Atomwaffen abschaffen – bei uns anfangen!

Atomwaffen abschaffen – bei uns anfangen!

Zum Hintergrund einer Bewegung

von Wolfgang Sternstein

Als Anfang dieses Jahres Einzelheiten der neuen Nuklearwaffenplanung der Bush-Administration bekannt wurden, dürfte vielen ZeitgenossInnen (wieder einmal) gedämmert haben, dass die »atomare Drohung« (Günther Anders) keineswegs gebannt ist. Mit dem zwischenzeitlich geschlossenen »Abrüstungsvertrag« zwischen den USA und Russland hat sich jedoch vermutlich die Decke des Nicht-wissen-Wollens oder des fahrlässigen Vertrauens in die Regierenden schon wieder zugezogen. Auf kleiner Flamme aber glüht der Widerstand gegen das fortgesetzte perverse Spiel mit der »absoluten Waffe« (B. Brodie) weiter. Der folgende Bericht eines Exponenten dieses Widerstands ist auch ein Beitrag gegen die Schwankungen des öffentlichen Problembewusstseins.
Ein sonniger Frühlingstag im April. Eine Gruppe Wanderer durchstreift den Wald auf dem Weg ins nächstgelegene Gasthaus. So zumindest scheint es. Doch der Schein trügt. Denn plötzlich verwandeln sich die Wanderer in FriedensaktivistInnen, deren Ziel nicht ein Gasthaus, sondern der Fliegerhorst Büchel (Südeifel) ist, auf dem zehn amerikanische Atombomben lagern, die im Kriegsfall von deutschen Tornado-Piloten ans Ziel geflogen werden sollen.

Eine Aktion

Die fünf Frauen und zwei Männer, begleitet von einem Fotografen und einem Beobachter, überqueren mit raschen Schritten einen schmalen Wiesenstreifen und tauchen in ein Waldstück unmittelbar am Zaun des Fliegerhorsts ein. Sie durchtrennen den Zaun von unten nach oben und schieben ihn auf dem Spanndraht nach links und rechts zur Seite, so dass ein breiter Durchgang entsteht. Danach betreten sie das Gelände und entfalten auf der parallel zum Zaun verlaufenden Straße Transparente mit den Texten: Völkerrecht achten – Atomwaffen abschaffen Atombomben in Büchel = 100 X Hiroshima Ziviler Ungehorsam gegen Atomwaffen Deutsche Tornados mit US-Atomwaffen – bereit zum Massenmord

Sie singen, begleitet von einer weithin hörbaren Trompete, das bekannte Friedenslied: „Nach dieser Erde wäre da keine, die eines Menschen Wohnung wäre. Darum Menschen achtet und trachtet, dass sie es bleibt. Wem denn wäre sie ein Denkmal, wenn sie still die Sonne umkreist?“

Nach einigen Minuten zeigt sich in der Ferne ein Bundeswehr-PKW. Der Fahrer hält an und ruft offenbar über Funk Verstärkung herbei. Jedenfalls nähern sich von beiden Seiten Bundeswehrfahrzeuge. Feldjäger und Soldaten steigen aus. Sie betrachten die Gruppe mit verhaltener Neugier. Der Fahrer des PKW tritt auf die Gruppe zu und stellt sich als stellvertretender Kommodore des Tornado-Geschwaders vor. Später trifft die Polizei ein. Die Atmosphäre ist entspannt, denn die Aktion war dem Kommodore, der Polizei, dem Bundeskanzler, dem Verteidigungs- und dem Außenminister sowie dem Botschafter der USA brieflich angekündigt und begründet worden. Mit erheblichem Aufwand versuchten Polizei und Bundeswehr sie zu verhindern, was ihnen letztlich aber doch nicht gelang.

Ein Bundeswehrbus bringt die AktivistInnen zur Polizeiwache nach Cochem, wo sie erkennungsdienstlich behandelt werden, soweit sie die Prozedur nicht schon bei früheren Aktionen hinter sich gebracht haben. Sie müssen mit einer Geldstrafe wegen Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch rechnen. Zwei Mitglieder der Gruppe haben längere Gefängnisstrafen zu gewärtigen. Sie waren wegen einer früheren Aktion bereits zu einer Haftstrafe verurteilt worden, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.

In der Pressemitteilung der Gruppe heißt es: Wie allgemein bekannt, seien in Büchel zehn amerikanische Atombomben stationiert. Darin liege ein Verstoß gegen Art. II des Nichtverbreitungsvertrags, der die Bundesrepublik verpflichte, Kernwaffen und sonstige Kernsprengkörper oder die Verfügungsgewalt darüber von niemandem unmittelbar oder mittelbar anzunehmen. Die nukleare Teilhabe der Bundeswehr stelle ohne Zweifel eine mittelbare Verfügungsgewalt über Kernwaffen dar. Die Bundesregierung verhalte sich folglich permanent völkerrechtswidrig. Sie verstoße darüber hinaus gegen Art. VI des Vertrags, der jede Vertragspartei zu Verhandlungen verpflichte „über wirksame Maßnahmen zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens in naher Zukunft und zur nuklearen Abrüstung… unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle“.

Die gewaltfreie Aktion der Gruppe richtete sich darüber hinaus gegen die Pläne der Bush-Administration, Mini-Nukes als Gefechtsfeldwaffen einzusetzen. Damit würde nach ihrer Einschätzung der Damm zwischen dem Atomkrieg und dem konventionellen Krieg endgültig eingerissen.

Das Ziel der AktivistInnen ist eine atomwaffenfreie Bundesrepublik als Deutschlands Beitrag zu einer atomwaffenfreien Welt. Deshalb fordern sie den Abzug der in Büchel und Ramstein (Rheinland-Pfalz) gelagerten insgesamt 64 Atombomben mit einer Sprengkraft von 600 Hiroshimabomben. Sie können sich auf die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung berufen. Eine repräsentative Umfrage des forsa-Instituts vom Juni 1998 kam zu dem Ergebnis: 93 Prozent der Bürger halten Atomwaffen für grundsätzlich völkerrechtswidrige Waffen, die weder produziert noch gehortet werden dürften. Ebenfalls sehr hoch ist der Anteil der Bürger, die der Aussage zustimmen, dass die Bundesregierung dafür sorgen sollte, dass die auf deutschem Boden gelagerten Atomwaffen umgehend beseitigt werden (87 Prozent).

Wie können, so mag man trotzdem fragen, die AktivistInnen das Gesetz übertreten, um das Recht zu verteidigen? Ist das nicht ein vollendeter Widerspruch? Gegen solche Bedenken beruft man sich vor allem auf Gandhi, der erklärte: „Ziviler Ungehorsam wird zu einer heiligen Pflicht, wenn der Staat den Boden des Rechts (d.h. des Menschen- und des Völkerrechts – W.S.) verlassen hat.“ (Gandhi, 1980, S. 141)

Der Fliegerhorst Büchel war in den vergangenen Jahren wiederholt Ziel solcher Aktionen des zivilen Ungehorsams. Dreimal drangen Friedensgruppen in das Gelände ein. Insgesamt 29 Personen wurden festgenommen und wegen Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung verurteilt. Gegen die Verurteilungen sind drei Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe anhängig.

Die Kampagne

Soweit der kurze, »objektive« Bericht über die fünfte Aktion des zivilen Ungehorsams am Fliegerhorst Büchel. Um diese Aktion wirklich zu verstehen, ist es nötig, sie in den größeren Rahmen der Friedensbewegung zu stellen.

Vor zwanzig Jahren erlebte die Friedensbewegung im Kampf gegen die Stationierung der neuen Mittelstreckenraketen Pershing 2 und Cruise Missiles einen Höhepunkt ihrer Geschichte. Der gewaltfreie Widerstand breiter Bevölkerungskreise gegen die »Nachrüstung«, der den Teufelskreis des Wettrüstens durchbrechen sollte, beherrschte monatelang die Medienöffentlichkeit. Ortsnamen wie Mutlangen, Heilbronn, Neu-Ulm in Süddeutschland (Pershing 2) oder Hasselbach im Hunsrück (Cruise Missiles) waren weit über die Bundesrepublik hinaus bekannt. Es gab den »Krefelder Appell« mit mehreren Millionen Unterschriften. Es gab Massenversammlungen in Bonn mit bis zu 300.000 Teilnehmern und eine Menschenkette über 108 Kilometer, die die amerikanische Kommandozentrale EUCOM bei Stuttgart mit dem Pershing-2-Standort Neu-Ulm verband. Es gab aber auch eine Vielzahl gewaltfreier Aktionen des zivilen Ungehorsams.

Den Auftakt bildete die einwöchige Rund-um-die-Uhr-Blockade des Lance-Atomraketen-Depots Golf bei Großengstingen auf der Schwäbischen Alb im Sommer 1982 (mit 380 Festnahmen und zahlreichen Gerichtsverfahren wegen Nötigung). Ihr folgte im Dezember des gleichen Jahres die Blockade des EUCOM (350 Festnahmen). Anfang September 1983 kam es zur berühmten »Prominentenblockade«, an der sich u.a. Heinrich Böll, Günter Grass, Oskar Lafontaine, Erhard Eppler, Heinrich Albertz, Helmut Gollwitzer, Dietmar Schönherr, Barbara Rütting u.a. beteiligten. Die Polizei räumte die Blockade nicht. Die Verbindung zum Raketendepot wurde drei Tage lang mit Hubschraubern aufrechterhalten. Vom damaligen baden-württembergischen Innenminister Roman Herzog ist der Ausspruch überliefert: „Ich werde der Weltpresse doch nicht das Schauspiel bieten, den Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll von Polizisten von der Straße tragen zu lassen.“

Nachdem Ende November 1983 gegen den massiven Widerstand großer Teile der Bevölkerung die Stationierung der neuen Mittelstreckenraketen durchgesetzt worden war, geriet die Friedensbewegung in die Krise. Eine Gruppe Tübinger Studenten ließ sich indes nicht entmutigen. Sie gründeten die Kampagne Ziviler Ungehorsam bis zur Abrüstung, die eine Vielzahl von Blockaden auf dem Zufahrtsweg zum Raketendepot in Mutlangen organisierte (vgl. Nick, Scheub & Then, 1993). Senioren, Musiker, ja selbst Richter nahmen auf der Zufahrtsstraße Platz und riskierten empfindliche Geld- und Haftstrafen. Die Zahl der bei Blockaden Festgenommenen summierte sich auf mehr als dreitausend. Schließlich sind noch zwei Pflugscharaktionen (1983 und 1986) zu erwähnen, bei denen jeweils eine Pershing-2-Zugmaschine mit Hämmern und Bolzenschneidern abgerüstet wurde (vgl. Sternstein, o.J.).

Für mich besteht kein Zweifel, dass die Friedensbewegung der achtziger Jahre zum Abschluss des INF-Vertrags, der die Verschrottung sämtlicher landgestützter Mittelstreckenraketen in Ost und West (wenn auch leider nicht der Sprengköpfe) zum Inhalt hatte, beigetragen hat. Das Hauptverdienst an dem Vertrag und der dadurch ausgelösten Entwicklung gebührt zweifellos Michail Gorbatschow. Ohne ihn hätte der Kalte Krieg wohl kaum ein so unblutiges Ende gefunden, ganz zu schweigen von der Auflösung des Warschauer Pakts, dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums und der deutschen Wiedervereinigung. Doch wäre Gorbatschow ohne die deutsche Friedensbewegung wohl kaum 1985 zum Generalsekretär des KPdSU gewählt worden. Für diese Behauptung habe ich einen glaubwürdigen Zeugen, den Gorbatschow-Berater und Nordamerika-Experten Georgij Arbatow, der auf einem Symposium in den USA erklärte: „Die Friedensbewegung war ein Ausdruck des Bewusstseinswandels, der sich in der westdeutschen Bevölkerung abgespielt hat. Das war ein Faktor für unsere Entscheidung, Michail Gorbatschow als Verfechter eines dezidierten Entspannungskurses zum Generalsekretär zu wählen.“ (zitiert nach Bittorf, 1990, S. 75).

Nach dem Abzug und der Verschrottung der neuen Mittelstreckenraketen schien es mir selbstverständlich, als nächsten Schritt auf dem Weg zu einer umfassenden nuklearen Abrüstung die noch in Deutschland gelagerten Atomwaffen auf die Tagesordnung der Friedensbewegung zu setzen. Meine Bemühungen, die Organisatoren der Kampagne Ziviler Ungehorsam bis zur Abrüstung für dieses Ziel zu gewinnen, blieben jedoch ohne Erfolg. Noch heute bin ich überzeugt, es wäre schon damals bei gehöriger Anstrengung möglich gewesen, eine atomwaffenfreie Bundesrepublik zu erreichen. Die 64 atomaren Fliegerbomben, die noch in Ramstein und Büchel lagern, machen ja militärisch keinen Sinn; sie sind lediglich Bestandteil einer überholten Nato-Doktrin der nuklearen Abschreckung gegen die Warschauer-Pakt-Staaten. So blieb nur die Alternative, entweder zu resignieren oder in eigener Initiative eine Organisation ins Leben zu rufen, die das nach meiner Überzeugung unaufgebbare Ziel zu erreichen sucht.

So entstand 1988 die EUCOMmunity (vgl. Sternstein, o.J.). Sie entwickelte eine eigene Aktionsform: die »Entzäunungsaktion«. Die spezifische Aktionsform der Anti-AKW-Bewegung der siebziger Jahre war die Platzbesetzung gewesen. Sie war am Oberrhein in drei Fällen (Marckolsheim, Wyhl und Kaiseraugst) erstaunlich erfolgreich gewesen, konnte jedoch nach 1975 keine Erfolge mehr verbuchen, da die AKW-Bauplätze zu wahren Festungen ausgebaut wurden. Die charakteristische Aktionsform des Widerstands gegen die Nachrüstung war die Straßenblockade. Sie erwies sich als durchaus wirksames Mittel, um öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen und den Militärbetrieb zu stören. Diese »Waffe« des zivilen Ungehorsams wurde jedoch teilweise stumpf, nachdem das Bundesverfassungsgericht 1995 die Anwendbarkeit des Nötigungsparagrafen auf demonstrativ friedliche Sitzblockaden verneint hatte.

Die »Entzäunungsaktion« wurde inspiriert von einer Aktion der »Frauen von Greenham Common«, die den Zaun um das Gelände des englischen Cruise-Missiles-Standorts Greenham Common auf weite Strecken niedergelegt hatten, und weiterhin von der englischen »Snowball Campaign«. Bei dieser Kampagne rüsteten sich die Teilnehmer mit Drahtscheren aus, um jeweils eine Masche des Maschendrahts durchzuschneiden; dadurch sollte die Verantwortung für die Entzäunung auf möglichst viele Schultern verteilt werden.

Das Grundmuster der deutschen Entzäunungsaktionen sieht folgendermaßen aus: Die Gruppe der AktivistInnen geht nach gründlicher Vorbereitung an den Zaun des Militärgeländes und schneidet ihn in seiner ganzen Höhe auf, um einen »öffentlichen Zugang« von etwa drei Meter Breite zu schaffen. Danach gehen sie mit Transparenten auf das Gelände, um Blumen zu pflanzen, Getreide zu säen oder ein »Fest der Hoffnung« zu feiern. Sie bekräftigen auf diese Weise ihre Forderung, das militärische »Todesland« in zivil genutztes »Lebensland« umzuwandeln.

Strafrechtlich gesehen, handelt es sich um Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch. Die Aktivisten durchbrechen bewusst die psychische Barriere, die der amerikanische Pfarrer Bill Kellerman mit folgenden Worten treffend beschrieben hat: „Die Macht des Stacheldrahts liegt nicht so sehr in der physischen Barriere, die er darstellt, als in der Gewalt, die er definiert und ausstrahlt. Der Draht wird als heilig verehrt. Er ist ein kleiner Götze, aufgestellt, um die Schwelle zum profanen »heiligen« Bereich zu markieren und zu bewachen. Wir verneigen uns vor seiner Macht, indem wir uns abwenden. An diesem Punkt endet alles Sehen, Denken und Fragen. Es handelt sich in der Tat um eine Schranke für das Bewusstsein selbst.“

Die erste Entzäunungsaktion am EUCOM fand am 29. September 1990 statt. An ihr beteiligten sich 10 Personen. In den darauf folgenden Jahren fanden weitere sieben Aktionen statt, bei denen die Teilnehmerzahl zwischen sieben und dreiundzwanzig schwankte. Hinzu kamen zwei Blockadeaktionen mit insgesamt 141 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Schließlich ist noch ein »Die in« mit zehn Personen am Karfreitag 2002 zu erwähnen.

1994 wurde der Trägerkreis der Kampagne »Atomwaffen abschaffen« ins Leben gerufen. Ihm gehören fast alle großen Friedensorganisationen in Deutschland an. Er ist wiederum Bestandteil des weltweiten Netzwerks Abolition 2000. Der Trägerkreis beschränkt sich jedoch im Wesentlichen auf Öffentlichkeitsarbeit und Lobbytätigkeit.

1996 nahm die »Gewaltfreie Aktion Atomwaffen Abschaffen« ihre Tätigkeit auf. Sie ging aus der Atomteststopp-Kampagne hervor, die nach dem Abschluss des »Umfassenden Atomteststoppvertrags« ihr Kampagnenziel als erreicht ansah. Während sich EUCOMmunity in erster Linie um das EUCOM kümmerte, konzentrierte sich die »Gewaltfreie Aktion Atomwaffen Abschaffen« auf den Atomwaffenstandort Büchel in der Südeifel. Ihr Markenzeichen ist die »Ehrenamtliche Inspektion im Auftrag des Internationalen Gerichtshofs«. Dieser hatte in einem Gutachten vom Juli 1996 Atomwaffen für generell völkerrechtswidrig erklärt und noch einmal nachdrücklich die (Selbst-) Verpflichtung der Vertragsstaaten des Nichtverbreitungsvertrags zur vollständigen atomaren Abrüstung angemahnt (vgl. Deiseroth, 1996). Die »Ehrenamtlichen Inspekteure« betreten das Gelände des Fliegerhorsts, nachdem sie den Zaun überstiegen oder durchschnitten haben, um festzustellen, ob Atomwaffen auf dem Fliegerhorst gelagert sind, und, falls das der Fall ist, ihren Abzug zu fordern. Die Aktionsidee stammt aus Holland, wo sie zum ersten Mal am Atomwaffenstandort Voelkel praktiziert worden war.

Am Fliegerhorst Büchel, wo deutsche Tornado-Piloten mit amerikanischen Atombomben den Kriegseinsatz üben, fanden insgesamt fünf gewaltfreie Aktionen statt. Die drei ersten waren erfolgreich, die vierte am 30. September 2001 scheiterte, da aufgrund der Terroranschläge vom 11. September in den USA auf beiden Seiten der Barrikade spürbare Nervosität herrschte. Die fünfte Aktion am 7. April 2002 habe ich eingangs kurz geschildert.

Zwischen den drei Friedensorganisationen »Ohne Rüstung Leben«, EUCOMmunity und »Gewaltfreie Aktion Atomwaffen Abschaffen« hat sich in den vergangenen Jahren eine intensive Zusammenarbeit entwickelt. Darüber hinaus besteht eine enge Verbindung zum Trägerkreis der Kampagne Atomwaffen Abschaffen.

Und der Effekt?

Was haben wir erreicht? Schwer zu sagen, denn jede Einschätzung des Effekts ist zweifellos subjektiv gefärbt. Trotzdem sei eine solche Einschätzung versucht:

Erstens: Der wichtigste Gesichtspunkt scheint mir die Einübung gewaltfreien Verhaltens bei den TeilnehmerInnen zu sein. Wenn der Grundsatz des »learning by doing« auch für gewaltfreies Handeln gilt, dann haben die Teilnehmer Zivilcourage, Konfliktfähigkeit und Zusammenarbeit in Bezugsgruppen erlernt und ein Training in gewaltfreier Aktion mit Praxisbezug absolviert. Sie haben Erfahrungen gesammelt bei der Planung, Vorbereitung, Durchführung und Auswertung von gewaltfreien Aktionen.

Zweitens: Durch die TeilnehmerInnen werden Verwandte, Bekannte, Kollegen, Vorgesetzte mit dem gewaltfreien Widerstand gegen Atomwaffen konfrontiert und zur Stellungnahme herausgefordert.

Drittens: Über die Organisationen Ohne Rüstung Leben, EUCOMmunity und Gewaltfreie Aktion Atomwaffen Abschaffen werden einige tausend Mitglieder angesprochen, von denen sich viele durch Unterschriften, Beteiligung an Demonstrationen und Spenden aktiv am gewaltfreien Widerstand beteiligen. Sie sind zugleich das Reservoir für die Rekrutierung weiterer AktivistInnen.

Viertens: Die mit den Aktionen verbundene Öffentlichkeitsarbeit klärt viele Bürgerinnen und Bürger über die Existenz von Atomwaffen auf deutschem Boden auf und macht sie mit dem gewaltfreien Widerstand dagegen bekannt.

Fünftens: Die Auseinandersetzung vor den Gerichten ist schwer einzuschätzen. Die große Mehrzahl der zivil Ungehorsamen wurde verurteilt. Ein Stuttgarter Amtsrichter sprach die siebenköpfige Gruppe der dritten Entzäunungsaktion am EUCOM frei, weil er überzeugt war, ihre Tat sei gerechtfertigt. Das Urteil wurde jedoch vom Oberlandesgericht Stuttgart aufgehoben und ans Amtsgericht zur Neuverhandlung zurückverwiesen. Derselbe Amtsrichter legte den Fall bei einem späteren Verfahren dem Bundesverfassungsgericht vor. Es wies die Vorlage jedoch ab. Zur Zeit sind, wie bereits erwähnt, drei Verfassungsbeschwerden gegen Verurteilungen durch das Amtsgericht Cochem anhängig. Noch glimmt also ein Hoffnungsfunke für eine positive Entscheidung.

Sechstens: Ob auf unsere unmittelbaren Gegner in der Aktion, die Polizisten, Soldaten und Juristen ein messbarer Einfluss ausgeübt wurde, ist schwer zu sagen. Das Verhältnis zu unseren Gegnern ist in der Regel freundlich und entspannt. Ohnehin lassen sich gewaltfreie Aktivisten durch negative Reaktionen der Gegenseite nicht entmutigen. Sie setzen auf die langfristige Wirkung dessen, was Gandhi Wahrheitskraft (Satjagrah) nannte. Ungeachtet der Ernsthaftigkeit unseres Anliegens hat die Auseinandersetzung auch eine sportliche, ja spielerische Seite. Schaffen wir es hineinzukommen, oder gelingt es der Polizei die Aktion zu verhindern? Wir versäumen es auch nie, unsere Gegner ausführlich über unsere Motive, Methoden und Ziele zu unterrichten. Wir wollen sie dabei nicht missionieren, sondern lediglich Verständnis für unser Anliegen wecken.

Siebtens: Noch schwerer ist es einzuschätzen, ob auf die eigentlichen Adressaten unserer Aktionen, die Politiker und die Parteien, ein messbarer Einfluss ausgeübt werden konnte. Solange nicht weite Kreise der Bevölkerung ihr Wahlverhalten von der Antwort der Politiker und Parteien auf diese Frage abhängig machen, ist nicht damit zu rechnen, dass wir mit unserem Anliegen von den Entscheidern ernst genommen werden.

Die Friedensbewegung hat die Krise, in die sie nach dem Ende des Kalten Krieges geriet, noch immer nicht überwunden. Dennoch habe ich nicht den Schatten eines Zweifels, dass es ihr möglich wäre, das Ziel einer atomwaffenfreien Bundesrepublik mit den Mitteln der gewaltfreien Aktion zu erreichen – vorausgesetzt, sie hat den ernsthaften Willen dazu!

Literatur

Bittorf, W. (1980): Giftgas ging – Unrecht bleibt. Über die andauernden Strafprozesse gegen Friedenskämpfer, in: Der Spiegel, 44, Nr. 44, S. 72-77.

Bundesverfassungsgericht (1995): Beschluss vom 10. Januar 1995 – 1 BvR 718/89, 719/89, 722/89, 723/89,in: Neue Juristische Wochenschrift, 48, 1141-1144.

Deiseroth, D. (1996): Atomwaffeneinsatz ist völkerrechtswidrig. Der Internationale Gerichtshof bezieht Position,in: Wissenschaft und Frieden, 14 (3), 78-81.

Gandhi, M.K. (1980): Die Lehre vom Schwert und andere Aufsätze aus den Jahren 1919-1922, Oberwil b. Zug.

Nick, V., Scheub, V. & Then, C. (1993): Mutlangen 1983-1987. Die Stationierung der Pershing II und die Kampagne Ziviler Ungehorsam bis zur Abrüstung, Mutlangen.

Sternstein, W. (Hrsg.) (o.J.): »Abrüstung von unten. Die Pflugscharbewegung in den USA und in Europa« – »Pershings zu Pflugscharen. Dokumente einer Abrüstungsaktion« – »Die EUCOMmunity. Initiative für eine atomwaffenfreie Welt. Eine Dokumentation«. Alle drei Broschüren sind zu beziehen vom Herausgeber: Hauptmannsreute 45, 70192 Stuttgart, Tel.: 0711-29 38 74.

Dr. Wolfgang Sternstein ist Friedens- und Konfliktforscher, der sieben Mal für seine gewaltfreien Aktionen inhaftiert wurde

Entwicklung und Kontinuität

Entwicklung und Kontinuität

Zur Abrüstungsbewegung von Frauen

von Emily Schroeder

Seit über einem Jahrhundert mobilisieren Frauen, Frauenorganisationen und -bewegungen für Frieden und Abrüstung. Sie haben sich zwar oft gemeinsam mit Männern organisiert, viele Frauen fanden es jedoch effektiver, sich getrennt von den Männern mit anderen Frauen zusammen gegen Krieg und Bewaffnung einzusetzen. In diesem Artikel werden einzelne Beiträge von Frauen zur Friedens- und Abrüstungsbewegung beleuchtet. Emily Schroeder wirft einen Blick auf eine Bewegung, die in der dokumentierten Geschichte bisher kaum vorkommt.
Es gibt auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene viele Frauenvereinigungen, die sich vorrangig mit Fragen von Frieden und Abrüstung befassen. Am 28. April 1915 trafen sich erstmalig in der Geschichte 1200 Frauen aus Krieg führenden und neutralen Ländern zum Internationalen Frauenkongress in Den Haag, Niederlande, um gegen den Krieg zu protestieren. Aus diesem Anlass gründeten sie die Women’s International League for Peace and Freedom (WILPF, dt. Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit). Diese Vereinigung besteht heute noch und arbeitet auf internationaler Ebene zu einer Reihe von Themen, angefangen bei der Abrüstung von Nuklearwaffen bis zu Menschenrechten. Die Jahre hindurch hat sie „Frauen mit Weitblick angezogen, deren Ideen und Aktionen die Ziele Frieden und Freiheit auch in den schwierigsten Zeiten aufrecht erhalten haben.“1

Während des Kalten Krieges betrieben Frauen Lobbyarbeit gegen die Lagerung und den möglichen Einsatz von Atomwaffen. 1959 fand eine Konferenz über die »Verantwortung der Frauen im Atomzeitalter« statt. Nach dieser Konferenz starteten die neu gegründete Europäische Frauenbewegung gegen atomare Bewaffnung und andere Frauenvereinigungen große Aufklärungs- und Unterschriftenkampagnen. Die internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit führte als erste Organisation Seminare für Frauen aus den USA und aus der Sowjetunion durch, um die Schranken des Kalten Krieges zu durchbrechen. 1964 begann in den USA eine neue Bewegung: der Frauenstreik für den Frieden. Im gleichen Jahr erschienen Frauen aus vielen Ländern auf einer NATO-Tagung in den Niederlanden und demonstrierten gegen die Pläne zum Aufbau einer multilateralen Atomstreitmacht. 1969 unterstützte die WILPF eine internationale Konferenz zur Beendigung der Kriegsführung mit B- und C-Waffen.2 In den 80er Jahren inspirierten die Frauen von Greenham Common die Welt mit ihrem Einsatz gegen Nuklearwaffen und Nuklearbasen. Sie verließen ihr Heim, um sich dem Frieden zu widmen, ganz so wie Männer Jahrhunderte lang ihr Heim verließen, um in den Krieg zu ziehen.3

Zwar haben nordamerikanische und europäische Frauenfriedensorganisationen die meiste Publizität erfahren, es gibt jedoch solche Organisationen in allen Teilen der Welt. Beispielsweise haben sich Frauen in der Pazifikregion zum Protest gegen die Atombombenversuche zusammengefunden und japanische Frauen haben ein Friedenscamp an der Basis am Fuji errichtet. Frauengruppen in Afrika haben sich aktiv für Frieden und Wiederaufbau eingesetzt, etwa in Angola, Burundi, Somalia und Niger.

Eine bemerkenswerte Initiative mit überwältigendem Erfolg war die Internationale Koalition für die Friedenspetition der Frauen, die 1997 anlässlich des Weltfrauentages bei den Vereinten Nationen gegründet wurde. Sie konnte mehr als 175 Organisationen zur Unterstützung gewinnen und sammelte Hunderttausende Unterschriften (vorwiegend auf der südlichen Erdhälfte). Diese Petition forderte die Regierungen auf, in den kommenden „fünf Jahren ein Minimum von fünf Prozent ihrer Militärhaushalte für Gesundheitswesen, Bildungsmaßnahmen und Programme zur Beschäftigung und Friedenserziehung auszugeben.“4 In dieser Petition wurde gefordert, den Krieg als akzeptable Form sozialen Verhaltens zu deligitimieren, wie schon zuvor bei Sklaverei, Kolonialismus und Apartheid.5

Geburt der Abrüstungs- und Friedensbewegung der Frauen

Der Ursprung der Frauenbewegung für Frieden und Abrüstung hat mehrere Wurzeln: Es gibt keine Übereinstimmung über die gelegentlich geäußerte Behauptung, dass Frauen »von Natur aus« friedfertiger seien als Männer. Ebenso viele Männer haben sich für den Frieden zusammengetan, und es gibt viele Beispiele von Frauen die Aufrüstung unterstützen und aktiv an Kriegen teilnehmen. Dennoch ist es sinnvoll, diejenigen Elemente der Frauenfriedens- und abrüstungsbewegungen als einzigartiges Phänomen zu untersuchen, welche eine Beendigung der Kriege und eine vollständige Abrüstung verlangen.

Einer der offensichtlich am stärksten mobilisierenden Faktoren ist, dass zahlreiche Organisationen auf der Mutterrolle der Frauen aufbauen. Oft haben Frauen sich organisiert, um ihre Kinder zu beschützen, wie etwa die Mütter der Plaza de Mayo in Argentinien, die gegen das »Verschwinden« ihrer Kinder protestierten. Während des Tschetschenienkrieges verlangte eine Gruppe von russischen Soldatenmüttern eine Beendigung der Kampfhandlungen und die Heimkehr ihrer Söhne. Sie forderten einen Sitz in den Verteidigungs- und Sicherheitsgremien ihres Landes. Mazedonische Frauen holten ihre Söhne aus der serbischen Armee. Diese Aktivitäten sind für uns alle eine Inspiration.

Ein anderes Beispiel ist der Marsch der Millionen Mütter (Million Mom March), der 1999 begründet wurde. Es handelt sich hier um eine nationale Graswurzelorganisation der USA, die sich auf Erziehung und Aufklärung durch landesweite Aktivitäten zur Einrichtung verantwortbarer Grenzen für den Erwerb und Gebrauch von Schusswaffen konzentriert und die Opfer von Schusswaffenunfällen unterstützt. Im Rahmen des »Million Mom March« demonstrierten 2000 mehr als 750.000 Menschen auf der National Mall in Washington und mehrere Zehntausend in anderen Städten der USA für härtere Schusswaffengesetze.6

Ein anderer Schlüssel zum Verständnis der Frage, warum Frauen sich im Engagement für die Abrüstung vereinigt haben, ist die Verbindung, die viele Frauen zwischen der Gleichheit der Geschlechter und dem Frieden gezogen haben.7 So war z.B. das Den Haager Treffen der Frauen 1915 der Auffassung, dass ein dauerhafter Friede nur auf der Grundlage gleicher Rechte zwischen Männern und Frauen, auf innerer Gerechtigkeit, nationaler Unabhängigkeit und Freiheit aufgebaut werden könne.8Frauenorganisationen haben oft argumentiert, dass Frieden mehr sei als die Abwesenheit von Krieg. Sie verbanden verschiedene Gewaltphänomene wie Menschenrechtsverletzungen, Gewalt gegen Frauen und strukturelle Gewalt infolge ökonomischer Ungleichheiten mit der in Kriegen gesehenen Gewalt.9 Auf diese Weise verbinden sie Abrüstung mit der Beendigung aller Formen von Gewalt und der Schaffung einer Friedenskultur, die von Generation zu Generation weitergegeben werden kann.

Frauen, Frieden und Sicherheit

Die UN-Sicherheitsratsresolution 1325 zum Thema Frauen, Frieden und Sicherheit, die im Oktober 2000 verabschiedet wurde, erwähnt insbesondere die Notwendigkeit, in alle Gebiete zur Förderung des Friedens Genderperspektiven einzubeziehen. Darin sind Abrüstungsfragen, Demobilisierungs- und Wiedereingliederungsinitiativen eingeschlossen (Paragraph 13). Diese Resolution stellte einen riesigen Wendepunkt in der Anerkennung der direkten Beiträge von Frauen zur Abrüstung dar.

In der Vorbereitung zur Annahme dieser Resolution versuchten verschiedene UN-Konferenzen, eine Verbindung zwischen Frauen und Abrüstung herzustellen:

  • Auf der ersten Weltfrauenkonferenz, die 1975 in Mexico City stattfand, wurden die drei mit einander verbundenen Ziele Gleichheit, Entwicklung und Frieden festgelegt. Abrüstung gehörte zum Schwerpunkt Frieden.
  • Die dritte Weltfrauenkonferenz in Nairobi (1985) bekräftigte erneut das Engagement in Abrüstungsfragen, indem sie die Schlüsselrolle beleuchtete, welche Frauen auch bei der Abrüstung von Atomwaffen innehaben können, und forderte eine stärkere Unterstützung für die Bemühungen der Frauen.
  • Auf der vierten Weltfrauenkonferenz im Jahr 1995 in Peking einigten sich die Regierungen auf das Strategische Ziel E.2: Reduzierung überhöhter Militärausgaben und Kontrolle der Verfügbarkeit von Rüstungsgütern. Frauenorganisationen sahen die Verknüpfung von Abrüstungsfragen, Verbreitung von Nuklearwaffen und Empowerment (Ermächtigung) der Frauen als wichtig an. Sie argumentierten, dass Ausgaben für Waffen Ressourcen aus dem Bildungs- und Gesundheitswesen und anderen Programmen abzögen, die Frauen das Leben erleichtern könnten.
  • „Absatz 143: (a) Erhöhung und Beschleunigung, wie angemessen, in Anpassung an Betrachtungen zur nationalen Sicherheit, die Konversion militärischer Ressourcen und damit verbundener Industrien zu Zwecken der Entwicklung und zivilen Produktion;
  • (b) Erkundung neuer Wege zur Schaffung neuer öffentlicher und privater Finanzressourcen, inter alia, durch die angemessene Reduktion überhöhter Militärausgaben, einschließlich globaler Militärausgaben, Handel mit Rüstungsgütern und Investitionen in Rüstungsproduktion und -kauf, unter Berücksichtigung nationaler Sicherheitsbedürfnisse, um die mögliche Zuteilung zusätzlicher Geldmittel für Zwecke der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung zu ermöglichen, insbesondere zur Förderung der Frauen.“
  • Die Diskussionen auf der 23. Sondersitzung der Vollversammlung der Vereinten Nationen zum Follow-Up der Aktionsplattform (Juni 2000) bestätigten ebenfalls die Beziehungen zwischen Frieden, Abrüstung und Geschlechtergleichheit. Das Schlussdokument (A/S-23/10/Rev.1) umreißt die Errungenschaften und die Hindernisse, auf die Regierungen und internationale Organisationen beim Versuch der Umsetzung der Pekinger Aktionsplattform gestoßen sind. In der Diskussion über das Thema Frauen und bewaffneter Konflikt wurde u.a. ein Hindernis besprochen: Überhöhte Militärausgaben, einschließlich globaler Militärausgaben, sowie der Handel mit Rüstungsgütern und Investitionen in die Waffenproduktion, unter Berücksichtigung nationaler Sicherheitsbedürfnisse, lenken die mögliche Vergabe von Geldmitteln weg von der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung, insbesondere von der Frauenförderung (Absatz 17).

Das Dokument identifizierte auch „Handlungen, die auf nationaler und internationaler Ebene von Regierungen, regionalen und internationalen Organisationen, durchzuführen sind, einschließlich des Systems der Vereinten Nationen, internationalen Finanzinstitutionen und anderen geeigneten Akteuren “. Dazu gehören die:

  • „98 (k) Stärkung der Bemühungen zu allgemeiner und vollständiger Abrüstung unter strikter und wirkungsvoller internationaler Kontrolle, basierend auf den von den Vereinten Nationen auf dem Gebiet der Abrüstung erstellten Prioritäten, so dass die freiwerdenden Mittel unter anderem für Sozial- und Wirtschaftsprogramme eingesetzt werden können, welche Frauen und Mädchen zugute kommen.“ (…)
  • „(b) Erkundung neuer Wege zur Schaffung neuer öffentlicher und privater Finanzressourcen, unter anderem durch die angemessene Verringerung überhöhter Militärausgaben, einschließlich globaler Militärausgaben, Handel mit Rüstungsgütern und Investitionen in Rüstungsproduktion und -beschaffung, unter Berücksichtigung nationaler Sicherheitsbedürfnisse, um die mögliche Zuteilung zusätzlicher Geldmittel für Zwecke der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung zu ermöglichen, insbesondere zur Förderung der Frauen.“
  • Die Kommission über den Status von Frauen geht in ihren »Beschlüssen über kritische Handlungsfelder der Pekinger Aktionsplattform« (UN Sales No. E.00.IV.6) auch auf Massenvernichtungswaffen ein. Sie fordert von den Regierungen die „geeignete Unterstützung der Rolle der Frauen in der Friedensbewegung, die allgemeine und vollständige Abrüstung, einschließlich aller Arten von Massenvernichtungswaffen, unter strikter und effektiver internationaler Kontrolle anstrebt.“

Die UN-Sicherheitsratsresolution 1325 zum Thema Frauen, Frieden und Sicherheit, die im Oktober 2000 verabschiedet wurde, erwähnt insbesondere die Notwendigkeit, in alle Gebiete von Operationen zur Förderung des Friedens Genderperspektiven einzubeziehen. Darin sind Abrüstungsfragen, Demobilisierungs- und Wiedereingliederungsinitiativen eingeschlossen (Paragraph 13).

Es gibt viele internationale und nationale Frauenorganisationen, die sich darauf konzentrieren, Frieden und Abrüstung zu unterstützen. Es müssen Mittel und Wege gesucht werden, wie mehr Verbindungen zwischen Nicht-Regierungsorganisationen (NRO), WissenschaftlerInnen, die zu Geschlechterfragen und Abrüstung arbeiten, und den Vereinten Nationen geknüpft werden können.

Eine jüngere Initiative, die NGO Working Group on Women and International Peace and Security (NRO-Arbeitsgruppe zu Frauen, Internationalem Frieden und Sicherheit), traf sich im Juni 2000 zu dem Zweck, eine Schwerpunktkampagne zur Entwicklung einer Resolution zu dem Komplex Frauen, Frieden und Sicherheit beim UN-Sicherheitsrat vorzubereiten. Zu der Gruppe gehören amnesty international, International Alert, die WILPF, der Haager Friedensappell, der Women’s Caucus for Gender Justice, das International Women’s Tribune Center und die Frauenkommission für Flüchtlingsfrauen und -kinder. Diese Nicht-Regierungsorganisationen arbeiteten mit UN-Abteilungen und gleichgesinnten Mitgliedsstaaten zusammen. Dies ist ein weiteres Beispiel für die produktive Synergie demokratischer Diplomatie.10

Anders als die meisten Sicherheitsratsresolutionen hat die Resolution 1325 eine Gemeinschaft aktiver Organisationen und Einzelpersonen hinter sich, die ihre Klauseln kennen und zitieren und die ihre vollständige Umsetzung erwarten. Diese Gruppen haben ihre Bemühungen, Netzwerke und Expertisen in einen Pool eingebracht, um die gute Nachricht über die bindenden internationalen Verpflichtungen in der Resolution 1325 zu verbreiten und sie werden weiterhin an der vollständigen Umsetzung arbeiten. Die Gruppe gab eine Broschüre mit dem Wortlaut der Sicherheitsratsresolution 1325 heraus, die auf vielen Kontinenten verbreitet und in mehrere Sprachen übersetzt wurde.11

Zur Unterstützung der Frauengruppen und -netzwerke, die für eine Friedenskultur werben, gab die Abrüstungsabteilung der Vereinten Nationen zusammen mit dem Büro des Sonderbeauftragten für Geschlechterfragen und Frauenförderung in der Wirtschafts- und Sozialabteilung eine Sonderausgabe von Stellungnahmen zum Thema »Gender-Perspektiven zur Abrüstung« heraus. Dieses Ressourcenpaket ist ein nützliches Instrument, das auf die Verstärkung von Gender Mainstreaming bei Abrüstungsfragen zielt.

Zusätzlich hat „Reaching Critical Will“, das Projekt der WILPF beim Büro der Vereinten Nationen, seit 1999 Abrüstungsforen der UN beobachtet. Dieses Projekt spielte eine wichtige Rolle bei der Sammlung und Verbreitung wesentlicher Informationen von UNO-Treffen zu Abrüstungsfragen. Es warb vernehmlich für das Endziel, nukleare Abrüstung. Augenscheinlich kodifiziert die Resolution 1325 die bisher weit gehend ignorierte oder nicht unterstützte Tradition, dass Frauen auf jeder Ebene für Frieden und Abrüstung werben, in internationales Recht.

Während Errungenschaften von Frauen weit gehend von der Geschichtsschreibung ignoriert wurden, haben Frauen viele Beiträge zur Friedens- und Abrüstungsbewegung geleistet. Unbedingte Loyalität zu dem Ziel des Weltfriedens treibt diese Friedens- und Abrüstungsaktivistinnen vorwärts. Seit der Gründung der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit in den Schrecken des Ersten Weltkrieges wurden mehrere Wege für eine aktive Teilhabe der Frauen eröffnet. Viele Frauen halten durch und finden Wege um enorme Hindernisse herum, sie kämpfen ohne Waffen, nur mit Worten und gewaltlosen Aktionen.

Literatur

Die Website der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit (WILPF): www.wilpf.int.ch

Die Website der Friedensfrauen (USA): www.peacewomen.org

Die Website von Reaching Critical Will: www.reachingcriticalwill.org

Gender Perspectives on Disarmament. Statement von Felicity Hill, ehem. Leiterin des UN-Büros der WILPF http://www.reachingcriticalwill.org/genderdisarm/genderindex.html

The Work of the Department for Disarmament Affairs in Implementing Security Council Resolution 1325, von Jayantha Dhanapala, Under Secretary-General for Disarmament Affairs. United Nations Inter-agency Panel to Commemorate the First Anniversary of Security Council resolution 1325, New York, 31 October 2001. Organisiert von der Inter-agency Taskforce on Women, Peace and Security. http://www.reachingcriticalwill.org/1com/DDA1325dana.pdf

Gender Perspectives on Disarmament, Veröffentlichung des Department for Disarmament Affairs in Zusammarbeit mit dem Büro des Sonderbeauftragten für Geschlechterfragen und Frauenförderung im Department for Economic and Social Affairs http://www.un.org/Depts/dda/gender.htm

Anmerkungen

1) Catherine Foster: Women For All Seasons. Athens, University of Georgia Press, 1989, 6.

2) http://www.ppu.org.uk/century/century7.html

3) Sasha Roseneil: Disarming Patriarchy. Buckingham, Open University Press, 1995, 6.

4) The International Coalition for the Women‘s Peace Petition, www.peacewomen.org

5) DDA briefing notes.

6) www.millionmommarch.org

7) DDA briefing notes.

8) Karl, M. (1995): Women and Empowerment. London, Zed Books Ltd.

9) DDA Briefing notes.

10) http://www.peacewomen.org/un/ngo/wg.html

11) Felicity Hill: One Year On, www.peacewomen.org, September 2001.

Emily Schroeder koordiniert »Reaching Critical Will«, ein Projekt der »Women’s International League for Peace and Freedom«, United Nations Office, New York.
Übersetzung aus dem Englischen: Annette Hauschild

Engagement alleine reicht nicht

Engagement alleine reicht nicht

Die Friedensarbeit professionalisieren

von Christiane Lammers

Rwanda, Bosnien-Herzegowina und Kosovo auf der einen Seite – Gewalt von SchülerInnen, rechtsradikale Terrorakte und eskalierende politische Auseinandersetzungen um Flughafenausbau, Castortransporte u. Ä. auf der anderen Seite haben in den letzten Jahren das Bewusstsein dafür geschärft, dass es einen dringenden gesellschaftlichen Bedarf an Kenntnissen und Fertigkeiten zum Umgang mit Konflikten gibt. Es ist eine Nachfrage nach professionellen Friedensfachkräften entstanden, der bisher kein adäquates personelles Angebot gegenübersteht. Zwar haben sich etliche Engagierte und »Friedensbewegte« im Laufe der Jahre mehr oder weniger autodidaktisch selbst qualifiziert, an ein professionelles Handeln müssen jedoch höhere Ansprüche gestellt werden. Learning by doing allein reicht nicht mehr angesichts der gewachsenen Anforderungen. Damit steht die Frage nach einem sowohl horizontal wie vertikal differenzierten Ausbildungssystem auch in Deutschland auf der Tagesordnung. Spät im Vergleich zum angloamerikanischen oder skandinavischen Raum, denn dort hat die Ausbildung von wissenschaftlichem Nachwuchs in der Friedensforschung und von FriedensarbeiterInnen für die Praxis schon eine jahrzehntelange Tradition.

In Deutschland gibt es bisher nicht einmal eine einheitliche Begriffsbildung für die friedensbezogenen Berufe.1 Wer sich als FriedensarbeiterIn, FriedensforscherIn oder FriedenswissenschaftlerIn bezeichnet, gerät schnell in Ideologieverdacht. Die im Vergleich zu anderen Ländern verspätete Entwicklung hängt mit verschiedenen Faktoren zusammen:

  • Trotz des Subsidiaritätsprinzips werden die sozialen Fragen in Deutschland im Wesentlichen dem Staat zugeschrieben. Damit wird deren Bearbeitung unmittelbar abhängig vom Staatshaushalt sowie von den Entscheidungen einiger weniger politischer HandlungsträgerInnen. In den USA ist das Sozial- und Gemeinwesen dagegen weitgehend entstaatlicht/privatisiert und in den Händen von zivilgesellschaftlichen Organisationen. Die positive Kehrseite dieses Systems ist, dass sich dort die Nachfrage nach entsprechend ausgebildetem Personal unmittelbarer entwickeln konnte und durch ebenfalls nicht-staatliche Ausbildungsinstitutionen gedeckt wird.
  • Aufgrund der Tabuisierung militärischen Eingreifens und einer insgesamt zurückhaltenderen internationalen Machtpolitik in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik entstand für den internationalen Bereich kein unmittelbarer Bedarf an personellen »Gegenkapazitäten«. In den USA wirkte sich das Großmacht-Bewusstsein umgekehrt aus. Schon 1948 wurde dort der erste akademische Ausbildungsgang in der Friedenswissenschaft implementiert, inzwischen gibt es an fast allen großen Universitäten friedenswissenschaftliche Forschung und Lehre.

Jedoch nicht nur die gesellschaftliche Verfasstheit und die politischen Umstände sind ausschlaggebend für die international divergierende Entwicklung von Professionalität. Als ein wesentliches Hindernis erweist sich in der Bundesrepublik auch das größtenteils staatlich organisierte und strukturkonservative Ausbildungssystem, das Innovationen eher verhindert als fördert und oftmals auch nicht bedarfsorientiert ausbildet.

An der detaillierteren Darstellung des derzeitigen Angebots an friedenswissenschaftlichen Aus- und Weiterbildungen (siehe Kasten) wird dies sehr deutlich: Es gibt nur zwei Angebote, die innerhalb des Standardausbildungssystems (Fachschulen, Fachhochschulen, Universitäten) entwickelt wurden und mit einem in diesem System üblichen Abschluss zertifiziert werden.

Universitäre Studienangebote

Seit über 20 Jahren wird in Aufsätzen und Artikeln zu den Perspektiven der Friedenswissenschaft in der Bundesrepublik immer wieder bedauert, dass es keinen Studiengang »Friedens- und Konfliktforschung« gibt. Leider hat auch die Initiative einiger BildungsministerInnen Mitte der 80er Jahre für ein ausdrückliches Verbot militärischer Forschung an den Hochschulen nicht zu der Konsequenz eines ausdrücklichen Gebots von Friedensforschung geführt.

In den letzten fünf Jahren hat sich jedoch Wesentliches verändert: An mehreren Universitäten (Tübingen, Marburg, Hagen, Osnabrück, Frankfurt/M.) gibt es erfolgreiche oder zumindest erfolgversprechende Initiativen zur Implementierung der Friedens- und Konfliktforschung. In der Regel ist der erste Schritt die Integration in einen bestehenden Studiengang (Tübingen, Marburg). Für die Forschung (Theoriebildung, Methodenentwicklung) und fachliche Anerkennung der Friedenswissenschaft kann dieses Modell förderlich sein, bezogen auf den inter- oder transdisziplinären Anspruch der Friedenswissenschaft ist es jedoch eher begrenzt tauglich. Kaum übertragbar ist dieses Modell auf nicht-gesellschaftswissenschaftliche Fächer, wie z.B. die Naturwissenschaften. Möglicherweise ergeben sich positive Effekte durch die bundesweit angestrebte Einführung einer neuen Studienstruktur (bachelor, master). Bei dieser Studienreform geht es sowohl um die Verkürzung der Studienzeiten (um Geld einzusparen) als auch um die Förderung angewandter oder berufsbezogener Wissenschaft. Zum jetzigen Zeitpunkt, da selbst die Festlegung der formalen und inhaltlichen Strukturen des neuen Systems noch von Fachbereich zu Fachbereich und von Universität zu Universität divergiert, lässt sich noch nicht absehen, ob das Aufbrechen der alten Studienstrukturen auch Türen für die Friedenswissenschaft öffnet. Angesichts des Damoklesschwerts der Finanzhaushalte gibt es allerdings kaum Grund für Optimismus.

Die zweite Neuerung des Hochschulsystems wirkt sich von außen betrachtet ebenfalls positiv für die Friedenswissenschaft aus: Die Hochschulen werden zunehmend freie Anbieterinnen auf dem Weiterbildungsmarkt und damit ergibt sich auch für die Friedenswissenschaft die Möglichkeit, sich bedarfsorientiert zu plazieren. Vier Angebote (Bochum, Oldenburg und 2x Hagen) aus der Tabelle der wissenschaftlichen Studienangebote sind in diesem Bereich angesiedelt. Die negativen Seiten sind jedoch beachtenswert:

  • Die Angebote sind kostenpflichtig (1.500,- DM bis 4.000,- DM pro Semester),
  • die Zertifizierung der Studienabschlüsse ist rechtlich nicht geschützt und weniger aussagekräftig als normal üblich,
  • die Unterwerfung unter das Wirtschaftlichkeitsprinzip kann dazu führen, dass auch hier sich die Mechanismen des Marktes (Verwertbarkeitsprinzip, Verdrängungsmechanismus) durchsetzen.

Man darf gespannt sein, ob das in der Bundesrepublik bisher einmalige Projekt: ein grundlagenorientiertes, interdisziplinäres friedenswissenschaftliches Weiterbildungsstudium, dessen Beginn für das SS 2001 von der FernUniversität Hagen geplant ist, sich als marktfähig erweist.

Praxisorientierte Weiterbildungsangebote

Eine Berufsausbildung zur Friedensarbeiterin/zum Friedensarbeiter gibt es bisher nicht in der Bundesrepublik. Wer Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben will, muss dies normalerweise berufsbegleitend in Form von Fortbildungen tun. In den letzten 15 Jahren haben sich eine Reihe von Bildungsträgern – vor allem von »Friedensbewegten« gegründete »alternative« Bildungswerke – als Anbieter hervorgetan, so dass es inzwischen eine Reihe von strukturierten Fort- und Weiterbildungsangeboten gibt.

Für die innergesellschaftliche Friedensarbeit sind es vorwiegend MultiplikatorInnen- oder TrainerInnen-Ausbildungen mit Bezug zur »gewaltfreien Aktion«. Auch für diese Angebote gelten die schon oben beschriebenen Nachteile: nicht-geschützte Zertifikate und Wirtschaftlichkeitszwang. Da meist eher mittelmäßig verdienende Berufsgruppen angesprochen werden und Fortbildungen sich finanziell für diese i.d.R. nicht auszahlen, sind das Engagement und die Selbstausbeutung der Anbietenden sehr groß, um die Kosten gering zu halten. Die staatlichen Zuschüsse, etwa geregelt über die Landesgesetze für Weiterbildungsträger, sind gering. Darüber hinaus gestellte Projektanträge für Drittmittel bedeuten Planungsunsicherheit und Diskontinuität..

Eine Ausnahme ist der Bereich »Mediationsverfahren«. Hier gibt es ein umfangreiches Angebot und vielfältige Anbieter, inzwischen haben sich Berufsverbände für Teilbereiche gegründet und es gibt Bestrebungen ein geschütztes Zertifikationssystem zu entwickeln. Ein Grund für diese relativ weit gediehene Infrastruktur bzw. Institutionalisierung ist, dass es sich hier um ein vielfältig anwendbares Konfliktbearbeitungsverfahren – einsetzbar von der Ehescheidung über Planungsverfahren bis hin zu betrieblichen Konflikten – handelt, für dessen Anwendung oft auch wirtschaftliche Interessen sprechen. So kann Mediation z.B. helfen kostenintensive juristische Verfahren einzusparen oder zumindest zu verkürzen.

Im Bereich der internationalen Friedensarbeit hat sich Wesentliches verändert: Mit dem Regierungswechsel ist auch das Verantwortungsbewusstsein für nichtmilitärische internationale Konfliktbearbeitung und die Ausbildung hierfür in Ministerien gewachsen. So bietet das Auswärtige Amt inzwischen einen zweiwöchigen offen ausgeschriebenen Lehrgang für potenzielle MitarbeiterInnen internationaler Einsätze an und das Entwicklungsministerium hat einen Haushaltstitel zur Finanzierung von Projekten des zivilen Friedensfachdienstes eingerichtet. Dazu gehört auch die Ausbildung für diesen Dienst. So erfreulich diese Initiativen sind, die Praxis erfordert Kritik:

  • Der zweiwöchige Lehrgang des Auswärtigen Amtes, der eine sehr hohe Bewerbungsquote hat, ist vom zeitlichen Umfang völlig unzureichend und auch die inhaltliche Ausgestaltung weist einige Mängel auf (siehe Rolf Paasch: Auf den Minenfeldern der Konfliktlösung, in www.fr-aktuell.de/fr/spezial/kosovo/t712059.htm und Monika Bendler/Winrich Kühne: Ausbildung und Rekrutierung von nichtmilitärischem Personal für Konfliktprävention und Friedenseinsätze. Bestandsaufnahme, Erfahrungen und Empfehlungen für einen substantiellen Beitrag der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von der Stiftung Wissenschaft und Politik, Ebenhausen 1999). Von außen betrachtet scheint dieser Lehrgang eher eine Feigenblattfunktion zu erfüllen. Sinnvoller wäre es ein eigenständiges Berufsausbildungsprofil zu entwickeln, in das friedenswissenschaftliche Kenntnisse strukturell eingebunden sind. Der Vorschlag des Vorstandes der Arbeitsgemeinschaft für Friedens- und Konfliktforschung (siehe Memorandum zum Regierungswechsel von 1998, zu beziehen über die Autorin) friedenswissenschaftliche Expertise unmittelbar in die Ausbildung des diplomatischen Dienstes zu integrieren, wurde bisher nicht aufgegriffen.
  • Die Bereitstellung der Mittel für Projekte des Friedensfachdienstes durch das BMZ hatte u.a. zur Folge, dass große Entwicklungsorganisationen einen neuen Zugang zur Finanzierung von Projekten gefunden haben. Wenn es hier nicht um »alten Wein in neuen Schläuchen« geht, dann müsste sich dies niederschlagen in der Konzeption der Projekte und den entsprechenden Qualifizierungsprogrammen. Die Diskussion hierzu ist in vollem Gange (siehe hierzu Konsortium Ziviler Friedensdienst: Gemeinsames Konzept für einen »Friedensfachdienst in der Entwicklungszusammenarbeit« in: www.forumzfd.de/konz-kon.htm sowie Andreas Mehler/Claude Ribaux: Krisenprävention und Konfliktbearbeitung in der Technischen Zusammenarbeit. Ein Überblick zur nationalen und internationalen Diskussion, Wiesbaden 2000).

Mindestanforderungen an ein Qualifizierungssystem für die Friedensarbeit

Aus dem Überblick über das derzeitige Qualifizierungsangebot ergeben sich fünf strukturelle Anforderungen zur weiteren Ausdifferenzierung:

  • Grundständige Ausbildungs- und Studienangebote sollten auf allen Ebenen des vertikalen Ausbildungssystem geschaffen werden;
  • in den bestehenden Ausbildungsgängen sollte Kompetenz für Friedensarbeit als fester Bestandteil integriert sein;
  • neben einem möglichst vielfältigen berufs- und disziplingebunden Angebot sollte es ein eigenständiges, interdisziplinäres Angebot der Friedenswissenschaft/Friedensarbeit geben;
  • Weiterbildungen sollten Qualitätskriterien genügen und mit vergleichbaren anerkennungsfähigen Zertifikationen ausgestattet werden;
  • Fort- und Weiterbildungen sind im unmittelbaren gesellschaftlichen Interesse, d.h. sie sollten stattlich gefördert werden um sie kostengünstig anbieten zu können.

Christiane Lammers ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Landesarbeitsgemeinschaft Friedenswissenschaft in NRW und Mitglied des Vorstands der Arbeitsgemeinschaft Friedens- und Konfliktforschung (AFK)


Wissenschaftliche Studienangebote

Aufgelistet sind nur die auf ein spezifisches Zertifikat ausgerichteten und damit strukturierten friedenswissenschaftlichen Studienangebote. Nicht aufgenommen sind einzelne Seminare. Die Auflistung steht unter dem Vorbehalt »work in process«. Bisher gibt es für den Bereich »Qualifizierungsangebote in der Friedensarbeit« noch keine umfassende Handreichung oder linkliste. Im Rahmen des 2001 in Hagen beginnenden Weiterbildungsstudium »IF« ist u.a. geplant, diese innerhalb der multimedialen »Lernumgebung« einzurichten.

Träger: Eberhard Karls-Universität Tübingen, Institut für Politikwissenschaft
Art: Erstes oder zweites Hauptfach im Magisterstudiengang
Inhalte: Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Internationale Beziehungen/Friedens- und Konfliktforschung
Infoadresse: s.o., Melanchthonstr. 36, 72074 Tübingen, www.uni-tuebingen.de/uni/spi/ab2mitar.htm

Träger: FernUniversität Hagen, Institut Frieden und Demokratie
Art: Berufsbegleitendes zweisemestriges interdisziplinäres friedenswissenschaftliches Weiterbildungsstudium »Konflikt und Frieden« (IF) im Fernstudium mit Präsenzanteilen mit Hochschulzertifikat (Beginn: SS 2001)
Inhalte: Friedenswissenschaftliches Grundlagenwissen, Wahlschwerpunkte »innergesellschaftliche Konflikte« und »internationale Konflikte«
Infoadresse: s.o., Im Dünningsbruch 9, 58084 Hagen, www.fernuni-hagen.de/FRIEDEN

Träger: FernUniversität Hagen, Lg. Öffentliches Recht, Juristische Rhetorik und Rechtsphilosophie
Art: Berufsbegleitendes zweisemestriges Weiterbildungsstudium »Mediation« im Fernstudium mit Präsenzanteilen mit Hochschulzertifikat
Inhalte: Mediation als Teil des Rechtsverfahrens mit Wahlschwerpunkten Umwelt-, Familien- und Wirtschaftsmediation
Infoadresse:, s.o., Feithstr. 140, 58084 Hagen, www.fernuni-hagen.de/OERV/Redaktion.html

Träger: Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung/Atlantische Akademie Rheinland-Pfalz
Art: Frühjahrsakademie mit Abschlusszertifikat
Inhalte: Friedenswissenschaftliche Themen mit politikwissenschaftlichem Schwerpunkt
Infoadresse: HSFK, z.Hd. Dr. B. Meyer, Leimenrode 29, 60322 Frankfurt/M. www.hsfk.de

Träger: Philipps-Universität Marburg, Institut für Soziologie
Art: Nebenfachstudiengang »Friedens- und Konfliktforschung« im Diplomstudiengang Soziologie
Inhalte: Konflikttheorie, -analyse und -bearbeitung mit Schwerpunkt auf innergesellschaftliche Konflikte
Infoadresse: s.o., Ketzerbach 11, 35032 Marburg, www.uni-marburg.de/fb03

Träger: Ruhr-Universität Bochum, Institut für Friedenssicherungsrecht und humanitäres Völkerrecht, und 14 weitere europ. Universitäten
Art: Zweisemestriger Postgraduierten-Studiengang mit Master-Abschluss: »European master's Degree in Human Rights and Democratization«
Inhalte: Multidisziplinäres Programm zu Menschenrechte und Demokratie (Geschichte, Politik, internationale Gesetzgebung, Durchsetzung)
Infoadresse: s.o. (IFHV), Universitätsstr. 150, 44780 Bochum, www.ruhr-uni-bochum.de/ifhv

Träger: Carl v. Ossietzky-Universität Oldenburg, Abt. für psychosoziale Weiterbildung
Art: Fünfsemestriges Kontaktstudium »Mediation« in Form von Wochenendseminaren
Inhalte: Wahlschwerpunkte Familien-, Umwelt, Wirtschafts- und Organisationsmediation
Zielgruppe: PädagogInnen, JuristInnen, PsychologInnen, WirtschaftswissenschaftlerInnen, Fachkräfte in Organisationen und Verwaltung
Infoadresse: s.o., Postfach 2503, 26111 Oldenburg, www.uni-oldenburg.de/ZWW

Anmerkung:

Die Mitte der 80er Jahre an manchen Hochschulen zusammengestellten friedensspezifischen Vorlesungsverzeichnisse sowie die mancherorts durchgeführten Ringvorlesungen gibt es fast ausnahmslos nicht mehr. Einen Eindruck vom heutigen Lehrangebot vermitteln zwei Länderstudien: Friedenswissenschaft in Niedersachsen. Lehre – Forschung – Umsetzung, bearbeitet von Gudrun Schwarzer, hrsg. vom Projektverbund Friedens- und Konfliktforschung in Niedersachsen, Osnabrück 1998; und: Zum Stand der Friedenswissenschaft (Friedensforschung, Friedenslehre) an den Hochschulen in Nordrhein-Westfalen, von Christiane Lammers/Hajo Schmidt, Hagen 1995.

Liste von praxisorientierten Weiterbildungsangeboten

Liste von praxisorientierten Weiterbildungsangeboten

Internationale Friedensarbeit

Träger: Auswärtiges Amt
Art: Zielorientierte Lehrgänge von zweiwöchiger Dauer
Inhalte/Schwerpunkte: UN- und OSZE-Friedensmissionen
Zielgruppe: Potenzielle MitarbeiterInnen internationaler Einsätze
Infoadresse: Auswärtiges Amt, Referat 203, Koordinator für die Ausbildung von zivilem Personal für internationale Einsätze, Adenauerallee 99-103, 53113 Bonn, www.Auswaertiges amt.de

Träger: Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe e.V.
Zielgruppe: Fachkräfte des zivilen Friedensdienstes
Art: Vier bis sechsmonatige Fortbildungen
Infoadresse: s.o., Abt. für intern. Zusammenarbeit und Begleitung, Riquarenstr. 8, 50679 Köln

Träger: Deutsche Stiftung für internationale Entwicklung
Art: Fünftägige Seminare und Trainingskurse
Inhalte/Schwerpunkte: Interkulturelle Kommunikation und Konfliktmanagement
Zielgruppe: Fachkräfte der Entwicklungsarbeit, die von deutschen Organisationen entsandt werden
Infoadresse: s.o., Zentralstelle für Auslandskunde, Lohfelder Str. 128, 53604 Bad Honnef, www.dse.de/za/za.htm

Träger: AG Modellvorhaben »Ausbildung in ziviler Konfliktbearbeitung«/Forum Ziviler Friedensdienst
Art: Dreimonatiges Qualifizierungsprogramm für Friedensfachkräfte
Inhalte /Schwerpunkte: Vorbereitung eines mindestens zweijährigen Einsatzes als Friedensfachkraft
Infoadresse: s.o. Wesselstr., 53113 Bonn, www.forumzfd.de

Träger: Bildungs- und Begegnungsstätte für gewaltfreie Aktion – Kurve Wustrow
Art: Zweiwöchiges InternationalesTraining zur Ausbildung von Peace-Team-Freiwilligen
Inhalte/Schwerpunkte: Gewaltfreiheit im Kontext von Krieg und bewaffnetem Konflikt
Infoadresse, s.o. Kirchstr. 14, 29462 Wustrow, www.apc.de/kurvewustrow/fried/index.html

Innergesellschaftliche Friedensarbeit

Träger: Arbeitsgruppe SOS-Rassismus NRW
Art: Zwölfmonatiger berufsbegleitender Ausbildungsgang zur Trainerin/zum Trainer für Muliplikatorenseminare und projekte
Inhalte/Schwerpunkte: Deeskalation von Gewalt und Rassismus, besonders in Schule, Jugendhilfe, präventiver Polizei- und Justizarbeit
Infoadresse: s.o., c/o Amt für Jugendarbeit der Evangelischen Kirche von Westfalen, Haus Villigst, 58239 Schwerte

Träger: Bildungs- und Begegnungsstätte für gewaltfreie Aktion – Kurve Wustrow
Art: Dreijährige berufsbegleitende Ausbildung zum Trainer/zur Trainerin
Inhalte/Schwerpunkte: Gewaltfreies Handeln
Infoadresse, s.o. Kirchstr. 14, 29462 Wustrow, www.apc.de/kurvewustrow/fried/index.html

Träger: Bund für Soziale Verteidigung
Art: Mehrstufige Ausbildung in je fünftägigen Seminaren zum Trainer/zur Trainerin
Inhalte/Schwerpunkte: Gewaltfreiheit und kreative Konfliktlösung
Zielgruppe: Personen, die in diesem Bereich handeln wollen
Infoadresse: s.o., Ringstr. 9a. 32427 Minden, www.dfg-vk.de/bsv/index.html

Träger: Europäisches Institut Conflict-Culture-Cooperation
Art: Mehrstufige Ausbildung fortlaufend über 31/2 Jahre zum Trainer/zur Trainerin
Inhalte/Schwerpunkte: Zivile und gewaltfreie Konfliktaustragung, interkulturelle Pädagogik
Zielgruppe: Aktive in der Menschenrechts-, Friedens- Entwicklungs- und Umweltarbeit, pädagogische MitarbeiterInnen
Infoadresse: Karl-Heinz Bittl, Hessestr. 4, 90443 Nürnberg

Träger: Fränkisches Bildungswerk für Friedensarbeit
Art: Diverse mehrstufige Ausbildungen zum Trainer/zur Trainerin
Inhalte/Schwerpunkte: 1. Interkulturelles Lernen und Zusammenarbeiten; 2. Zivile und gewaltfreie Konfliktaustragung; 3. Streitschlichterprogramme
Infoadresse: s.o., Hessestr. 4, 90443 Nürnberg, www.friedensdienst.de/fbf.html

Anmerkungen:

Nicht aufgelistet wurden einschlägige Fortbildungsangebote im Bereich Pädagogik, Psychologie und Sozialarbeit. Hier gibt es gerade für die innergesellschaftliche Konfliktbearbeitung traditionell sehr viele Angebote, aktualisiert auf die jeweils akuten gesellschaftlichen Problemlagen bzw. deren Wahrnehmung. Zur näheren Information ist es hilfreich sich an die einschlägigen Fachverbände und/oder die Landesinstitute für Schule und Weiterbildung wenden.

Anmerkungen

1) Nicht differenziert eingegangen wird in diesem Beitrag auf ein inhaltliches Anforderungsprofil der Friedensarbeit bzw. der Friedenswissenschaft. Hierzu sei z.B. verwiesen auf die Initiativgutachten, die im Vorfeld der Gründung der Deutschen Stiftung für Friedensforschung im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung erarbeitet wurden.

Auf den Bereich Mediation haben sich in den letzten fünf Jahren zahlreiche Bildungseinrichtungen spezialisiert; aufgeführt wurden in der Liste lediglich die wiss. Weiterbildungsangebote von Hochschulen. Interessierte sollten sich zur weiteren Information an die bundesweiten Netzwerke bzw. Dachorganisationen (z.B. Mediation e.V., Rosenanger 20, 31595 Steyerberg) zu wenden.

Tribunale gegen den NATO-Krieg in Jugoslawien

Tribunale gegen den NATO-Krieg in Jugoslawien

von Monika Nehr

Lange bevor der befürchtete Luftkrieg gegen Jugoslawien am 24. März 1999 begann, bombardierten die Nachrichtensender die Öffentlichkeit mit den Argumenten der Guten (NATO-Welt) gegen das Böse (Rest-Jugoslawien). Geistige Mobilmachung, die verstärkt wurde, nachdem die starke NATO den schwachen AlbanerInnen in Jugoslawien militärisch beistehen musste. Da gab es längst kein öffentliches Für und Wider mehr. Das gesprochene und geschriebene Wort der endlosen Rechtfertigungen schlich sich nicht als Marschflugkörper durchs Gelände, Schnellfeuergewehre schossen es aus allen Richtungen!
Seit dem Ende dieses Krieges kommen vereinzelt öffentlich Stimmen zu Wort, die diesen Krieg einen ungerechten Krieg nennen und ihre Argumente darstellen. Zu selten allerdings, um der Öffentlichkeit ein zusammenhängendes Gegenbild vorzustellen. So stellt sich die Frage, ob es denn keine Neugier nach Aufklärung oder Gegendarstellungen mehr gibt? Sind KriegsgegnerInnen und vielleicht auch die BefürworterInnen einfach nur froh, dass der Krieg vorbei ist?

Die Wahrheit über den Krieg der NATO gegen Jugoslawien, über seine Hintergründe, seine Ziele uns seine Folgen darf nicht im Dunkeln bleiben. Sie herauszufinden bedarf es einer internationalen Zusammenarbeit. Die Hearings und Tribunale genannten Veranstaltungen, die in verschiedenen Teilen der Welt – in Deutschland, Griechenland, Holland, Italien, Japan, Jugoslawien, Österreich, Russland, Ungarn und den USA – stattfanden,1 sollten hierbei eine herausragende Rolle spielen.

Die Zusammentreffen während der Hearings und Tribunale boten den internationalen Kräften gegen diesen Krieg ein gemeinsames Forum, vor allem um diejenigen ZeugInnen und Sachverständige anzuhören, die die offiziellen Medien kaum zu Wort kommen lassen. Sie haben wesentlich dazu beigetragen, die Zwecklügen hinter den offiziellen Kriegsrechtfertigungen zu analysieren, und versucht die bisherigen Erkenntnisse in historische, militärische, ökonomische und politische Zusammenhänge einzuordnen.

Die bedeutendste Leistung liegt unbestreitbar darin, dass sie international vernetzt gearbeitet, teilweise eng kooperiert und gemeinsam versucht haben, nationale und internationale Kampagnen ins Leben zu rufen.

Doch anders als die Russell-Tribunale, die den Krieg der USA gegen Vietnam anprangerten und seinerzeit eine relativ breite Öffentlichkeit hatten, fielen die Hearings und Tribunale, ausgenommen die in Jugoslawien und Griechenland, unter eine nahezu totale Pressezensur.

Auch so manche verdiente Friedensorganisation und andere GegnerInnen dieses Krieges hielten sich mit aktiver Unterstützung zurück, wie zum Beispiel das Komitee für Grundrechte und Demokratie in Deutschland oder die Womens International League for Peace and Freedom (WILPF) in den USA. Die Tribunalbewegung hatte wegen der – begründbaren – Beschränkung auf die Anklage der NATO schnell das falsche Etikett erhalten, einseitig parteilich für Jugoslawien zu sein.

Um so wichtiger ist es, die vielfältigen Aktivitäten und Ergebnisse der Tribunalbewegung zumindest innerhalb der KriegsgegnerInnen bekannt zu machen. Im engen Zusammenhang sind dabei die Veranstaltungen in Deutschland und den USA mit den abschließenden Tribunalen in Berlin und New York City im Juni dieses Jahres zu sehen.

Im Oktober 1999 und im April 2000 fanden in Berlin und Hamburg Hearings statt, die ebenso wie alle anderen vorbereitenden Hearings in das Europäische Tribunal über den NATO-Krieg gegen Jugoslawien am 2. und 3. Juni in Berlin und das World Tribunal on U.S.-NATO War Crimes against Yugoslavia am 10. Juni in New York mündeten.2

Das Berliner Tribunal war zeitlich länger sowie inhaltlich präziser und ausführlicher angelegt als das New Yorker Tribunal, doch in einer gemeinsamen Erklärung des Europäischen und US-amerikanischen Vorbereitungskomitees vom März d.J. werden die gemeinsamen Ziele der Tribunale genannt, die gleichzeitig auch ein Programm für die nächsten Jahre bedeuten: „Der Angriffskrieg und die Kriegsverbrechen der NATO dürfen nicht ungesühnt bleiben – um der Verhinderung neuerlicher Kriegsabenteuer, um des Friedens willen. (…) Wir wollen dazu beitragen, dass die Wahrheit über den Krieg verbreitet wird und die für ihn verantwortlichen zivilen und militärischen Führer der USA, Deutschlands, Großbritanniens und der anderen NATO-Staaten zur Rechenschaft gezogen werden.“

In den Klageschriften beider Tribunale werden alle aus ihrer Sicht für diesen Krieg gegen Jugoslawien verantwortlichen führenden PolitikerInnen und Militärs der NATO-Staaten namentlich angeklagt. In der deutschen Klageschrift werden ebenfalls diejenigen Abgeordneten des deutschen Bundestages namentlich angeklagt, die dem Kriegseinsatz der Bundeswehr zugestimmt haben. Darunter befinden sich auch die späteren KritikerInnen des deutschen Militäreinsatzes wie Oskar Lafontaine oder Hermann Scheer.

Der Leiter des Berliner Tribunals, der Hamburger Völkerrechtler Norman Paech, erklärte zu Beginn, dass sich das Tribunal auf jene Verbrechen konzentriere, die zur Zeit keine Chance hätten, anderswo untersucht zu werden. Er nannte das von der NATO mitfinanzierte Internationale Straftribunal für das ehemalige Yugoslawien (ICTFY) in Den Haag einäugig, weil es nur die serbischen Kriegsverbrechen untersucht. Dort seien zur Zeit 300 ErmittlerInnen an der Arbeit. Informelle Tribunale können nur einen Teil der Wahrheit aufdecken, sie könnten auch keine Sanktionen aussprechen. Er hoffe deshalb darauf, dass das beschlossene unabhängige »Weltstrafgericht«der UNO endlich eingesetzt und bald tätig werden könne. Dies steht als Forderung bereits in der US-amerikanischen Klageschrift.

Paech nannte die internationalen Rechtsnormen, die sich die Staaten gegeben haben, als Kriterien dieses informellen Tribunals, denn sie seien nachprüfbar. Es gehe daher in der Anklageschrift nicht um Fragen der Politik, der Kultur, der Ökonomie, denn Kriterien der Politik oder Moral seien schwierig festzulegen, es gehe in diesem Tribunal vielmehr um das Völkerrecht, das mit dem Krieg gebrochen wurde.

Rechtsanwalt Ulrich Dost hatte die ausführliche Klageschrift verfasst und begründete die Anklage mit Rechtsverstößen aller Art. Sie betreffen die Planung des Angriffskrieges gegen Jugoslawien und seine Durchführung als Luftkrieg. Die Zahl der Luftangriffe wird mit 37.465 ebenso genau angegeben wie Name, Zeit und Ort der durch Bombardierung zerstörten zivilen Einrichtungen. Auch einige der Opfer und AugenzeugInnen werden namentlich genannt.3

Die gründliche Darstellung beschränkte sich auf die beiden juristischen Sachverhalte Vorbereitung des Krieges und Kriegshandlungen. Sie wurden jeweils ausführlich dargestellt und mit einer nachlesenswerten Chronologie der zum Krieg führenden politischen Entwicklung seit 1990, mit Zitaten u.a. aus Bundestagsprotokollen und Buchpublikationen, begründet.

Die vergleichsweise kurze Anklageschrift des US-amerikanischen Tribunals wurde bereits auf dem Berliner Hearing im Oktober 1999 von Ramsey Clark, dem ehemaligen Justizminister der USA, vorgestellt.4 Das von Clark und einer Kommission erarbeitete Dokument enthält 19 Anklagepunkte, von denen 16 auf Verstöße gegen internationales, in einigen Fällen auch auf nationales Recht zurückgeführt werden.

Sie benennen die konkreten Kriegshandlungen nicht einzeln wie in der deutschen Klageschrift. Die Anklagepunkte sind fast alle allgemein formuliert, wie zum Beispiel Punkt 1: Planung und Durchführung der Zerstückelung, der ethnischen Spaltung und der Verarmung Jugoslawiens, jeweils gefolgt von kurzen Analysen der Hintergründe und Absichten der kriegsführenden NATO. An vorderster Stelle der pointiert formulierten radikalen politischen Anklagen stehen die Regierung der USA und das Pentagon, denen u.a. die Planung zur Ermordung des jugoslawischen Regierungschefs (Punkt 7) und Missbrauch der international kontrollierten Medien zur Dämonisierung Jugoslawiens und der SerbInnen (Punkt 15) vorgeworfen werden. Als Ziele der USA nennt die Anklageschrift Beherrschung, Kontrolle und Ausbeutung Jugoslawiens, seiner Bevölkerung und seiner Ressourcen (Punkt 18) und als Mittel militärische Gewalt und ökonomischen Zwang (19). Es handelt sich um die Anklagepunkte 15, 18 und 19, die keine Rechtsgrundlage haben, aber dennoch in der Anklageschrift stehen.

Die Rolle und der Missbrauch der Medien, die auf den deutschen Hearings ausführlich, u.a. von Eckhart Spoo und Hermann Gremliza, behandelt wurden, (vgl. Fußnote 2) wurden jedoch – im Gegensatz zur US-amerikanischen Klageschrift – nicht in die deutsche Klageschrift aufgenommen und daher auch nicht auf dem Tribunal verhandelt.

Beide Tribunale bestanden aus VertreterInnen der Anklage, einem international zusammengesetzten Gremium aus LaienrichterInnen, sie ließen ZeugInnen und Sachverständige zu Wort kommen. Auf dem Berliner Tribunal übernahm eine russische Juristin zusätzlich die Rolle der Pflichtverteidigung, worauf das New Yorker Tribunal von vornherein verzichtete.

Die Laienrichterschaft der Tribunale bestand jeweils aus 16 Mitgliedern. Im New Yorker Tribunal waren 6 Mitglieder aus den USA, die anderen kamen aus Deutschland, der Türkei, Korea, Italien, Haiti und Puerto Rico. Die mehr als 30 ZeugInnen und Sachverständige kamen aus verschiedenen Staaten der USA, Kanada und aus Europa. Zum ersten Mal traten auf einem solchen Tribunal in der Richterschaft wie auch im Zeugenstand VertreterInnen der Roma auf. Die ZeugInnen aus der Ukraine konnten nicht anreisen, weil die US-Botschaft die Einreisevisa verweigert hatte.

Unter den 16 Mitgliedern des Richtergremium am Berliner Tribunal waren auch mehrere JuristInnen, darunter der französische Rechtsanwalt und Sprecher der Internationalen Vereinigung demokratischer Juristen, Pierre Kaldor.

Die ZeugInnen und Sachverständigen beider Tribunale nahmen Stellung zur langfristigen Kriegsvorbereitung, den offiziellen Kriegsgründen und unmittelbaren Kriegsanlässen, wie zum Beispiel dem sogenannten Hufeisenplan oder dem umstrittenen Massaker von Racak. In Berlin wurde als Dokument noch einmal die Panorama-Sendung vom Januar 2000 gezeigt, in der u.a. Bundeswehrgeneral Heinz Loquai mit seinem Insiderwissen aus der Bundeswehrführung und Zweifeln an dem Hufeisenplan zu Wort kommt.

Breiten Raum bekam in New York der Balkanspezialist und Publizist Michel Collon aus Belgien für die Darstellung seiner Forschungen über die langfristigen geopolitischen und ökonomischen Kriegsziele der NATO. Er ging u.a. auf die Bedeutung der Ölvorräte im Kaspischen Meer und den Zugang zu den Pipelines ein. 5

In New York legte die Zeugin Leonora Foerstel dar, dass es auch für die Massenvergewaltigungen bosnisch-muslimischer Frauen durch bosnisch-serbische Soldaten Anfang der 90er Jahre keine Beweise gäbe. Bisher konnten nur 4 betroffene Frauen ausfindig gemacht werden. Sie berichtete von entsprechenden unabhängigen Untersuchungen.6

Eine besonders eindrucksvolle Präsentation gab Jared Israel aus den USA auf dem New Yorker Tribunal mit seiner Videodokumentation über die Geschichte des weltberühmten Fotos, das einen abgemagerten jungen Mann hinter einem Stacheldrahtzaun zeigt. Die britische Nachrichtenagentur ITN hatte 1992 das Bild durch Einblenden des Stacheldrahtes verändert und auf diese Weise aus dem Flüchtlingslager das Konzentrationslager von Trnoplje gemacht. Damit begann, so Israel, die bis heute andauernde weltweite Dämonisierung der SerbInnen. Herausgekommen ist die Manipulation nur, weil ein damals gleichzeitig anwesendes serbisches Kamerateam das weltweit veröffentlichte ITN-Foto mit seiner eigenen Videoaufnahme über das Flüchtlingslager verglich und den Skandal bekannt machte. Doch im Vergleich zu dem Bekanntheitsgrad des ersten Fotos blieb die später folgende Kritik an ITN in der öffentlichen Meinung praktisch wirkungslos.7

Ein Schwerpunkt der Aussagen von ZeugInnen und Sachverständigen auf beiden Tribunalen war den Kriegsfolgen durch Zerstörungen in der gesamten Infrastruktur Jugoslawiens, aber auch durch die Embargopolitik des Westens gewidmet.

Die Zeugin Liliane Werner, Ärztin an der medizinischen Hochschule in Hannover, vertrat die Internationale Ärzteorganisation gegen den Atomkrieg (IPPNW). Ihr Thema ist die Katastrophe im Gesundheitswesen als Kriegsfolge. Sie wurde selbst in einem der zerstörten Krankenhäuser in Jugoslawien ausgebildet und hatte es im Juni 1999 besichtigt. Die Definition »Katastrophe im Gesundheitswesen« bedeute ein Ungleichgewicht zwischen den vorhandenen Kapazitäten und den Bedürfnissen der Bevölkerung. Diese Lage ist in Jugoslawien entstanden, nachdem durch gezielte Luftangriffe 147 Krankenhäuser zerstört oder beschädigt wurden. Auch ÄrztInnen, Mütter und Kinder in Entbindungsstationen waren betroffen. Damit hat die NATO-Kriegsführung offenkundig die Genfer Konvention und das Recht des Kindes missachtet. Außerdem hat die Bombardierung der chemischen Industrieanlagen in Pancevo ähnliche Folgen für die Gesundheit der betroffenen Bevölkerung wie der Einsatz verbotener chemischer Waffen. Auch die Geschosse mit abgereichertem Uran verursachen noch nicht abzuschätzende gesundheitliche Schäden.

Zur Situation im Kosovo nach dem Ende des Krieges nahmen auf dem New Yorker Tribunal mehrere ZeugInnen und Sachverständige Stellung. Michel Chossudovsky, ehemaliger UNO-Berater aus Kanada, zeigte die zweifelhafte Rolle der sogenannten »Kosovo-Befreiungs-Armee« auf und belegte an Hand von Fotos und Schriftstücken deren Kontakte zur NATO-Führung, zum US- und deutschen Geheimdienst.

Barry Lituchy aus New York, der vor kurzem in Jugoslawien war, berichtete von der Mitwirkung der KFOR bei der Ausweisung von BewohnerInnen aus dem Kosovo.

Shani Rifati, Roma aus dem Kosovo, der jetzt als Roma-Vertreter in den USA arbeitet, berichtete von dem Leiden seiner Volksgruppe durch die »Kosovo Befreiungsarmee«, aber auch durch die KFOR.

Der Anklagepunkt 14 der US-amerikanischen Klageschrift lautet: Einsetzung eines illegalen Ad-hoc-Straftribunals zur Zerstörung und Dämonisierung der serbischen Führung und wurde für das Internationale Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien (ICTFY) in Den Haag ausgearbeitet. In der Begründung heißt es, dass der UN-Sicherheitsrat von den USA, vertreten durch Madeleine Albright, gezwungen wurde, in Verletzung der UN-Charta das Ad-hoc-Straftribunal für Jugoslawien einzusetzen.

Der Zeuge Christopher Black, Rechtsanwalt aus Kanada, hatte mit anderen AnwältInnen bei dem Haager Tribunal (ICTFY) die später zurückgewiesene Klage gegen Verbrechen der NATO im Krieg gegen Jugoslawien vertreten. Er berichtete von der dominanten Rolle des US-Außenministeriums, vertreten durch Madeleine Albright, von seinen Recherchen über die Finanzierung des Haager Tribunals, u.a. durch die Rockefeller Foundation und von der Korruptheit einiger RichterInnen.

Die Reihe der ausgewählten Zeugenaussagen soll an dieser Stelle mit dem Verweis auf die kritischen Analysen der neuen NATO-Strategie durch den ehemaligen Admiral der Bundeswehr Elmar Schmähling und den ehemaligen Botschafter der DDR in Jugoslawien Ralph Hartmann beendet werden. 8

Beide Tribunale endeten mit dem Schuldspruch für alle Angeklagten. Für das New Yorker Tribunal sollte es der Auftakt für eine nationale und internationale Kampagne zur Abschaffung der NATO sein. Die Abschaffung der NATO war als Forderung bereits in die Anklageschrift aufgenommen.

Die Erwartungen des deutschen Vorbereitungskomitees an das Tribunal in Berlin hatte Laura von Wimmersperg, seit vielen Jahren Moderatorin der Berliner Friedenskoordination, bereits im Vorfeld formuliert: „Die Arbeit zum Tribunal zwingt uns, international zu arbeiten. Das ist gut so, weil diese Vernetzung notwendiger denn je ist. Für die Friedensbewegung ist es aber immer schon sehr schwer gewesen, den Spagat zwischen lokaler und internationaler Kleinarbeit hinzukriegen. Aber mit dem Tribunal, mit seinem klaren, sachlichen Ziel kann uns die Vernetzung gelingen.“ 9

Und die Tribunale zeitigen bereits erste Folgen: Da die Einrichtung eines Weltstrafgerichts der UNO noch einige Zeit auf sich warten lassen wird, hat der Ankläger auf dem Berliner Tribunal, Ulrich Dost, die Stiftungsinitiative »NATO-Staaten erfolgreich verklagen« zur juristischen Durchsetzung von Ansprüchen aus NATO-Kriegsfolgen in Jugoslawien ins Leben gerufen.10 Diese Initiative ergänzt die von amnesty international bereits Anfang Juni gestartete Initiative, in der die NATO beschuldigt wird, gegen das Kriegsrecht der Genfer Konvention verstoßen zu haben und in der ai die NATO-Länder auffordert, NATO-Kriegsverbrecher vor nationalen Gerichten wie auch vor dem Den Haager ICTFY anzuklagen.

Anmerkungen

1) vgl. den Aufruf zum 2. Internationalen Hearing des Europäischen Tribunals in Hamburg

2) über die Hearings wurden bereits 2 umfangreiche Dokumentationen als Sammelbände publiziert: Band 1: Die Wahrheit über den NATO-Krieg gegen Jugoslawien; Band 2: Die deutsche Verantwortung für den NATO-Krieg gegen Jugoslawien. Beide hrsg. von Wolfgang Richter, Elmar Schmähling, Eckart Spoo. Schkeuditzer Buchverlag, Schkeuditz 2000. Die Dokumentation des Berliner Tribunals wird beim selben Verlag noch in diesem Jahr erscheinen. Bezugsanschrift: Badeweg 1, 04435 Schkeuditz

3) Aus dem Kriegsgeschehen werden konkrete Handlungen exemplarisch für die Verstöße im Sinne der Anklage zum Gegenstand der Anklage erklärt und ausführlich kommentiert: 1. der Angriff auf einen Personenzug am 12.4.99; 2. der Angriff auf das Studio von RTS in Belgrad am 23.4.99; 3. der Angriff auf das »Dragisa Misovic« Klinikum am 20.5.99 und 4. der Einsatz der Geschosse mit abgereichertem Uran 238; (vgl. Dokumentation der Anklageschrift in der Sonderbeilage der Tageszeitung »junge Welt« vom 24.5.2000 oder s. u.: www.nato-tribunal.de

4) vgl. Ramsey Clark, Es ist notwendig, anzuklagen, in: Die Wahrheit über den NATO-Krieg gegen Jugoslawien, a.a.O., S. 18-33

5) vgl. Michel Collon, Poker Menteur (1998): Les grandes puissances, la Yougoslavie et les prochaines guerres. Edition EPO et Michel Collon, Bruxelles.

6) vgl. Leonora Foerstel (Ed.) (1999): War, Lies and Videotape. International Action Center. Bezugsquelle: www.leftbooks.com
vgl. Sara Flounders (1998): Bosnia tragedy: The unknown role of the Pentagon, in: Ramsey Clark u.a. (Ed.) NATO in the Balkans, International Action Center, New York. Bezugsquelle: International Action Center, 39 West 14th Street, Suite 206, New York, NY 10011, email: iacenter@iacenter.org

7) Eine Kopie der Videodokumentation (30') von J. Israel kann in Deutschland ausgeliehen werden bei:
Monika Nehr, Zimmerstr.10a, 13595 Berlin

8) Die Standpunkte beider Experten kommen auch in ihren Beiträgen in den Sammelbänden: Die Wahrheit über den NATO-Krieg gegen Jugoslawien und Die deutsche Verantwortung für den NATO-Krieg gegen Jugoslawien (a.a.O) zum Ausdruck.

9) vgl. Interview mit der Tageszeitung junge Welt vom 2. Nov. 1999, S. 2

10) vgl. auch Bericht in: junge Welt vom 15/16. Juli 2000, S. 4; und für die Stiftungsinitiative: U.Dost@addcom.de

Dr. Monika Nehr arbeitet als Linguistin und Publizistin in Berlin

„Ich möchte zu meinem Leben stehen können“

„Ich möchte zu meinem Leben stehen können“

von Inge Jens

Tausende blockierten in den Achtzigerjahren in Mutlangen, im Hunsrück und anderswo US-Atomraketenbasen. Gezielt wurden staatliche Vorschriften und Gesetze verletzt um Wichtigeres einzufordern: Die Sicherung des Friedens durch Abrüstung. Zivilcourage: Die »Blockierer« nahmen für ihre politischen Ziele Verurteilungen in Kauf, Geldstrafen und manchmal auch Haft.
Inge Jens, seit Jahrzehnten aktiv in der westdeutschen Friedensbewegung, blieb auch während des Golfkrieges ihrer pazifistischen Position treu und gewährte US-Deserteuren Obdach. Wir dokumentieren ihre »Verteidigungsrede« vor Gericht.

Ich bin ein Kriegskind, Herr Richter. Die entscheidenden Erlebnisse meines Lebens sind Kriegserfahrungen. Keine besonderen, nichts was über den Rahmen eines für damalige Verhältnisse normalen“ Alltags hinausgegangen wäre: Einsätze im Nacht für Nacht von Bombern heimgesuchten Hamburg, wie sich's gerade bot: Freischaufeln von verschütteten Kellereingängen, Betreuung von Menschen, die, nach dem Verlust von Hab und Gut – manchmal auch von Angehörigen: Kindern, Eltern, Freunden – zu den Evakuierungszügen gebracht werden mussten. Hilfe für Fronturlauber, die von uns in den Vermisstenstellen arbeitenden Kindern erfahren wollten, wo sie ihre ausgebombten Angehörigen wiederfänden. Später dann – der Krieg war lang, als er endete war ich immerhin 18 Jahre alt – die Arbeit in einem Provinzkrankenhaus, in das man die Verwundeten brachte, die mit Lazarettzügen aus dem Rheinland kamen: unter ihnen Willi, ein Junge, so alt wie ich. Ich hatte Dienst, als man ihm eine Bein amputierte und ich besuchte ihn später auf unserer Schwerverletztenstation. Er hatte Jockey werden wollen.

Nichts besonderes, wie gesagt, nur das, was man damals Kriegsalltag nannte. Aber er hat mich geprägt. Krieg als Inbegriff aller Ängste, Schrecken und sinnlosen Leiden wurde zur bis heute entscheidenden Erfahrung meines Lebens. Ich kann und will sie nicht vergessen und habe mich seither bemüht, jedenfalls im Rahmen meiner bescheidenen Möglichkeiten als Pazifistin dafür zu sorgen, dass einer neuen Generation dergleichen erspart bleibt.

Ich war dankbar dafür, dass unsere Verfassung meinen Kindern die Möglichkeit gab, statt der Handhabung von Gewehren und anderen Waffen die richtige Bedienung von Rollstühlen und den Umgang mit Behinderten zu erlernen und ich war glücklich, als sie beide von dieser Möglichkeit Gebrauch machten und den Wehrdienst verweigerten. Die Begründung meines Jüngsten: „Ich kann den Gedanken nicht ertragen, eines Tages der Mutter eines Soldaten zu begegnen, den ich getötet habe. Was soll ich ihr sagen, wenn sie mich fragt: »Warum?«“ ging mir nach. Ich musste an sie denken als man uns bat, zwei amerikanische Kriegsdienstverweigerer aufzunehmen und sie gewann eine für mich existenzielle Dimension, als die beiden dann wirklich vor unserer Haustür standen.

Ich will nicht verschweigen, dass ich etwas Angst gehabt hatte vor diesem Moment: zwei fremde Menschen, Berufssoldaten aus dem US-Unterschichtsmilieu, die sich irgendwann einmal freiwillig für den Dienst mit der Waffe entschieden hatten… wie würde das gehen? Aber eben dieses »irgendwann« – unter Umständen also, die ich (noch) nicht kannte – gab den Ausschlag und machte mir die grundsätzliche Entscheidung leicht. Ich wusste nämlich auch, dass sich die beiden angesichts ihrer konkreten Erfahrungen mit und in der Armee dazu durchgerungen hatten, auszusteigen. Sie hatten den Antrag auf »conscientious objection« gestellt. Er war noch nicht entschieden. Aber die politische Situation ließ keinen Zweifel daran, dass er nicht mehr entschieden würde, ehe der Krieg losbrach. Man würde die beiden also zwingen, eben das zu tun was zu verweigern sie sich durchgerungen hatten: auf Menschen zu schießen, sie zu verwunden, sie umzubringen.

Und ich? Kam es mir zu, ein schwebendes Verfahren dadurch abzukürzen, dass ich die beiden Akteure einfach ihrem Schicksal überließ? Einem Schicksal zudem, das – da ihre Einheit an den Golf verlegt werden sollte – möglicherweise ihren Tod bedeutet hätte? Meine Entscheidung, das wurde mir plötzlich mit erschreckender Deutlichkeit klar, konnte irreversible Folgen haben. Gesetzt den Fall, die beiden würden (was zumindest im Bereich des Möglichen, wenn nicht gar des Wahrscheinlichen lag) als Wehrdienstverweigerer anerkannt werden zu einem Zeitpunkt, da sie – in Handschellen an die Front gebracht und dort in einem Strafbataillon zu schießen gezwungen – längst jämmerlich verreckt wären… würde nicht auch ich dann für ihren Tod zumindest mitverantwortlich sein?

Nein, die Sache war klar. Es bedurfte nur eines Blickwechsels zwischen meinem Mann und mir, und wir wussten, dass diese Bitte um Hilfe – konkret um Unterkunft für die beiden Soldaten die sich ohne Urlaubsgenehmigung von ihrer Truppe entfernt hatten – weder zu delegieren noch zu ignorieren war, sondern – mit allen Implikationen – uns ganz persönlich betraf: Eine Verweigerung wäre einem Widerruf all dessen gleichgekommen, für das wir unser ganzes gemeinsames Leben lang eingestanden waren…

Ich habe einen wichtigen Teil meiner sicherlich stark autobiographisch beeinflussten Beweggründe bereits genannt. Aber es bleibt noch ein weiteres Moment das ich erwähnen muss, auch wenn es wiederum autobiographischer Natur ist: die Auseinandersetzung mit den konkreten Formen nationalsozialistischer Inhumanität, die ich als Jugendliche – aus welchen Gründen auch immer – nicht zur Kenntnis genommen hatte. Sie vollzog sich wesentlich durch die Arbeit mit Dokumenten des studentischen Widerstandes, ergänzt durch das Studium entsprechender Zeugnisse und Berichte aus anderen Bereichen der Résistance sowie der systematischen Lektüre von historischen Analysen und biographischen Berichten, zu denen damals auch Anna Seghers Roman »Das siebente Kreuz« gehörte, die Geschichte des flüchtigen KZ-Ausbrechers Georg Heisler, dessen Überlebenschance von der Bereitschaft seiner Mitmenschen abhängt, ihm Unterkunft und Schutz vor Verfolgung zu gewähren. Die Details des Buches, die Namen der Akteure, habe ich vergessen, aber geblieben ist mir das Bild des Fliehenden, der nicht durch große, spektakuläre Aktionen, sondern durch viele kleine, temporär begrenzte Hilfeleistungen am neuen Ufer ankommt.

Anna Seghers` Flüchtling war mir nah in den Tagen, da ich auf meine Schützlinge wartete. Und dann standen sie wirklich vor meiner Haustür, ein farbiger Junge und ein weißes Mädchen. – Ich hatte offenbar vergessen, wie jung Soldaten sind; jedenfalls waren alle Zweifel und Ängste wie weggeblasen und ich hatte nur noch ein einziges Gefühl: »Mein Gott, das könnten ja deine Kinder sein« und ich musste an die Frage meines Sohnes denken, die für mich jetzt hieß: »Was soll ich sagen, wenn sie mich fragen, warum hast du sie nicht aufgenommen?« „Die ghöret au ebbam“ – „Es sind Menschen, auch sie haben Angehörige, die sich um sie sorgen“, sagte später, nüchtern und unsentimental, meine Zugehfrau und brachte damit meine Argumente und Beweggründe mit der Treffsicherheit und verweisenden Ausdruckskraft des Dialekts auf den Begriff.

Ich habe dem, was die Sache betrifft, nichts hinzuzufügen und möchte nur noch wenige Sätze zur aktuellen Situation sagen: Wie immer das Urteil ausfallen mag: ich fühle mich weder einer Tat schuldig, die ich zu bedauern oder gar zu bereuen hätte, noch denke ich etwas gemacht zu haben was überhaupt, weder positiv noch negativ, öffentliche Beachtung verdient. Wir haben keine Juden versteckt oder Widerstandskämpfern Unterschlupf gewährt und damit Leib und Leben riskiert – der Vergleich mit der Situation, in der sich Helfer während der Zeit des Nationalsozialismus befanden, ist in höchstem Maße indezent. Wir haben zwei Soldaten versteckt… nein, nicht versteckt, das war im friedlichen Tübingen, wo man an jeder Straßenecke weiße, gelbe oder schwarze Jugendliche treffen kann, weiß Gott nicht nötig. Unsere Schützlinge konnten sich in dieser Stadt frei bewegen; niemand hat ihnen ein Haar gekrümmt… nicht versteckt also, sondern aufgenommen. Aufgenommen, weil ihnen die große Geschichte die Möglichkeit nahm, ihr Recht auf Berücksichtigung einer Gewissensentscheidung einzuklagen.

Nie hätte ich versucht, den Prozess einer solchen Entscheidungsfindung von außen her, also durch Aufrufe oder wie immer geartete Agitation zu beeinflussen. Vorwürfe, die in diese Richtung gehen, sind absurd und treffen mich nicht. Eine Gewissensentscheidung kann nur der Betroffene selbst fällen oder es ist keine Gewissensentscheidung mehr. Sehr wohl aber haben wir versucht, zwei Menschen zu helfen die in Not gerieten, weil ein martialisch gesinnter Truppenkommandeur in der sicheren Erwartung von Krieg die Modalitäten außer Kraft setzte, die ihnen von Gesetzes wegen zur Regelung ihres Konfliktes zwischen einmal zugesagtem soldatischen Gehorsam und dem Gebot ihres Gewissens zustanden.

Mehr zu tun lag weder in unserer Absicht, noch in unseren Möglichkeiten. Das Geringe was zu bewirken in unserer Macht stand jedoch auch wirklich zu tun war eine Forderung, die wir nicht nur unseren Schützlingen, sondern auch unseren Kindern und allen jenen schuldig waren die sich gelegentlich an unserem Verhalten zu orientieren suchen. Darüber hinaus war es ein sich aus unserer Biographie und Überzeugung ergebendes Gebot der Selbstachtung, dem nicht zu gehorchen für uns in diesem Fall weiß Gott schlimmere Folgen gehabt hätte als eine mögliche Verurteilung wegen Beihilfe zur Fahnenflucht. Eine Verweigerung hätte, ich wiederhole es, all unser bisheriges Reden und Handeln zur Farce gemacht, ja ausgelöscht. Ich möchte aber zu meinem Leben stehen können, Herr Richter – und deswegen habe ich den beiden Flüchtlingen geholfen.

Dr. phil. Inge Jens ist Literaturhistorikerin und Publizistin.

Ja zur Friedensarbeit – auch wenn es eine Sisyphosarbeit ist

Ja zur Friedensarbeit – auch wenn es eine Sisyphosarbeit ist

von Albert Fuchs

Was aber bedeutet friedenspolitische Verankerung in Zeiten der schamlosen Remilitarisierung der Politik (Kosovo, Tschetschenien…)? In Zeiten des ersten deutschen – zu allem Überfluss auch noch rot-grünen – Nachkriegs-Kriegskabinetts? Und angesichts der nicht abbrechenden Kette der friedenspolitischen Flopps dieses Kabinetts? Und was bedeutet friedenswissenschaftliche Verankerung in Zeiten der Rechtfertigung militärischer Gewalt durch gestandene FriedenswissenschaftlerInnen? Ich denke in solchen Zeiten sind wir gehalten, uns auf unsere vorrangige Verankerung in der Friedensbewegung zu besinnen.

Was das aber eigentlich heißt möchte ich jemanden sagen lassen, der das authentischer kann als unsereins mit dem bisweilen naiven Glauben an Friedenswissenschaft und der oft distanzlosen Hoffnung auf Friedenspolitik, den US-amerikanischen Jesuitenpater und Friedensaktivisten Daniel Berrigan:

„Wir nennen uns Friedensstifter, doch wir waren – aufs Ganze gesehen – nicht bereit einen nennenswerten Preis dafür zu bezahlen. Und weil wir den Frieden mit halbem Herzen und halbem Leben wollen, geht der Krieg natürlich weiter, denn das Kriegführen ist seiner Natur nach total, doch das Friedensstiften ist aufgrund unserer Feigheit partiell. So gewinnt ein ganzer Wille, ein ganzes Herz und ein ganzes nationales Leben, auf Krieg aus, Oberhand über das kraftlose, zögernde Wollen des Friedens(…)

Doch was ist der Preis des Friedens? Ich denke an die guten, ehrbaren, friedliebenden Leute, die ich zu Tausenden kenne, und ich frage mich: Wie viele leiden an der zehrenden Krankheit der Normalität, sodass, selbst wenn sie sich zum Frieden bekennen, ihre Hände in instinktivem Krampf in Richtung ihrer Angehörigen, in Richtung ihres Komforts, ihres Heims, ihrer Sicherheit, ihres Einkommens, ihrer Zukunft, ihrer Pläne greifen – des Fünfjahresplans für das Studium, des Zehnjahresplans für die berufliche Stellung, des Zwanzigjahresplans für das familiäre Wachstum und die familiäre Eintracht, des Fünfzigjahresplans für ein anständiges Berufsleben und eine ehrenvolle Entlassung in den Ruhestand. »Natürlich wollen wir den Frieden«, so rufen wir, »doch zugleich wollen wir die Normalität, zugleich wollen wir nichts verlieren, wollen wir unser Leben unversehrt erhalten, wollen wir weder Gefängnis, noch schlechten Ruf, noch die Zerreißung persönlicher Bindungen«. Und weil wir dieses erlangen und jenes bewahren müssen und weil der Fahrplan unserer Hoffnungen um jeden Preis – um jeden Preis – auf die Minute eingehalten werden muss, weil es unerhört ist, dass im Namen des Friedens ein Schwert nieder fahren soll, das jenes feine und kluge Gewebe, das unser Leben gesponnen hat, zertrennt, weil es unerhört ist, dass gute Menschen Unrecht leiden sollen, Familien getrennt werden oder der gute Ruf dahin ist – deswegen rufen wir Friede und rufen Friede und da ist kein Friede. Da ist kein Friede, weil da keine Friedensstifter sind. Es gibt keine Friedensstifter, weil das Friedensstiften mindestens so kostspielig ist wie das Kriegführen – mindestens so anspruchsvoll, mindestens so zerreißend, mindestens so geeignet, Schande, Ärger und Tod nach sich zu ziehen.“

Offen gesagt: Auf Anhieb geht mir diese penetrante Rede vom Preis des Friedens und Friedenstiftens gegen den Strich. Wahrscheinlich ist sie auch für Sie, verehrte Leserin, verehrter Leser, befremdlich, beängstigend, jedenfalls eine Zumutung. Was will der Mann überhaupt? Sollen wir vielleicht alle zu MärtyrerInnen werden?

Und dennoch: Es ist was dran – an dem was er sagt. Spätestens seit sich die mit der Bundestagswahl vom September 98 bestellten GärtnerInnen als friedenspolitische Böcke erwiesen haben, die machen was Kohl & Co. nur vorzubereiten wagten – nämlich Krieg –, haben wir allen Grund uns Berrigans harter Kritik zu stellen. Denn was ist für Friedensbewegte die Alternative dazu bzw. zu einem neuen, »preisbewussten« und entschiedenen Engagement? Wegducken wenn die Neu-OrdnerInnen der Welt überbeschäftigt sind? Aber auch Wegducken hat seinen Preis – zumindest den »symbolischen« unserer Identität! Aus der Geschichte wissen wir zudem nur allzu gut, dass der Preis des Wegduckens auch viel weniger »symbolisch« und sehr, sehr hoch sein kann. Andererseits: Zwischen Wegducken und Martyrium gibt es viele Übergänge, einen breiten Grenzstreifen des Widerstands.

Ich wünsche uns und Ihnen zum blutigen Ausgang dieses gewaltbesoffenen Jahrhunderts, dass jede und jeder erneut seinen Platz in jenem Grenzstreifen findet, erneut das Ja des »l'homme revolté« (A. Camus) einbringt – und sei es im Bewusstsein einer Sisyphusarbeit!

Ihr Albert Fuchs

Erinnerungen an drei deutsche Kriege

Erinnerungen an drei deutsche Kriege

von Elisa Kauffeld

Vor dem Ersten Weltkrieg geboren, im Zweiten Weltkrieg als Kriegerwitwe fast dauernd unterwegs und mit dem Überlebenskampf beschäftigt, im »Alter« eine der Aktiven in der Friedensbewegung. Elisa Kauffeld erinnert sich, schildert ihre Kriegseindrücke und bezieht Position – auch zum letzten der Kriege mit deutscher Beteiligung in diesem Jahrhundert.

Im Jahre 1913 geboren, kann ich mich natürlich nicht an den Kriegsbeginn 1914 erinnern aber an Einiges aus der Zeit des Krieges. Wir lebten nahe der französischen Grenze, in Königsfeld/Schwarzwald, und es gehört zu meinen allerersten Erinnerungen, dass ich schon als kleines Kind zum Sammeln von Trockenholz und auf die weiten Wege zum Milch holen mitgenommen wurde, dass wir statt elektrischem Licht eine Petroleumlampe hatten. Ich erinnere mich, dass meine Großmutter ihre goldene Halskette abgegeben hatte und stolz eine blecherne mit kleinen Plättchen trug, auf denen stand: „Gold gab ich für Eisen hin.“ Der eigentliche Sinn ist mir erst viel später klar geworden: Schon 1870/71 machte Krupp mit Kanonen die besten Geschäfte.

Großmutter arrangierte im Sommer – es muss 1916 oder 1917 gewesen sein – Nachmittage, an denen Verwundete mit Kaffee und Kuchen, auch mit Hausmusik (von Hand, Konserve gab es noch nicht) erfreut wurden. Abgesehen von dem wenig angenehmen Geruch, den die Soldaten verbreiteten, erinnere ich mich gut an die humpelnden Gestalten, oft mit durchgebluteten Verbänden. Großmutter hatte einen französischen Kriegsgefangenen, der im Garten half. Ich mochte ihn gern leiden, seine fremde Sprache und sein oft hilfloses Lächeln. Ich nannte ihn »Kä-ssi-ssi-ssa«, denn immerzu fragte er „qu'est-ce que c'est que ça?“

Nein, auch nicht vergessen kann ich die mondhellen Nächte, wenn wir angezogen ins Bett gehen mussten, weil französische Flieger erwartet wurden. Wie oft bibberte ich vor Angst und durfte es doch nicht zugeben: „Denk doch an die tapferen Soldaten.“

Eines Tages bekam die Großmama Nachricht, dass ihr ältester Sohn „auf dem Felde der Ehre für's Vaterland“ gefallen sei. Verweinte Gesichter, schwarze Kleidung, ich durfte nicht mehr laut reden und schon gar nicht laut lachen. Alles war plötzlich anders geworden, die großen Geschwister schoben mich zur Seite, du bist noch zu klein, das verstehst du nicht. Nein, ich verstand wirklich nicht was das hieß, „für's Vaterland gefallen“? War er jetzt vielleicht auch einer von den schlecht riechenden Soldaten? Warum kam er nicht einfach nach Hause, wenn er doch nur »gefallen« war?.

Im April 1918 kam mein Vater aus britischer Gefangenschaft nach Deutschland zurück. Vier Jahre lang war er – wie er es selbst immer nannte – Gast von King George. Als Überseekaufmann lebte er mit der Familie viele Jahre in Burma, kam 1911 nach London, wo ich 1913 geboren wurde. Er wurde bei Kriegsbeginn interniert, während meine Mutter mit uns vier Kindern ausgewiesen wurde. Jetzt gehörte dieser fremde Mann zur Familie. Ich besah ihn sehr genau. Bis dahin kannte ich nur Soldaten und den Kä-ssi-ssi-ssa. Das Wort »Vater« war für mich fremd. Aber abends gab es einen Gute-Nacht-Kuss und dieser Vater hatte einen kitzelnden Bart. Ich fing an, ihn zu mögen.

Zweiter Weltkrieg

Den Kriegsbeginn 1939 erlebte ich in Spanien. Vor meiner Heirat war ich die erste Stewardess bei der Lufthansa. Mein Mann, gebürtiger Danziger, war Pilot – ebenfalls bei der Lufthansa. Er wurde zum Aufbau der spanischen Luftfahrtgesellschaft Iberia nach Spanien versetzt. So kam es, dass uns am 1. September 1939 die Nachricht vom Kriegsbeginn in Barcelona erreichte. Ich war schwanger und wir erinnerten uns beide an den Ersten Weltkrieg. In Spanien hatten wir zwar etwas von den Folgen des Bürgerkrieges gesehen, aber am eigenen Leib erfahren hatten wir den Krieg nicht.

Im Juni 1940 flog ich nach Bremen zu meinen Eltern. Ich benutzte kriegsbedingt die letzte Maschine über Rom, Zürich, München. Wie hatte Deutschland sich verändert! Überall Soldaten.

Und dann Bremen! Vor den Fenstern meines Elternhauses standen in etwa 30 cm Abstand große, mit Sand gefüllte Kisten als Bombenschutz. Im Keller war ein Raum, mit dicken Holzpfeilern abgestützt, als Luftschutzraum hergerichtet. Immer wieder bekam ich zu hören: „Wenn Du in Dein Zimmer gehst, vergiss die Verdunkelung nicht!“ Wie wichtig das war, musste ich erst noch lernen. Kaum war ich ein paar Tage zu Hause, ging nachts die Sirene. Die ganze Familie traf sich auf dem Flur und folgte den Radionachrichten (aus dem »Volksempfänger«). Ja, es waren einige Bomben gefallen, aber in einem anderen Stadtteil und es war zum Glück niemand zu Schaden gekommen.

Ich hatte sehr viel damit zu tun, Windeln, Hemdchen und was sonst so benötigt wird, für mein Baby zu nähen. Es gab ja nichts zu kaufen und da ich aus dem Ausland kam, hatte ich sowieso keine »Marken«. Von einem Arzt bekam ich einen ganzen Ballen Verbandmull, ca 80 cm breit, davon nähte ich Windeln. Aus alter Unterwäsche entstanden Hemdchen und aus Barcelona hatte ich Wolle mitgebracht. Meine Mutter nähte aus altem Bettzeug, was man für das erste Bettchen braucht.

Am 20. August 1940 bekam ich mein erstes Kind zu Hause. Aber mitten im Geburtsvorgang – das Kind hing noch an der Nabelschnur – mussten wir in den Keller: Die Sirenen kündigten einen Bombenangriff an. Zu aller Freude über das Baby kamen jetzt immer mehr Bombenangriffe, sodass wir keine Nacht mehr durchschlafen konnten. Schließlich machten meine Eltern sich große Sorgen und schickten mich nach Danzig (heute Gdansk) zu meiner Schwiegermutter. Da herrschte noch »tiefster Frieden« und es hätte schön sein können, aber ich hatte keine Wohnung und bei der Schwiegermutter mitten in der Altstadt war es auf Dauer zu eng. So fuhr ich mit unserem Kind in Deutschland hin und her, um meinen Mann zu treffen, der inzwischen als Soldat bei der Luftwaffe mal im Westen und mal im Osten eingesetzt war.

Wir trafen uns in Göttingen, glaube ich, als unser Hotel bombardiert wurde. Einige Menschen knieten nieder und beteten, andere fingen an zu singen, zu weinen, zu heulen, zu schreien, manche bekamen Platzangst und wollten unbedingt raus. Mitten dazwischen mein kleines Kind auf meinem Schoss! Aber schließlich ging auch dieser Alarm zu Ende. Der Anblick draußen war unvergesslich: Glasscherben über Glasscherben. Es war ja ein modernes Hotel.

Ein anderes Mal trafen wir uns in Straßburg und dann wieder in Ostpreußen. Im Oktober 1942 wohnte ich mit Sohn und Mann vorübergehend in Rathenow an der Havel. Mein Mann hatte nur wenig Dienst, weil sein Flieger, eine Heinkel, in der Werft war und einen neuen Motor bekam. Wir genossen das Verheiratet sein. Am 14. November hatte ich unseren Sohn zu Bett gebracht und wunderte mich, dass mein Mann noch nicht zu Hause war. Als es klingelte wollte ich loslaufen um zu öffnen, aber eine seltsame Kraft hieß mich sitzen zu bleiben. Dann hörte ich fremde Stimmen und dann Hacken zusammenschlagen, ein Mann in Uniform schnarrte: „Ihr Mann ist heute auf dem Felde der Ehre für's Vaterland gefallen. Sie sollten stolz auf ihn sein.“

Von jetzt ab lebte ich für unser Kind, aber ich konnte nicht weinen. Es war wohl ein drei viertel Jahr später, ich wohnte bei meiner Schwester in der Nähe Stettins, da kam unverhofft ihr Mann von der Front auf Kurzurlaub. Diese Begegnung löste den Krampf in mir und das Weinen von vielen Monaten kam heraus.

Ich hatte ja noch immer keine Wohnung, darum fuhr ich nach Danzig um das Unmögliche zu versuchen und dort bekam ich den Luxus, den kaum jemand zu träumen gewagt hatte: eine Zweizimmerwohnung mit Küche und Balkon und sogar mit einem Stückchen Garten.

Ein Bekannter von früher kam öfter auf Fronturlaub. Einmal brachte er ein Huhn mit das, auf dem Balkon mit einem Bein an ein Stuhlbein gebunden, brav jeden Tag ein Ei ablieferte. Ein andermal organisierte er ein paar Angorakaninchen. Im Oktober 1944 heiratete ich zum zweiten Mal, eben diesen »provider«.

Der Winter 1944/45 war geprägt von Versuchen, irgendwie in den Westen zu kommen. Ein Soldatenpfarrer besorgte mir einen Platz auf der »Wilhelm Gustloff«, ursprünglich ein K.d.F. (Kraft durch Freude)-Dampfer, jetzt Flüchtlingsschiff nach Schweden. Doch als ich mich mit Sohn und Gepäck an der Pier einfand, lachte der Mann an der Sperre mich nur aus: „Ja, da könnt ja jeder kommen.“ Ein paar Tage später war ich sehr froh, dass das nicht geklappt hatte: Tausende Menschen ertranken, als das Schiff von einem Torpedo getroffen wurde.

Zweimal versuchte ich es mit der Bahn, zweimal ging auch das daneben. Schließlich sagte ich mir, auch Russinnen lieben ihre Kinder, vielleicht sind die Greuel, die über die Sowjets erzählt werden, nur Märchen. So beruhigte ich mich und es kam das Frühjahr 1945.

Es war Februar, ich wohnte in Langfuhr im Westen von Danzig, da konnte man die »Stalinorgeln« im Osten hören. Viele Bekannte hatten den Absprung in den Westen geschafft. Am Flughafen traf ich einen bekannten Flugkapitän von der Lufthansa. Er sollte eine defekte Maschine nach Berlin bringen. Ich war zum zweiten Mal schwanger und konnte ihn überreden, uns mitzunehmen. Ich musste nur das Luftschutzgepäck zu Hause holen, die Wohnung abschließen, die Kaninchen- und Hühnerställe öffnen, damit die Tiere nicht verhungerten.

Nun flog ich wieder einmal nach Berlin, nach knapp fünf Jahren. Es war zwar eine viermotorige Maschine, aber einer der Motoren war ausgefallen und einem anderen musste ich während des ganzen Fluges Treibstoff zu pumpen. Wir schafften es aber, Berlin zu erreichen. Berlin war zu dieser Zeit jeden Abend Ziel der US-amerikanischen Bomber. Da wurden Züge voller Menschen einfach aus den Bahnhöfen herausgefahren. Wenn der Angriff vorbei war, kamen sie zurück. Wir fuhren nach Stettin, wo wir im Bahnhofsbunker übernachten mussten. Das waren riesige Hallen, überfüllt mit Menschen jeden Alters, hauptsächlich Frauen mit Kindern, alle Flüchtlinge, aber auch Soldaten. Die meisten waren schon lange unterwegs, niemand hatte Gelegenheit gehabt, sich selbst oder die Wäsche zu waschen. Es stank und ich wollte lieber draußen übernachten, doch da heulten die Sirenen und Schutz war wichtiger als gute Luft.

Noch eine Erfahrung machte ich in diesem Bunker: Wenn du nichts mehr hast, dann sind ein Paar Stiefel, ein Wintermantel dein Kapital. Und eben darauf hatten es andere die noch weniger besaßen abgesehen. Alles, wirklich alles mussten wir irgendwie an uns festbinden.

Später ging es nach Pölitz, wo mein Mann zur Fliegerabwehr eingesetzt war, und nach ein paar Wochen dann zurück nach Berlin. Als hier wieder einmal die Sirenen heulten, kam der Angriff viel schneller als vorauszusehen war. Wir kamen nicht mehr in den Bunker. So nahm ich mein Kind auf den Arm und stellte mich auf eine Türschwelle, das heißt unter einen verstärkten Türsturz. Wir hörten mehrere auf einander folgende Einschläge, dann einen unbeschreiblichen Krach, als wollte die Welt untergehen. Als sich der Qualm und der Staub endlich gelegt hatten, sah ich in einiger Entfernung weiße Gardinen aus einem Fenster wehen, davor waren vorher Häuserfronten!

Mich hielt nichts mehr, ich wollte nach Bremen. Zwar wusste ich von den Dauerangriffen auf die Stadt, aber »zu Hause« war sicher alles besser zu ertragen. Bremen hatte sich in kaum vorstellbarer Weise verändert. Das Elternhaus stand noch, aber ringsherum Ruinen, Trümmer und Lücken. Wenn wir das Haus verließen, mussten wir Deckung suchen. Die Briten, die sich auf der anderen Weserseite befanden, schossen auf alles was sich bewegte. Im April 1945 waren mein Sohn und ich zu einer Art siamesischer Zwillinge geworden: Wir aßen, schliefen, taten alles gemeinsam.

So kam der Mai 1945. Nach Flugzeuglärm, Bombeneinschlägen, Granatfeuer plötzliche Stille. Bremen war eingenommen! Das einzige intakte Haus, das meines Vaters, wurde beschlagnahmt um darin ein Lazarett einzurichten. Wir fanden Unterschlupf in einer Ruine und ich wurde von den Briten mehrfach zum Dolmetschen geholt. Doch eines Tages änderte sich die Stimmung. Ich wurde festgenommen und in unserem eigenen Wohnzimmer streng bewacht. Ich hatte keine Ahnung, was das alles bedeutete, als zwei Offiziere eine Pistole auf den Tisch warfen, die sie bei der Durchsuchung unseres Hauses und Gartens gefunden hatten – wem diese gehörte, das wurde nie wirklich herausgefunden. Sie herrschten mich an: „Stand up! That's yours, you are a spy!“ „Dies ist ein Kriegsgericht und auf Spionage steht Erschießen.“

Was diese Männer da sagten, war so außerhalb meines Denkens, dass ich es kaum begriff. Aber es war wirklich tödlicher Ernst. Da fiel mir mein Bauch ein. „Sie dürfen mein Kind nicht mit mir erschießen, ich bin schwanger.“ Das war's! Nach ein paar Stunden »Gefangenschaft« in unserer Waschküche konnte ich nach Hause gehen, in die Ruine.

Zeit zur Gegenwehr

Die Nachkriegsjahre waren ausgefüllt mit dem Kampf um Lebensmittel und Brennstoff. Kaufen konnte man nur auf Marken und das war wirklich nur eben an der Überlebensgrenze. Ich hatte drei kleine Kinder, die Nahrung, Kleidung und ein halbwegs warmes Zimmer brauchten. Politik machten andere, meine ganze Kraft gehörte der Familie.

34 Jahre vergingen, ehe ich anfing, mich zu wehren. 1979, als die Debatte um die Aufstellung der Pershing II begann, gründeten wir mit einigen Gleichgesinnten die Friedens-Initiative Jever/Schortens1, die anfangs zu den Sitzungen regelmäßig Besuch vom MAD hatte. Da mich keine Berufszwänge mehr plagten, wurde mein Name überall als Kontaktadresse angegeben und in kurzer Zeit war ich »erfasst«. Big brother knackte bei Telefongesprächen und ich bekam Anrufe der Art, „ich solle doch nach Moskau gehen, woher ich denn Geld bekäme“, bis hin zu Morddrohungen. Andererseits hatte ich nun Freunde und Freundinnen wie nie vorher im Leben.

In vielen Aktionen versuchten wir, über Massenvernichtungsmittel, Atombombentests und ungerechtfertigte Kriegseinsätze zu informieren. Wir veranstalteten Schweigekreise, Straßentheater, Infostände, sammelten Geld z.B. für »Ärzte ohne Grenzen«, demonstrierten vor dem hiesigen NATO-Flugplatz und vieles anderes.

Die SeniorInnenblockade in Mutlangen gegen die dort stationierten Pershing II am 28.und 29. April 1986, zwei Tage nach der Katastrophe von Tschernobyl, wurde zu einem Wendepunkt in meinem Leben. Von da ab blockierte ich die Zufahrten zu Massenvernichtungswaffenlagern, protestierte gegen Atombombentests: viele Male in Mutlangen, in Ludwigswinkel, in Bonn vor den Botschaften der USA, Chinas und Frankreichs, zuletzt in Büchel/Eifel gegen die dort lagernden Atombomben. Auch in Gorleben stand ich viele Male quer gegen die Atomenergie.

Zu Beginn der 90er-Jahre stellte ich eine Wanderausstellung gegen die entsetzlichen Atombombentests auf der Welt zusammen. Alle Testgebiete wurden vorgestellt, die Folgen mit Fotos aus dem Dispensarium in Alma Ata, Kasachstan, gezeigt und der Widerstand dagegen deutlich gemacht. 1995 sammelte ich 10.555 Unterschriften gegen die Atomenergie in ganz Deutschland. Mit zwei Freundinnen brachte ich das Paket in den Bundestag. Je eine Frau der verschiedenen Fraktionen CDU, SPD, PDS und Bündnis 90/Die Grünen und wir drei Frauen aus verschiedenen Bundesländern, alte und neue, aus drei verschiedenen Generationen trafen uns dort im November 1996. Die FDP zog es vor, diesen Termin zu vergessen. 1997 übersetzte ich das Buch »Moruroa et nous« (»Moruroa und Wir«) ins Deutsche.2

Zwischendurch schlug ich mich mit den Gerichten herum, mit denen ich wegen meiner »Straftaten« zu tun hatte. In meinen Verteidigungsreden lernte ich, die Kriegserlebnisse aufzuarbeiten. Ich lernte über Dinge zu sprechen, die ich tief im Innern vergraben hatte um sie nicht wieder vor Augen zu haben. Ich lernte zu begreifen, dass etwas bewegt werden kann, wenn wir Alten reden.

Fast 80 Jahre war ich, als ich 20 Stunden gemeinnützige Arbeit ableistete anstatt eine Geldstrafe zu zahlen. Ich tat es als Öffentlichkeitsarbeit. Am 8. August 1997 beging ich meine bis jetzt letzte »Straftat«. Mit einer Gruppe junger Leute, meiner »Wahlfamilie«, von der GAAA (Gewaltfreie Aktion Atombomben Abschaffen) drangen wir in das Atomwaffenlager in Büchel ein. Mit großen Transparenten und Flötenmusik erwarteten wir unsere Festnahme. 20 Minuten lang spazierten wir ungehindert durch das ach so gut gesicherte Gelände! Der Amtsrichter in Cochem hatte dafür natürlich kein Verständnis, auch nicht der Richter am Landgericht Koblenz. Das Urteil: 20 Tagessätze à 20,- DM (Rentnerin im unteren Bereich).

Drei Kriege gegen Serbien

Am 24. März 1999 griff Deutschland zum dritten Mal in diesem Jahrhundert Serbien an. Nachdem 1914 serbische Nationalisten den österreichisch-ungarischen Thronfolger ermordet hatten, wurde Serbien zum ersten Mal von Deutschland angegriffen und weitgehend zerstört. Weil Jugoslawien sich nicht in die Kriegspläne Adolf Hitlers einfügen wollte, wurde es im April 1941 zum zweiten Mal von Deutschland angegriffen und zur Kapitulation gezwungen. Furchtbare Greuel wurden an der serbischen Bevölkerung begangen. Im dritten Krieg nahm die deutsche Luftwaffe gemeinsam mit den USA und anderen NATO-Staaten wieder Ziele in Serbien unter Beschuss. Im Namen der Menschenrechte wurden Menschen getötet und Hass gesät, unter einer rot-grünen Regierung, von der ich zutiefst enttäuscht worden bin. Am Ende dieses Jahrhunderts, in dem die furchtbarsten Kriege von deutschem Boden ausgingen, bin ich entsetzt, wie bereitwillig deutsche PolitikerInnen wieder Krieg führen.

Als ich während des Kosovo-Krieges im Mai beim Internationalen Friedensappell in Den Haag war, fiel mir das erste Bild von unserem ganzen Planeten ein, einem blau-grünen Edelstein, eingebettet in die weite Schwärze des Weltalls, kostbar und zerstörbar. Wenn nicht jede und jeder von uns die Verantwortung für die Menschenrechte übernimmt, statt sie an das Militär zu delegieren, wird diese Welt kein friedvoller Ort werden.

Anmerkungen

1) Die Arbeit der Friedens-Initiative Jever/Schortens wurde 1997 aus Anlass ihres 18-jährigen Bestehens in einer Broschüre dokumentiert.

2) Das Buch »Mururoa und Wir« ist über die Autorin zu beziehen

Elisa Kauffeld lebt in Schortens bei Wilhelmshaven.