. Einsatz von Luftfahrzeugen, 3. Entstandene Verluste an Luftfahrzeugen und 4. Sonstige Zusatzkosten. Demnach setzten sich die täglichen Mindestkosten des NATO-Einsatzes wie folgt zusammen:

  • Munitionseinsatz: ca. 67 Millionen DM – davon 27 Millionen DM für Lenkflugkörper (Tomahawks und Cruise Missiles), 30 Millionen DM für Bomben5 sowie zehn Millionen DM »sonstiger Munitionseinsatz«.
  • Einsatz von Kampfflugzeugen und Drohnen: ca. 31 Millionen DM – davon 26 Millionen für Treibstoff, Wartung und Reparaturen sowie fünf Millionen DM für Verluste an Luftfahrzeugen. (Zu den zwei Drohnen und dem F-117 A Nighthawk ist mittlerweile noch ein Apache-Kampfhubschrauber dazugekommen.)
  • Sonstige Zusatzkosten: ca. 15 Millionen DM. Diese Zusatzkosten entstehen im Wesentlichen durch die Bereitstellung von Truppen in Mazedonien, Albanien und Italien, aber auch in Deutschland und England.

Damit summieren sich die täglichen Kosten der NATO-Einsätze auf ca. 120 Millionen DM pro Tag, d.h. 840 Millionen DM pro Woche. Zugleich räumt die Studie ein, dass die tatsächlichen Kosten wesentlich über diesen vorsichtigen Schätzungen liegen dürften.6 So sind beispielsweise die Kosten für die Satellitenaufklärung und die Kriegsschiffe in der Adria ebensowenig mit eingerechnet wie die Ausgaben für die humanitäre Nothilfe. Grob geschätzt kann deshalb für die ersten Kriegswochen von etwa einer Milliarde DM pro Wocheausgegangen werden. Die Erhöhung der Zahl der Kampfflugzeuge sowie die Verlegung von Apache-Kampfhubschraubern und zusätzlichen NATO-Truppen nach Mazedonien und Albanien wird die Kosten entsprechend steigen lassen. Auch das von EU und NATO beschlossene Ölembargo und dessen Überwachung durch Kriegsschiffe in der Adria werden mit weiteren Summen zu Buche schlagen.

Noch geht man innerhalb der NATO davon aus, dass jedes Land den jeweils eigenen Anteil der Kriegskosten bestreitet. Falls dem so wäre, käme Deutschland mit weniger als fünf Prozent der Kriegskosten davon, während die Vereinigten Staaten von Amerika mit ca. 75 Prozent den Hauptteil der Kriegskosten tragen müssten. Von den bislang 680 eingesetzten NATO-Flugzeugen stellen die USA 500, darunter insbesondere die teuren Systeme wie die F-117 A Nighthawk und die B-2-Tarnkappenbomber. Auch die meisten Bomben und Marschflugkörper stammen aus US-amerikanischen Arsenalen. Damit stehen zwei Kriegsgewinner jedenfalls schon fest: die beiden US-Rüstungskonzerne General Dynamics und Raytheon. Beide melden Kursgewinne von über 20 Prozent. Nach Berechnungen des Center for Strategic and Budgetary Assessment in Washington zahlen allein die USA für den Luftkrieg gegen Jugoslawien jeden Tag 20 bis 40 Millionen Dollar. Sollte der Krieg drei Monate dauern, würden die Kosten nach amerikanischen Berechnungen auf mindestens 20 Milliarden Dollar (36 Milliarden DM) steigen. Diese Zahl halten jedoch die meisten Experten für zu hoch gegriffen.

Je länger der Krieg dauert und je teurer er damit wird, um so wahrscheinlicher ist es, dass die USA bestrebt sein werden, den Anteil der Kriegskosten auf die NATO-Mitglieder umzulegen, womöglich nach dem jeweiligen Anteil eines jeden NATO-Landes am Gesamt-Bruttosozialprodukt der NATO-Länder. Dies wären im Falle Deutschlands zwölf Prozent. Ferner ist davon auszugehen, dass für das Kosovo und den gesamten Balkan das Prinzip gelten wird, dass auch schon bei Bosnien Anwendung fand: Die USA zahlen den Krieg, Europa den Wiederaufbau.

Die Kosten für die humanitäre Hilfe

Kaum abzuschätzen sind die Kosten für Versorgung und Unterbringung der Kosovo-Flüchtlinge. Die humanitären Hilfen stellen bislang lediglich einen Bruchteil der Kriegskosten dar. So rechnet das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) mit 430 Millionen DM, um 650.000 Vertriebene fürs erste in der Region zu versorgen. „Ein Zelt des Technischen Hilfswerks für eine Flüchtlingsfamilie kostet 2.500 DM.“7 Bislang hat die Europäische Union 800 Millionen Euro für die Flüchtlingshilfe zur Verfügung gestellt, davon finanziert Bonn rund 30 Prozent. Darüber hinaus haben das deutsche Entwicklungshilfeministerium 15 Millionen, das Außenministerium 23 Millionen und die privaten Hilfswerke über 30 Millionen DM für humanitäre Hilfslieferungen angesetzt.8

Das Bestreben europäischer PolitikerInnen, die Flüchtlinge nach Möglichkeit vor Ort zu belassen und »Hilfe zur Selbsthilfe« für Mazedonien und Albanien zu leisten, liegt vor allem in den hohen Kosten für die Unterbringung von Balkan-Flüchtlingen in Westeuropa begründet. So haben während des Bosnien-Krieges in Deutschland die Kommunen und Länder allein für die Versorgung und Unterbringung von 350.000 bosnischen Kriegsflüchtlingen zweistellige Milliardenbeträge ausgegeben, die Bundesregierung spricht von 20 Milliarden DM. Die unzureichende Aufnahmebereitschaft der EU-Länder für kosovo-albanische Flüchtlinge lässt jedenfalls den Schluss zu, dass der Westen die humanitäre Katastrophe zwar verhindern möchte, wenn möglich jedoch auf Kosten der Nachbarländer der Bundesrepublik Jugoslawien.

Die Folgekosten

Die eigentlichen Kriegskosten werden jedoch neben den Kosten für den Wiederaufbau der Region verblassen. Denn: Die Folgekosten des Kosovo-Krieges betreffen nicht nur die Bundesrepublik Jugoslawien, das in den Worten eines Militärs „in die Steinzeit zurückgebombt wurde“, sondern auch die Nachbarländer. Zerstörte Donaubrücken und Infrastruktur haben den Handel nahezu zum Erliegen gebracht. Nach Schätzungen der NATO betragen die Schäden in Jugoslawien durch die Luftangriffe allein an Gebäuden, Straßen und Brücken an die 20 Milliarden DM. Belgrad hingegen beziffert den Schaden auf mindestens 181 Milliarden DM.9

Neben der Bundesrepublik Jugoslawien sind auch die Anrainer durch den Krieg betroffen. Nach Schätzungen der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds belaufen sich die Kriegskosten für die Nachbarstaaten Albanien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Kroatien, Mazedonien und Rumänien auf mindestens zweieinhalb Milliarden Dollar für dieses Jahr. Darunter fallen vor allem die Lasten für die Aufnahme von Flüchtlingen und die Ausfälle bei Handel und Tourismus.10

Der dickste Brocken kommt jedoch noch: Es ist der von EU und NATO angekündigte »Marshall-Plan für den Balkan«. Damit soll die gesamte Region nach Ende des Krieges stabilisiert und ihr eine Perspektive gegeben werden. Mit anderen Worten: Der Westen wird den Wiederaufbau des von ihm zerbombten Landes bezahlen müssen. Von Experten geschätzte Kosten: Über 100 Milliarden DM.11 Doch auch hier variieren die Zahlen: Während EU-Kommissar Yves Thilbaut de Silgui mit 60 Milliarden DM für den Wiederaufbau der Region rechnet, gehen andere Kalkulationen von 600 Milliarden DM für die Beseitigung aller Folgeschäden des Krieges aus.12 Darin enthalten wären auch die Kosten für NATO- und OSZE-Missionen, die nach Ende des Krieges vermutlich nicht nur im Kosovo, sondern auch in Albanien und Mazedonien über Jahre, vermutlich Jahrzehnte stationiert werden müssen. Zusammen mit Bosnien und Ostslawonien würde die internationale Gemeinschaft – d.h. in erster Linie der Westen – somit fünf Quasi-Protektorate auf dem Balkan unterhalten und finanzieren müssen. Bosnien-Herzegowina kann hier als Modell dienen. So kostet die internationale Präsenz in Bosnien pro Jahr etwa 15 Milliarden DM (SFOR, OSZE, EU, UNHCR, UNO etc). Darüber hinaus sind auf den Geberkonferenzen bislang fünf Milliarden Dollar für den wirtschaftlichen Wiederaufbau aufgebracht worden.

Die Gesamtrechnung wird also so oder so riesig werden, auch wenn die bereits vollmundig angekündigten Milliarden für einen Balkan-Marshallplan in der Realität um einiges niedriger ausfallen dürften. Angesichts der instabilen Verhältnisse ist davon auszugehen, dass eine friedliche Neuordnung des Balkans Jahrzehnte dauert, große Summen kostet und nur über die langfristige Aussicht auf Integration in die euro-atlantischen Strukturen Erfolg verspricht. Doch auch hier gilt: Abgerechnet wird zum Schluss.

Anmerkungen

1) Vgl. zu den Hintergründen und den aktuellen Entwicklungen des Kosovo-Krieges: Hans-Georg Ehrhart/Matthias Z. Karádi, Brennt der Balkan? Plädoyer für eine komplexe Präventionspolitik im Kosovo-Konflikt, Hamburger Informationen zur Friedensforschung und Sicherheitspolitik, Ausgabe 23/1998, Hamburg, März 1998; sowie dies., Krieg auf dem Balkan. Lage, Interessen, Optionen, Lehren und Perspektiven, Hamburger Informationen zur Friedensforschung und Sicherheitspolitik, Ausgabe 27/1998, Hamburg, Mai 1999.

2) Folgende zehn NATO-Staaten sind am Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien beteiligt: Die USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Kanada, Belgien, die Niederlande, Portugal und Spanien.

3) Vgl. International Herald Tribune, 25.4.1999.

4) J. Schnell/G.A. Straub, Kurzstudie der Universität der Bundeswehr »Abschätzung der militärischen Kosten des Kosovo-Einsatzes der NATO«. München 1999 (Stand: 15.04.1999).

5) Dabei geht die Studie von täglich 80 Bomben à 360.000 DM aus. Ebda, S. 5/6.

6) Ebda, S. 9.

7) Wolfgang Hoffmann, Offene Rechnungen. Wie die NATO-Partner die Kosten des Krieges kalkulieren, in: DIE ZEIT, 22.4.1999.

8) Vgl. Frankfurter Rundschau, 15.4.1999.

9) Vgl. Welt am Sonntag, 18.4.1999.

10) Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.4.1999.

11) Ludwig Greven, Rechnung folgt, in: DIE WOCHE, 16.4.1999.

12) Vgl. Alois Berger, Kassen-Sturz, in: DIE WOCHE 14.5.1999.

Matthias Z. Karádi ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH).

Ferien vom Krieg – Kinderfreizeiten als Friedensarbeit

Ferien vom Krieg – Kinderfreizeiten als Friedensarbeit

von Helga Dieter

Seit Beginn des Krieges im ehemaligen Jugoslawien haben Hanne und Klaus Vack, unterstützt durch Freundinnen und Freunde sowie weitere Mitglieder des Komitees für Grundrechte und Demokratie, auf insgesamt 97 Reisen in umkämpfte und zerstörte Gebiete für ca. 13,9 Millionen DM humanitäre und friedenspolitische Hilfe geleistet. Diese gewaltige Summe wurde ausschließlich von privaten Spenderinnen und Spendern gesammelt. Die Hilfe ging anfangs unter dem Titel »Helfen statt Schießen« überwiegend an Flüchtlinge in den verschiedensten Lagern in allen jugoslawischen Nachfolgerepubliken. Kriegs- und Flüchtlingskinder wurden bei diesen Hilfsaktionen besonders bedacht. Es entwickelte sich eine enge Zusammenarbeit mit vielen Friedensgruppen in verschiedenen Teilen Ex-Jugoslawiens. Angesichts der erbärmlichen Lebensumstände bildete aber die humanitäre Unterstützung den Schwerpunkt bei fast allen Reisen. Begleitend zu den Hilfslieferungen wurden dann 1994 erstmals Ferienfreizeiten für Waisen- und Flüchtlingskinder durchgeführt.

200 Kinder aus Slavonski Brod, einer kroatischen Stadt an der Grenze zu Nordbosnien, wo zu dieser Zeit Tausende von Flüchtlingen aus Bosnien z.T. in Eisenbahnwaggons und Zeltlagern in größtem Elend lebten, nahmen 1994 an der ersten Aktion »Ferien vom Krieg« teil. Die Mitglieder des Komiteevorstandes waren von der Lebensfreude und der aufkeimenden Hoffnung der Kinder so beeindruckt, daß für 1995 die Zahl der Ferienkinder auf 400 verdoppelt werden sollte. Der Erfolg war im wahrsten Sinne des Wortes überwältigend, denn 1.650 Kinder konnten nach einem organisatorischen Kraftakt in drei Orten an der Adria die Ferien genießen. Die scheuen, depressiven und einsilbigen Kinder strahlten schon nach wenigen Tagen Lebensfreude aus und zeigten Interesse an der Umgebung und den Fremden. 1996 konnten fast 3.000 Kinder „Einen Sonnenstrahl im lange abgedunkelten Keller“ erleben und 1997 schrieb ein Kind – stellvertretend für die anderen – an seine Ferienpatin: „Daß Frieden so schön sein kann, habe ich nicht gewußt.“

Bisher haben etwa 7.500 Kinder mit ca. 500 einheimischen Betreuerinnen und Betreuern »Ferien vom Krieg« erleben dürfen. Da die effektiven Kosten pro TeilnehmerIn (Fahrt, Versicherung, Visagebühren, Bootsfahrt usw.) höher sind als der Betrag einer »Patenschaft«, die nur Unterkunft und Verpflegung abdeckt, gab es fast 10.000 »Patenschaften«, d.h. fast 2,5 Millionen Mark Spendenaufkommen für diese Aktion.

Eindrücke von den Lebensumständen und in die Schicksale der Kinder

Auf den ersten Blick unterschieden sich die traumatisierten Kriegskinder eigentlich kaum von einer x-beliebigen Kindergruppe am Meer: Sie planschten im Wasser, lagen plaudernd am Strand, spielten Ball usw. Auf den zweiten Blick fiel die Armut auf: Keines von 200 Kindern hatte eine Matte oder Badeschuhe auf dem steinigen Boden, geschweige denn Luftmatratzen, Schnorchel oder ähnliches. Kein Walkman, kein Gameboy, nichts! Zehn Prozent der Kinder kamen ohne Gepäck, d.h. sie besaßen nur, was sie am Leibe trugen. Einige badeten in der Unterwäsche, die dann durchsichtig wird und »alles« abbildet. Niemand lachte oder verspottete sie.

Fast alle waren spindeldürr. Es gab aber auch einige auffällig dicke Kinder. Auf Nachfragen stellte sich bei all diesen heraus, daß es Waisenkinder waren, die bei der Großmutter oder in Heimen lebten. Die Lebensmittelzuteilungen für Flüchtlinge bestehen aus Mehl, Öl und Zucker, das ergibt einen süßen Pamp, mit dem die Kinder ihr Leid herunter würgen.

Statistisch müßten mindestens 30 von 200 Kindern eine Brille tragen, tatsächlich war es eines. Viele dieser Kinder sehen also die Welt nicht klar, mit allen Folgen, die das in der Schule und im Alltag hat. Bei der Versorgung der Zähne sah es nicht besser aus. Mangels Füllmaterial wurden kariöse Zähne gleich gezogen. So gab es niedliche Teenager, die das erste Make-up auftrugen, doch zu lächeln wagten sie nicht, weil ein Frontzahn fehlte. Mehrere Kinder durften nicht baden, weil sie infolge von Mangelernährung eiternde Furunkel hatten usw.

Die meisten dieser Flüchtlingskinder leben »zu Hause« zusammengepfercht, häufig ohne eigenes Bett und viele ohne sanitäre Einrichtungen. In dem Hotel teilten sie sich ein Zimmer mit Dusche, der eigene Schlüssel war ein sakraler Gegenstand – keiner ging verloren.

Die Kinder wurden vom Personal als Hotelgäste behandelt – und sie benahmen sich auch so. Daß bei ca. 1.600 Kindern, die einen Sommer lang in einem Hotel wohnen, kein Glas, kein Stuhl, keine Scheibe kaputt geht, darüber staunten besonders die deutschen BegleiterInnen, während die BetreuerInnen dies für selbstverständlich hielten, denn solche Dinge seien für die Kinder sehr kostbar.

Am Ende der Freizeit waren einige Kinder bereit, über ihre Kriegsbiografien zu sprechen. Wenn sie dabei von Gefühlen überwältigt wurden, wollten die BetreuerInnen das Gespräch meist abbrechen, doch alle Kinder bestanden darauf, ihre Geschichte für die Spenderinnen und Spender zu erzählen. Sie wollten ihr Leid ausdrücken, es öffentlich machen:

Da war Edina, die mit ihrer Familie auf der Flucht bei einer Hilfsorganisation um Essen anstand als eine Granate einschlug. Sie wachte im Krankenhaus auf und erfuhr später in einem Heim, daß die Eltern und der Bruder tot sind. Sie lebt jetzt bei der Großmutter. Nach vielen Operationen mit Narben überall, hat sie noch immer 7 Granatsplitter im Körper.

Fikreta ist die älteste von 5 Kindern. Die Mutter wurde von einem Scharfschützen erschossen, der Vater starb an der Front. Sie flüchtete mit den kleinen Geschwistern. Sie wurden in einer Fabrikhalle, dann in einer Schule und schließlich im Waisenhaus untergebracht.

Alma erzählte, wie sie auf der Flucht im Wald zu schreien begann, „weil überall die Körperteile abgeschlachteter Menschen“ lagen.

Wie ähnlich sich die grauenhaften Erlebnisse der Kinder aus den verfeindeten Lagern der Kriegsparteien sind, zeigen die folgenden Schicksale von einem serbischen und einem muslimischen Geschwisterpaar aus Bosnien:

Sanja und Milan sind sieben bzw. zehn Jahre alt. Sie mußten 1992 mit ansehen, wie ihr Vater erschlagen wurde und wie ihn dann ihre Mutter mit eigenen Händen hinter dem Haus begrub. Das war in einer Kleinstadt in der Herzegowina, heute Teil der kroatisch-muslimischen Föderation. Die beiden Kinder bewohnen jetzt mit ihrer Mutter ein Zimmer in einer Flüchtlingsunterkunft in Visegrad, serbische Republik. Das Haus gehörte früher einer muslimischen Familie, die geflüchtet ist.

Indira und ihre Schwester sind neun bzw. zwölf Jahre alt. Auf der Flucht mußten sie mit ansehen, wie ihre Mutter von einer Granate zerfetzt wurde. Sie suchten ihre Körperteile zusammen und beerdigten sie im Wald. Das war in der Kleinstadt Srebrenica, heute Teil der serbischen Republik. Die beiden Schwestern wohnen jetzt mit der Großmutter in einem Zimmer in einer Flüchtlingsunterkunft in Jasenica, kroatisch-muslimische Föderation. Das Haus gehörte früher einer serbischen Familie, die geflüchtet ist.

Die Wirkung der Freizeiten auf die Kinder

Indira ist eines der wenigen dicken Kinder. Sie war scheu, traurig, unbeweglich und klettete an ihrer Betreuerin, bis sie sich ins Wasser traute und dank eines sensiblen Helfers in wenigen Tagen schwimmen lernte. Sie war wie umgewandelt: strahlte, spritzte, jauchzte.

So ging es vielen Kindern; etwa 150 von 200 Kindern lernten in den zwei Wochen schwimmen.

Ich erkläre dieses Phänomen sowohl mit der erstmals im Leben zugleich erfahrenen Geborgenheit und Freiheit als auch mit dem neuen Körpergefühl, vom warmen Wasser umspült und getragen zu werden.

In den Gruppen aus geteilten Städten spielte es in solchen Situationen keine Rolle, wer woher kam, die gemeinsame Lebensfreude wurde von allen geteilt.

Wie die Freizeiten auf die Kinder wirken, können diese am besten selbst ausdrücken. Mit ihrem Einverständnis haben wir einige Zitate aus den Briefen an die Ferienpatinnen und Ferienpaten notiert und übersetzt:

„Jetzt lebe ich mit Bruder, Schwester und Mutter bei zwei Onkeln in einem Zimmer. Das ist sehr eng. Hier habe ich ein Zimmer mit einem Freund und einen eigenen Schlüssel. (Junge, 13 Jahre)

„Zu Hause haben wir keine guten Bedingungen fürs Leben. Aber wir sind froh, daß wir nicht gestorben sind.“ (Junge, 13 Jahre)

„Du bist der erste Mann in meinem Leben, der meine Träume erfüllt hat. Es tut mir leid, daß ich Dich nicht sehen kann, aber ich weiß, daß Du ein guter und schöner Mann bist.“ (Mädchen, 13 Jahre)

„Ich hoffe, daß Sie sich auch noch einen schönen Urlaub leisten können.“ (Junge, 14 Jahre)

„Ich habe schreckliche Männer erlebt, aber ich weiß, daß Du ein guter Mann bist.“ (Mädchen, 14 Jahre)

„Ich bin im Krieg verletzt worden und habe oft Schmerzen – aber hier spüre ich die kaum.“ (Junge, 13 Jahre)

„Mein Ort ist ausgebrannt und hier ist ein Paradies.“ (Mädchen, 12 Jahre)

Die friedenspolitische Wirkung der Aktion »Ferien vom Krieg«

Das Erleben von Geborgenheit, Fürsorge und Anerkennung hat subjektiv ganz sicher heilsame Wirkung. Ob darüber hinaus Verständigung, Zusammenarbeit und gemeinschaftliche Glücksgefühle die indoktrinierten Feindbilder nachhaltig revidieren können, ist natürlich eine offene Frage, die alle Beteiligten aber aus tiefer Überzeugung mit »Ja« beantworten. Und dies ist nicht nur einfach Wunschdenken, sondern Ergebnis der Erfahrungen. Klaus Vack faßt dies so zusammen:

„Das Ambiente der Kinderfreizeiten ist besonders dazu angetan, daß Kinder gut miteinander auskommen, auch wenn es offizielle Politik, und meist auch der Wille der Erwachsenengesellschaft ist, die geschaffenen Feindbilder aufrecht zu erhalten. Trotzdem gehen wir davon aus, daß wenigstens etwas von dem, was wir an friedlichem Beisammensein und an Denkimpulsen in Richtung Gewaltfreiheit den Kindern vermitteln konnten, nicht wieder vollends verloren geht. Wenn die Kinder wieder nach Hause kommen, werden Freundschaften über ethnische Grenzen hinweg in der Tat das Thema Nr. 1 in der Familie, Nachbarschaft und den Schulen sein. In der moslemisch-kroatisch geteilten Stadt z.B. sind von den Kinderfreizeiten so starke Impulse ausgegangen, daß die Hauptstraße, die bislang die Stadt Gornji Vakuf trennte, von immer mehr Menschen von beiden Seiten, also nicht nur von Kindern, kaum mehr respektiert wird.“

Vilim Mergl, gebürtiger Kroate und ehrenamtlicher Koordinator der Gornji Vakuf-Freizeit resümiert:

„Im letzten Jahr weigerten sich die kroatischen Lehrer noch, mit den Muslimen gemeinsam ans Meer zu fahren. In diesem Jahr sind sie jedoch dabei. Zwar reisten die Gruppen wieder in getrennten Bussen an und wohnten in verschiedenen Pavillons, doch merkten die Jungen beim Fußballspielen schnell, daß es nicht darauf ankommt, wer Kroate oder Moslem ist, sondern wer wie gut zusammenspielt. Ähnlich erging es den Lehrern beim Kartenspiel. In den letzten Tagen gab es sogar gemeinsame Tisch-runden bei Spiel und Gespräch. Diese Situation ist zu Hause in Gornji Vakuf noch nicht vorstellbar.“

Gornji Vakuf wird wegen seiner politischen Verhältnisse oft auch »Klein Mostar« genannt. In diesem Jahr waren jedoch sogar der Sohn des muslimischen und die Tochter des kroatischen Ortsvorstehers in der gemeinsamen Freizeit. Werden sich nicht hundertfache Gespräche in den Familien über die Unsinnigkeit der Trennung und Feindschaft der Volksgruppen ergeben?

Hubertus Janssen und Wilfried Kerntke schreiben über die Zusammenarbeit mit der serbischen Friedensgruppe »zdravo da ste« (»Es soll euch gut gehen«):

Die Freizeit steht in einer Kontinuität mit der Arbeit, die sie das ganze Jahr über zur Stärkung dieser Kinder und ihrer Eltern, sofern sie die noch haben, leisten. Sehr engagiert arbeitet in dieser BetreuerInnengruppe auch Pero…. „ In dieser Hilfsgruppe »Zdravo da ste« habe ich dann entdeckt, wie man völlig anders miteinander und mit den Menschen und Konflikten umgehen kann. Und die Arbeit mit den Kindern hat mir geholfen, auch viel von mir zu verstehen. Ich arbeite mit den Kindern, aber die arbeiten auch mit mir.“

Uns, die wir einer doch ganz anderen Welt und vor allem auch aus ganz anderen Lebensbedingungen dazu gekommen sind, geht es ähnlich.

Im Friedenszentrum Osiek gibt es seit vielen Jahren eine Gruppe von Lehrerinnen, die sich in Konzepten der Friedenserziehung weiterbildet und dabei die internationale Diskussion ebenso rezipiert wie Supervisions- und Mediationstechniken praktiziert. In Ostslawonien, wo das Gemetzel begann und in langen Stellungskämpfen viele Opfer forderte, bis das Gebiet (außer der eingekesselten Stadt Osiek) serbisch besetzt wurde, dann unter internationaler Verwaltung stand und inzwischen zu Kroatien gehört, geht es dem Friedensbüro nun um die Wahrung der Minderheitenrechte des serbischen Bevölkerungsteils sowie die Akzeptanz bzw. einvernehmliche Rückkehr der dort unter serbischer Besatzung angesiedelten serbischen (Krajina-)Flüchtlinge.

In den von dieser Gruppe betreuten Freizeiten wurde in den Workshops das Thema »Krieg und Frieden« direkter thematisiert als bei den meisten anderen Gruppen. Die Aussagen der Kinderzeichnungen gleichen im Grunde den Äußerungen in den Briefen an die Ferienpaten der Gruppe aus Tuzla. Mit »Frieden« wird eindeutig die Ferienfreizeit assoziiert, während die Bilder zum Krieg einen Bruch zwischen häuslicher Idylle (Garten, Blumen, Kinder) und Zerstörung zeigen (ein Stacheldraht um den Blumengarten, Flugzeuge über dem Haus u.ä.).

In Tuzla stellen sich die Probleme wieder anders, denn in dieser Stadt gab es keine Pogrome, sondern ein multiethnisches kommunalpolitisches Konzept des friedlichen Zusammenlebens. Viele Serben aus Tuzla haben gemeinsam mit den mehrheitlich muslimischen Bewohnern Tuzlas gegen die serbische Belagerung gekämpft. Der Teil der serbischen Bevölkerung, der die Stadt unter dem Druck der Propaganda verlassen hat, wird nun zur Rückkehr aufgefordert, obwohl in der Stadt über 40.000 Flüchtlinge aus Ostbosnien leben, vor allem die Frauen und Kinder aus Srebrenica. Das Dilemma der standhaften Friedenspolitik in Tuzla ist, daß dadurch nun den Ärmsten der Armen erneut die Vertreibung droht.

Bürgermeister Beslagic sieht in den Kinderfreizeiten, die letzten Sommer auch vom Gesundheitsminister besucht wurden, eine demonstrative Unterstützung seiner Friedenspolitik und erhofft sich auch in Deutschland größeres Verständnis dafür, daß eine Rückkehr der Auslandsflüchtlinge und eine Integration der Vertriebenen aus Ostbosnien gleichzeitig nicht machbar ist, weil die Stadt Tuzla und das Umland jetzt und auf nicht absehbare Zeit und schon über viele Jahre mit Binnenflüchtlingen total überlastet ist. Daß die Frauen aus Srebrenica in den letzten Monaten in Tuzla verstärkt öffentlich demonstrieren und Aufklärung über das Schicksal ihrer Männer fordern, hat mittelbar auch etwas mit den Kinderfreizeiten zu tun. Nicht nur die wunden Kinderseelen begannen bei den »Ferien vom Krieg« zu heilen, auch für viele Mütter sind sie ein Trost und eine Stabilisierung. Ihre ohnmächtigen Rachephantasien, die von nationalistischen Politikern geschürt werden, weichen mehr und mehr dem Bedürfnis nach Wahrheitssuche und der Bereitschaft zur Versöhnung.

Während einige der Frauen vor zwei Jahren noch äußerten, es sei ihnen unvorstellbar, daß ihre Kinder bei der Freizeit zusammen mit den serbischen Kindern spielen, so drücken sie für diesen Sommer die Hoffnung aus, daß sich Freundschaften entwickeln mögen, die zur Versöhnung beitragen.

Das ursprüngliche Ziel der Aktion »Ferien vom Krieg«, nämlich gemeinsame Freizeiten von Kindern aus allen Teilen des ehemaligen Jugoslawiens, läßt sich bisher leider nicht realisieren, die Einreise aus der Föderation nach Serbien und umgekehrt ist nicht möglich. Doch innerhalb der Entitäten sind die Freizeiten einer der seltenen Versuche ziviler Konfliktbearbeitung durch gemeinsame Aktivitäten. Die buchstäbliche Ausstrahlung der Kinder nach ihrer Rückkehr ist in den Familien sinnlich erfahrbar und die zarten Bande zu den neuen Freunden der angeblich alten Feinde strahlen auch in vielen Gesprächen auf Familie, Schule, Nachbarschaft und Kommunalpolitik aus.

Nähere Informationen über die Aktion »Ferien vom Krieg 1998« erhalten Sie vom Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V., Bismarckstr. 40, 50672 Köln, Tel. 0221-523056, Fax. 0221-520559

Helga Dieter ist Koordinatorin des Komitees für Grundrechte und Demokratie für die Aktion Ferien vom Krieg 1998.

Zivile Kriegsfolgenbearbeitung in Bosnien

Zivile Kriegsfolgenbearbeitung in Bosnien

von Christine Schweitzer

Die Zahlen sind niederschmetternd: Mehr als die Hälfte der Vorkriegsbevölkerung von Bosnien-Herzegowina sind Vertriebene oder Flüchtlinge (2,5 Mio insgesamt, von denen sich 1,2 Mio als Flüchtlinge außerhalb der Landesgrenzen aufhalten.). Im Bereich der bosnischen Föderation waren zumindest im letzten Winter noch 80<0> <>% der Menschen abhängig von Lebensmittelhilfe. Die Industrieproduktion war 1994 auf 5<0> <>% des Standes von 1990 abgesackt. 30<0> <>% der Straßen und 40<0> <>% der Brücken waren zerstört.1 Die Arbeitslosigkeit liegt bei 90<0> <>%. 300.000 Soldaten werden demobilisiert und müssen ins Privatleben zurückgeführt werden.2 Die Weltbank schätzt, daß sich die Kosten für den Wiederaufbau auf 7,15 Milliarden DM belaufen werden, 5,18 Mrd für die kroatisch-muslimische Föderation und 2,16 Mrd für die Serbische Republik.3

Das Daytoner Abkommen regelt in umfassender Weise verschiedene Aspekte des Wiederaufbaus.4 Am besten in der internationalen Öffentlichkeit bekannt und auch am weitesten fortgeschritten in ihrer Durchführung ist die militärische Seite des Abkommens (Rückzug der Kriegsparteien hinter eine 4 km Grenze, Demobilisierung und Rüstungsbeschränkungen, Aufstellung der IFOR-Truppe zur Implementierung und Überwachung des Waffenstillstandes).

Weniger bekannt und auch in der Umsetzung viel problematischer sind die ebenfalls im Daytoner Vertrag geregelten zivilen Wiederaufbaumaßnahmen.5 Mit ihrer Koordinierung wurde der schwedische Konservative Carl Bildt beauftragt, dem – gemessen an der Aufgabe – ein lächerlich kleiner Stab zur Seite steht.

Der in Bosnien-Herzegowina notwendige zivile Wiederaufbau steht vor großen Problemen bei der Beschaffung von Wohnraum und Arbeit, beim Aufbau der Verwaltung kann nur beschränkt auf die Vorkriegsstrukturen zurückgegriffen werden und ein demokratisches, ziviles Leben muß völlig neu entwickelt werden. Bosnien-Herzegowina war vor dem Krieg eine ethnisch extrem gemischte Republik – die »jugoslawischste« Republik Jugoslawiens, wurde sie von manchen genannt, weil in den meisten Ortschaften zumindest zwei der Volksgruppen friedlich zusammenlebten. Eine zivile Gesellschaft existierte dort genauso wenig wie in den anderen Teilen Jugoslawien. Heute ist Bosnien-Herzegowina in drei mehr oder weniger ethnisch homogene Teile zerfallen und die meisten Ortschaften und Städte erlebten einen Austausch eines nennenswerten Prozentsatzes der Bevölkerung.

Die Situation in Bosnien-Herzegowina

Die Verfassung Bosnien-Herzegowinas, die Teil des Daytoner Abkommens ist, definiert Bosnien-Herzegowina als einen zweigeteilten Staat mit drei verfassungsmäßigen Völkern: Kroaten und Bosniaken (Muslime) in der »Föderation Bosnien-Herzegowina« und Serben in der »Serbischen Republik«, alle mit einer doppelten Staatsbürgerschaft des Staates und des jeweiligen Teiles (Föderation oder Serbische Republik).

Schon hier zeigt sich deutlich eines der Hauptprobleme. Die Schreiber der Verfassung versuchten zwei eigentlich unvereinbare Prinzipien unter einen Hut zu bringen: Das Prinzip des bürgerlichen Staates, in dem jede/r BürgerIn unabhängig von der Volkszugehörigkeit Freizügigkeit genießt und das Prinzip des »ein Volk – ein Staat«. Letzteres war bekanntlich eines der Leitmotive des Krieges.

So wird zwar im Daytoner Abkommen Freizügigkeit der Bewegung, Verbot jeglicher interner Grenzkontrollen und Recht auf Rückkehr aller Flüchtlinge in ihre Heimatgebiete festgeschrieben. Aber die politische Repräsentanz basiert im wesentlichen auf ethnischer Zugehörigkeit. Das Parlament besteht aus zwei Kammern. Das »Haus der Völker« setzt sich aus serbischen Vertretern aus der Serbischen Republik und kroatisch/bosniakischen (muslimischen) Vertretern aus der Föderation zusammen. Kein serbischer Abgeordneter aus dem Gebiet der »Föderation« kann in das »Haus der Völker« gewählt werden – obgleich weiterhin etliche Zehntausende Serben vor allem in Sarajevo leben. Das gleiche gilt umgekehrt für Muslime und Kroaten in der »Serbischen Republik«. Genauso bildet sich das aus drei Personen gebildete Staatspräsidium. Nur bei der zweiten Kammer, dem »Repräsentantenhaus«, das 42 Mitglieder haben soll, wäre eine Repräsentanz der jeweiligen ethnischen Minderheiten zumindest theoretisch möglich.

Eine der wichtigsten Maßnahmen im zivilen Bereich ist die Vorbereitung der Wahlen, die dem Daytoner Abkommen gemäß bis spätestens September 1996 stattgefunden haben müssen. Doch gehen die Wahlvorbereitungen nur schleppend voran, und ohne die MitarbeiterInnen der OSZE, die eigentlich die Vorbereitungen und die Wahl nur beobachten sollen, kämen die Wahlen wohl gar nicht zustande.

Die meisten Politiker/innen in Bosnien sehen diese Wahlen ohnehin als verfrüht an. In vielen Landstrichen ist das zivile Leben noch nicht so weit wiederhergestellt, daß eine Basis auch nur für die Erstellung eines Wählerverzeichnis geschaffen wäre. Fast die Hälfte der Wählerschaft fristet ihr Dasein noch als Flüchtlinge oder Vertriebene irgendwo zwischen Lagern in Bosnien, Kroatien, Serbien oder Schweden, Deutschland und den Niederlanden. Für den Beginn eines breiten politischen Diskurses bleibt keine Zeit.

Die starke Betonung, die die »internationale Gemeinschaft« auf das Thema Wahlen legt, erinnert an die Politik gegenüber vielen Ländern des Südens, wo ebenfalls die erfolgreiche Abhaltung von formal demokratischen Wahlen zur Bedingung von Wirtschaftshilfe gemacht wird. Hierzu kommt in Bosnien-Herzegowina noch das Motiv, die IFOR/NATO-Truppen wie geplant nach einem Jahr zurückziehen zu können.

Dennoch gibt es ein recht breites Spektrum an Parteien. Neben den national ausgerichteten Vorkriegsparteien – HDZ (kroatisch), SDA (bosniakisch-muslimisch) und SDS (serbisch) – besteht eine Reihe kleiner, oppositioneller Parteien. Einige von ihnen sind nur noch extremere Nationalisten. Andere aber treten für ein geeinigtes, multinationales Bosnien ein. Zwischen ihnen gibt es sogar über die Grenzen hinweg Kontakte.6 Sie haben sich nach mehreren im Ausland abgehaltenen Treffen zu einer »Demokratischen Alternative« zusammengeschlossen und einen Forderungskatalog veröffentlicht, in dem u.a. die Verfolgung aller Kriegsverbrecher und internationale Garantie für die sichere Rückkehr aller Flüchtlinge in ihre Ausgangsgebiete gefordert wird.

Ein Thema, das auch hier in Deutschland die Medien beschäftigt, ist die Frage der Rückkehr der Flüchtlinge. Dem Daytoner Abkommen gemäß haben alle Flüchtlinge und Vertriebene (Vertriebene sind Flüchtlinge, die innerhalb der Staatsgrenzen verblieben) das Recht auf Rückkehr in ihre Heimat oder ersatzweise auf finanzielle Entschädigung. Die Bundesregierung nahm das als Signal, sofort die euphemistisch »Rückführung« genannte Abschiebung der bosnischen Kriegsflüchtlinge zu planen. Mit der Ausnahme Schwedens, das all seinen Flüchtlingen das Bleiben gestattet, reagierten die anderen Gastländer ähnlich. Sie ignorieren dabei, daß in Bosnien-Herzegowina die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Reintegration der Rückkehrenden noch nicht geschaffen worden.

Die mit der Flüchtlingsrückkehr verbundenen Probleme sind gut bekannt. Eine unter den in Deutschland lebenden FLüchtlingen durchgeführte Umfrage7 ergab, daß derzeit nur ein Viertel bereit ist, zurückzukehren. Zu groß sind die Zweifel an der Dauerhaftigkeit des Friedens, den zwei von drei Flüchtlingen als Bedingung für ihre Rückkehr bezeichneten. Bei 35<0> <>% der Nicht-Rückkehrwilligen ist der Grund der, daß der Heimatort in der „falschen“ ethnischen Zone liegt. Allgemein, auch für das Gebiet der Föderation gilt, daß eine Rückkehr von Menschen der »falschen« Volkszugehörigkeit unerwünscht ist. In jetzt kroatische Gemeinden werden Kroaten zurückgesiedelt, in bosniakische Muslime, in serbische Serben. Den Übersichten der UNHCR zufolge, die sich um eine Dokumentation der Lage in allen größeren Gemeinden bemüht, um Flüchtlingen eine Entscheidungshilfe an die Hand zu geben, sind bislang nur kleine Zahlen der jeweils anderen Nationen in ihre Heimat zurückgegangen8.

Arbeit und Wohnung – dies sind die beiden anderen großen Fragezeichen für die rückkehrenden Flüchtlinge, wenngleich in der erwähnten Umfrage nur 4<0> <>% bzw 8<0> <>% diese beiden Punkte als Entscheidungskriterium benannten. Wenn hier nicht eine behutsame Politik betrieben wird, entsteht ein ungeheures Pulverfaß. Denn in den von den Flüchtlingen aufgegebenen Häusern und Wohnungen leben heute oftmals andere, die ihrerseits als Vertriebene eine Unterkunft brauchten. Ohne Ersatzwohnraum können sie nicht einfach vor die Tür gesetzt werden, selbst wenn die Behörden bereit zu einem solchen Vorgehen wären. Was bleibt, ist die Drohung von Selbsthilfe, gewaltsamem Widerstand gegen die Vertreibung aus der Wohnung und späteren Racheakten. Die Methoden, die kroatische Soldaten in Kroatien anwenden, um sich mit Unterstützung der Behörden eine Wohnung zu beschaffen,9 geben hier nur ein schwaches Abbild von dem, was in Bosnien-Herzegowina zu befürchten wäre.

Die Schaffung von genügend neuem Wohnraum könnte hier zur Entspannung der Lage beitragen. Dies steht auch auf dem Programm der UN an oberster Stelle, nur getan wird anscheinend sehr wenig, was mit unklaren Eigentumsverhältnissen begründet wird.10

Im Bereich der Arbeitsplatzschaffung könnten neben der Überwindung der oben skizzierten Probleme Programme der Berufsbildung und Weiterbildung von Nutzen sein. Z.B. gibt es in mehreren Städten Einrichtungen, wo Menschen kostenlos bestimmte Berufe erlernen, Computerfähigkeiten erwerben oder Fremdsprachen studieren können. Initiativen dieser Art, die gewöhnlich auf internationales Engament durch NROs zurückgehen, könnten wesentlich ausgebaut werden.

Notwendig: ein Klima der Toleranz

Ein Wohnbauprogramm und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen allein lösen aber die Probleme nicht, wenngleich sie durchaus als Maßnahmen der Konfliktprävention betrachtet werden dürfen. Ergänzend wäre die Schaffung eines öffentlichen Klimas der Toleranz gegenüber den jeweils anderen beiden Volksgruppen und der Aufbau von Demokratie erforderlich. Ein solches Klima ist allein noch in Tuzla und – mit Einschränkungen – in Sarajevo zu finden. Hierzu könnten verschiedene Gruppierungen beitragen: die öffentlichen Medien durch eine ausgleichende Berichterstattung; die internationale Gemeinschaft und die Regierungen in Bosnien durch finanzielle Unterstützung und Schaffung der gesetzlichen Bedingungen für eine unabhängige Presse; die Religionsgemeinschaften, denen von ihrem Charakter her moralische Argumentationen am leichtesten fallen sollte sowie unabhängige Vereine und Assoziationen durch Versöhnungsarbeit, Entwicklung von friedenspädagogischen Programmen etc.

Ein Beispiel könnten die Nachbarländer liefern: In Kroatien und Serbien haben sich verschiedene Nichtregierungsoganisationen11 pädagogischen Fragen angenommen und z.B. Arbeitskreise für die Weiterbildung von LehrerInnen eingerichtet. Solche Maßnahmen sind notwendig, weil die Schulen in der Nachkriegszeit mit bislang unbekannten Problemen konfrontiert sind: Kinder, die u.a. mehrere Jahre als Flüchtlinge lebten, interethnische Konflikte; Trauer und Traumata; stark gestiegene Gewaltbereitschaft etc.

Aufbau von Demokratie ist ein Bereich, in dem Nichtregierungsorganisationen eine Schlüsselrolle spielen (müssen). Vorbilder aus Serbien und Kroatien demonstrieren, welche Aufgaben sie wahrnehmen können: Menschenrechtsarbeit; unabhängige Medien (Zeitungen, Rundfunk); Unterstützung bei Kommunikation und Austausch über Grenzen hinweg (durch E-mail, Austausch von Briefen, Austausch von Zeitungen; Organisation internationaler Treffen; Einrichtung von für alle zugängliche Begegnungszentren wie in Mohacz/Ungarn; Förderung von Begegnungen und Runden Tischen; interreligiöser Dialog; Netzwerke Oppositioneller Parteien).

Menschenrechte und Gerechtigkeit

Im Daytoner Abkommen wird dem Thema der Menschenrechte ein großes Gewicht eingeräumt. Die Verfassung Bosnien-Herzegowinas erkennt alle einschlägigen Menschenrechtskonventionen an, und diese werden durch einen eigenen Annex zum Thema nochmals bestärkt. Außerdem wurde eine Menschenrechtskommission mit der Institution eines Ombudsmanns, der für Beschwerden der Bevölkerung zur Verfügung steht und eine Menschenrechtskammer aus sechs bosnischen und acht internationalen (aus Ländern des Europarats zu bestimmenden) Mitgliedern geschaffen. Was bislang fehlt, ist ein Amnestiegesetz für Deserteure – wie Kroatien es erlassen hat – und das Recht auf Kriegsdienstverweigerung. Solange es beides nicht gibt, müssen zurückkehrende Männer im wehrpflichtigen Alter damit rechnen, umgehend zur Armee eingezogen zu weden.

Es gibt in Bosnien-Herzegowina eine Reihe von Menschenrechtsorganisationen. Sie befassen sich allerdings in erster Linie mit der Frage von Kriegsverbrechen, und dieses ist wiederum immer hauptsächlich die Frage, was die andere Seite der eigenen angetan hat. Es hat auch während des Krieges mehrere Nichtregierungsorganisationen gegeben (z.B. das International Peace Center in Sarajevo), die Kriegsverbrechen dokumentiert und publiziert haben. Allerdings sind sie alle sehr zurückhaltend, wenn es um nicht-kriegsbedingte Menschenrechts-Fragen geht.

Die Erfahrungen aus anderen Krisen- und Kriegsgebieten lehren, welch wichtige Rolle die Verfolgung von Kriegsverbrechern, Folterern und der politisch Verantwortlichen für die Bewältigung der Vergangenheit spielt. Die Entschädigung der Opfer, die in Bosnien-Herzegowina noch überhaupt nicht angegangen wurde, wäre eine ergänzende Maßnahme, die vielleicht da Gerechtigkeit wiederherstellen könnte, wo eine Verfolgung von Schuldigen unmöglich ist.

Wie könnte der deutsche Beitrag aussehen?

Eine der Hauptsorgen der Bundesregierung war von Anfang an die Zuwanderung von Flüchtlingen aus der Region nach Deutschland und das Problem, wie man diese wieder los wird. Entgegen dem allgemeinen Eindruck in der Öffentlichkeit ist auch gegenwärtig noch ungeklärt, ob es ab 1. Juli 1996 zur Abschiebung von bosnischen Kriegsflüchtlingen kommen wird oder nicht. Von den Ausländerbehörden erhalten inzwischen immer mehr Flüchtlinge den Bescheid, daß sie zum 1.7. das Land zu verlassen hätten.

Unter Berufung auf die für Flüchtlinge ausgegebene Summe (rund 17 Mrd. DM) weigert sich die Bundesregierung auch, über die der EU zur Verfügung gestellten Gelder für den Wiederaufbau (1,8 Mrd DM) hinaus weitere, eigene Gelder zum Wiederaufbau zur Verfügung zu stellen.

Die Unwilligkeit, im zivilen Bereich Initiative zu ergreifen, zeigte sich auch beim Umgang der Bundesregierung mit der von einem breiten Spektrum von Kirchen und Friedensorganisationen getragenen Initiative, einen Zivilen Friedensdienst für Bosnien ins Leben zu rufen. Das Konzept sah vor, internationale Fachkräfte zu finanzieren, die mit lokalen Organisationen in den Aufgabenfeldern der Konfliktbearbeitung und Versöhnungsarbeit zusammenarbeiten sollten. Die Erfahrung in Kroatien und der Republik Jugoslawien hatte gelehrt, daß bei bestimmten Aufgaben, etwa aktivem Eingreifen bei Menschenrechtsverletzungen oder bei der Abhaltung von Seminaren in gewaltfreier Konfliktaustragung Ausländer/innen eine wesentliche Rolle spielen können, weil sie eine unabhängere Position bekleiden. Die Gespräche mit der Bundesregierung sind noch nicht beendet, doch deutet alles darauf hin, daß bestenfalls ein sehr stark reduziertes Programm Chancen auf Realisierung finden wird12.

Initiativen in der Bundesrepublik sind unterstützend in verschiedenen Bereichen des Wiederaufbaus in Bosnien tätig. Sie finanzieren und fördern bosnische NROs; organisieren humanitäre Hilfe; helfen FLüchtlingen in Deutschland und arbeiten politisch gegen deren zwangsweise Rückführung; leisten Solidaritätsarbeit mit Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren; haben verschiedene psychosoziale Betreuungsprojekte für Kriegsopfer aufgebaut und vieles mehr.

Eine zivile Kriegsfolgenbearbeitung ruht im wesentlichen auf den Schultern von Bürgerinnen und Bürgern und ihrer Zusammenschlüsse (Nichtregierungsorganisationen). Aber sie allein werden es nicht schaffen, eine tragfähige und zukunftsfähige Entwicklung in Gang zu setzen. Staatliche und internationale Programme sind notwendig und geben vielfach wohl erst den Rahmen, in dem solches ziviles Engagement Aussichten auf Erfolg hat. Bosnien-Herzegowina hat aber nur dann eine Chance den Krieg zu überwinden, wenn wesentlich mehr in die zivile Konfliktfolgenbearbeitung investiert wird. Andernfalls muß gefürchtet werden, daß der Vertrag von Dayton nicht das Ende der Segmentierung Bosnien-Herzegowinas bedeutet. Auch ein neuer Krieg nach Abzug der NATO wäre dann nicht ausgeschlossen.

Viele der hier für Bosnien-Herzegowina skizzierten Maßnahmen und Probleme sind nicht nur auch anwendbar auf andere Regionen Ex-Jugoslawiens (wie z.B. die ehemals unter serbischer Kontrolle stehenden Teile Kroatiens sowie Serbien und Montenegro incl. des Kosovo), sondern es besteht geradezu eine Notwendigkeit, sie auf diese Regionen auszuweiten. Nur so kann die Eskalation neuer Konflikte verhindert werden, zumal sich in den beiden Nachbarländern Bosniens, in Kroatien und der Republik Jugoslawien, eine Tendenz zur weiteren Entdemokratisierung bzw. Neuverfestigung totalitärer Strukturen verstärkt. Tudjman und Milosevic sind beide während des Krieges weniger gegen ihre politischen Gegner vorgegangen als heute, was sich in der Übernahme unabhängiger Medien und der Unterdrückung oppositioneller Parteien äußert, selbst wenn diese, wie in der Stadt Zagreb geschehen, die regierende Partei bei den Kommunalwahlen schlagen.

Anmerkungen

1) Alle zahlen nach: Wochenpost, 30.11.1995. Zurück

2) Die Zeit 10.Mai 1996. Zurück

3) FR 13.4.1996. Zurück

4) Daytoner Vertrag, Wright Patterson Air Force Base, Dayton, Ohio Nov 1-21, 1995. Zurück

5) Als Anhänge enthält der Daytoner Vertrag folgende Abkommen: Grenzziehung zwischen den Völkern Bosniens, Verfassung Bosnien-Herzegowinas, Bereitschaft zu Schiedsgerichtbarkeit bei Konflikten, Menschenrechte, Flüchtlinge und Vertriebene, Schutz von Kulturdenkmälern, Öffentliche Einrichtungen, zivile Implementierung und internationale Polizei. Zurück

6) Zoran Arbutina in Friedensforum 5/95. Zurück

7) Untersuchung des Saarbrücker Instituts für Entwicklungsforschung, durchgeführt im Auftrag der UNHCR. Nach: Handelsblatt vom 9.4.1996. Zurück

8) Diese Berichte sind bei den UNHCR-Büros zu beziehen. Zurück

9) Siehe Berichte von Otvorene Oci, dem kroatischen Team des Balkan Peace Teams. Zu beziehen bei: BPT, Marienwall 9, 32423 Minden. Zurück

10) Die Zeit 11.Mai 1996. Zurück

11) Eine Adressenliste von Friedens-, Frauen- und Menschenrechtsgruppen im ehemaligen Jugoslawien kann bezogen werden beim Bund für Soziale Verteidigung, Marienwall 9, 32423 Minden. Zurück

12) Rundbrief des Forums Ziviler Friedensdienst. Zurück

Christine Schweitzer, Ethnologin, Vorsitzende des Bundes für Soziale Verteidigung