Die Gewaltspirale wird weitergedreht. Am ersten Dezember-Wochenende starben in Israel erneut zwei Dutzend vor allem junge Menschen in Folge von Selbstmordattentaten gleichfalls junger Palästinenser. Die Bilder von zerrissenen Kindern brachten das Grauen vielleicht noch nachhaltiger in unsere Wohnzimmer als die fast technisch anmutenden Bilder einstürzender Wolkenkratzer. Das Entsetzen ist verständlich und es darf keine Diskussion darüber geben: Die Hintermänner dieser Verbrechen müssen zur Verantwortung gezogen, den Terrororganisationen muss das Handwerk gelegt werden.
Im November 1997 hielt der damalige US-Verteidigungsminister Cohen eine fünf Pfund schwere Tüte Zucker in die Kameras des Sonntagmorgen-Fernsehens und verkündete, dass eine solche Tüte gefüllt mit Milzbrandsporen die Hälfte der Washingtoner Bevölkerung töten würde. Spätestens damit wurde deutlich, dass Bioterrorismus ganz oben auf der US-amerikanischen Bedrohungsliste steht. Millionen Dollar wurden seitdem für nationale Anti-Bioterrorismus-Programme ausgegeben. Bemühungen, die in Studien als »zersplitterte Unordnung« charakterisiert wurden, da es ihnen an Fokus, Führung und Kohärenz fehle.
Größter Rüstungsauftrag der Geschichte
Das US-Verteidigungsministerium hat den bisher größten Rüstungsauftrag an den Rüstungskonzern Lockheed Martin vergeben: rund 200 Milliarden Dollar für den Bau des »Joint Strike Fighter«. Sind die weiteren Tests erfolgreich, dann sollen 2008 die ersten von 3.000 Exemplaren an die US-Luftwaffe, die Marine und das Marine-Korps geliefert werden. Für die britische Royal Navy und die Royal Air Force sind zusammen 150 Flugzeuge vorgesehen. Die Briten haben sich mit 1,5 Milliarden Dollar an der Entwicklung beteiligt (FAZ 29.10.01). Weitere 3.000 Maschinen möchten die USA in den nächsten Jahren an die »Verbündten« verkaufen. Damit könnte die Gesamtsumme des Auftragsvolumens auf 500 Milliarden Dollar steigen.
Die Attentate vom 11.9.2001 werfen viele Fragen auf: Wie konnte es zu diesen Anschlägen kommen? Haben die Sicherheitsdienste versagt? Was sind die Ursachen für den Terrorismus – was die Motive der Terroristen? Wie steht es um die Verwundbarkeit offener Gesellschaften? Wie ist dem Terrorismus wirksam zu begegnen? Markiert der Trümmerberg des »Ground Zero« eine Stunde Null für eine neue, gerechte und nachhaltige Friedens- und Zukunftsgestaltung in der Weltgesellschaft? Oder fällt die Welt zurück in finstere Zeiten von Kriegen zwischen dem »Guten« und dem »Bösen«, den »Gläubigen« und den »Ungläubigen«, dem »Okzident« und dem »Orient«? Kommt es zu neuen Kreuzzügen und weiteren Märtyrertaten oder sogar zum Kampf der Kulturen und Religionen?
Wie auch immer diese Fragen beantwortet werden, eines ist schon jetzt klar: Die Terrorattacken haben die Agenda der Weltpolitik von Grund auf verändert. Die Welt ist – wie die »coalition of the willing« zeigt – durch die Terrorakte zu einer enger zusammenstehenden Gefährdungs- und Überlebensgemeinschaft geworden.
Zum zweiten Mal nach 1999 entsenden Sozialdemokraten und Bündnisgrüne deutsche Soldaten mit einem expliziten Kampfauftrag in ein fremdes Land – nötigenfalls zum Töten und zum Sterben. Unter den Vorzeichen einer so genannten Normalisierung der deutschen Außenpolitik scheint ein solches Procedere zur Regel zu werden. Vergessen offenbar die einstmals so emphatisch betonte »Kultur der Zurückhaltung«, in der sich die bitter gelernten Lektionen einer in der Katastrophe kulminierten deutschen Politik mit kriegerischen Mitteln niedergeschlagen hatten. Ab sofort heißt es wieder: „Germans to the Front!“
Vor nunmehr sieben Jahren, als nach dem Ende des Kalten Krieges der Auftrag der deutschen Streitkräfte neu definiert wurde, formulierte der damalige Außenminister Klaus Kinkel einen Katalog politischer Prinzipien für eine Beteiligung der Bundeswehr an internationalen Militäraktionen1, welcher den ehemaligen, aber nunmehr offenbar überholten sicherheitspolitischen Grundkonsens der Bundesrepublik Deutschland widerspiegelte. Im Wesentlichen hatte sich diese Republik in einem langwierigen, bis vor das Bundesverfassungsgericht getragenen Disput auf folgende Prämissen verständigt, die erfüllt sein müssten, bevor die Bundeswehr in den Einsatz geschickt würde:
Bei den monströsen Attentaten vom 11. September 2001 erlitten die US-Nachrichtendienste ihr Vietnam der Terrorabwehr. Die Vorfeldaufklärung bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus – ein selbstgestecktes Hauptziel dieser Behörden – hatte auf der ganzen Linie versagt. Weder war es der Central Intelligence Agency gelungen, während der monatelangen Vorbereitungen der Al-Qaida-Organisation aus ihrem weltweiten Quellennetz einen brauchbaren Hinweis auf den teuflischen Plan zu fischen, noch konnte die National Security Agency aus der globalen Überwachung aller Telekommunikation irgendeine verdächtige Botschaft herausfiltern. Erich Schmidt-Eenboom geht ein auf die strukturellen Defizite, die Schlussfolgerungen, die in den USA und in der internationalen Zusammenarbeit gezogen wurden, sowie auf unterschiedliche Geheimdienstinteressen.
Die Kenner der US-Geheimdienstszene hat diese Unfähigkeit nicht überrascht. Als am 6. September 2001 im Senat das Budget der Intelligence Community für das kommende Haushaltsjahr auf mehr als 30 Milliarden Dollar festgesetzt wurde, da charakterisierte Bob Graham, Vorsitzender des Geheimdienstausschusses, diesen Finanzschub als Startschuss für ein mehrjähriges Programm zur Beseitigung ernsthafter Defizite, die sich in der zurückliegenden Dekade in der Geheimdienstgemeinde entwickelt hatten. Die CIA sollte künftig in mehr Agentenführer investieren, um Quellen in Terrorgruppen, im Drogen- und Waffenhandel sowie im Umfeld fremder Regierungen zu erschließen.
Die Attentate des 11. September haben viele sicherheitspolitische Fragen in den USA neu gestellt. Doch zwei Monate später sieht es so aus, als ob die USA auf die vielzitierten »neuen Bedrohungen« nur die alten Antworten hätten: Ausbau des Überwachungsstaates nach innen und Militäreinsatz nach außen. Lars Klingbeil, als Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung und während der Attentate in New York, verfolgte die sicherheitspolitische Diskussion in der US-Administration.
Bereits einen Tag nach den Attentaten verabschiedete der Kongress in einem Schnellverfahren ein Gesetz, mit dem Präsident Bush ermächtigt wurde „alle notwendigen und geeigneten Mittel gegen jene Nationen, Organisationen oder Personen einzusetzen, die die Terroranschläge vom 11. September 2001 planten, verübten oder unterstützten, oder die solchen Personen Unterschlupf gewährten, um für die Zukunft jegliche Angriffe des internationalen Terrorismus auf die USA durch solche Nationen, Organisationen oder Personen zu verhindern.“1 Der Senat verabschiedete diesen »Blanko-Scheck« für Bush mit 98:0, der Kongress mit 420:1 Stimmen. Lediglich die Demokratin Barbara Lee (Kalifornien) votierte gegen das Gesetz, da ihr die Befugnisse des Präsidenten zu hoch und die Einbindung des Parlaments zu gering erschienen.
Anders als der Begriff »Orient«, den wir im Allgemeinen mit romantischen Sehnsüchten besetzen, assoziiert das Wort »Naher Osten« in der deutschen Öffentlichkeit vielfach Gewalt. Wir denken an den endlosen Bürgerkrieg im Libanon, an Flugzeugentführungen durch palästinensische Freischärler, an Katyusha-Beschuss von Siedlungen im Norden Israels oder auch an die jüngste Welle von Selbstmordattentaten islamistischer Extremisten. Und so entsteht sehr schnell der Eindruck, der Terrorismus des Arabers und Muslims Bin Laden und al-Qaidas gehöre zur selben Kategorie wie die militanten Aktionen der schiitisch-libanesischen Hizbullah oder palästinensischer Organisationen in den besetzten Gebieten. Irrationale Gewalt und Terrorismus sind für uns »irgendwie« im Nahen Osten zuhause, scheinen »irgendwie« arabische oder islamische Ursachen zu haben. Allenfalls mit der gelegentlichen Anführung der Redewendung „Was des einen Terrorismus ist, ist des anderen Befreiungskampf“ sind wir bereit wahrzunehmen, dass es neben unserer Perspektive noch eine andere, für uns allerdings inakzeptable Position gibt.
Die Einschätzung, dass extreme, illegale Gewaltausübung ursächlich mit dem Islam oder dem Arabertum verbunden ist, dass es sich bei dem Terrorismus eines Bin Laden oder der Gewalt der afghanischen Taliban um ein und dasselbe Phänomen handelt wie in Palästina/Israel oder im Libanon, ist jedoch falsch. Sie berücksichtigt nicht die unterschiedlichen regionalen, soziopolitischen und kulturellen Problemlagen. Erst die Mechanismen der Globalisierung machen es möglich, dass Bin Laden, al-Qaida und die Taliban heute weltweite Bedeutung gewinnen und ihre spezifischen Formen des Terrors entwickeln können.
Schon bald nach den monströsen Terrorattacken von New York und Washington, als sich der islamistische Hintergrund herauskristallisierte, wurde der Islam als solcher vielstimmig als »Religion des Friedens« beschworen. Demgegenüber betont der Autor des vorliegenden Beitrags die moralische Ambivalenz von Religion im Allgemeinen und im Hinblick auf politische Gewalt die Ambivalenz des Islam im Besonderen. Vor allem in der Gegenüberstellung zum Christentum im dritten Schritt mag diese Position weiteren Diskussionsbedarf wecken. Einen entsprechenden Folgebeitrag würde die Redaktion begrüßen.
In den öffentlichen Diskussionen über die Hintergründe der Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA macht sich in drei wichtigen Punkten vielfach religionswissenschaftliche bzw. theologische Unkenntnis bemerkbar. Und das ist nicht nur religionswissenschaftlich oder theologisch ärgerlich, sondern unter Umständen auch politisch folgenreich.
„Was ist das für eine Religion, die solche Monster hervorruft“, fragte zwei Tage nach dem Inferno in New York die Redakteurin eines liberalen und einflussreichen deutschen Rundfunksenders einen Islamexperten. Welche Naivität und welche Unwissenheit! Die Journalistin steht aber gerade für die Unwissenheit des Westens über den Islam und die tief greifenden Hintergründe des Massenmords. Die allgemeine Ahnungslosigkeit in Verbindung mit dem Vorpreschen der militärisch-geostrategischen Kreise in den USA und der Nato, die ihre Stunde für eine weitere Militarisierung der internationalen Beziehungen gekommen sehen und nicht davor zurückschrecken, die weltweite Betroffenheit und Trauer um die Opfer des Terrors in den USA für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, droht zu einem gefährlichen Gemisch zu werden, das der Gewalteskalation einen neuen Schub mit ungeahnten Folgen geben dürfte.
Die Auswirkungen einer Gewalteskalation reichen weit über die arabisch-islamische Welt hinaus. Die menschliche Dimension des Verbrechens mahnt uns, uns mit dem Fundamentalismus zu beschäftigen. Dabei müssen wir allerdings auch fragen, wie es kommt, dass sich Milliarden Menschen, vor allem in der Dritten Welt, über die Zerstörung der Symbole des Reichtums und der Macht klammheimlich gefreut haben. Abertausende von ihnen könnten alsbald die Schwelle von passiver Zustimmung zum aktiven terroristischen Handeln überschreiten und überall in der Welt mit neuen Mitteln den gerade begonnenen globalisierten »Partisanenkrieg« weiterführen. Die Zerstörung der Legende von der Unverwundbarkeit der mit Abstand größten Militärmacht der Welt dürfte bei der großen Masse von Entrechteten und Gedemütigten dieser Welt zu einer Welle von terroristischen Nachahmern in den nächsten Jahren führen.
Berichte über die zielgerichtete Hinrichtung algerischer Intellektueller, über die Ermordung Hunderter Dorfbewohner durch Fundamentalisten und über die (Gegen-?)Gewalt des Staatsapparates sind aus unseren Presseorganen weit gehend verschwunden. Der Terroranschlag in den USA überlagert den »täglichen Terror« in Algerien und in vielen anderen Ländern. Donata Kinzelbach wirft einen Blick auf die Situation in Algerien und damit auf Ursachen des Terrorismus.
Durch Algeriens Geschichte ziehen sich Unterdrückung und Uneinigkeit wie ein roter Faden. Eine Vielzahl von Eroberungswellen haben ethnische Spuren hinterlassen: Römer, Vandalen, Araber verschiedener Stämme, Türken, Spanier und Franzosen. Die Geographie des Landes begünstigt den Individualismus noch: Das Land ist gekennzeichnet durch schroffe Hochgebirge mit unwegsamen Tälern, in denen Clans und Stämme sich von denen im – feindlichen – Nachbartal abgrenzen. Hinzu kommt eine Zersplitterung basierend auf vollkommen unterschiedlichen Gesellschaftsvorstellungen: Algerien wird u. a. bevölkert von islamischen Traditionalisten, arabischen Nationalisten, Muslimen unterschiedlicher Schulen und Riten, frankreich-orientierten Arabophonen, von Juden, nationalistischen Berbern, Berbern frankophoner Ausrichtung, christianisierten Berbern.
Politisches Bewusstsein und Handeln werden stark vom Feind-Freund-Denken beeinflusst, also von den kontrastierenden Bildern, die sich Politiker und die Bevölkerung von politisch relevanten Ereignissen und Akteuren machen. Ausgeprägte Feindbilder sind regelmäßig Begleiterscheinungen von Kriegen sowie wichtige Indikatoren für Vorkrieg, also für die mögliche Eskalation eines Konfliktes hin zu einer gewaltförmigen Auseinandersetzung. Im Folgenden geht unser Autor zunächst auf psychologische Überlegungen zum Feindbildkonzept ein; anschließend untersucht er deren Relevanz am Beispiel Afghanistankrieg und Terrorismus.
Feindbilder sind sozial vermittelte Deutungsmuster (Bilder), starke negative Vorurteile, die sich auf Gruppen, Ethnien, Staaten, Ideologien, Religionen oder Ähnliches beziehen.
Nach nun rund zehn Jahren intensiver Debatte darüber, was denn nun der Informationskrieg sei, und nach dem dazu grundlegenden Aufsatz von John Arquilla und David Ronfeldt1 von Anfang der neunziger Jahre lässt sich in der Abfolge der Kriege im Kosovo, Mazedonien und Afghanistan ganz simpel festhalten, dass gerade der Afghanistan-Krieg durch und durch zu einem Informationskrieg geworden ist. Im Afghanistan-Krieg sind Propaganda, gezielte Desinformation, Lügen, Verfälschungen, Vertuschungen, Manipulationen, Informationszurückhaltungen, Zensur, Pressionen gegen kritische Journalisten und unliebsame Medieneigner, staatliches Abhören der Telekommunikation, vorab vom Pentagon produzierte Videofilme mit Kampfjets usw. endgültig zum Normalfall geworden. Und der Umfang dieser Aktionen ist durchaus teuer und bedeutend: Allein zwischen Ende September und Ende Oktober 2001 starteten die USA drei neue militärische Spionagesatelliten und allein in diesem Zeitraum gaben alle US-Medien zusammen genommen den zusätzlichen Betrag von 25 Mio. US-Dollar für Kriegsberichterstattung aus. Das komplexe Wechselspiel zwischen Krieg und Kommunikation wird im Folgenden für den gegenwärtigen Informationskrieg rund um Afghanistan anhand von sieben Dimensionen beschrieben und analysiert.
Ganz ohne Frage ruht die gegenwärtige mediale, mentale und öffentliche Verarbeitung der terroristischen Anschläge auf das World Trade Centre und das Pentagon vom 11. September 2001 und der sich darin anschließende Afghanistan-Krieg auf einem historisch gewachsenen Sockel anti-islamischer Feindbilder. Sie bilden quasi eine Folie, vor der die mediale Verarbeitung des Afghanistankrieges einzelne Bruchstücke eines sowieso schon festgefügten Bildes über den Islam aktualisiert.
Leistungsfähigkeit und Stärke der Industriegesellschaften kommen zustande durch eine hochentwickelte zivile Infrastruktur. Fabriken, Kraftwerke, Kommunikationssysteme, Maschinen, Fahrzeuge, Verkehrswege, Bildungseinrichtungen, Dienstleistungsunternehmen, Ent- und Versorgungssysteme für Nahrung, Wasser und Gebrauchsgüter, Gerichte, Parlamente, Verwaltungen usw. bilden ein hoch entwickeltes und wirkungsvoll vernetztes System zur effizienten Realisierung unserer Lebensbedingungen. Diese zivile Infrastruktur ist äußerst verletzbar. Unser Autor geht ein auf die Stabilitätsbedingungen und Möglichkeiten zum Abbau der Verwundbarkeit.
Die Herausbildung einer zivilen Infrastruktur ist in unterschiedlichen Gesellschaften oder Kulturkreisen verschieden weit fort geschritten. Doch ihr Aufbau findet in Gesellschaften aller Kulturen statt, weltumspannend, kontinuierlich, Tag für Tag. Die technische Zivilisation hält weltweiten Einzug. Elektrifizierung und Alphabetisierung sind ihre Kennzeichen. Satelliten transportieren sie in jeden Winkel der Erde.
Bei Redaktionsschluss, Ende November 2001, ist für manche der Krieg gegen den Terrorismus „doch vorbei“ (vgl. SZ vom 22.11.01, S. 12). Aber abgesehen davon, dass dieses angebliche »Nach dem Krieg«, wenn man die einschlägigen Erklärungen von George W. Bush und anderen Kriegsherren aufmerksam zur Kenntnis nimmt, ein ausdrückliches »Vor dem Krieg« bedeutet, ist die Auseinandersetzung mit dem internationalen Terrorismus ganz sicher nicht vorbei. Daher erscheint uns eine andere »Stimme Amerikas«, die schon bald nach den Terrorattacken von New York und Washington (im Netz unter www.rmbowman.com) erhoben wurde, nach wie vor aktuell. Wir veröffentlichen diesen Beitrag mit Zustimmung des Autors.
Als Terroristen vor einigen Jahren zwei US-Botschaften zerstörten, schlug Präsident Clinton zurück und attackierte zwei verdächtigte Einrichtungen Osama bin Ladens. In seiner Fernsehansprache teilte der Präsident dem amerikanischen Volk mit, wir seien Ziele des Terrorismus, weil wir für Demokratie stünden, für Freiheit und Menschenrechte in der ganzen Welt. Aus diesem Anlass habe ich damals geschrieben:
Die Ereignisse vom 11. September haben allzu deutlich gezeigt, wie verwundbar die USA, die modernen Industriegesellschaften insgesamt sind. Keine Kernwaffenarsenale, keine Flugabwehr, keine Raketentechnologie und keine Weltraumsatelliten konnten verhindern, dass mit Hilfe von Teppichmessern Verkehrsflugzeuge in Massenvernichtungswaffen umgewandelt wurden. Der Versuch, Sicherheit aus großer Distanz mit immer ausgeklügelteren technischen Systemen herzustellen, muss kläglich scheitern, wenn der Gegner mitten in der Gesellschaft sitzt und klare Fronten nicht mehr auszumachen sind. Daran ändert auch der nachfolgende HighTech-Krieg gegen Afghanistan nichts: Er wird den USA nicht zur Unverwundbarkeit verhelfen. Dem zum Trotz fühlen sich US-Präsident George W. Bush und sein Verteidigungsminister Rumsfeld sogar in ihren Plänen bestärkt, die USA und ihre Alliierten mit Abwehrraketen und Weltraumwaffen vor Angriffen durch »Schurkenstaaten« und Terroristen zu schützen.
Seit ihrem Amtsantritt im Januar 2001 hat die Regierung Bush keinen Zweifel daran gelassen, dass der neue Präsident zumindest zwei Versprechen seiner Wahlkampfzeit einlösen will: Er gedenke die Anzahl der Atomwaffen drastisch zu reduzieren und den Aufbau eines Raketenabwehrschirmes deutlich zu beschleunigen.
MCS, die Multiple Chemikalien-Sensitivität, kann für die Betroffenen die Hölle bedeuten. Bis zu 15 Prozent der Bevölkerung in den Industriestaaten leiden an dieser Krankheit. Das besagen jüngste Schätzungen aus den USA. Und ihre Zahl steigt ständig. Wo die Ursachen dieser Krankheit liegen, ist immer noch nicht zweifelsfrei geklärt, und MCS gilt als nicht heilbar. Marion Hahn, selbst seit 1990 schwer an MCS erkrankt, hat über 10 Jahre die Ursachen ihrer Erkrankung erforscht und die Ergebnisse jetzt in einem Buch zusammengefasst.1 Während im Allgemeinen immer wieder Holzschutzmittel, Amalgam und Insektizide als mögliche Ursachen für MCS genannt werden, kommt sie zu dem Ergebnis, dass dieses nur die Auslöser sind. Als eigentliche Ursache verortet sie den NATO-Treibstoff JP8.
Stellen Sie sich vor, die Abwehrfunktionen Ihres Körpers brechen zusammen und Ihr Alltag wird in unserer chemisierten Umwelt für Sie zu einem einzigen Überlebenskampf. In Ihrer täglichen Not geht es um so selbstverständliche Dinge wie die Luft, die Sie atmen. Stellen Sie sich vor, dass Sie Ihre Möbel, Ihre Kleidung und Ihre gewohnte Nahrung mit einem Mal nicht mehr vertragen, dass Sie auf alles mit einer Unzahl von teils lebensbedrohlichen Symptomen reagieren. Stellen Sie sich vor, Sie gehen mit Ihren vielen schweren Symptomen vertrauensvoll von Arzt zu Arzt und bekommen immer wieder zu hören: Sie haben nichts, Sie sind kerngesund, Sie bilden sich das Ganze nur ein.
Bernhard Nolz, Gesamtschullehrer in Siegen, Sprecher der bundesweiten Initiative »Pädagoginnen und Pädagogen für den Frieden« (PPF), Vorstandsmitglied von W&F und engagiert im Siegener Zentrum für Friedenskultur ist seit dem 18. September vom Dienst suspendiert, ab dem 5. Dezember soll er zwangsversetzt im 70 km entfernten Kierspe (Hochsauerlandkreis) arbeiten. Sein Fehler: Er hat auf einer Trauerkundgebung für die Opfer des 11.9. für den Fall eines Krieges zur »Kriegsdienstverweigerung« aufgerufen. Die Dienstaufsichtsbehörde sieht darin einen Verstoß gegen die Mäßigungspflicht des Beamten und »Störung des Schulfriedens«.
Die Siegener Gesamtschule, an der Nolz Lehrer ist, ist nach Bertha von Suttner benannt, Pazifistin und Friedensnobelpreisträgerin. Eigentlich eine Verpflichtung, sollte man denken. Doch nicht so für die Siegener Politprominenz. Für sie ist Bernhard Nolz, der sich seit Jahren für die friedliche Lösung von Konflikten, gegen Gewalt und Krieg engagiert, offensichtlich seit langem ein Störfaktor, den es von eben von dieser Schule zu entfernen gilt. Eine Kundgebung für die Terroropfer des 11.09. war jetzt der willkommene Anlass.