Neues aus den USA

Neues aus den USA

von Redaktion

Seit dem Juni 1985 haben fast 7000 Wissenschaftler und Ingenieure an US-amerikanischenUniversitäten erklärt, Star-Wars-Forschungsgelder nicht in Anspruch nehmen zu wollen.Damit wollen sie ihre Opposition gegen das SDI-Programm zum Ausdruck bringen. IhrenWiderstand begründeten die Unterzeichner in vier Punkten:

  1. eine Raketenabwehr mit ausreichender Zuverlässigkeit, die die Bevölkerung der USA vor einem sowjetischen Angriff schützen soll, ist technisch nicht machbar;
  2. ein System mit begrenzteren Möglichkeiten wird nur dazu dienen, das nukleare Wettrüsten zu eskalieren, indem es die Entwicklung der beidseitigen offensiven overkill-Kapazitäten begünstigt und einen umfassenden Wettlauf bei den Anti-Raketen-Waffen hervorruft;
  3. das Programm wird bestehende Rüstungskontroll-Abkommen aufs Spiel setzen und Verhandlungen noch schwieriger machen. Besonders der ABM-Vertrag würde bereits vor der Stationierungsentscheidung verletzt;
  4. das Programm ist ein Schritt zu solchen Waffenarten und Strategien, die einen nuklearen Holocaust auslösen können. Hierbei wird besonders die destabilisierende Rolle von Anti-Satelliten-Waffen erwähnt.

In der „Erklärung der Nichtteilnahme“ weisen die Wissenschaftler auch aufdie Gefahren für die akademische Freiheit durch militärische Geheimhaltungsvorschriftenhin.

Demgemäß heißt es in der Erklärung, „werden wir als Wissenschaftler undIngenieure weder um SDI-Mittel nachsuchen noch sie akzeptieren, und wir werden andereermutigen, sich unserer Weigerung anzuschließen.“

Bedingungen des Widerstandes

Die Unterschriftensammlung begann, nachdem die SDI-Behörde eine eigenständigeInstitution für die Einbeziehung der Universitäten – das sog. Office of InnovativeScience and Technology (IST) – im Frühjahr 1985 etabliert und erste Meldungen überVerträge mit MIT und Caltech lanciert hatte. Diese Nachrichten stellten sich als falschheraus; die Präsidenten beider Einrichtungen dementierten verärgert. Daraufhin bildetensich an den Physik-Fakultäten der Cornell-Universität und der Universität von Illinoiserste Initiativen gegen die drohende SDI-„Unterwanderung“. Die Boykottbewegunghatte mit einem Berg von Schwierigkeiten zu kämpfen: Erstens scheint die Zurückweisungder SDI-Mittel unter den Bedingungen der Reduzierung ziviler Wissenschaftsetats einerEinschränkung der Forschungsmöglichkeiten gleichzukommen. 1986 sollten dieUniversitäten 140 Millionen Dollar erhalten – ein Zehntel des gesamten Budgets derNational Science Foundation. Zweitens verbreiteten sich überall Gerüchte, daß andereFinanz agenturen des Department of Defense angewiesen seien, Forschern Mittel zuverweigern, die sich offen gegen SDI aussprechen würden. Donald Hicks, Undersecretary forResearch and Development, hatte diese Gerüchte indirekt bestätigt und in Sciencemagazine erklärt: „Sie haben die Freiheit, ihren Mund zu halten (…) Ich bingenauso frei, Geld zu geben (…)“ Drittens sind es Wissenschaftler und Ingenieurenicht gewohnt, in großer Zahl in die Öffentlichkeit zu gehen.

Andere Faktoren wiederum begünstigten die Ausbreitung der Boykottbewegung. Generellverbreitete sich Widerspruch gegen das Star-Wars-Programm. Viele Wissenschaftler warenempört über die unverhüllte Einlassung des IST-Managers Jonson, die Wissenschaftlerwürden gebraucht bei dem Versuch, das Programm dem Kongreß zu verkaufen. Für solchepolitischen Zwecke wollten sie sich nicht manipulieren lassen. Verärgert waren sie auchüber die falschen Ankündigungen über die Unterstützung des Programms durch dieWissenschaftlergemeinschaft. Jonson hatte ausgerufen: „Virtually everyone, on everyCampus, wants to get involved.“ Die Wissenschaftler fanden die Idee bizarr, es könneeinen absoluten Schutzschild für die amerikanische Bevölkerung geben. Nicht zuletztargwöhnten sie, auch unter dem Eindruck der Studie des Senators Proxmire, daß es bei denVerlautbarungen über wissenschaftlich-technische Durchbrüche eher um spektakuläreErfolge für die Öffentlichkeit als um wissenschaftliche Errungenschaften gehe.

Erfolgsbilanz

Das Ergebnis der Kampagne gegen SDI kann sich sehen lassen:

  1. In jedem der 109 Fachbereiche für physikalische und Ingenieurwissenschaften an 72 Universitäten haben mehr als 50% der Fakultätsmitglieder erklärt, nicht an Star-Wars-Forschung teilnehmen zu wollen. Das schließt ein 63 Physik-Fachbereiche und 46 Einrichtungen für Engineering und verwandte Gebiete.
  2. Die Erklärung wurde unterzeichnet von 57 % der Fakultätsmitglieder an den 20 Top-Einrichtungen des Landes. Die Liste wird angeführt von Harvard, Cornell, Caltech, Princeton, MIT, University of California-Berkeley und Stanford.
  3. Die Unterschriftensammlung hat landesweite Unterstützung gefunden: Professoren an über 110 Institutionen in 41 der 50 Bundesländer haben sich angeschlossen.
  4. Unterzeichnet haben über 3700 Professoren und „senior researchers“, fast 3000 Graduierte und „junior researchers“.
  5. Unter den Professoren sind viele der bestangesehensten Forscher des Landes. So haben 15 Nobelpreisträger unterschrieben.
  6. Eine erhebliche Zahl der Professoren, die ihre Mitarbeit an SDI verweigern wollen, akzeptieren andere Forschungsmittel der Militärs. An der Cornell-Universität zeigte die Befragung der 111 Fakultätsmitglieder, die unterzeichnet haben, daß 52 % entweder DoD-Mittel erhalten hatte, gegenwärtig erhält oder ständig damit arbeitet.

Ziele der Verweigerungskampagne

Die Initiatoren verweisen bei der Boykottkampagne auf das Beispiel der „Göttinger18“. Deren Erklärung half, die atomare Bewaffnung der Bundeswehr zu verhindern. Undangesichts der gängigen Zurückhaltung der scientific community bei öffentlichenErklärungen ist die bisherige Unterschriftenbilanz ein Faktor, den die US-Regierung nichteinfach ignorieren kann. Zu Recht weisen die SDI-Gegner auf die heftigen Bemühungen derSDI-Administration hin, mit der Einbindung der Wissenschaftler die Öffentlichkeit inihrem Sinne zu beeinflussen. Im Umkehrschluß heißt dies: Je größer die Ablehnung inden Universitäten, desto schlechtere politische Durchsetzungsbedingungen. Ein Resultatwird auch darin gesehen, daß durch den Entzug von wissenschaftlicher Kompetenz dieEntwicklung des Star-Wars-Projekts tatsächlich verlangsamt werden kann.

Fest steht schon heute: Reagan hat in seiner Rede vom März 1983 die Wissenschaftleraufgerufen, sich seiner SDI-Vision anzuschließen. Er hat eine Antwort bekommen.

Editorial

Editorial

von Paul Schäfer

1296 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben binnen zweier Wochen den Appell der Herausgeber dieser Zeitschrift „Die historische Chance zur Abrüstung nutzen“ unterzeichnet. öffentliches Eingreifen in die Belange der Sicherheits- und Militärpolitik ist Moment der politischen Kultur der Wissenschaft geworden. Der Wissenschaftleraufruf war Teil einer Mehrheitsmeinung hierzulande. Dagegen läßt sich auf Dauer schlecht regieren.

Der CDU/CSU-Teil der Bundesregierung hatte bis zuletzt gehofft, mit Hilfe anderer NATO-Alliierter Hürden gegen ein Abrüstungsabkommen aufbauen zu können. Doch in Stavanger blieb Herr Wörner allein. Die Regierung mußte auf die doppelte Null-Lösung einschwenken. Diese Erfahrung bleibt festzuhalten: nur angesichts ihrer vollständigen nationalen wie internationalen Isolierung war die Regierung der Bundesrepublik Deutschland bereit, sich mit einem Abkommen über die landgestützten Mittelstreckenraketen in Europa abzufinden, das etwa 3 % der Sprengköpfe betrifft, die in den Arsenalen der USA und der UdSSR gelagert sind. Die CDU/CSU-Mehrheit bekämpft förmlich bis zur letzten Sekunde das Vorhaben. Noch klammert sie sich an ihre Pershing Ia. Soll dies zum Stolperstein werden? Die Deklarierung dieser Raketen als „Drittstaatenwaffen“ muß uns argwöhnisch machen. ist der Traum von der deutschen Atommacht immer noch nicht ausgeträumt? Angesichts das Verbleibens von über 10.000 Sprengköpfen in Europa wirft die ständige Rede von der drohenden Entnuklearisierung die Frage auf, ob hier „bloß“ Angst gemacht wird oder heimliche ängste einer Nuklearelite durchbrechen, die sich vier Jahrzehnte inmitten der Schutzverheißungen einer nuklearen Militärkultur eingewöhnt hat. Hier geht es um die Angst vor einer Abrüstungsdynamik, die den Bedürfnissen von Millionen Menschen entsprechen würde. Daher scheinen zumindest Teile der Bundesregierung offenbar weniger an einer Fortsetzung der Abrüstung zu arbeiten, als an der Konterkarierung des ungeliebten Zugeständnisses. Verteitigungsminister Wörner hält es für an der Zeit, „in der sicherheitspolitischen Debatte wieder Boden unter die Füße zu bekommen“. Gemeint ist die Aufstockung bei den „luftgestützten und seegestützten taktisch-operativen Atomwaffen größerer Reichweite“ (FAZ, 30. 6. 87). Neues Denken? Bestimmt nicht. Die Friedenswoche im November wird ein Ort sein, wo die Beiträge der Friedensbewegung in der sicherheitspolitischen Debatte diskutiert werden.

Die Regierung der USA scheint auf ein Abrüstungsabkommen bei den Mittelstreckenraketen eingehen zu wollen. Zu hoch ist der Preis politischer Glaubwürdigkeit, als daß man die Nichtannahme eigener Vorschläge riskieren könnte. Aber es gibt auch die stille Hoffnung, mit einem solchen Abkommen bei der Militarisierung des Weltraums freie Hand zu bekommen. Wir informieren also weiterhin über SDI. Wieweit auch die Reagan-Administration von einem Denken gemeinsamer Sicherheit und west-östlicher Verantwortungsgemeinschaft für die globalen Probleme entfernt ist, hat jüngst Caspar Weinberger in seinem Jahresbericht an den Kongreß klargemacht. Wir dokumentieren einen Auszug.

Einem weiteren Thema bleiben wir treu: der Analyse und Kritik der Militarisierung der Wissenschaften. Die Naturwissenschaftler-Initiative „Verantwortung für den Frieden“ hat die Frage der Rüstungsforschung erstmals zum Gegenstand einer Fachtagung gemacht. Eine ähnliche Diskussion lasse gegenwärtig, so Charles Schwartz (Berkeley), in den USA noch auf sich warten. Zur Unterstützung der Friedensarbeit der verschiedenen Initiativen soll auch die Edition einer völlig neu bearbeiteten und stark erweiterten „Expertenkartei“ beitragen, welche die Informationsstelle Wissenschaft und Frieden noch vor dem Antikriegstag publizieren wird.

Ihr Paul Schäfer

Fraktionen unvermeidlich? Die Friedensbewegung in der Wissenschaftlergemeinschaft.

Fraktionen unvermeidlich? Die Friedensbewegung in der Wissenschaftlergemeinschaft.

Prinzipielles * Erfahrungen * Schwierigkeiten

von Gernot Böhme

Vorbemerkung:

Die nun folgenden Überlegungen bedürfen einer methodischen Vorbemerkung. Ich stelle sie nicht als jemand an, der die Friedensbewegung von außen beobachtet, Fakten feststellt und Hypothesen über mögliche Bewegungsgesetze formuliert. Meine Perspektive ist vielmehr die Teilnehmerperspektive. Das in dieser Perspektive angestrebte Wissen muß wissensoziologisch als Orientierungswissen bezeichnet werden. Es geht darin neben dem Feststellen von Fakten um das bewußte Aufsuchen von Strukturen und Tendenzen, die Handlungschancen eröffnen. Meine Perspektive ist durch den realen Kontext eines westlichen Landes, der Bundesrepublik Deutschland, geprägt. Das bedeutet, daß meine Überlegungen nicht ohne eingehende Diskussion auf andere Kontexte übertragbar sind.

Prinzipielles:

Der Begriff der sozialen Bewegung ist schwer Handhabbar, aber für die moderne soziologische Analyse unvermeidlich. Er bezeichnet eine Menge von Menschen und das ihnen gemeinsame Handlungspotential. Dabei kann man weder mit Bestimmtheit sagen, wer zur sozialen Bewegung gehört und wer nicht, noch, zu welcher Art von Handlungen das charakteristische Handlungspotential führen kann. Einstellungen können sich bekanntlich in Gesellschaften ohne eine existierende soziale Organisation verbreiten, aber man kann immerhin soviel sagen, daß die für soziale Bewegungen charakteristischen Einstellungen ein Potential zur Selbstorganisation enthalten. Charakteristisch für moderne soziale Bewegungen ist die Vernetzung (Telefonketten und ähnliches), die Kontaktadresse, die Arbeitsgruppe, die Initiative – die Organisationsformen können aber auch über den Verein bis zur Partei reichen. Ferner kann man sagen, daß alle möglichen Aktivitäten einer sozialen Bewegung eine gemeinsame Intention enthalten, d.h. auf ein wenn auch noch so vage definiertes Ziel gerichtet sind. Dieses Ziel ist für die Frauenbewegung die Gleichberechtigung der Frau, für die Ökologiebewegung die gute Natur, für die Friedensbewegung der Frieden. Wichtig scheint mir nun zu sein, daß alle modernen sozialen Bewegungen durch eine vage Wahrnehmung von Widerständen gegen die Realisierung ihrer Intentionen bestimmt sind. Ich betone moderne soziale Bewegungen, weil die Arbeiterbewegung ja historisch sehr bald ihren Widerpart als Klassengegner erkannt hat. Jede soziale Bewegung hat ihren Widerpart, aber moderne soziale Bewegungen haben es sehr viel schwerer, diesen überhaupt gesellschaftlich zu identifizieren. Er wird deshalb häufig als „das System“ bezeichnet, als das Patriarchat beispielsweise oder das Industriesystem, oder schlicht als Gegensatz zur eigenen sozialen Verfaßtheit (einer grassroot-movement) als „der Staat“ oder „die Etablierten“ (so gelegentlich in der Studentenbewegung). Die Schwierigkeit, den Widerpart der sozialen Bewegung als Gegner sozialer Auseinandersetzung zu identifizieren, hängt auch mit dem Internationalismus der sozialen Bewegungen zusammen. Nun ist sicher Internationalismus eine gute Sache, aber konkrete soziale Auseinandersetzungen müssen im nationalen Handlungskontext ausgetragen werden. Auch die Arbeiterbewegung hätte wohl schwerlich viel erreicht, wenn sie nur das kapitalistische System als ihren Gegner bezeichnet hätte und nicht in die Auseinandersetzung mit nationalen Bourgeoisien eingetreten wäre.

Auch die Friedensbewegung scheint mir an den genannten Schwächen zu leiden. Dabei hat ihr Internationalismus eine für diesen Fall sogar besonders positive Bedeutung. Man glaubt nämlich, durch die Vernetzung der internationalen Friedensbewegung selbst ein gewichtiges Stück der Arbeit fr den Frieden geleistet zu haben. Das darf man aber nicht überschätzen, denn der Frieden ist – heute jedenfalls – kein Problem der Mentalitäten. Der Widerpart der Friedensbewegung wird vage als „die Großmächte“ gesehen. Entsprechend richten sich die Appelle der Friedensbewegung an deren Repräsentanten, heute also an Reagan und Gorbatschow. Dabei werden die Großmächte wie zwei Riesenhirsche gesehen, die sich miteinander in ihren Geweihen verhakt haben und die es durch behutsames Zureden zu bewegen gilt, voneinander abzulassen. Internationalismus und die Fixierung auf das „System“ (hier des Wettrüstens) drohen das Handlungspotential der Friedensbewegung unschädlich zu machen und quasi in Ideologie zu sublimieren. Es gilt deshalb meiner Ansicht nach, für die Friedensbewegung nationale Adressaten zu identifizieren und zu erkennen, daß es gesellschaftliche Fraktionierungen bezüglich der Fragen von Krieg und Frieden, von Rüstung und Abrüstung gibt.

Thesen: Meine Hauptthese ist, daß es gesellschaftliche Fraktionen bezüglich der Friedensfrage gibt. Ich kann diese These allerdings nur spezifizieren unter Zuhilfenahme einer Hilfsthese, welche besagt: das Problem zwischen Ost und West, d.h. zwischen den beiden Großmächten bzw. dem Warschauer Pakt und der NATO, ist heute ein Problem der Abrüstung. Diese Hilfsthese beruht natürlich auf einer politischen Einschätzung und bedürfte als solche einer ausführlichen Begründung. Meiner Einschätzung nach ist der faktische Frieden, in dem wir leben, heute nicht durch einen ideologischen Gegensatz, durch wirtschaftliche Gegensätze oder durch die Unterschiede von Gesellschaftssystemen bedroht, sondern durch die Existenz der Waffensysteme auf beiden Seiten. Das war sicherlich nicht immer so, aber heute muß man wohl sagen, daß der Antagonismus der Waffen jeden anderen überdeckt.

Die Spezifikation meiner allgemeinen These heißt demnach: Es gibt gesellschaftliche Fraktionierungen bezüglich der Frage von Rüstung und Abrüstung, d.h. es gibt innergesellschaftliche Kräfte, die einem Fortschritt in der Friedensfrage insbesondere einem Fortschritt in der Abrüstung entgegenstehen. Solche Kräfte gilt es zu identifizieren, damit die Friedensbewegung wirkungsvoll werden kann. Ober solche innergesellschaftlichen Kräfte bzw. Interessen, die Fortschritten in Frieden und Abrüstung entgegenstehen, möchte ich mich zunächst allgemein äußern. Ein solches Interesse ist beispielsweise das Interesse der Herauslagerung des Klassenfeindes nach draußen. Durch diesen Mechanismus werden innergesellschaftliche Gegensätze vermieden bzw. jeweils der eine oder der andere Part solcher Gegensätze desavouiert. Er ist wohl für eine lange Periode der deutsch-deutschen Beziehungen charakteristisch gewesen. Ferner kann man Interessen bestimmter gesellschaftlicher Gruppen an der Fortsetzung des Wettrüstens unterstellen. Insofern ist das Militär und alles, was daranhängt, insofern ist auch die Rüstungsindustrie samt den in ihr beschäftigten Arbeitern, wenn sie um ihren Arbeitsplatz fürchten müssen, Fraktion. Solche retardierenden Interessen können sich auch in der Regierungspolitik niederschlagen.

Die nun im Sinne meines Themas eigentlich wichtige Spezifizierung meiner allgemeinen These ist folgende: Es gibt innerhalb der Gemeinschaft der Wissenschaftler und Techniker (der wissenschaftlich-technischen Intelligenz) eine Fraktion, die an einer Fortsetzung des Wettrüstens interessiert ist. Mit „Interesse“ meine ich dabei – wie das auch beim Begriff des Klasseninteresses üblich ist – nicht notwendig ein bewußtes Interesse, sondern ein Interesse, das durch die gesellschaftliche Stellung, durch Ausbildung und Arbeit implizit mitgegeben ist. Die Begründung meiner These ist einerseits eine quantitative, andererseits stützt sie sich auf Überlegungen der Struktur militärischer Forschung und Entwicklung.

Nach Schätzungen der UNO und des SIPRI sind heute 25 bis 40 % aller Naturwissenschaftler und Ingenieure weltweit in militärischer Forschung und Entwicklung tätig.1 Das heißt aber, wenn man diese Tatsache ganz nüchtern betrachtet, daß hier Kapazitäten vorhanden sind, die ständig ihre Nutzung fordern. Dieses Kapazitätsproblem ist erstmalig deutlich geworden, als zum Bau der Atombombe im 2. Weltkrieg eine Forschungs- und Entwicklungskapazität von industrieller Größenordnung geschaffen worden war, die nach der Niederwerfung von Nazi-Deutschland eigentlich überflüssig geworden wäre. Die vorhandenen Kapazitäten bedeuten einen ständigen Druck auf Fortsetzung des Wettrüstens. Nun gibt es natürlich von Seiten der Friedensbewegung viele Überlegungen und Initiativen zur Konversion. Diese an sich richtigen Bemühungen dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß wir heute gemessen an friedlichen Zwecken eine Überkapazität an Wissenschaft und Technik haben. Obgleich der Friede ein noch größeres Problem ist als der Krieg, bedarf es wohl nicht primär der Wissenschaft zu seiner Realisierung. Der Krieg ist heute ein wissenschaftlich-technisches Projekt, der Friede ist es nicht.

Die Entwicklung neuer Waffensysteme ist heute ein hochartifizielles und langwieriges Geschäft. Man muß wohl davon ausgehen, daß die Forschung und Entwicklung für neue Waffensysteme mindestens 15 Jahre in Anspruch nimmt. Das heißt aber, daß weder Militärs, noch Politiker die technischen Möglichkeiten künftiger Waffen übersehen und daß umgekehrt Wissenschaftler und Techniker bereits Waffensysteme entwerfen, lange bevor dafür ein Bedarf im konkreten, militärischen und politischen Kontext artikuliert wird. Wissenschaftler und Techniker treten deshalb gegenüber Militär und Politik als Anbieter und Lobbyisten auf. Das Interesse, das sie dabei haben, mag sich als nationales Sicherheitsinteresse darstellen, es kann aber durchaus auch ein Arbeitsplatzinteresse sein oder ein Interesse an weitergehendem sozialem Einfluß, es kann aber schließlich auch ein wissenschaftliches und technisches Interesse im engeren Sinne sein: Rüstungsforschung ist in der Regel Frontforschung, Rüstungstechnik ist in der Regel extreme Technik, und Mittel für wissenschaftliche und technische Entwicklungen sind in jedem Fall am leichtesten zu bekommen, wenn sie sich nationalen Sicherheitsinteressen subsumieren lassen.

Meine Konsequenz aus dieser Analyse ist natürlich, daß Wissenschaftler und Ingenieure, die sich der Friedensbewegung verbunden fühlen, damit rechnen müssen, daß sie in der Gemeinschaft der Wissenschaftler und Techniker Fraktion sind.

Erfahrungen: Auch in der Friedensbewegung unter Wissenschaftlern spielt der Internationalismus eine große Rolle. Er hat hier sogar eine bessere Basis als in der Friedensbewegung im großen, insofern Internationalismus zum Wesen der Wissenschaft gehört und Vernetzungen hier seit je existieren. In der Tat ist ein hohes Maß von Verständigung auch in Perioden möglich gewesen, in denen ideologische Gegensätze die Kommunikation zwischen den Blöcken fast unmöglich gemacht hatten. Die Pugwash-Bewequng, die auf einen Aufruf von Einstein und Russen zurückgeht, lebt aus diesem Potential. Pugwash-Konferenzen haben in der Tat auch zu informellen Kontakten unterhalb der politischen Ebene gedient und manche Abrüstungsgespräche vorbereitet. Der Internationalismus wird hier mit gutem Recht als eine Form konkreter Friedensarbeit verstanden.

Eine zweite Möglichkeit, wie Wissenschaftler als solche meinen, für den Frieden arbeiten zu können, ist die sogenannte Friedensforschung. Natürlich muß man hier aufpassen, daß nicht einfach ein Teil der Rüstungsforschung sich als Friedensforschung deklariert im Sinne der allgemeinen Ideologie, daß Waffen und Militär dazu da seien, den Frieden zu sichern. Eigentliche Friedensforschung versteht sich daher als Kontrastforschung. Sie dient zum einen Teil dem klassischen Ziel der Aufklärung. Als Beispiel für diesen Typ ist die Arbeit des Stockholmer Friedensinstituts SIPRI zu nennen. Es geht in dieser Arbeit darum, eine kritische Auseinandersetzung um die Rüstungsentwicklung in der Öffentlichkeit zu ermöglichen, indem die wahren Tatsachen publiziert werden. Zum anderen geht es um eine Destruktion der von beiden Seiten aufgebauten Feindbilder und Bedrohungsbehauptungen. Wissenschaft im Sinne von Aufklärung wollen auch solche Untersuchungen leisten, die anhand von Kriegsszenarien die möglichen Konsequenzen militärischer Strategien der Öffentlichkeit vor Augen führen. Ein anderer Teil der Friedensforschung versucht, die Ursachen von Konflikten aufzudecken und Möglichkeiten nichtmilitärischen Konfliktaustragens bzw. nichtmilitärischer Konfliktlösung zu entwerfen.

Nehmen Wissenschaftler im Sinne des Internationalismus eine besondere Chance ihres Metiers wahr, so glauben sie, als Wissenschaftler auch eine besondere Verantwortung für den Frieden zu haben: anders als der durchschnittliche Bürger eines Landes hätten sie aufgrund ihrer Kompetenz die Möglichkeit, das hochkomplexe System der modernen Rüstung zu durchschauen und die möglichen Folgen von Strategien und Waffen zu beurteilen. Darüber hinaus aber gibt es auch viele Aktivitäten von Wissenschaftlern für den Frieden, die sich von den Aktivitäten anderer Menschen nicht unterscheiden, die lediglich Wissenschaftlern aufgrund ihres Arbeitszusammenhanges oder ihrer Berufsverbände zusammenführen. Gleichwohl erhalten die Appelle, die aus solchen Wissenschaftler-Initiativen stammen, ein besonderes Gewicht, das aus dem hohen Ansehen von Wissenschaft und Technik in unseren Gesellschaften im allgemeinen resultiert.

Die drei genannten Arten von Aktivitäten (Internationalismus, Friedensforschung, Appelle) – so wertvoll und unverzichtbar sie sind – behalten doch etwas Philiströses, wenn sie nicht durch eine vierte Form von Aktivitäten ergänzt und mitbestimmt werden. Gerade, wenn Wissenschaftler und Ingenieure sich eine besondere Rolle im Kampf für den Frieden zuerkennen, dürfen sie nicht vergessen, daß sie als Angehörige der wissenschaftlich-technischen Intelligenz Mitverantwortung dafür tragen, daß Wissenschaft und Technik selbst ein so gewichtiger Faktor im Rüstungswettlauf sind. Solange Wissenschaftler die Adressaten ihrer Friedensaktivitäten nur in „den Großmächten“, Regierungen oder der Öffentlichkeit erkennen, impliziert das ein Verkennen des nächstliegenden Problems. Das Problem der Abrüstung muß für Wissenschaftler und Techniker im eigenen Haus angepackt werden. Die Adressaten ihrer Appelle oder gegebenenfalls sogar die Gegner ihrer Aktivitäten können ihre nächsten Kollegen sein. Bevor ich auf die Probleme, die dieser Teil des Friedenskampfes enthält, eingehe, möchte ich noch kurz dessen mögliche Formen aufzählen. So hat es beispielsweise direkte Aktionen gegen Kriegsforschung im Sinne von Institutsbesetzungen und Blockaden der Zugänge zu Labors gegeben. Eine andere Form ist die Veröffentlichung von unter Verschluß geratenen rüstungsrelevanten Forschungsaufträgen.

Eine weitere Form, die nicht die Rüstungsforschung direkt angreift, aber doch die Fronten klarmacht, ist die Verweigerung. Es gibt sie als individuelle oder als aggregierte Verweigerung. Eines der berühmtesten Beispiele, das hier zu nennen wäre, ist das Manifest der 18 Göttinger Atomwissenschaftler von 1957. Darin heißt es: „Jedenfalls wäre keiner der Unterzeichneten bereit, sich an der Herstellung, der Erprobung oder dem Einsatz von Atomwaffen in irgendeiner Weise zu beteiligen.“ Derartige Verweigerungserklärungen gibt es inzwischen in großer Zahl. Sie stellen einen moralischen Druck auf die Rüstungsforschung bzw. die in ihnen tätigen Personen dar und entziehen der Rüstungseskalation intellektuelles Potential.

Da eine dieser Erklärungen von der Initiative für Abrüstung an der TH Darmstadt formuliert wurde, möchte ich sie hier als Beispiel zitieren. Sie kursierte unter dem Titel „Darmstädter Verweigerungsformel“ an mehreren Hochschulen der Bundesrepublik und wurde von Wissenschaftlern individuell unterschrieben:

„Ich erkläre hiermit, daß ich mich im Rahmen meiner Tätigkeit als Wissenschaftler oder Techniker an der Entwicklung militärischer Rüstung nicht beteiligen will. Ich werde mich vielmehr um eine Aufklärung des Beitrages meines Fachgebietes zur Rüstungsentwicklung bemühen und der militärischen Verwendung wissenschaftlichen und technischen Wissens entgegenwirken.“2

Ein anderes Beispiel ist der Brief an Bundeskanzler Kohl, in dem 350 Wissenschaftler der Max-Planck-Institute im Münchener Raum es ablehnen, sich an SDI zu beteiligen. Ferner gibt es die Petition gegen SDI, die an amerikanischen Hochschulen kursiert und die inzwischen von 10.000 Wissenschaftlern unterschrieben worden ist.3 Als letztes Beispiel möchte ich die Weigerung von Ärzten nennen, sich in Katastrophenmedizin ausbilden zu lassen, durch die sie deutlich machen wollten, daß es im atomaren Ernstfall doch keine ärztliche Hilfe gibt.

Probleme: Die zuletzt genannte Form von Aktivitäten der Wissenschaftler für den Frieden ist zweifellos die wichtigste, handelt es sich doch bei der Auseinandersetzung um die Rüstungsforschung und -entwicklung um ein Problem, das für Wissenschaftler und Techniker prinzipiell in erreichbarer Nähe liegt. Wenn irgendwo, so können hier ihre Aktivitäten zu einem wirksamen Handeln werden, zumal sie mit konkreten, identifizierbaren Widerständen zu rechnen haben. Da, wie gesagt, ein Teil der wissenschaftlich-technischen Intelligenz ein mehr oder weniger manifestes Interesse an der Fortsetzung der Rüstungseskalation hat, kann die Auseinandersetzung um die Rüstungsforschung zu einem Kampf für den Frieden im engeren Sinne werden. Ich möchte deshalb für diese Form der Aktivitäten von Wissenschaftlern für den Frieden auf die Probleme, mit denen man dabei zu rechnen hat, eingehen.

Die erste Form der Probleme möchte ich Probleme des Taktes nennen. Sie hängen damit zusammen, daß trotz aller notwendigen Kontroversen und Kritik Konsens eines der obersten Ziele der Wissenschaft ist. Fraktionen innerhalb der Wissenschaftlergemeinschaft sind an sich ein unerträglicher Gedanke. Da aber Kritik und Kontroverse auch notwendig zur Wissenschaft gehören, sind Höflichkeit, Takt und die Unterstellung von Ehrenhaftigkeit Verhaltensformen, die grundsätzlich gewahrt werden müssen. Man mag auf sachlichem Gebiet verschiedener Meinung sein, aber man tritt einem Kollegen nicht zu nahe. Dies ist der Grund, warum viele Wissenschaftler, die sich durchaus für den Frieden engagieren wollen, es ablehnen, auf Kollegen, die Rüstungsforschung betreiben, zu „deuten“.

Das zweite Problem, das ich nennen will, hängt eng mit dem Problem des Taktes zusammen, hat aber eine materielle Basis. Ich meine das Problem der Kapazität und der Arbeitsplätze. Viele Wissenschaftler wagen es nicht, direkt gegen Rüstungsforschung zu kämpfen, weil sie die Arbeitsplätze von Kollegen nicht in Gefahr bringen wollen. Tatsächlich liegt hier das größte Problem, weil die Rüstungsforschung mit ihrer vielfältigen Verflechtung in Militär, Staat, Industrie und Hochschule sich zu einem selbständigen innergesellschaftlichen Machtfaktor entwickelt hat. Ihre gewaltigen Kapazitäten saugen beständig manpower, finanzielle Mittel und neue Aufgaben an sich. Die Wahrheit, daß man wohl schwerlich alle Wissenschaftler und Ingenieure, die in der Rüstungsforschung und -entwicklung tätig sind, brauchen könnte, wenn die Rüstungsforschung abgeschafft wäre, wird nur mühsam durch die Vorschläge zur Rüstungskonversion überdeckt.

Die dritte Form von Problemen, mit denen sich der Kampf gegen die Rüstungsforschung konfrontiert sieht, möchte ich die Probleme der Zurechenbarkeit nennen. Tatsächlich läßt sich sehr schwer sagen, was eigentlich zur Rüstungsforschung gehört und was nicht. Das liegt zum einen daran, daß die Verwissenschaftlichung des Krieges, die ja nicht nur die Waffen im engeren Sinne betrifft, sondern ebenso die Aufklärung, die Gefechtsführung, die Logistik bis hin zur Menschenführung, daß die Verwissenschaftlichung des Krieges – sage ich – dazu geführt hat, daß nahezu jedes Wissen in kriegerischem Zusammenhang Verwendung finden kann. Wissenschaftler artikulieren die Schwierigkeit, mit der sie sich hier konfrontiert sehen, im allgemeinen als die Schwierigkeit, sich die Folgen ihrer Wissensproduktion selbstverantwortlich zurechnen zu können. Wegen der langen Wege, etwa zwischen Grundlagenforschung und -entwicklung einerseits und Technik andererseits, könnten sie im allgemeinen nicht übersehen, wozu sie durch ihre eigene Arbeit beitragen. Dieses Problem scheint schier unüberwindlich, solange man unter der Verantwortung der Wissenschaft für ihre Folgen die Verantwortlichkeit des individuellen Wissenschaftlers versteht.

Damit komme ich schließlich zur letzten Problemgruppe, die ich die Probleme der kollektiven Verweigerung nennen möchte. Auch das Problem der Zurechenbarkeit und der Verantwortung läßt sich nur lösen, wenn man Verantwortung als kollektive Verantwortung versteht. Das würde aber die Möglichkeit kollektiver Wissensbildunq in der Wissenschaftlergemeinschaft für oder gegen Rüstungsforschung voraussetzen. Ich habe oben von individueller und aggregierter Verweigerung gesprochen. Unter aggregierter Verweigerung meine ich das, was im Westen vielfach präzediert wird, nämlich die Sammlung von Unterschriften, wobei jede Unterschrift aber eine individuelle Erklärung beinhaltet. Diese individuellen Erklärungen und Verweigerungen besagen aber noch nicht viel, zum einen, weil der einzelne Wissenschaftler und Ingenieur nicht übersehen kann, ob seine Arbeit nicht doch in einem Kontext steht, der letzten Endes dem Kriege dient, und zum anderen, weil der einzelne aufgrund seiner Integration in einem Betrieb oder in eine Institution faktisch kollektiven Zwängen unterliegt. Wissenschaft und Technik sind im 20. Jahrhundert Unternehmen der kollektiven Wissensproduktion. Deshalb wäre erst die entscheidende, wirksame Strategie, daß ganze Labors, ganze Institute, ganze Fakultäten, ganze Universitäten beschließen würden, keine Rüstungsforschung zu betreiben. Wenn es Wissenschaftlern und Ingenieuren, die sich in der Friedensbewegung engagieren, gelingen würde, solche Beschlüsse herbeizuführen, so würden sie allerdings mit einem anderen, für die Wissenschaft sehr wichtigen Wert in Konflikt geraten, nämlich dem Prinzip der Forschungsfreiheit. Das Prinzip der Forschungsfreiheit hängt eng mit der Meinungsfreiheit zusammen und entstammt dem Ideenzusammenhang bürgerlich-liberaler Öffentlichkeit. Forschungs- und Meinungsfreiheit sind natürlich für das Leben und Gedeihen der Wissenschaft essentiell. Als Grundrechte festgeschrieben, sollten sie vor allem den einzelnen gegen staatliche Reglementierung und Repression schützen, schließen aber faktisch auch die Bindung des einzelnen Wissenschaftlers an kollektive Beschlüsse über Inhalt und Ausrichtung der Forschung aus. Deshalb würden in der Bundesrepublik Deutschland Entscheidungen von Gremien oder Institutionen der Wissenschaft gegen Rüstungsforschung dem Grundgesetz widersprechen.4 Artikel 5 Abs. 3 des Grundgesetzes lautet:

Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Anmerkungen

1 Einige Quellen zu dieser Frage stellt R. Brämer in: Die Kriegsforscherquote, Wechselwirkung Nr. 14, August 82, S. 40-43, zusammen. Mary Acland-Hood vom SIPRI Institut schreibt im 6. Kapitel des SIPRI Jahrbuches 1984: „Probably about a Quarter of all research and development expenditure and almost as high a Proportion of all the scientists and engineers engaged in research“. In den Conclusions and Recommendations des Pugwash/Unesco-Symposions in Ajaccio, Corsica, 19.- 23. Febr. 1982 heißt es: „About half a million scientists and technologists (…) are directly empioyed an military research and development“.Zurück

2 Kommentare zu dieser Erklärung finden sich in: Informationsdienst Wissenschaft und Frieden 2/84, S. 19 f., und in: A. Burckhardt (Hrsg.), Hochschule und Rüstung. Ein Beitrag von Wissenschaftlern der TH Darmstadt zur („Nach“)Rüstungsdebatte. Darmstadt: Verlag Darmstädter Blätter, S. 228-231.Zurück

3 Siehe Informationsdienst Wissenschaft und Frieden 5/85 und 2/87.Zurück

4 Näheres dazu in meinem Aufsatz „Schützt das Grundgesetz die Rüstungsforschung?“, in: Informationsdienst Wissenschaft und Frieden 1/86, S. 5-8. Zurück

Dr. Gernot Böhme ist Professor der Philosophie an der Technischen Hochschule Darmstadt und Mitherausgeber des Informationsdienstes.

Die Hamburger Abrüstungsvorschläge

Die Hamburger Abrüstungsvorschläge

von Friedens- und KonfliktforscherInnen

Die nuklearen Arsenale der USA und der UdSSR enthalten heute Zehntausende von Sprengköpfen. Es ist allgemein anerkannt, daß ein Atomkrieg nicht gewonnen werden kann und nicht geführt werden darf. Beiden Seiten drohen vernichtende Vergeltungsschläge, unabhängig davon, wie ein Atomkrieg beginnt. Wir sind davon überzeugt, daß Atomwaffen nicht eingesetzt werden können, ohne die Zivilisation, wie wir sie kennen, zu zerstören.

Die Zahl der atomaren Sprengköpfe überschreitet bei weitem die Erfordernisse für eine wechselseitig gesicherte Zerstörung (MAD). Gründe für die Existenz dieser groen Zahl von Atomwaffen sind Furcht und die Illusion, militärische Überlegenheit sei möglich. Dieses Vertrauen auf beiderseitige Gefährdung ist mit Gefahren betrachtet und kann auf lange Sicht nicht aufrechterhalten werden. Unser Problem ist es, eine Alternative zu finden. Diese Alternative sollte auf der Erkenntnis beruhen, daß die Sicherheit einer jeden Seite mit der Sicherheit der anderen verbunden ist. Das ist das Konzept der gemeinsamen Sicherheit.

Es wächst das Bewußtsein, daß Rüstungskontrolle sich nicht länger vornehmlich auf Maßnahmen der Regulierung des Wettrüstens zwischen den USA und der UdSSR konzentrieren darf, sondern tatsächliche und substantielle Abrüstung beinhalten muß. Dies ist von führenden Politikern vorgeschlagen worden, und wir als Wissenschaftler möchten zu dieser Diskussion und zur Lösung der damit verknüpften Probleme beitragen.

In diesem Sinne schlagen wir eine signifikanter Abrüstungsschritte vor.

I. Ein Verbot jeglicher Kernwaffentests ist notwendig und kann angemessen verifiziert werden.

Ein umfassender Atom-Teststopp würde viele destabilisierende Entwicklungen verhindern. Die meisten Wissenschaftler stimmen darin überein, daß ein Verbot der Erprobung von atomaren Sprengkörpern angemessen verifiziert werden kann. Jegliche Tests mit einer Sprengkraft von mehr als einer Kilotonne TNT können durch seismische Methoden unter Zuhilfenahme internationaler Beobachtungsstationen und anderer kooperativer Maßnahmen zuverlässig entdeckt und identifiziert werden.

II. Die Produktion spaltbaren Materials für Atomwaffen muß gestoppt werden.

Ein Stopp der Produktion von spaltbarem Material für Waffen ist ein notwendiger erster Schritt für die umfassende Verringerung der Zahl atomarer Sprengköpfe. Signifikante Verletzungen einer solchen Vereinbarung könnten entdeckt werden. Eine Kombination nationaler technischer Mittel und internationaler Kontrollmechanismen (wie z.B. die von der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO entwickelten) zur Beobachtung von Anlagen würde ausreichen. Wenn die von uns vorgeschlagenen massiven Verringerungen der Atomwaffen verwirklicht werden, wird zusätzliche Forschung nötig sein, um sichere Verifikationsmethoden zu finden.

III. Einschneidende Verringerungen der Zahl der Atomwaffen sind möglich und würden unsere Sicherheit vergrößern.

Sofern es keine Raketenabwehrsysteme gibt, wären nur wenige hundert Atomwaffen genug, damit jede Seite ihrer überwältigenden Fähigkeit sicher sein kann, die andere Seite mit einem Vergeltungsschlag zerstören zu können. Deshalb könnten die strategischen Arsenale sowohl der USA als auch der UdSSR um eine Größenordnung – um den Faktor 10 – verringert werden. Wir sind der Ansicht, daß eine solche Verringerung zu erheblich verbesserten Beziehungen zwischen den USA und der Sowjetunion führen würde. Sie würde beiden Seiten außerdem erlauben, die am stärksten destabilisierenden Waffen aus ihren Arsenalen zu entfernen. Ein Einfrieren dieser Waffen könnte ein erster Schritt zu ihrer Abschaffung sein. Bis dahin sollten die SALT II-Bestimmungen von den USA und der UdSSR strikt eingehalten werden.

IV. Destabilisierende Trägersysteme sollten zuerst abgeschafft werden.

Zu den destabilisierenden Waffen zählen Trägersysteme mit zielgenauen Mehrfachsprengköpfen. Die Gefährlichkeit dieser Systeme liegt darin, daß sie eine Situation möglich machen, in der ein einziger Sprengkopf mehrere gegnerische vernichten könnte. Das könnte in einer Krisensituation zu einem Präventivschlag ermutigen.

V. Auf längere Sicht müssen alle Atommächte zusammenarbeiten.

Es ist wichtig anzumerken, daß einschneidende Verringerungen der Atomwaffen und die Abschaffung der Mehrfachsprengkopfsysteme schwieriger werden, wenn die anderen Atomstaaten sich nicht an diesem Prozeß beteiligen und ihre atomaren Arsenale entsprechend begrenzen.

VI. Angemessene Verifikation einschneidender Verringerungen ist möglich.

Verifikation einschneidender Verringerungen von Atomwaffen, einschließlich der Mehrfachsprengkopfsysteme, kann weitgehend durch nationale technische Mittel erreicht werden, und zwar hauptsächlich durch Satellitenüberwachung, in einigen Fällen unterstützt durch kooperative Maßnahmen. Die verbleibenden Einfachsprengkopfraketen könnten beobachtet und gezählt werden, wenn sie in Silos gelagert wären. Im Falle beweglicher Systeme wäre die Verifikation schwieriger.

Die Demontage der Sprengköpfe sollte beobachtet werden, um sicherzustellen, daß das spaltbare Material entfernt, protokolliert und dann unter internationalen Kontrollmaßnahmen, ähnlich den von der IAEO entwickelten, gelagert wird.

Die Verifikation einiger Aspekte einer umfassenden Abrüstungsvereinbarung wäre schwierig. Das gilt besonders für die Begrenzung von Marschflugkörpern und anderen Mehrzwecksystemen, die entweder mit atomaren oder konventionellen Sprengköpfen ausgestattet werden können.Diese Systeme sind potentiell destabilisierend. Marschflugkörper sind relativ billig, können in Massenproduktion hergestellt werden und auf einer Vielzahl verschiedener Träger stationiert werden – auf Schiffen aller Klassen, Flugzeugen, Lastwagen etc. Es wird schwierig sein, ihre Verbreitung zu verhindern. Am besten wäre es, Langstreckenmarschflugkörper insgesamt zu verbieten, weil dann eine einzige Beobachtung eine Übertretung beweisen würde.

Verifikation ist ein wichtiger Bestandteil bei der Erreichung eines Rüstungsabbaus, und hier gibt es viele Fragen, die einer wissenschaftlichen Untersuchung bedürfen. Wissenschaftler haben die Pflicht, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen, und für diese Aufgabe müssen ihnen die notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt werden.

VII. Weltraumwaffen müssen verboten werden

Die Stationierung einer Raketenabwehr wird die Besorgnis wecken, daß das System zur Unterstützung eines Erstschlages verwendet werden könnte. Einseitige oder beiderseitige Stationierung würde die Gegenseite zur Stationierung zusätzlicher strategischer Offensivwaffen zwingen, um die Abwehr zu überwinden. Die gemeinsame Einsicht von Wissenschaftlern aus den USA und der Sowjetunion in diese Gefahr fhrte 1972 dazu, daß die beiden Länder den Vertrag über die Begrenzung von Raketenabwehrsystemen (ABM-Vertrag) aushandelten.

Die Argumente, die zu diesem Vertrag führten, sind noch gültig. Nichtsdestoweniger drohen diesem Vertrag jetzt klare Verletzungen seiner Vorschriften wie zum Beispiel derjenigen, die ABM-Systeme zum Territorialschutz eines Landes oder die Entwicklung und Erprobung von see-, luft-, weltraum- oder mobil landgestützten ABM-Systemen oder

Komponenten verbieten. Die Aufgabe des ABM

Vertrages zugunsten einer strategischen Verteidigung würde das Wettrüsten in eine neue Dimension heben und auch das Ende für andere Rüstungskontrollbestimmungen bedeuten. Es müssen Wege gefunden werden, den ABM-Vertrag nicht nur zu schützen, sondern auch zu stärken.

Weltraumgestützte Raketenabwehrsysteme sind auch deshalb destabilisierend, weil sie Satelliten zerstören könnten, einschließlich weltraumgestützter Raketenabwehrsysteme der anderen Seite.

Ein wichtiger Schritt zum Verbot aller Weltraumwaffen ist das Verbot der Entwicklung, Erprobung und Stationierung von speziell für diesen Zweck entworfenen Anti-Satellitenwaffen sowie der Abbau existierender Systeme. Gegenwärtig erscheint ein Test- und Stationierungsverbot für solche ASAT-Systeme verifizierbar, wenn kooperative Maßnahmen ebenfalls zur Anwendung kommen.

Satelliten sind von großer Bedeutung sowohl im zivilen Anwendungsbereich als auch bei der Verifikation von Rüstungskontrollabkommen. Sie haben die Welt ein gutes Stück offener gemacht. Die Entwicklung der Satellitentechnologie gibt uns neue Möglichkeiten für internationale Zusammenarbeit bei der Kontrolle.

VIII. Mittel- und Kurzstreckenwaffen müssen in den Abrüstungsprozeß einbezogen werden.

Es ist sehr wahrscheinlich, daß der Rüstungsabbau ebenso auf die strategischen wie auch auf die Mittelstreckenwaffen und die taktischen Atomwaffen ausgedehnt wird.

Landgestützte Mittelstreckenraketen stellen eine Bedrohung durch einen Überraschungsangriff dar, weil sie sehr kurze Flugzeiten haben. Zudem sind sie verwundbar. Aus diesen Gründen sollen Mittelstreckenraketen unverzüglich abgeschafft werden.

Die Tausende taktischer Atomwaffen in Europa stellen ebenfalls eine deutliche Gefahr dar und würden im Falle ihres Einsatzes zerstören, was sie eigentlich verteidigen sollen. Als erster Schritt sollten atomwaffenfreie Zonen, wie von der Palme-Kommission vorgeschlagen, eingerichtet werden.

IX. Nicht-nukleare Streitkräfte müssen verringert und mit einer nicht-offensiven Struktur ausgestattet werden.

Solange sich die Länder Europas durch einen konventionellen Angriff bedroht fühlen, wird es schwierig sein, die Atomwaffen in Europa endgültig abzuschaffen. Deshalb wird es nötig sein, diese Bedrohung zu vermindern. Wir glauben, daß dies durch die Kombination von einschneidenden Verringerungen bei den konventionellen Streitkräften und ihrer Bewaffnung sowie der Entmilitarisierung entlang der Trennungslinie in Mitteleuropa und möglicherweise durch die Einführung nicht-aggressiver Verteidigungssysteme auf beiden Seiten zu erreichen wäre, in denen die stationierten Streitkräfte weit größere Fähigkeiten in der Defensive als in der Offensive hätten. Es sollte eine gezielte Forschung begonnen werden, mit welchen Mitteln der nicht-aggressive Charakter erreicht werden kann. Dies könnte durch verschiedene vertrauensbildende Maßnahmen unterstützt werden, wie zum Beispiel durch die Vorschrift der Ankündigung und Begrenzung der Größe und Art von militärischen Manövern, um die mögliche Sorge über einen Überraschungsangriff zu verringern. Die Mitarbeit der nicht-nuklearen Mächte wird in diesem Prozeß von Bedeutung sein.

X. Chemische Waffen müssen vollständig verboten und die Konvention über biologische Waffen sollte gestärkt werden.

Die USA, die UdSSR und andere Länder sollten alles versuchen, um eine Übereinkunft zu erreichen, die die Bestimmungen des Genfer Protokolls von 1925 sowohl auf das Verbot der Produktion und Stationierung als auch des Gebrauchs chemischer Waffen ausdehnt. Das würde kooperative Verifikationsmaßnahmen einschließlich von Vor-Ort-Inspektionen erfordern. Die Einführung binärer chemischer Waffen macht die Verifikation schwieriger und könnte deren Verbreitung begünstigen. Deshalb ist dieses Problem vordringlich.

Die Konvention über biologische Waffen von 1972 muß erhalten bleiben. In einer Zeit der rapiden Entwicklung neuer biologischer Techniken, von denen manche für militärische Zwecke mißbraucht werden könnten, müssen Wege gefunden werden, um abzusichern, daß die B-Waffen-Konvention beachtet und nicht umgangen wird.

Wir haben hier die nächsten Schritte angesprochen, die unternommen werden sollten, um das Wettrüsten umzukehren. Zweifellos werden viele dieser Schritte Jahre bis zu ihrer endgültigen Durchsetzung brauchen. Diese Zeit sollte genutzt werden, um Wege zu einer letztlich vollständigen Abschaffung der Atomwaffen zu finden.

Das Wettrüsten entzieht der Menschheit heute enorme Ressourcen: materielle, moralische und geistige. Diese Kräfte könnten genutzt werden, um die globalen Probleme zu lösen vor denen wir alle stehen. Die angehäuften Arsenale versprechen keinerlei Sicherheit. Unglücklicherweise haben Wissenschaft und Wissenschaftler zu dieser gefährlichen Sachlage beigetragen. Als Wissenschaftler, als Bürger der Welt, haben wir die Pflicht, das zu erkennen und unsere Fähigkeiten einzusetzen, um Auswege aus der gegenwärtigen Situation zu erforschen. Wir müssen wünschenswerte Ziele erforschen und auch die Mittel, diese zu erreichen.

Beiderseitige Sicherheit kann weder durch Rüstung noch durch irgendwelche technischen Mittel gewährleistet werden. Eine Lösung kann es nur geben, wenn wir unsere bisherige Art, an die Probleme der Welt heranzugehen, ändern – indem wir auf neue Weise darüber nachdenken und dieses neue Denken verbreiten. Wissenschaftler können sicherlich zum Prozeß der Abrüstung beitragen, indem sie die Mittel und Wege aufzeigen, mit deren Hilfe Abrüstung erreicht werden kann; sie tragen auch die Verantwortung, die Öffentlichkeit aufzuklären und die Regierungen zu beraten. Indem sie einen gemeinsamen Wertrahmen schaffen, sollten Wissenschaftler in der modernen Welt zur Schaffung einer Atmosphäre des gegenseitigen Vertrauens und der Verständigung beitragen, ohne die die Probleme des Wettrüstens nicht zu lösen sind.

12. September 1986

Unterzeichner:

A. P. Alexandrov, UdSSR, H. Alfven, Schweden, J. Altmann, BRD, P. B. Amat, Argentinien, A. Balevsky, Bulgarien, P. M. Bhargava, Indien, C. Bernardini, Italien, W. Buckel, BRD, R. Budde, Schweiz,·F. Calogero, Italien, C. Chagas, Brasilien, E. I. Chazov, UdSSR, F. Clapier, Frankreich, T. Cochran, USA, P. Crutzen, BRD, A. Davis, Großbritannien, H.-P. Dürr, BRD, F. Dupre, Italien, M. Errera, Belgien, P. N. Fedoseev, UdSSR, H. A. Feiveson, USA, B. Feld, USA, V. Goldanskli, UdSSR, B. Gonsior, BRD, O. Greene, Großbritannien, F. von Hippel USA, D. Hodgkin, Großbritannien, H. Harz, DDR, J. Holdren, USA, E. Infeld, Polen, B. Jasani, Schweden, A. Jacquard, Frankreich, J.-P. Kahane, Frankreich, W. Kalweit, DDR, S. Kapitsa, UdSSR, E. Kellenberger, Schweiz, U. W. Kendall, USA, T. Kibble, Großbritannien, D. Kiss, Ungarn, H. Klare, DDR, K. von Klitzing, BRD, G. Köhler, BRD, F. Lenci, Italien, R. Levi-Montalcini, Italien, Kh. Lohs, DDR, B. Lown, USA, G. B. Marini-Bettolo, Italien, M. Markov, UdSSR, J. Matousek, CSSR, M. van Montagu, Belgien, O. Nathan, Dänemark, D. Parnas, Kanada (stimmt den hauptsächlichen wissenschaftlichen Aussagen zu), D. Paul, Kanada, L. Pauling, USA, H. Pietschmann, Osterreich, A. M. Prokhorov, UdSSR, B. Rausenbach, UdSSR, J. Rotblat, Großbritannien, R. Sagdeev, UdSSR, A. Salam, Pakistan, J. Schneider, BRD, S. Smale, USA, H. Spitzer, BRD, P. Starlinger, BRD, J. Steinberger, Schweiz, K. H. Stiller, DDR, E.P. Velikhov, UdSSR, C. Voüte, Niederlande, V. Weisskopf, USA, M. Wilkins, Großbritannien

Friedensarbeit in Betrieben und Großforschungseinrichtungen

Friedensarbeit in Betrieben und Großforschungseinrichtungen

von Rüdiger Ullrich

Friedensarbeit in Betrieben und Forschungsbetrieben ist immer konkret. Das Bild der jeweiligen Friedensaktivitäten ist deshalb durch die unterschiedlichen Rahmenbedingungen geprägt und dementsprechend vielfältig. Aber es gibt auch Gemeinsamkeiten und Verallgemeinerbares. Wenn wir dies herausarbeiten, können positive Erfahrungen eine wichtige Hilfe und Motivation für das eigene Handeln sein.

Zuerst möchte ich anhand von Beispielen aus der Arbeit der Friedensinitiative Philips Forschungelaboratorium Hamburg einen Einblick in betriebliche Friedensarbeit geben. Im zweiten Teil möchte ich dann auf diejenigen Rahmenbedingungen betrieblicher Friedensarbeit eingehen, die weitgehend verallgemeinerbar sind und daraus abgleitet im dritten Teil die besonderen Aufgaben betrieblicher Friedensarbeit herausarbeiten. Zum Schluß werde ich auf Perspektiven der Friedensarbeit in Betrieben und Forschungsbetrieben eingehen.

Friedensarbeit bei Philips in Hamburg

Friedensinitiativen in den Hamburger Philips-Betrieben gibt es schon seit 1982. Ende 1983 gab es 4 Initiativen in den 8 Hamburger Betrieben mit über 8000 Beschäftigten. An den offiziell ausgewiesenen 7 % Umsatz mit Rüstungsgütern haben die Hamburger Betriebe keinen Anteil. Allerdings gab und gibt es Projekte zu Infrarotsensoren, akustischen Sensoren, fehlerredundanten Systemen im Bereich von Signalprozessoren und eine Entwicklung von Strahlenröhren, die allesamt der Rüstung zugeordnet werden müssen und zum Teil zumindest „SDI-verdächtig“ sind.

Eine wichtige Aktion fand am 19. Oktober 1983, dem „Tag der Betriebe“ in der bundesweiten Friedenswoche statt. Ansatzpunkt: die Kriegsspielvideos, die es seit kurzem bei Philips gab. Besonders empörend schien uns: ein Kriegsspielvideo mit dem Namen „Die Eroberung der Erde“. An einem sehr realistischen Modell der wirklichen Welt wird elektronisch sowie graphisch eine strategische und taktische Konfrontation zwischen den Weltmächten simuliert. Ziel dieses Spieles ist es, das eigene Land durch Verhandlungen, Erobenungen und Bündnisse zur Weltherrschaft zu führen. Dazu kann man andere Nationen seinen eigenen Zielen unterordnen, z.B. durch direkten militärischen Zwang. Nach ausführlicher und kontroverser Diskussion entschlossen sich die Friedensinitiative (FI) und die Mehrheit des Betriebsrates, eine Unterschriftensammlung durchzuführen, mit der Produktion und Vertrieb dieser Videos abgelehnt und Philips aufgefordert wurde, sie sofort einzustellen. Wandzeitungen und eine kleine Dokumentation wurden erstellt; eine Unterschriftensammlung vor der Kantine wurde durchgeführt. Nach 25 Minuten erschien der Personalleiter und forderte uns unter Androhung von persönlichen Konsequenzen bis hin zur Kündigung auf, den Stand sofort abzubauen. Ohne zu wissen, worum es ging, sprach er von Geschäftsschädigung. Zur Vermeidung von Öffentlichkeit bot er ein Gespräch in seinem Zimmer an. Diese Auseinandersetzung hat großes Aufsehen im Betrieb erregt und viele Diskussionen ausgelöst.

Zwei Tage später erzählte dieser Personalleiter dann einem Mitglied der Friedensinitiative, er sei empört über dieses Spiel, er habe nun die Betriebsanleitung gelesen, und es sei unglaublich, daß so etwas im Angebot von Philips ist. Er habe sofort den Chef der Vertriebsabteilung angerufen und ihn gebeten, sich dafür einzusetzen, daß dieses Spiel nicht mehr verkauft wird. Wenige Tage später hat dann der Betriebsrat auf einer Philips-Betriebsrätekonferenz, an der ungefähr 250 Betriebsräte teilnahmen, einen Antrag zur Einstellung der Produktion dieser Videos gestellt. Dieser Antrag wurde einstimmig angenommen, und unter diesem Eindruck hat die Geschäftsleitung zugesagt, einen Ausschuß einzusetzen, der untersuchen soll, a) welche Kriegsspielvideos es bei Philips gibt und b) ob es gerechtfertigt ist, deren Produktion einzustellen. Im Januar 1986 gab es dann endlich ein Rundschreiben an alle Personalverkaufsstellen, diese Spiele sofort aus dem Verkauf zu nehmen und das Material zur Vernichtung an die Zentrale zurückzuschicken.

Eine weitere Aktion, die ich erwähnen will, ist die Sammlung von 170 Unterschriften unter einen offenen Brief gegen SDI. Das ist der Brief, der von der Garchinger Naturwissenschaftler-Initiative entwickelt worden ist und der neben ausführlicher Argumentation zu SDI den wesentlichen Satz enthält: „Wir lehnen die Mitarbeit am SDI-Projekt ab!“

Inzwischen hat es auch schon einige Betriebsversammlungen gegeben, die sich u.a. mit dem Thema Verantwortung für den Frieden befaßten. So hielt der Leiter des Philips-Forschungslabors Prof. Dr. Schmidt-Tiedemann am 14. Mai 1985 auf Ersuchen des Betriebsrates einen Vortrag zum Thema „Naturwissenschaft und Technik in der Verantwortung“ und Prof. Spitzer von der Hamburger Naturwissenschaftler-Initiative im November einen Vortrag zum Thema „Wissenschaft und Verantwortung für den Frieden“. Beide Vorträge stießen auf großes Interesse und weckten die Diskussionsbereitschaft, so daß sich der Betriebsrat ermutigt fühlte, diese Arbeit fortzusetzen. So haben wir es erreicht, daß am 14. November 1986 Prof. Dr. David L. Parnas auf einer Betriebsversammlung zum Thema „Möglichkeiten und Grenzen der Informatik“ sprechen wird. Sicherlich ist diese Themenwahl noch eine Seltenheit für Betriebsversammlungen in der Bundesrepublik. Andererseits zeigt die Realität, daß es eine große Bandbreite von Friedensaktivitäten in den Betrieben gibt.

Um diese Situation der betrieblichen Friedensarbeit besser einschätzen und beurteilen zu können, will ich kurz auf die Rahmenbedingungen dieser Arbeit eingehen:

Fördernde Bedingungen:

  • Es gibt in fast jedem Betrieb eine Gewerkschaftsorganisation und einen Vertrauensleutekörper, der die aktive Vertretung der Gewerkschaftspolitik im Betrieb darstellt. Dem Vertrauenskörper steht im Rahmen gewerkschaftlicher Beschlüsse die freie Betätigung im Betrieb zu. Prinzipiell gibt es zur Friedensarbeit Entschließungen bzw. Anträge der Gewerkschaften, in unserem Falle der IG Metall bzw. des DGB.
  • In den meisten Betrieben gibt es Betriebsräte und damit zusammenhängend Betriebsversammlungen. Die Grundlagen der Arbeit der Betriebsräte werden im Betriebsverfassungsgesetz geregelt. Wichtig ist für uns in diesem Zusammenhang § 74 Abs. 2 BetrVG: „Maßnahmen des Arbeitskampfes zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat sind unzulässig; Arbeitskämpfe tariffähiger Parteien werden hierdurch nicht berührt. Arbeitgeber und Betriebsrat haben Betätigungen zu unterlassen, durch die der Arbeitsablauf oder der Frieden des Betriebes beeinträchtigt werden. Sie haben jede parteipolitische Betätigung im Betrieb zu unterlassen; die Behandlung von Angelegenheiten tarifpolitischer, sozialpolitischer und wirtschaftlicher Art, die den Betrieb oder seine Arbeitnehmer unmittelbar betreffen, wird hierdurch nicht berührt.“

Abs. 3: „Arbeitnehmer, die im Rahmen dieses Gesetzes Aufgaben übernehmen, werden hierdurch in der Betätigung für ihre Gewerkschaft auch im Betrieb nicht beschränkt.“

Der Kernpunkt dieses Paragraphen besteht darin, daß eine parteipolitische Betätigung untersagt wird. In aller Regel wird diese Passage im BetrVG von den Unternehmern dahingehend interpretiert, daß eine politische Betätigung im Betrieb nicht stattfinden darf. Die Interpretierbarkeit der Passage „Die Behandlung von Angelegenheiten tarifpolitischer, sozialpolitischer und wirtschaftlicher Art, die den Betrieb oder seine Unternehmer unmittelbar betreffen, wird hierdurch nicht berührt.“ ist meist Ursache für die Zurückhaltung vieler Betriebsräte. Die kreative und gleichzeitig offensive Auslegung dieses Satzes bildet aber auch die Grundlage für z.B. friedenspolitische Aktivitäten im Betrieb. Ein wichtiges Beispiel hierfür ist SDI. SDI betrifft alle Arbeitnehmer der sich möglicherweise beteiligenden Betriebe unmittelbar. Dies hat dann nachhaltige Folgen für die Arbeitsbedingungen, genannt seien nur die veränderten Geheimhaltungspflichten, die Überprüfungspraxis und das dadurch veränderte Arbeitsklima. Hinzu kommen die Folgen durch eine Abhängigkeit von Rüstungsproduktion und Forschung, wie sie bei Blohm & Voss in entsprechenden Entlassungswellen nach Auslaufen von Rüstungsverträgen sichtbar wurden.

Ein weiteres Beispiel für die unmittelbare Betroffenheit aller Arbeitnehmer ist der Zivilschutz. Ist es doch im Interesse aller Arbeitnehmer zu wissen, was im Falle des Einsatzes von atomaren Waffen mit ihnen passi~ren kann.

– Die gemeinsame Arbeitszeit über einen längeren Zeitraum, nämlich ein Drittel des Tages, bietet gute Voraussetzungen für eine betriebliche Friedensarbeit. Denn die meisten KollegInnen sind ständig erreichbar, Aktionen zu Beginn oder Ende der Arbeit können durchgeführt werden, und die Friedensinitiative kann schnell reagieren, weil z.B. Sitzungen sehr schnell einberufen werden können.

Behindernd für die betriebliche Friedensarbeit wirken sich aus:

  • Es gibt im juristischen Sinne keine Demokratie im Betrieb. In allen Betrieben existiert eine Betriebsordnung, die z.B. Unterschriftensammlungen untersagt oder nur mit Genehmigung durchführbar machen läßt. Begründet wird eine solche Betriebsordnung immer mit dem Stichwort „Betriebsfrieden sichern“.
  • Ein psychologischer Faktor ist das „miteinander auskommen müssen“. Für viele KollegInnen ergibt sich daraus eine politische Zurückhaltung bzw. Abstinenz, weil man es mit dem Kollegen nicht verderben will.
  • Eine existenzielle Angst behindert die Friedensarbeit, die Angst vor möglichen Konsequenzen. Dies hat zur Folge, daß viele KollegInnen unbewußt die Schere im eigenen Kopf haben und dies akzeptieren. Das führt zur weitgehenden Akzeptanz der Interessen des Unternehmers, die sich deutlich macht in Sätzen wie: „Es ist doch klar, daß Philips (…)“ Die Folge ist die Unfähigkeit zur Entrüstung, z.B. über das Verbot von Unterschriftensammlungen, die Kündigung eines Kollegen, und die Unfähigkeit, Demokratie im Betrieb vom Unternehmer einzufordern. Folglich wird die Mitarbeit in einer betrieblichen Friedensinitiative von vielen Kollegen als zu gefährlich angesehen; sie sind eher bereit, außerhalb des Betriebes politisch zu arbeiten, obgleich es durch unsere Arbeit eine prinzipiell positive Haltung zu unserer Friedensinitiative bei den meisten Kolleginnen und Kollegen gibt.

Besondere Aufgaben betrieblicher Friedensarbeit

Ausgehend von den skizzierten Rahmenbedingungen läßt sich diese Aufgabe zunächst sehr allgemein beantworten mit dem Satz: Das Fördernde nutzen, um das Behindernde zu überwinden. Es geht heute um Militarisierung oder um Demokratisierung der Betriebe. Es geht um die Diskussion der Verantwortung vor der Gesellschaft oder um Geheimhaltung und Unterordnung. Es geht um Mitbestimmung über Inhalte und Anwendung der Technik oder um die ausschließliche Orientierung an Profitgesichtspunkten und damit z.B. um die Trennung von Forschung und Anwendung. Vor diesem Hintergrund sind die Gewerkschaften der wichtigste Bündnispartner jeder Friedensarbeit im Betrieb, denn Gewerkschaften allein würden den Kreis der für Frieden Aktiven in den Betrieben einengen.

Das gilt subjektiv, da in vielen Friedensinitiativen Mitglieder mitarbeiten, die keine Gewerkschaftsmitglieder sind, wenn auch diese Arbeit oft ein Zugang zu gewerkschaftlicher Arbeit ist.

Das gilt aber auch objektiv, denn wer für den Frieden ist, muß nicht für Arbeitszeitverkürzung sein. Wer nicht die Interessen der abhängig Beschäftigten teilt, kann deshalb trotzdem Friedensinteressen haben und danach handeln. Das wurde z.B. deutlich an dem Vortrag von Prof.: Schmidt-Tiedemann.auf der Betriebsversammlung im PFH zu Wissenschaft und Technik in der Verantwortung. Die darin vorgestellten Inhalte zeigen zumindest Syrnpathie, wenn nicht Übereinstimmung mit vielen Zielen der Friedensbewegung, aber Prof. Schmidt-Tiedemann ist Arbeitgebervertreter und – wie gesagt – Geschäftsführer der Alldelphi. Dies ist sicher ein Extrembeispiel für mögliche, aber m.E. notwendige Breite einer auf Erfolg gerichteten Friedensarbeit. Stichwort: Koalition der Vernunft. Die Grenzlinie zwischen; potentiellen Friedenskräften und den sogenannten aggressiven Kräften verläuft jenseits der auf Arbeitnehmerinteressen der Gewerkschaften ausgerichteten Trennungslinie. Die Aufgabe der Friedensinitiativen ist es m. E., eine größtmögliche Breite im Betrieb und darüberhinaus zu erreichen, Verantwortungsbewußtsein zu wecken und die Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft zu suchen sowie Friedensarbeit in der Gewerkschaft voranzutreiben. Betriebliche Friedensinitiativen und insbesondere Friedensinitiativen von Großforschungseinrichtungen – oder – wissenschaftlich-technischen Betrieben sind ein Bindeglied zwischen Gewerkschaft und Naturwissenschaftlerbewegung und der Friedensbewegung.

Perspektiven

Betriebliche Friedensarbeit ist immer unter zwei Aspekten zu sehen. Zunächst die Initiative nach „Innen“, d.h. die Information und Diskussion in den Betrieben tragen, durch Flugblätter, Veranstaltungen wie Film-, Dia- oder Vertragsveranstaltungen. Zum anderen die Initiative nach „außen“, d.h. z.B. Stellungnahmen, zu SDI und durch entsprechende Aktionen das Gewicht der Kollegen für den Frieden einbringen. Beides ist für ein erfolgreiches Handeln untrennbar verbunden, jedoch zeigte sich in der Vergangenheit oft, daß gerade betriebliche Initiativen überlastet waren, zuwenig Unterstützung bekamen und schließlich ihre Arbeit versanden ließen. Das ist umso bedauerlicher, weil die Entwicklung des. Bewußtseins für den Frieden innerhalb der Betriebe eine Schlüsselrolle für das Ziel Frieden durch Abrüstung einnimmt.. In Hamburg haben sich die Voraussetzungen für eine betriebliche Friedensarbeit durch das Engagement der Naturwissenschaftler spürbar verbessert. Sie stellen Referenten zu Vortragsveranstaltungen und erstellen Argumentationsmaterialien für Veröffentlichungen. Das sind erste Schritte einer Zusammenarbeit, die es weiterzuentwickeln gilt. Noch gibt es ein Nebeneinander von Gewerkschaften, Friedensbewegung und Naturwissenschaftlerbewegung. Es wird für die weitere Entwicklung der Friedensarbeit dringend notwendig, hier Formen der Zusammenarbeit zu finden, die über den bloßen Austausch von Referenten hinausgehen. Diese Zusammenarbeit ist möglich auf der Grundlage gemeinsamer Friedensinteressen und des gegenseitigen Vorteils. So ist es zum Vorteil der DGB-Gewerkschaften, wenn sie die Fachkompetenz der, Naturwissenschaftler nutzen können, wenn sich das Bild des DGB als hauptsächlich Lohngewerkschaft durch die Zusammenarbeit verändert. Gerade im Bereich der wissenschaftlich-technischen Angestellten ist eine große Sensibilität für die Themen „Alternativen zur Rüstungsproduktion“ oder „Demokratie im Betrieb“ zu finden. Hier kann der DGB an Attraktivität gewinnen und damit auch Hürden überwinden, die heute noch viele Arbeitnehmer aus diesen Bereichen davon abhalten, sich in der Gewerkschaft zu organisieren. Genauso ist es zum Vorteil der Naturwissenschaftler, wenn sie mehr über den Zusammenhang der Hochschulforschung und ihre Folgen in den Betrieben erfahren, wenn sie ihre Studenten besser auf die Praxis vorbereiten können. Viele Berufsanfänger kommen mit falschen Erwartungen in die Betriebe, sie glauben, daß es mit der „Freiheit“, die sie an der Hochschule hatten, jetzt vorbei ist. Die Unsicherheit über das, was sie tatsächlich erwartet, führt dann zu einem überbetonten Anpassungsverhalten, das nicht selten später zum selbstverständlich akzeptierten Normalverhalten wird. Berührungsängste zur Gewerkschaft und zu betrieblichen Friedensinitiativen sind die Folge. Hier kann sich eine Zusammenarbeit für die Zukunft positiv für alle Beteiligten auswirken. Jedoch stehen wir bestenfalls am Anfang einer Entwicklung, Schritte dorthin müssen gegangen werden und es braucht auf allen Seiten Geduld, gegenseitige Akzeptanz und die Bereitschaft zur Vorleistung. Für Hamburg haben wir diesen Weg eingeschlagen und planen die Durchführung eines Kongresses im Herbst 1987, der möglichst gemeinsam von Gewerkschaften, der Naturwissenschaftler-Initiative und dem Hamburger Forum getragen werden soll. Das Arbeitsthema soll „betriebliche Friedensarbeit“ sein und auf dieser Grundlage auch Themen wie alternative Produktion und Demokratie im Betrieb mit einbeziehen. Wir glauben, daß dies ein Weg sein kann, die Zusammenarbeit der Friedenskräfte auf eine qualitativ neue Ebene zu bringen und hoffen, daß auf dem Weg dahin ein Schub der Gründung neuer Friedensinitiativen in den Betrieben erzeugt wird.

Rüdiger Ullrich ist Diplom-Mathematiker, Wissenschaftlicher Assistent in der Forschungsgruppe Man Machine Interface, Betriebsrats-Vorsitzender im Philips Forschungslaboratorium Hamburg, Mitglied der IG Metall und Mitglied der Hamburger Naturwissenschaftler Initiative „Verantwortung für den Frieden“

Zeit des Übergangs. Zum Stand der amerikanischen Friedensbewegung

Zeit des Übergangs. Zum Stand der amerikanischen Friedensbewegung

von Paul F. Walker

Die späten 80er markieren einen bedeutenden Wendepunkt für die amerikanische Friedensbewegung: sie war von einer aktiven, sichtbar wirksamen zu einer relativ passiven politischen Kraft geworden. Ihr Einfluß schwand. Ob sie wieder eine machtvolle Kraft in der amerikanischen Politik werden wird, wie sie es vor noch nicht allzulanger Zeit war, ist heute eine offene Frage.

Vor fünf Jahren waren die Amerikaner frustriert, ungeduldig und verärgert über das langsame Tempo, in dem sich die amerikanische und die sowjetische Regierung auf Verhandlungen zubewegten. Eine Übereinkunft zur Begrenzung der Nuklearwaffen war seit über zehn Jahren nicht ratifiziert worden, Ost-West-Verhandlungen und Gespräche waren total zusammengebrochen und eine ganz neue Generation von Nuklearwaffen stand vor der Produktion. Millionen Amerikaner engagierten sich für Nuklearwaffenabrüstung und „Nuclear Freeze“.

Es hatte damals ein starkes Frustrationsgefühl über Präsident Carter gegeben, der in seiner Antrittsrede vier Jahre zuvor nukleare Abrüstung versprochen hatte. Die Regierungsübernahme durch Präsident Ronald Reagan, der seine Wahlkampagne auf eine Plattform restriktiver Steuerpolitik und außenpolitischer Stärke gegründet hatte, vertiefte nur diese Frustration. Die Friedensbewegung gedieh, genährt durch die antisowjetische und gefährliche Sprache von Präsident Reagan und tief betroffen über die Wahrscheinlichkeit nuklearer Konfrontation.

Phase des Niedergangs

Und doch ist nun wenig zu hören von der Friedensbewegung, insbesondere in den letzten anderthalb Jahren. Warum? Die Gründe sind unterschiedlich. Erstens mäßigte die Reagan-Administration ihre gewalttätige Rhetorik, ihr Gerede vom „begrenzten Nuklearkrieg“, von der Notwendigkeit „einen Krieg mit chirurgischen nuklearen Eingriffen zu führen“ und ihre „Entschlossenheit durch demonstrative nukleare Explosionen zu zeigen“, von dem „unvermeidlichen Zusammenstoß zwischen dem Guten und Bösen, West und 0st, Engeln und Teufeln in der Welt“. Solche Brandreden hoher Regierungsvertreter beunruhigten einen Großteil der Bevölkerung. In den ersten drei Jahren der Reagan-Administration verbreiterten sie ironischerweise die Basis der Friedensbewegung.

Zweitens überraschte Präsident Reagan jedermann – mit Ausnahme seiner engsten Berater – mit seiner „Star-Wars“-Initiative. SDI sollte einen undurchdringlichen Verteidigungsschild über den Vereinigten Staaten errichten. Dadurch würde ein perfekter Schutz vor feindlichen Nuklearschlägen bereitgestellt. Obgleich Teile der Friedensbewegung, die besser Bescheid wußten skeptisch waren über „Star-Wars“, nahmen die meisten Amerikaner den Präsidenten bei seinem Wort und begannen zu hoffen, daß es etwas Licht am Ende des Tunnels geben würde.

Drittens entzog der Schritt Reagans, bilaterale Diskussionen mit den Sowjets zu eröffnen – kulminierend im Genfer Gipfeltreffen im November 1985 – der Friedensbewegung ihre Wirkung. Viele Amerikaner glaubten zu dieser Zeit, daß die Freeze-Bewegung schon ihre Aufgabe erfüllt hatte: Ost und West wieder an den Verhandlungstisch zu zwingen. Auch glaubten sie, daß es nun an der Zeit wäre, beiden Regierungen etwas Verhandlungsspielraum zu geben, um eine Übereinkunft über Rüstungskontrolle auszuarbeiten.

Die Reaktivierung der Friedensbewegung

Die amerikanische Friedensbewegung hat zwischen 1980 und 1985 offenbar ihre Position verändert. Hatte sie einst ein vollständiges

Nuclear Freeze“ und eine Beendigung des quantitativen und qualitativen Wettrüstens gefordert, hoffte sie nunmehr bloß noch auf Resultate des Genfer Dialogs.

Doch Politik ist immer dynamisch. Seitdem haben sich die Dinge bewegt. Friedensaktivisten, die gehofft und die Genfer Verhandlungen unterstützt hatten, wurden Zeuge, wie die Reagan-Regierung jeden sowjetischen Rüstungskontrollvorschlag zurückwies – Testverbot für Anti-Satellitenwaffen (ASAT), starke Reduzierungen bei den Offensivwaffen, Verbot des Star-War-Programms, Verbot der chemischen Waffen und gegenwärtig vor allem einen Stopp der Nuklearwaffentests. Die Friedensbewegung sah gleichfalls, wie die amerikanische Regierung voranschritt bei der Bereitstellung großer Geldmittel für Guerillaoperationen in Nicaragua und Angola und vor drei Monaten ankündigte, bald den SALT II-Vertrag zu verletzen; tatsächlich hatte Reagan erklärt, daß er sich nicht länger durch irgendwelche vergangenen SALT-Übereinkünfte gebunden fühle.

Darüber hinaus begann die amerikanische Regierung gegen Friedensaktivisten, die sich im gewaltlosen zivilen Ungehorsam engagiert hatten, brutal Front zu machen. Individuen, Gruppen katholischer Pazifisten und andere wurden während der zurückliegenden drei Jahre ins Gefängnis gesteckt für Aktionen des zivilen Ungehorsams wie der Beschädigung von Raketensilos, dem Besprühen von Bombern und dem Schütten von Blut auf Nuklearwaffenteile. Verschiedene Richter und Gerichte haben diese Menschen mit bis zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt und sie zu „Terroristen“, „Kommunisten“, „Verrätern“ erklärt, welche „die nationale Sicherheit bedrohten“.

Auf der sowjetischen Seite hat Generalsekretär Gorbatschow die sehr kluge und bedeutende Initiative eines einseitigen Teststopps für Nuklearexplosionen gestartet und dem privaten, nicht-regierungsoffiziellen Austausch von seismographischen Forscherteams zur Vor-Ort-Kontrolle zugestimmt. Zugleich hat er die Welt in seiner Rede vom 15. Jan. 1986 herausgefordert, das Undenkbare zu denken: wie die Nuklearwaffen bis zur Jahrhundertwende eliminiert werden könnten.

Der Streit um das Budget ´87

Die positiven Initiativen der Sowjets, eine „Friedensoffensive“ wenn man will, und das Fehlen eines positiven Schritts durch die Amerikaner, führte dazu, die amerikanische Friedensbewegung wieder zu stimulieren und – in begrenztem Ausmaß – auch den US-Kongreß. Das erste größere Indiz dieser Veränderung tauchte im Sept.1986 auf, als das Repräsentantenhaus 5 grundlegenden Zusatzanträgen zum Haushalt ´87 zustimmte. Obgleich noch nicht durch den Senat gebilligt, sind die Anträge ein wichtiger Schritt, damit Kongreß und Friedensbewegung die Rüstungskontrolle in ihre eigenen Hände nehmen. Die Kongreßanträge schlagen kurz gefaßt folgendes vor:

  1. die Mittel für „Star-Wars“ werden auf dem Niveau des letzten Jahres eingefroren, die Preissteigerungsrate berücksichtigend auf 3,1 Milliarden Dollar; dies liegt deutlich unter der Forderung des Präsidenten nach 4,8 Mrd.;
  2. Mittel für Waffensysteme, die SALT II-Beschränkungen überschreiten, werden abgelehnt, dies betrifft solche Programme wie Trident, MX, Midgetman und Cruise Missiles;
  3. ein Einjahresmoratorium für Nuklearwaffentests soll etabliert werden, beginnend mit dem 1. Jan.1987;
  4. ein Verbot der Anti-Satellitenwaffentests soll fortgesetzt werden und
  5. jede neue Produktion von chemischen Waffen soll blockiert werden.

Zum ersten Male war die Reagan-Administration derart erfolglos bei der Vorlage ihres Programms im Kongreß. Der Präsident hat mit einem Veto gegen das Budget gedroht, falls es diese Maßnahmen enthielte.

Internationalisierung der Friedensbewegung

Die gegenwärtige Konfrontation in Washington jedoch repräsentiert nur die Spitze des Eisberges, die Friedensbewegung scheint sich nun in einer radikaleren und progressiveren Weise zu rekonstituieren als zuvor. Während es früher eine Weigerung gab, nukleare Abrüstung mit anderen Fragen zu verknüpfen, diskutiert die Friedensbewegung nun verstärkt über eine nichtinterventionistische Politik. Während früher die Bewegung ein Einfrieren her Produktion, der Tests und der Entwicklung nuklearer Waffen unterstützte, argumentiert sie nunmehr für weitergehende Reduzierungen und eine mögliche Abschaffung von Nuklearwaffen.

Dies ist in der Tat eine Zeit des Übergangs, weil die Friedensbewegung erkannt hat, daß es ein Irrtum war, der Reagan-Regierung eine Atempause von einem Jahr oder mehr einzuräumen, um einen Rüstungsstopp auszuhandeln. Es ist zugleich eine Zeit der Chancen, weil Millionen Amerikaner erkannt haben, daß der Genfer Gipfel 1985 vor allem „Rauch und Zauber“, gute Öffentlichkeitsarbeit und nichts weiter war und daß die Verantwortlichkeit für Frieden nicht in Washington, Moskau, Bonn, London oder anderswo liegt, sondern in den Menschen, die aussprechen, daß ihr Leben davon abhängt.

Wir sind Zeuge dieser Wiedergeburt von Friedensaktivitäten in den USA, genau wie in Europa heute. Der Erfolg wird auch davon abhängen, ob die Bewegung ihre Politik und ihre Kommunikation über den Atlantik koordinieren kann. Besonders seit den Enthüllungen der Forschung über den nuklearen Winter und seit Tschernobyl nehmen die Menschen wahr, daß die potentiellen Gefahren der Nuklearenergie und der Nuklearwaffen nicht nur national, sondern international sind. In der heutigen Zeit ist es daher von großer Wichtigkeit, für die internationale Zusammenarbeit der Friedensbewegung zu arbeiten.

Paul F. Walker, Ph. D., ist Co-Direktor des Instituts für Frieden und Internationale Sicherheit in Cambridge, Massachusettes. Er ist außenpolitischer Berater von Jesse Jackson und war früher Direktor für Rüstungskontrollforschung bei der Union of Concerned Scientists.

Wege aus dem Wettrüsten

Wege aus dem Wettrüsten

Internationales Naturwissenschaftler-Forum ruft zum Stop aller Atomwaffen auf

von Uwe Reichert

Knapp 200 Wissenschaftler aus 32 Nationen trafen sich Mitte Juli auf Einladung der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften in Moskau, um über ein dreißig Jahre altes, aber immer noch aktuelles Thema zu diskutieren: die vollständige Einstellung aller Kernwaffenversuche.

Eingeleitet wurde das dreitägige Forum durch Einführungsvorträge von Frank von Hippel, Princeton University, USA und dem Vizepräsidenten der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften, Yewgenij Velikhow. Diese Vorträge hoben schon die wichtigsten Punkte hervor, die anschließend in den Diskussionsrunden ausführlich erörtert wurden: eine Abkehr von der „alten Art des Denkens“ (sprich: Abschreckung), zuverlässige Verifizierbarkeit eines Teststops und alternative Wege, einen Teststop zu erreichen. Neben diesen drei Punkten wurde ausgiebig über die Einflüsse eines Kernwaffenteststops auf die Entwicklung und auf die Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen diskutiert.

Von allen Teilnehmern begrüßt und als erster, wichtiger Schritt in Richtung eines vollständigen Kernwaffenteststopps angesehen wurde das einseitige Moratorium, mit dem die Sowjetunion seit dem 6. August 1985 alle ihre Testexplosionen eingestellt hat (F. von Hippel: „Triumph des neuen Denkens“).

Dieses Moratorium sei in den USA anfangs überhaupt nicht beachtet worden, so S. Coleman von der „Better World Society“, USA. Nachdem das Moratorium jedoch mehrmals verlängert wurde, habe sich immer mehr die Überzeugung durchgesetzt, daß das Moratorium mehr als nur reine Propaganda sei. Ähnlich äußerten sich auch J. Legget und J. Rotblat (GB). Bei Meinungsumfragen in Großbritannien hätten sich 84 % der befragten Personen dafür ausgesprochen, daß sich Großbritannien dem sowjetischen Moratorium anschließen solle.

Von den westlichen Teilnehmern des Forums wurde die Sowjetunion wiederholt aufgefordert, das einseitige Moratorium weiterhin zu verlängern, und zwar solange, bis der wachsende Druck der Öffentlichkeit und des amerikanischen Kongresses die Regierungsverantwortlichen zwingt, ihrerseits auf Kernwaffenversuche zu verzichten. A. G. Arbatow (UdSSR) warnte allerdings, das einseitige Moratorium könne nicht ewig andauern, wenn die USA ihre Kernwaffentests fortsetzen würden. Nach Meinung von Ted Taylor (USA), der früher in Los Alamos selbst Kernwaffen entwickelte (die berühmte „Tornisterbombe“ geht auf sein Konto), ziehe sich aber die Auswertung von Tests und die Entwicklung neuer Kernwaffen über mehrere Jahre hin, so daß das Risiko, die USA könnten in absehbarer Zeit durch ihre Tests militärische Vorteile erzielen, relativ gering sei.

Mehrere Seismologen legten auf eindrucksvolle Weise dar, daß die Verifikation eines Kernwaffenteststopps vom wissenschaftlichen Standpunkt aus gesehen überhaupt kein Problem darstelle. Allgemein akzeptiert ist heute eine Nachweisschwelle von max. 1 Kilotonne. Die Verwendung moderner Seismographenarrays, Messungen in verschiedenen Frequenzbereichen und verfeinerten Auswertungsverfahren lassen die Nachweisschwelle weiter sinken. So präsentierte F. von Hippel ein Seismogramm, das in Norwegen aufgenommen wurde und eine sowjetische 0,5 Kilotonnen-Versuchsexplosion eindeutig registrierte. Durch weitere Verbesserungen der Nachweistechnik hofft man, auch 0,1 Kilotonnen-Tests zuverlässig registrieren zu können.

Um eine möglichst niedrige Nachweisschwelle zu erreichen, sind natürlich auch Seismographen nötig, die in unmittelbarer Nähe der Atomtestgelände aufgestellt sind. Gegenwärtig werden auf Initiative der amerikanischen Umweltorganisation NRDC (Natural Resources Defense Council) und der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften jeweils drei Seismographenstationen um die Testgebiete in Nevada und in der Nähe von Semipalatinsk aufgebaut bzw. schon betrieben. Auf dem Moskauer Forum berichtete Thomas Cochran, ein Physiker, der für das NRDC arbeitet, über die Aktivitäten der amerikanischen Wissenschaftlergruppe, die wenige Tage zuvor in der Sowjetunion eingetroffen war und sofort damit begonnen hatte, die mitgebrachte Ausrüstung in der Nähe des sowjetischen Testgebietes aufzubauen. Cochran nannte dieses Unternehmen ein Demonstrationsprojekt, das zeigen soll, daß in der Sowjetunion Seismographen zur zuverlässigen Überwachung eines Teststopps stationiert werden könnten.

Sofortiger Teststopp oder Stufenplan

Wurde dieses Projekt von den Teilnehmern des Forums einstimmig als weiterer wichtiger Schritt in Richtung eines Teststops gewertet, so war man sich in einer anderen Sache weniger einig: in der Frage, ob man einen vollständigen Teststop auf direktem Wege oder über den Umweg der Begrenzung von Kernwaffentests erreichen solle. Eine solche Begrenzung könnte entweder über eine schrittweise Reduzierung der maximal zulässigen Sprengkraft (gegenwärtig 150 Kilotonnen) oder über eine Quotierung der Tests erreicht werden (z.B. zwei zulässige Tests pro Jahr). Dies würde den wichtigsten Bedenken der Teststoppgegner entgegenkommen, die meinen, daß ein vollständiger Teststop nicht ausreichend genug zu überwachen sei bzw. daß Tests zur Überprüfung der Zuverlässigkeit der vorhandenen Kernwaffen nötig seien. Möglicherweise wäre ein solcher Kompromiß politisch leichter durchsetzbar als ein vollständiger Teststop. Aber abgesehen davon, daß damit die Gefahr besteht, daß ein Provisorium zum Dauerzustand erhoben werden könnte, gibt es auch andere Argumente, die gegen eine unvollständige Begrenzung der Kernwaffentests sprechen. Die Einhaltung einer Testschwelle von z.B. 5 Kilotonnen wäre schwieriger zu kontrollieren als die Frage, ob überhaupt ein Test stattgefunden hat (wie will man entscheiden, ob ein Test eine Sprengkraft von 4,7 oder 5,3 Kilotonnen hatte?) Bisherige Erfahrungen lassen leider befürchten, daß in einem solchen Falle die Supermächte sich gegenseitig der Vertragsverletzung beschuldigen würden, was dem rüstungskontrollpolitischen Klima sicherlich nicht förderlich wäre. Auch ließe sich im Falle einer Quotierung schlecht entscheiden, ob ein „Zuverlässigkeitstest“ nicht auch dazu benutzt wird, waffentechnisch relevante Untersuchungen durchzuführen.

Die Frage, ob alternative Konzepte ja oder nein, konnte natürlich in der Diskussionsrunde nicht eindeutig beantwortet werden. Einen Sinn hätten solche Kompromisse auf jeden Fall nur, wenn sie letztendlich doch ein vollständiges Testverbot zur Folge hätten.

Am Ende des Forums wurde eine Deklaration verabschiedet, in der die Hoffnung auf eine Verlängerung des sowjetischen Moratoriums ausgedrückt wird und in der alle Nuklearstaaten aufgefordert werden, sich einem Kernwaffenteststopp anzuschließen. Die Organisatoren des Forums überreichten diese Erklärung tags darauf dem sowjetischen Generalsekretär Gorbatschow. Dieser Empfang machte denn auch den politischen Aspekt der Forums deutlich. Nicht umsonst fand das Forum entsprechende Beachtung in der östlichen Presse. Westliche Zeitungen hielten sich sehr zurück.

US-Wissenschaftler überwachen sowjetisches Atomversuchsgelände

Das Problem einer Vor-Ort-Kontrolle zur Überwachung von unterirdischen Nukleartests war in der Vergangenheit ein zentrales Hindernis bei den Rüstungskontrollverhandlungen gewesen. Die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion hatten sich wegen unterschiedlicher Standpunkte nicht auf konkrete Maßnahmen einigen können. Was auf Regierungsebene nicht gelang, brachte jetzt eine kleine Gruppe von Wissenschaftlern zustande: den Aufbau von Seismographen um das sowjetische Testgelände in der zentralasiatischen Republik Kasachstan. Dies ist das erste Mal in der Geschichte, daß die Sowjetunion Ausländern erlaubt, auf ihrem Territorium seismische Messungen zur Überwachung von Kernwaffentests vorzunehmen.

Initiiert wurde das Projekt von der angesehenen, auf privater Ebene arbeitenden amerikanischen Umweltorganisation NRDC (Natural Resources Defense Council). Nach kurzen Vorgesprächen mit Vertretern der Sowjetischen Akademie der Wissens,chaften wurde am 28. Mai eine Vereinbarung unterzeichnet, die den Aufbau von jeweils drei Seismographenstationen um das amerikanische Testgelände in Nevada und um das sowjetische Testgebiet in der Nähe der Stadt Semipalatinsk vorsieht. Alle Stationen sollen gemeinschaftlich von amerikanischen und sowjetischen Wissenschaftlern betrieben werden. Die Meßdaten werden veröffentlicht und somit allen interessierten Stellen zugänglich gemacht.

Nachdem vom NRDC die erste Ausrüstung besorgt worden war, trafen die amerikanischen Wissenschaftler bereits Anfang Juli in der Sowjetunion ein. Dem Team gehören Geophysiker verschiedener Universitäten an; auf sowjetischer Seite werden sie von Kollegen des Instituts für die Physik der Erde unterstützt. Alle Seismographen wurden zunächst oberirdisch im Umkreis von 200 km um das Testgebiet stationiert. Bis zum Herbst sollen die Geräte in 100 m tiefen Bohrlöchern versenkt werden, um das Hintergrundrauschen zu reduzieren und so die Empfindlichkeit zu erhöhen. Voraussichtlich bis zum November stehen identische Geräte zur Verfügung, die um das amerikanische Testgelände in Nevada installiert werden. Die Laufzeit des gemeinsamen Projekts ist zunächst auf ein Jahr vorgesehen.

Wissenschaftlich betrachtet ist das Projekt eigentlich nur für den Westen interessant. Die Meßdaten von Seismographen innerhalb der USA werden alle veröffentlicht, so daß die Sowjetunion schon heute über eine genaue Kenntnis des amerikanischen Testgebiets verfügt. Vergleichbare Daten über die sowjetischen Testgebiete lagen bisher nicht vor, weil die Sowjetunion keine Seismogramme ihrer Nukleartests veröffentlichte. Selbst bei einem Testlauf eines weltweiten seismischen Überwachungsnetzes Ende 1984 speiste die Sowjetunion nur die Registrierungen von Erdbeben in die Datenbank ein; die Aufzeichnungen ihrer eigenen Nukleartests hielt sie zurück.

Entsprechend groß ist jetzt das Interesse westlicher Wissenschaftler an den seismischen Daten aus der Sowjetunion. Selbst wenn die Sowjets ihr Testmoratorium weiterhin verlängern und keine Nukleartests durchführen, so werden von den im Testgebiet stationierten Seismographen alle schwachen Erdbeben in dieser Region registriert. Die Auswertung dieser Daten liefert wertvolle Informationen über den geologischen Aufbau des sowjetischen Testgebietes. Wegen des härteren Untergrundes werden die durch Kernexplosionen hervorgerufenen Erderschütterungen dort weit weniger gedämpft als vergleichsweise im amerikanischen Testgebiet von Nevada. Dies hat in der Vergangenheit zu einer Überschätzung der Sprengkraft sowjetischer Kernwaffentests um bis zu einem Faktor 3 geführt. Mit den jetzt erwarteten seismischen Daten kann die Sprengkraft früherer – und eventuell auch heftigerer Tests in diesem Gebiet besser bestimmt werden.

Die Haltung der US-Regierung

Dies mag der Grund dafür sein, daß amerikanische Regierungsstellen das gemeinsame Projekt des NRDC und der sowjetischer, Akademie der Wissenschaften stillschweigend billigen. Offiziell betrachtet die US-Administration dies als eine private Angelegenheit. Die Ausfuhrgenehmigungen für die in der Sowjetunion aufgestellten Geräte wurden jedoch vom US-Handelsministerium schon 6 Tage nach der Antragstellung erteilt – eine Rekordzeit. Auch bekundeten mehrere Offizielle des Verteidigungsministeriums und der Waffenlabors ihr Interesse an den seismischen Daten aus der Sowjetunion. Die Einladung des NRDC an die amerikanische Regierung, sich aktiv an dem Projekt zu beteiligen, wurde jedoch nicht angenommen. Wissenschaftlern in Regierungsdiensten bleibt eine Mitarbeit versagt.

Die vom NRDC in der Sowjetunion aufgestellten Seismographen überwachen nur das Testgebiet bei Semipalatinsk zuverlässig. Für eine flächendeckende Überwachung im Falle eines umfassenden Kernwaffenteststopps müßten zusätzliche Seismographen auf sowjetischem Territorium installiert werden – nach Meinung führender Seismologen etwa 25. Diese würden zusammen mit einigen Seismographen außerhalb der UdSSR ein Überwachungsnetz bilden, das selbst schwache Kernexplosionen mit genügender Wahrscheinlickeit (ca. 90 %) nachweisen könnte.

Überwachungsnetz möglich

Die Initiative des NRDC hat gezeigt, daß es keine prinzipiellen Schwierigkeiten gibt, ein solches Überwachungsnetz zu installieren. Weitere Schritte müßten jetzt von offizieller Seite übernommen werden. Der amerikanische Kongreß hat bereits Anfang August auf die neue Entwicklung reagiert: Der Senat legte der Reagan-Administration mit einer Mehrheit von 64:35 Stimmen die Wiederaufnahme der Teststoppverhandlungen nahe; das von den Demokraten dominierte Repräsentantenhaus stimmte mit einer überraschend deutlichen Mehrheit von 234:155 Stimmen für einen Gesetzentwurf, der für das Jahr 1987 ein Verbot aller amerikanischen Nukleartests mit einer Sprengkraft von mehr als 1 Kilotonne vorsieht. Dieses Moratorium würde nach dem Entwurf nur dann beginnen, wenn die Sowjetunion dem weiteren Aufbau von Seismographen auf ihrem Territorium zustimmte; außerdem wird jedem Land nur ein Testgebiet zugestanden. Für den Fall, daß die Sowjets Tests außerhalb ihres zu bestimmenden Testgebietes oder solche mit einer Sprengkraft von mehr als 1 Kilotonne durchführen sollten, wäre das amerikanische Moratorium beendet. Falls auch der Senat, in dem die Republikaner die Mehrheit haben, diesem Entwurf zustimmt, würde er für die Reagan-Administration bindend werden.

Dr. Uwe Reichert, Diplomphysiker in Heidelberg, z. Zt. Stipendium der Stiftung Volkswagenwerk, Arbeitsgebiet: Rüstungskontrollforschung.

Weigerung

Weigerung

von Redaktion

Vor wenigen Monaten schrieben 350 Wissenschaftler und Techniker von Max- Planck- Instituten im Raum München einen Offenen Brief an Bundeskanzler Helmut Kohl. Sie erklärten: „Wir lehnen die Mitarbeit am SDI-Projekt ab“. Sie orientierten sich dabei am Beispiel vieler amerikanischer Kollegen, die ebenfalls die Mitarbeit am SDI-Projekt verweigern. In den USA haben bisher fast 3000 Wissenschaftler eine Petition gegen die star wars- Forschung unterzeichnet. Darunter befanden sich mehr als 500 Forscher der Cornell- University in Ithaca, NY.

380 Berliner Wissenschaftler und Techniker haben diese Initiative aufgegriffen und sich ebenfalls an den Bundeskanzler gewandt. Die Unterzeichner des Briefes sind Mitarbeiter des Hahn- Meitner- Instituts, der naturwissenschaftlichen Fachbereiche an der Freien Universität und an der Technischen Universität sowie des Fritz- Haber-Instituts. 315 bei DESY Hamburg tätige Wissenschaftler haben sich gegen eine deutsche Beteiligung am SDI-Projekt ausgesprochen. Das Deutsche Elektronen Synchrotron ist ein Großforschungszentrum, in dem mit Beschleunigern und Speicherringen hochenergetische Teilchenstrahlen für Experimente zur Erforschung der Struktur der Materie erzeugt werden. Im DESY ist bislang keine militärische Forschung betrieben worden. 78 Angehörige der Bundeswehr- Hochschule in Hamburg wandten sich gegen eine bundesdeutsche Beteiligung an SDI. 20 Berliner Physiker und Chemiker haben, neben einem Appell an die verantwortlichen Politiker, eine Verpflichtungserklärung – in Analogie zum hippokratischen Eid der Ärzte – unterzeichnet, die folgenden Wortlaut hat:

„Ich anerkenne, daß mir aus meiner Vorbildung und Tätigkeit als Naturwissenschaftler, Ingenieur oder Techniker eine besondere Verantwortung gegenüber der menschlichen Gesellschaft und der Umwelt erwächst.

Ich werde – selbst unter Bedrohung – meine Kenntnisse nicht im Widerspruch zu den Gesetzen der Menschlichkeit anwenden.

Ich verpflichte mich, einer Nutzung naturwissenschaftlicher Ideen, Erkenntnisse und Entdeckungen, die zur Schädigung oder gar Vernichtung menschlichen Lebens oder zur lebensfeindlichen Störung natürlicher Gleichgewichte beitragen könnten, entgegenzuwirken. Insbesondere verpflichte ich mich, weder ab der Forschung und Entwicklung noch an der Herstellung, Erprobung und dem Einsatz nuklearer, biologischer, chemischer und anderer Massenvernichtungswaffen mitzuarbeiten.

Kollegen, die in Einhaltung dieser Verpflichtung in berufliche Schwierigkeiten geraten, werde ich über einen entsprechenden Hilfsfonds unterstützen.“

Friedensforum Stuttgarter Wissenschaftler

Friedensforum Stuttgarter Wissenschaftler

von Joachim Nitsch

Stuttgart ist durch eine beachtliche Konzentration wissenschaftlicher Einrichtungen gekennzeichnet. In unmittelbarer Nachbarschaft befinden sich im Paffenwald (S.-Vaihingen). die Institute der natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fakultäten der Universität, sowie Institute der Max- Planck- Gesellschaft, der Fraunhofer- Gesellschaft und der Deutschen Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt (DFVLR). Gemeinsam mit den geisteswissenschaftlichen Fakultäten im Stadtzentrum dürften rund 3000 Wissenschaftler und Ingenieure tätig sein, dazu kommen etwa 16 000 Studenten. Die Universität Hohenheim ist nur wenige Kilometer entfernt.

Eine günstige Ausgangsbasis für friedenspolitische Arbeit sollte man meinen. Nach anfänglich erfreulicher Resonanz – Anzeigen gegen „Nachrüstung“ mit zahlreichen Unterschriften, Vorträgen an Max- Planck- Instituten u. ä. – hat sich jedoch nur, neben einem studentischen Arbeitskreis „Frieden“, das „Friedensforum Stuttgarter Wissenschaftler“ permanent etabliert. Die verbliebenen 8 bis 10 Professoren und Wissenschaftler veranstalten inzwischen die 3. Ringvorlesung. Das Thema des Semesters lautet: „Bedrohung – Wahrnehmung, Realität, Analyse“. Noch drei Vorträge stehen aus:

30.5. A. A. Guha (Frankfurt). Feindbild und Bedrohungsvorstellungen. – Welche Rolle spielen dabei die Medien?

27.6. Dr. A. von Bülow (Bonn): Vertrauensbildende Verteidigungskonzepte? Auf der Suche nach entspannungsfördernden Militärstrukturen in Ost und West.

11.7. Dr. H. G. Brauch (Mosbach): Rüstungsvergleich als Rechtfertigungsinstrument für Aufrüstung am Beispiel der Genfer Gespräche.

Letzte Aktion war ein Offener Brief an Ministerpräsident Späth, einem der enthusiastischsten Befürworter von SDI. Antwort auf unsere kritischen Fragen erhielten wir nicht, auch die örtlichen Medien griffen den Brief nicht auf, alle Oppositionsfraktionen des Landtags (einschließlich der F.D.P.) stimmten unserer Position jedoch voll zu.

Uns beschäftigt vor allem eine Frage: Warum sind unter Tausenden von Naturwissenschaftlern und Ingenieuren nur wenige zu eigenem Engagement in der wissenschaftlichen Friedensarbeit bereit? Zwar wissen wir von vielen Aufgeschlossenen und Gleichgesinnten (z. B. beim Göttinger Appell), einer aktiven Teilnahme wird jedoch mit deutlicher Zurückhaltung begegnet.

Uns scheint dies symptomatisch für die stark ingenieurwissenschaftlich bezogene, also anwendungsorientierte Forschung zu sein. Daß die Vorstände der Großforschungseinrichtungen die kritische Information über und die Bewertung militärischer Forschung und Entwicklung nur ungern sehen, dürfte bekannt sein. Die Zwänge aus der Beteiligung an „rüstungsrelevanter“ Forschung und Entwicklung, der mehr oder weniger starken Abhängigkeit vom Geldgeber oder von direkten Firmenaufträgen blockieren vielfach eine Aussprache oder die Diskussion kontroverser Standpunkte. Aufforderungen in dieser Richtung entzieht man sich zumeist mit dem Hinweis auf die ausschließlich naturwissenschaftlich- technische Kompetenz; die Beurteilung der rüstungstechnischen, militärstrategischen oder forschungspolitischen Auswirkungen sei auszuklammern oder Kompetenteren (wem?) zu überlassen. Da überlegt es sich ein Wissenschaftler zweimal, ob er sein Unbehagen oder seine Kritik allzu deutlich zum Ausdruck bringt. Erst kürzlich wurden die Vorschläge des Arbeitskreises „Verantwortung in Naturwissenschaft und Technik“ von Mitarbeitern der DFVLR (der sich überregional in mehreren Zentren der Forschungsanstalt gebildet hat) zur Diskussion der Weltraumrüstung im innerbetrieblichen Rahmen abgelehnt.

Darüberhinaus dürften aber auch der Widerwille, den bequemen Standpunkt des Nichtbetroffenseins aufzugeben oder einfach auch die Fülle der alltäglichen Arbeit oder Karriereabsichten Gründe für das zaghafte Engagement vieler in der angewandten Forschung Tätiger sein.

Bleibt als Freiraum die Universität. Doch auch dort ist man, wie an allen ingenieurwissenschaftlichen Universitäten, nicht ganz frei von den o.g. Zwängen, wenn auch der Spielraum größer ist. Trotzdem bedarf es eines gewissen Fingerspitzengefühls und Hartnäckigkeit, um z.B. oben erwähnte Ringvorlesung zu etablieren und am Leben zu erhalten. Nicht von ungefähr sind in dem Forum die Geisteswissenschaftler in der Überzahl, die Beteiligung von Naturwissenschaftlern und Ingenieuren läßt in Stuttgart zu wünschen übrig.

Das FSW hat deshalb beschlossen, sich an den Friedenswochen im November 1985 zu beteiligen, um noch mehr Hochschulangehörige zu erreichen und in Aufklärungs- und Diskussionsveranstaltungen darauf hinzuwirken, daß Naturwissenschaftler und Ingenieure nicht abseits stehen dürfen bei der Suche nach Wegen zur Abrüstung.

Dr. Joachim Nitsch, Wiss. Mitarbeiter der DFVLR im Forschungszentrum Stuttgart.

Friedensbewegung und Bundeswehr

Friedensbewegung und Bundeswehr

von Rolf Schellhase

Während für die Friedensbewegung der 50er fahre in ihrem politischen Kampf gegen die Wiederbewaffnung und die NATO-Integration der Bundeswehr, deren zu großen Teilen wehrmachterfahrenes Offizierkorps, deren ideologische Ausrichtung und die mit ihr und von ihr verfolgten Ziele im Zentrum der Kritik standen, hat die neue Friedensbewegung in ihrer weitgehenden Fixierung auf die US-Politik die nationalen Streitkräfte der Bundesrepublik bisher nur unzureichend als Instrument der Interessen ihres politischen Opponenten beziehungsweise als relativ eigenständigen Faktor im gesellschaftlichen und politischen System der BRD wahrgenommen und sich bislang kaum intensiver – von wenigen Ausnahmen abgesehen 1 – mit dieser von ihrem Selbstverständnis her „eigentlichen“ Friedensbewegung auseinandergesetzt.

Die Haltung der in ihrer sozialen und politisch-ideologischen Struktur sehr breit angelegten Friedensbewegung zur Bundeswehr bewegt sich, grob umrissen, zwischen den Polen der Akzeptanz einer noch bis auf weiteres für notwendig angesehenen Existenz der Streitkräfte einerseits und deren strikter politischer oder moralisch-pazifistischer Ablehnung andererseits. Während sich etwa die Jugendverbände der Gewerkschaften, der SPD und F.D.P. und der Kirchen teilweise sehr kritisch gegenüber der Bundeswehr und ihren Funktionen und Aktivitäten artikulieren, ist die Haltung der Mutterorganisationen, die gelegentlich versuchen, sich als Teil der Friedensbewegung darzustellen bzw. diese partiell zu vereinnahmen, nicht nur programmatisch ohne Abstriche Bundeswehr – und NATO-minded.

Die von der Friedensbewegung bislang weitgehend vernachlässigte differenzierte Auseinandersetzung mit Charakter, Funktionen und Aktivitäten der Bundeswehr in den verschiedenen Bereichen von Gesellschaft und Politik in der Bundesrepublik ist nicht zuletzt darin begründet, daß gerade auch von ihrem Selbstverständnis her kritische Autoren und Wissenschaftler das Thema „Bundeswehr“ aus verschiedenen, hier nicht näher zu erörternden Gründen gemieden haben 2 und u. a. deshalb innerhalb der Friedensbewegung über eine hauptsächlich emotional bestimmte Ablehnung der Bundeswehr hinaus bislang kaum effektives Wissen über die weitverzweigte gesellschaftliche Präsenz und Aktivität der Bundeswehr vorhanden ist. Dieses „Vermeidungsverhalten“ der Friedensbewegung den Streitkräften gegenüber geht nicht selten einher mit völlig unzeitgemäßen und in ihren Folgen für friedenspolitisches Handeln gegenüber der Bundeswehr fatalen Barras-Vorstellungen. Einen solchermaßen „hilflosen Antimilitarismus“ 3 gegenüber der Armee der Bundesrepublik kann sich eine Friedensbewegung, deren erklärtes Ziel es ist, zum möglichst raschen und umfassenden Abbau bestehender Gewaltpotentiale beizutragen, angesichts eines professionell konzipierten und wieder verstärkt und offen zu Tage tretenden gesellschaftlichen Gestaltungsanspruchs der Streitkräfte kaum mehr leisten. Vor dem Hintergrund der von Verteidigungsminister Wörner vor Offizierschülern vertretenen Position: „Nicht nur die Gesellschaft hat Ansprüche an die Bundeswehr. Auch die Bundeswehr hat Ansprüche an die Gesellschaft“ 4, tut die Friedensbewegung gut daran, sorgfältig darauf zu achten, welcher Art diese Ansprüche sind und in welchen Bereichen sie mit welchen Mitteln durchgesetzt werden sollen. Die Frage nach Bedingungen und Möglichkeiten des Umgangs der Friedensbewegung mit der Bundeswehr und den verschiedenen in ihr wirkenden Kräften sollte Bestandteil des derzeit verstärkt geforderten bzw. bereits stattfindenden Nachdenkens über eine erweiterte „Perspektive der Entmilitarisierung“ 5 unter den Bedingungen der erfolgten Stationierung und der mit der sogenannten Konventionalisierung drohenden weiteren Aufrüstung sein.

Für die Friedensbewegung ist erhöhte Aufmerksamkeit hinsichtlich der Gefahr einer verstärkten militärischen Einflußnahme auf verschiedene Bereiche der gesellschaftlichen und politischen Kultur nicht zuletzt deshalb geboten, weil das Militär, wie die zahlreichen und gut dokumentierten Affären und Skandale der Bundeswehr gezeigt haben, seine spezifischen Gestaltungsinteressen nicht nur innerhalb seines ureigensten Terrains, den Kasernen, durchzusetzen versteht, sondern sich effektiver demokratischer Kontrolle immer wieder weitgehend mit Erfolg zu entziehen vermochte.6

Die Tatsache, daß in großen Teilen der Bundeswehr unter gewendeten Verhältnissen Begriffe wie soldatische Ehre, Stolz, Mut und Tapferkeit, zynisch und maliziös strapaziert auch in der sogenannten Wörner-Kießling-Affäre, wieder ihren Aufschwung erfahren und unter einem CDU-Verteidigungsminister wieder explizit an bewährte Traditionen deutschen Soldatentums angeknüpft werden soll, kann von der Friedensbewegung nicht in der Weise interpretiert werden, als habe sie es bei der Bundeswehr mit einer nach längst überkommenen Managementmethoden geführten und völlig unflexiblen Institution zu tun.

Während sich die Friedensbewegung mit den Streitkräften häufig nur oberflächlich oder aktionistisch auseinandersetzt, geht die Bundeswehr, armiert mit aktuellen Forschungsergebnissen ihres Sozialwissenschaftlichen Instituts, zweckrational und verwissenschaftlicht an das den Streitkräften kritisch bis ablehnend gegenüber eingestellte Protestpotential heran. Hier widmet sich eine keineswegs nur kryptisch verfahrende militärisch orientierte Sozialforschung kontinuierlich, in der Funktion vergleichbar einem Frühwarnsystem, verschiedenen, jeweils aktuellen Struktur-, Legitimations- und Akzeptanzproblemen der Bundeswehr und präsentiert bestimmte Ergebnisse auch als Teil ihrer Öffentlichkeitsarbeit unter anderm in der Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament“, die als Medium zur gezielten und aktuellen Informationsvermittlung für politische Akteure verschiedener Coleur erhebliche Wirksamkeit besitzt 7.

Das nicht nur von externen Kritikern der Bundeswehr monierte Faktum, daß die Konzeption vom „Staatsbürger in Uniform“ kaum mehr als die Wünsche und Hoffnungen einiger weniger Reformer darstellt 8 und die Realität der Bundeswehr allenfalls marginal berührt 9, die Tatsache, daß jedes Jahr etwa 200 000 Wehrpflichtige einen staatsbürgerlichen Unterricht erhalten, der kaum mehr zu vermitteln hat als eine modernisierte „geistige Rüstung“ 10, die Erfahrung, daß das Bundesministerium der Verteidigung einem Teil seiner Soldaten die Diskussion mit der Friedensbewegung unter Hinweis auf die gebotene parteipolitische Zurückhaltung des Militärs verbieten will, während hohe Offiziere sich unbehelligt und unkorrigiert in konservativen bis reaktionären und dem Militär gefälligen politischen Kreisen bewegen und den entsprechenden Medien äußern können, lassen die in dem von Jakob Moneta, Erwin Horn und Karl-Heinz Hansen 1974 aus aktuellem Anlaß veröffentlichten Buch Bundeswehr und Demokratie. Macht ohne Kontrolle? aufgeworfene Frage: „Ist die Bundeswehr zuverlässig demokratisch?“ 11 bis heute nicht befriedigend beantwortet und weiterhin aktuell erscheinen. Die von Immanuel Geiss im Vorwort zu dieser Publikation formulierte These: „Wie die Führer der Bundeswehr in einer Situation sich verschärfender ökonomischer und sozialer Krise und einer sich zuspitzenden politischen Polarisierung, wie sie immerhin auch bei uns denkbar geworden ist, handeln werden, dafür kann heute niemand garantieren“ 12, ist angesichts der Krise der Gesellschaft der BRD und der scheinbar fast vergessenen Tatsache, daß die Bundeswehr laut Notstandsgesetzgebung auch nach innen' eingesetzt werden kann, nach wie vor als ein dringender Hinweis zu demokratischer Wachsamkeit zu verstehen.

Wie dauerhaft resistent die Streitkräfte gegen ideologische Erneuerungen sind, verdeutlichen nicht nur die wieder offen und im Anschluß an Schnezsches Gedankengut beanspruchte sowie von Verteidigungsminister Wörner unterstrichene „Besonderheit des Soldatenberufs“ 13 und das Scheitern der Konzeption vom „Staatsbürger in Uniform“ bis auf den heutigen Tag; insbesondere die sukzessive und beharrliche Zurückdrängung fortschrittlicher Studieninhalte an den Hochschulen der Bundeswehr durch einflußreiche konservative Offiziere, die in einer ausgezeichneten empirischen Studie von Jopp nachgezeichnet und belegt wird 14, wirft ein weiteres Schlaglicht auf den in maßgeblichen Kreisen der Bundeswehr vorherrschenden politisch-ideologischen Geist.

Zieht man weiterhin in Betracht, daß der Einfluß der Bundeswehr über ihre eigenen Hochschulen hinaus auch andere Bereiche des zivilen Bildungswesens 15 erreicht und insbesondere der schulische Sektor 16 zum Teil in forcierter Kooperation mit der Schulverwaltung Gegenstand verstärkter ideologischer Anstrengungen und Einflüsse ist, daß die Bundeswehr sich, bedingt durch die noch weiter ansteigende Arbeitslosigkeit, um den Zulauf anpassungwilliger Freiwilliger, eventuell auch noch weiblicher Bewerberinnen, die dort einen „sicheren“ Arbeitsplatz suchen, keine wirklichen Sorgen zu machen braucht, so dürften bereits diese wenigen Hinweise deutlich werden lassen, daß die Friedensbewegung in Zusammenarbeit mit ihr verbundenen Wissenschaftlern der tendenziell wachsenden gesellschaftlichen Einflußnahme des Militärs erheblich mehr und differenzierte Aufmerksamkeit widmen und zur permanenten Veröffentlichung des „ubiquitären Militarismus“ 17 beitragen sollte, wenn sie an politischer Wirksamkeit gewinnen will.

Bei ihrer Auseinandersetzung mit der Bundeswehr hat die Friedensbewegung von der Tatsache auszugehen, daß die Streitkräfte der Bundesrepublik keinen monolithischen Block darstellen, sondern – wie verschiedene Initiativen kritischer Soldaten mit jeweils unterschiedlichen Anliegen gezeigt haben – auch innerhalb der Armee fortschrittliche und demokratische Kräfte existieren, die als genuine Ansprechpartner und Verbündete der Friedensbewegung anzusehen sind.

In den 70er Jahren sind kritische Impulse innerhalb der Bundeswehr vorwiegend von gewerkschaftlich orientierten wehrpflichtigen Mannschaftsdienstgraden ausgegangen. 18 Gleichzeitig haben aber auch fortschrittliche junge Offiziere, motiviert durch eigene Erfahrungen als Einheitsführer auf unterer Ebene und als Jugendoffiziere, durch die Publizierung ihrer Kenntnisse und Positionen einen erheblichen Beitrag zur Veröffentlichung der in der Bundeswehr herrschenden restriktiven politischen und ideologischen Verhältnisse und zur Entwicklung kritischer öffentlicher Aufmerksamkeit gegenüber den Streitkräften geleistet. 19 In der Diskussion um die zunehmende Verschärfung der US-Positionen innerhalb der NATO und die Folgen der Stationierung neuer Mittelstreckenwaffen haben sich darüber hinaus weitere Offiziere und Unteroffiziere zu Wort gemeldet und unter Bezugnahme auf die Verfassung und Souveränität der Bundesrepublik die Stationierung als der Sicherheit unseres Landes und des Friedens insgesamt abträglich kritisiert. 20

Teilweise arbeiten bereits Offiziere in lokalen Friedensinitiativen mit. 21 Mindestens ein Drittel der etwa 7000 jungen Offiziere, die in den letzten Jahren die Hochschulen der Bundeswehr absolviert haben, betrachtet nach einer Untersuchung des Verteidigungsministeriums die Friedensbewegung immerhin „mit skeptischer Sympathie“. 22

Die am weitesten entwickelte Position innerhalb dieser demokratischen Initiativen von Berufs- und Zeitsoldaten dürfte mit dem sogenannten „Darmstädter Signal“ markiert worden sein 23, und es kann vermutet werden, daß die Zahl derer, die die inhaltlichen Positionen des „Darmstädter Signals“ teilen, innerhalb der Bundeswehr erheblich größer ist, als die Zahl derjenigen, die sich bisher offen dazu zu äußern gewagt haben.

Für die Friedensbewegung der 80er Jahre. besteht zunächst einmal die Notwendigkeit, sich hinreichende Kenntnisse über die Entstehung, Geschichte und Rolle der Bundeswehr im gesellschaftlichen und politischen System der Bundesrepublik zu verschaffen. Die wenigen kritischen Publikationen zu diesem Themenkomplex verdeutlichen schnell, daß hier von praktisch orientierten und sachlich wie didaktisch kompetenten Historikern, Soziologen, Psychologen u.a.m. noch ein erhebliches Pensum an „Aufklärungsarbeit“ zu leisten ist.

Eine von ihrem Selbstverständnis her praktisch-politische Friedensbewegung findet in der Analyse der gesellschaftlichen Präsenz und Aktivität der Bundeswehr 24, in der Auseinandersetzung mit Funktionen, Techniken und individuellen und gesellschaftlichen Konsequenzen militärischer Qualifikation und Sozialisation, in der konkreten und fallstudienartig durchzuführenden Untersuchung vermuteter Militarisierungsprozesse, in der Thematisierung des Verhältnisses von Militär und Medien in der BRD, in kontinuierlichen regionalen und lokalen Militäranalysen u.v.a.m. ein weites und bislang wenig beschrittenes Feld für Forschungs-, Lehr- und Lernprozesse, die nicht im überkommenen Sinne akademisch sind und als Beitrag zur Qualifizierung der Friedensbewegung einen Teil der Verantwortung der Wissenschaftler für den Frieden realisieren können.

Nicht zuletzt könnte die Tatsache, daß gerade Sozialwissenschaftler aus dem Umfeld der Bundeswehr auf den miserablen Zustand der mit dem Militär befaßten Soziologie hinweisen, in der Friedensbewegung engagierte Wissenschaftler dazu motivieren, über eine eben nicht „für den Dienstgebrauch“ gedachte Sozialforschung nachzudenken und sich dem Themenkomplex „Bundeswehr in Politik und Gesellschaft der BRD“ in Forschung, Lehre und Publikation intensiver und von der Form her zugänglicher zu engagieren 25.

Anmerkungen

1 Vgl. Steinweg, R. (Hg) 1981. Unsere Bundeswehr? Zum 25jährigen Bestehen einer umstrittenen Institution. Frankfurt/M. Das Verdienst, sich als Teil der Friedensbewegung von Anfang an vehement gegen die Militarisierung weiterer Arbeits- und Lebensbereiche gewehrt zu haben, kommt ohne Frage der demokratischen Frauenbewegung zu. Vgl. Janken, R. 1980. Frauen ans Gewehr? Köln (erweiterte Auflage 1983).Zurück

2 Eine der wenigen Ausnahmen stellt das bereits 1973 erschienene Buch von W. von Bredow, Die unbewältigte Bundeswehr. Zur Perfektionierung eines Anachronismus. Frankfurt/M., dar. Siehe dazu weiter Münch, M. 1983. Bundeswehr – Gefahr für die Demokratie? Köln.Zurück

3 von Bredow, W. 1983. Moderner Militarismus. Analyse und Kritik. Stuttgart. S. 98.Zurück

4 Der Spiegel. 10.10.1983, S. 22.Zurück

5 Delle, V. 1984. Die Zeichen werden nicht zurückgenommen. Zur Situation der Friedensbewegung. Blätter für deutsche und internationale Politik. 3/1984. S. 262. Siehe weiterhin Beck Oberdorf, M./ Bredthauer, K./ Delle, V./ Dietzel, P./ Leinen, J. / Matthiessen, G./ Stammer, S. 1984. Bestandsaufnahme. Die Friedensbewegung und die neue Lage nach Stationierungsbeginn. Blätter für deutsche und internationale Politik. 5/1984.Zurück

6 Siehe dazu u.a. von Bredow, W. 1969. Der Primat des militärischen Denkens. Die Bundeswehr und das Problem der okkupierten Öffentlichkeit. Köln; von Bredow 1973. a.a.O. München 1983. a.a.O.Zurück

7 Vgl. u.a. Zoll, R./ Lippert, E./ Rössler, T. (Hg.) 1977. Bundeswehr und Gesellschaft. Ein Wörterbuch. Opladen; Zoll, R. (Hg.) 1979. Wie integriert ist die Bundeswehr? Zum Verhältnis von Militär und Gesellschaft in der Bundesrepublik. München; Zoll, R. (Hg.) 1982. Sicherheit und Militär. Genese, Struktur und Wandel von Meinungsbildern in Militär und Gesellschaft. Opladen. Das Heft B 16/82 der Publikation „Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament“ vom 24.4.1982 enthält ausschließlich Beiträge zur Thematik Bundeswehr. Vgl. Kutz, M. Offiziersausbildung in der Bundeswehr. Historische und strukturelle Probleme. Zimmermann, P. Die Hochschulen der Bundeswehr. Ein Reformmodell in der Bewährung; Barth, P. Jugend und Bundeswehr. a.a.O.Zurück

8 Zur Kritik der Leistungsfähigkeit verschiedener MIK-Ansätze siehe von Bredow 1983. a.a.O. S. 65 ff. Zurück

9 Vgl. Ganser, H. W. (Hg.) 1980. Technokraten in Uniform. Die innere Krise der Bundeswehr. Reinbek; Hesslein, B. C. (Hg.) 1977. Die unbewältigte Vergangenheit der Bundeswehr. Fünf Offiziere zur Krise der Inneren Führung. Reinbek; Senger, R./ Wakenhut, R. 1982. Moralische Segmentierung und der Anspruch der Inneren Führung. Zoll (Hg.) 1982. a.a.O.Zurück

10 Vgl. Bald, D./ Krämer-Badoni, T./ Wakenhut, R. 1981. Innere Führung und Sozialisation. Steinweg (Hg.) 1981, a.a.O., S. 134 ff.Zurück

11 Moneta, J./ Horn, E./ Hansen, K.H. 1974 Bundeswehr in der Demokratie – Macht ohne Kontrolle? Frankfurt/M., S. 70.Zurück

12 Geiss, I. 1974. Bundeswehr und Demokratie. Moneta/Horn/Hansen 1974. a.a.O.S. X.Zurück

13 Der Spiegel. 10.10. 1983. S. 21.Zurück

14 Jopp, M. 1983. Militär und Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland. Das Beispiel der Bildungsreform in der Bundeswehr. Frankfurt/M./New York. Die sogenannte „Schnez-Studie“, in der Albert Schnez, seinerzeit Inspekteur des Heeres, 1969 seine reaktionären Vorstellungen von der Bundeswehr als „Kampf-, Schicksals- und Notgemeinschaft“ dargelegt hat, ist unter dem Titel „Gedanken zur Verbesserung der Inneren Ordnung des Heeres“ in dem von K. Heßler herausgegebenen Band Militär – Gehorsam – Meinung. Berlin/New York, 1971 abgedruckt.Zurück

15 Siehe u.a. Rilling, R. 1983. Militärische Forschung an den Hochschulen. Informationsdienst Wissenschaft und Frieden. 1/83 und 1/84.Zurück

16 Kerbst R./ Witt, G. 1983. Militarisierung des Bildungswesens. Englisch Amerikanische Studien. 2,3/83. Kerbst, R./Witt, G. (Hg.) 1984. Bundeswehr und Schule. Militarisierung – Jugendoffiziere – Friedenserziehung. Köln.Zurück

17 von Bredow 1983. a.a.O. S.111.Zurück

18 In diesem Zusammenhang sind insbesondere die unter den Titeln „Soldat 70“ und „Soldat 74“ bekanntgewordenen Positionspapiere wehrpflichtiger Soldaten zu nennen. Beide Papiere sind als Sonderdruck der in Dortmund erscheinenden Zeitschrift „elan“ erschienen. Demgegenüber sind die unter dem Titel „Leutnant 70“ erschienenen Thesen eindeutig affirmativer Art; „Leutnant 70“ ist abgedruckt in Blätter für deutsche und internationale Politik. 3/1970.Zurück

19 Vgl. dazu Hesslein 1977. a.a.O. und Ganser 1980. a.a.O.Zurück

20 Vgl. den Bericht im Stern vom 23.2.1984 unter dem Titel „Jetzt reden wir. Soldaten der Bundeswehr über Nachrüstung. MAD und Innere Führung“.Zurück

21 Der Spiegel. 6.12. 1982. S. 74.Zurück

22 Der Spiegel. 10.10. 1983. S. 21.Zurück

23 Vgl. „Darmstädter Signal“. Aktive Soldaten und Mitarbeiter der Bundeswehr sagen NEIN zur Stationierung neuer Atomraketen in unserem Land. Blätter für deutsche und internationale Politik. 4/1984.Zurück

24 Die Präsenz der Bundeswehr beschränkt sich keineswegs nur auf militärische Ausstellungen oder Schauveranstaltungen; vgl. dazu den Bericht „Ein wehrhaftes Volk“ in Konkret 12/1983. Gewissermaßen auf „leisen Sohlen“ gewinnt die Bundeswehr an Akzeptanz und politisch-ideologischem Einfluß über Kontakte z.B. zu Managerclubs, gezielte Einladungen zu Truppenbesuchen an bestimmte Personenkreise, über Einladungen von Offizieren zu lokalen politischen „Ereignissen“, Kultur- und Sportveranstaltungen oder „Sommerfesten“ von Behörden und anderen Institutionen, über informelle Gesprächs- und Arbeitskreise u.a.m. Diese aus einer anderen Perspektive auch als Verzivilisierung des Militärs beschriebenen Prozesse, die hier als latente Einflußnahme des Militärs auf verschiedenste gesellschaftliche Bereiche angenommen werden, sind bislang nur wenig untersucht und dargestellt worden.Zurück

25 „Nur für den Dienstgebrauch“ ist eine bundeswehrspezifische Bezeichnung für die niedrigste Einstufung von Verschlußsachen. Vgl. Lippert, E./Wachtler, G. 1982. Militärsoziologie – eine Soziologie „nur für den Dienstgebrauch?“. Beck, U. (Hg.) Soziologie und Praxis. Göttingen (Sonderband I der Zeitschrift Soziale Welt) Zurück

Dr. Rolf Schellhase ist Soziologe in Münster