Der Bundeswehrlangzeitplan 1985 – 1997

Der Bundeswehrlangzeitplan 1985 – 1997

von Andreas Zumach

Vor gut einem Jahr, am 17. Oktober 1984, beschloß das Bundeskabinett ein Dokument, dessen weichenstellende Bedeutung, ja Sprengkraft bis heute weder in der Friedensbewegung, geschweige denn in der breiten Öffentlichkeit ausreichend zur Kenntnis genommen worden ist. Das geschah unter konspirativer Geheimniskrämerei, die einem demokratischen Staatswesen Hohn spricht: die Tischvorlage für die Kabinettssitzung vom 17.10.84 trägt den Stempel „Verschlußsache – nur für den Dienstgebrauch“, die Abgeordneten des federführend zuständigen Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages erhielten das Dokument am Vortag erst wenige Stunden vor einer ersten Ausschußberatung, die Redaktionsräume der Fernsehsendung „Report“ beim Bayrischen Rundfunk wurden vom Staatsanwalt durchsucht nach einem Exemplar des Dokuments, aus dem angeblich zitiert worden war, und der stellvertretende Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestages, Walter Kolbow (SPD) erhielt eine Anzeige wegen Geheimnisverrat, weil er das Dokument dem Bayrischen Rundfunk zugespielt haben soll.

Die Rede ist vom „Bundeswehr-Langzeitplan 1985-1997“. Dieser Bundeswehrplan enthält 1) die Personalplanung der Bundeswehr und 2) die Pläne zur Beschaffung der 3. Waffengeneration der Bundeswehr für den Zeitraum der nächsten zwölf Jahre. Zum erstenmal in der Geschichte der Bundeswehr wurde eine so langfristig angelegte Bundeswehrplanung verabschiedet, deren Auswirkungen bis weit über das Jahr 2000 reichen werden.

Inzwischen ins Gerede gekommen bei Experten aller politischen Couleur, die rechnen können, ist die Wörnersche Personalplanung, Teil 1 des Bundeswehrlangzeitplanes. Wörner geht davon aus, daß die heutige Präsenzstärke der Bundeswehr der sogenannte Friedensumfang – in Höhe von 496.000 Soldaten auch in den 90er Jahren gehalten werden kann – und muß. Alle demographischen Berechnungen über die Bevölkerungsentwicklung beweisen das Gegenteil: die Zahl der 18jährigen Männer, die für die Bundeswehr zur Verfügung stehen, sinkt von 481.000 in diesem Jahr auf 240.000 im Jahre 1997. Anstatt diese Chance zu nutzen und diese Entwicklung als politisches Angebot mit einzubringen in die seit Jahren festgefahrenen Wiener Truppenreduzierungsverhandlungen MBFR, sollen die entstehenden Löcher mit allen möglichen Tricks gestopft werden, die 1) sehr kostspielig sind und b) zu einer weiteren Militarisierung unserer Gesellschaft führen; die Verlängerung des Wehrdienstes von heute 15 Monaten auf 18 Monate im Jahre 1989 ist bereits beschlossen. Allein das reicht nicht: spätestens 1997 wird um weitere drei Monate auf 21 Monate erhöht werden müssen, um die angestrebte Zahl der Grundwehrdienstleistenden zu halten. Weitere Maßnahmen sind die Verschärfung der Tauglichkeitskriterien sowie eine Erhöhung der Zahl der freiwillig Längerdienenden und der Wehrübungen. Der Bundeswehrdienst für Frauen wird als „weitere Option“ im Bundeswehrplan ausdrücklich genannt.

Noch viel brisanter als diese Personalplanungsvorstellungen aber ist Teil 2 des Bundeswehrplanes – über die Beschaffung der 3. Waffengeneration der Bundeswehr. Er sieht bis zur Jahrtausendwende Ausgaben für neue Waffen in Höhe von 240 Milliarden DM vor. Das ist etwa soviel wie der gesamte Bundeshaushalt 1982 betrug. Diese gigantische Summe sprengt alle bisherigen Dimensionen – doch es könnte noch viel mehr werden. Denn die Erfahrung mit allen Waffenbeschaffungen seit es die Bundeswehr gibt, zeigt, daß sich die einmal beschlossenen Ausgabensummen in der mehrjährigen Phase der Anschaffung verzwei- bis vervierfachen: auf Grund allgemeiner Kostensteigerungen, rüstungsproduktionsspezifischer Inflation, falscher Kostenkalkulationen und anderer Ursachen. In dem berüchtigsten Fall des Tornado-Flugzeuges haben sich die ursprünglich veranschlagten 3 Milliarden DM für die 322 Maschinen inzwischen auf rund 30 Milliarden DM sogar verzehnfacht. Für den Bundeswehrplan 1985 – 1997 heißt dies, daß sich die beschlossenen Ausgaben von 240 Milliarden DM bis zur Auslieferung der Waffen auf 500 Milliarden bis im schlimmsten Falle 1 Billion DM erhöhen würden. Die entscheidenden Weichenstellungen geschehen in den Haushaltsberatungen des Deutschen Bundestages in diesem und den nächsten vier Jahren: all die neuen Waffensysteme durchlaufen vier Phasen: die Definitions-, die Konzeptions-, die Entwicklungs- und die Produktionsphase. In jeder dieser vier Phasen werden wachsende Geldsummen für die einzelnen Projekte durch Haushaltsausschuß und Plenum des Parlamentes bewilligt, die zu immer weiteren Festlegungen führen. So sind zum Beispiel für den geplanten Tornado-Nachfolger „Jäger 90“ – das „Europäische Jagdflugzeug für die 90er Jahre“ bei den Haushaltsberatungen im Herbst 1984 „nur“ rund 100 Millionen DM für die erste, die Definitionsphase beschlossen worden; für die jetzt anstehende Konzeptionsphase ist gleich ein vielfaches dieser Summe fällig und zu Beginn der Entwicklungsphase soll der Bundestag rund 3,5 Milliarden DM bewilligen. Der veranschlagte Endpreis von 20 Milliarden DM für die ursprünglich geplanten 250 „Jäger 90“ ist bereits heute Makulatur. Damit wäre das neue Flugzeug bei einem Stückpreis von rund 70 Millionen DM rund 30 Prozent billiger als sein Vorgänger Tornado, der rund 100 Millionen DM kostet. Dies wäre ein einmaliger Vorgang Inder Geschichte der modernen Waffenbeschaffung.. So werden – egal was das Flugzeug schließlich kostet – die Zwänge, dies dann auch zu bezahlen, fast unüberwindbar groß sein, angesichts der bis dahin schon während der ersten drei Phasen ausgegebenen Milliardenbeträge. Zumal, wenn bereits Verträge mit den Rüstungsproduktionsfirmen abgeschlossen sind. Um es deutlich zu machen: selbst ein Bundeskanzler Oskar Lafontaine, käme er 1991 an die Macht, mit einem Außenminister Schily und einer Verteidigungsministerin Petra Kelly, hätte – bei bestem politischem Willen – größte Schwierigkeiten, aus dieser verhängnisvollen Entwicklungslogik auszusteigen.

Doch dieser Beschaffungsteil des Bundeswehrplanes ist nicht nur so brisant wegen seiner horrenden Kosten, sondern auch wegen der Waffensysteme, die hier angeschafft werden sollen. Es geht vor allem um die Waffen- und Munitionstypen, die für einen „Schlag in die Tiefe des gegnerischen Raumes“ benötigt werden. Zwar ist die US-amerikanische Heeres-Doktrin „Air Land Battle“ (Luft-Land-Schlacht) noch nicht offizielle NATO-Strategie. Doch auf der Ebene der „hardware“, also der Bewaffnung der Streitkräfte, soll diese Doktrin de facto umgesetzt werden. So gehören zu den wichtigsten Beschaffungsvorhaben des Bundeswehrplanes neben

  • dem bereits erwähnten Flugzeug „Jäger 90“, mit dem Jagdvorstöße und Begleitschutzeinsätze zum Schutz eigener offensiver Luftkriegsoperationen möglich gemacht werden sollen, u.a.
  • das Mittlere Artillerieraketenwerfersystem MARS – eines der ersten und wichtigsten Systeme, das im Rahmen der Konzeption des ausgeweiteten Schlachtfeldes bzw. das Angriffs in die Tiefe beschafft und 1986/ 87 in der Bundesrepublik eingeführt wird
  • das Flugabwehrsystem „Patriot“, das bereits in der Bundesrepublik eingeführt wird, und das uns besonders interessieren muß, da es eines Tages möglicherweise eine zentrale Rolle in einem westeuropäischen SDI spielen soll. Konkrete Indizien hierfür: die Umstrukturierung dieses Systems zu einem ABM-fähigen Raketenabwehrsystem durch die USA, seine Bestückung mit Nuklearsprengköpfen anstatt wie bisher mit konventionellen Sprengköpfen und die erwogene Stationierung rund um den Cruise-Missiles Stationienungsort Hasselbach im Hunsrück
  • – der – nur vorerst verschobene – Panzer Leopard III und die von den Militärs so bezeichnete „Kampfwagenfamilie 90“, bestehend aus 5.000 neuen Panzerabwehr-, Schützen-, Panzerjäger- und Hubschrauberabwehr-Kampfwagen.

Im Zusammenhang mit dem von der NATO inzwischen offiziell beschlossenen „Follow on force attack“-Konzept, einem wichtigen Kernstück des Rogersplan, das militärische Schläge gegen die zweiten Angriffswellen des Gegners vorsieht, wird die Anschaffung dieser neuen Waffensysteme sowie großer Mengen sogenannter „intelligenter Munition“ gern mit dem Etikett der Konventionalisierung in der Öffentlichkeit versehen. Vorgegaukelt werden soll – z. B. auch mit dem von Minister Wörner angekündigten Abzug von Atomminen – eine „Hebung der Nuklearschwelle“. Dies ist ein Ammenmärchen. Tatsächlich wird unter Beibehaltung und Modernisierung der Atomwaffen bei Abzug einiger veralteter und nicht mehr ins Konzept passender Minen und Sprengköpfe durch die massive Beschaffung mit offensivfähigen konventionellen Waffen eine konventionelle Option geschaffen, zusätzlich zu der bereits existierenden atomaren Option.

Zurück zu den finanziellen Folgen des Bundeswehrplanes 1985 – 1997. Schon beim Vergleich der Haushaltsansätze des lebten Jahres mit den jetzt dem Bundestag vorliegenden Entwürfen für 1986 zeigen sich bei einigen der zu beschaffenden Waffen große Kostensprünge …

Die renommierte „Studiengruppe Alternative Sicherheitspolitik“ kommt zu dem Ergebnis, daß sich im Falle der Realisierung der Beschaffungsvorhaben des Bundeswehrplanes in den ins Auge gefaßten Zeiträumen der Anteil des Verteidigungshaushaltes am Gesamt-Bundeshaushalt von heute 18,9 Prozent im ungünstigsten Fall auf 38,2 Prozent im Jahre 1995 mehr als verdoppeln wird. Dieser Berechnung liegt die Annahme zu Grunde, daß der Bundeshaushalt in den nächsten Jahren um durchschnittlich 3 Prozent jährlich steigt. Es wird dann – so die Wissenschaftler – nicht mehr möglich sein, daß auch der Sozialetat um 4,5 Prozent jährlich steigt, wie dies in der Finanzplanung des Bundesfinanzministeriums für die nächsten Jahre eingeplant ist – übrigens unter der optimistischen Annahme eines tendenziellen Rückgangs der Massenarbeitslosigkeit. Stiegen Verteidigungs- und Sozialetat in den nächsten Jahren tatsächlich um die beschriebenen Prozentsätze, würden diese beiden Etats allein 1995 rund 74 Prozent des gesamten Bundeshaushaltes ausmachen (zum Vergleich: heute sind es rund 50 Prozent). Dies ginge voll zu Lasten anderer heute vom Staat finanzierter Aufgaben. Es ist also völlig unseriöse und gefährliche Augenwischerei, wenn die Regierung uns weismachen will, die geplanten Anschaffungen und Personalausgaben im Verteidigungsbereich und die anfallenden Aufgaben im Sozialbereich ließen sich in den nächsten Jahren auch nur annähernd finanzieren. Es besteht die große Gefahr, daß dieser sich verschärfende Zielkonflikt eher zugunsten der militärischen Ausgaben entschieden wird – wegen der vorher beschriebenen massiven Zwänge in diesem Bereich. Geschähe dies, würde das soziale Netz zerstört und das soziale Gefüge der Bundesrepublik grundlegend verändert werden.

Friedensbewegung und Bundeswehr

Friedensbewegung und Bundeswehr

von Rolf Schellhase

Während für die Friedensbewegung der 50er fahre in ihrem politischen Kampf gegen die Wiederbewaffnung und die NATO-Integration der Bundeswehr, deren zu großen Teilen wehrmachterfahrenes Offizierkorps, deren ideologische Ausrichtung und die mit ihr und von ihr verfolgten Ziele im Zentrum der Kritik standen, hat die neue Friedensbewegung in ihrer weitgehenden Fixierung auf die US-Politik die nationalen Streitkräfte der Bundesrepublik bisher nur unzureichend als Instrument der Interessen ihres politischen Opponenten beziehungsweise als relativ eigenständigen Faktor im gesellschaftlichen und politischen System der BRD wahrgenommen und sich bislang kaum intensiver – von wenigen Ausnahmen abgesehen 1 – mit dieser von ihrem Selbstverständnis her „eigentlichen“ Friedensbewegung auseinandergesetzt.

Die Haltung der in ihrer sozialen und politisch-ideologischen Struktur sehr breit angelegten Friedensbewegung zur Bundeswehr bewegt sich, grob umrissen, zwischen den Polen der Akzeptanz einer noch bis auf weiteres für notwendig angesehenen Existenz der Streitkräfte einerseits und deren strikter politischer oder moralisch-pazifistischer Ablehnung andererseits. Während sich etwa die Jugendverbände der Gewerkschaften, der SPD und F.D.P. und der Kirchen teilweise sehr kritisch gegenüber der Bundeswehr und ihren Funktionen und Aktivitäten artikulieren, ist die Haltung der Mutterorganisationen, die gelegentlich versuchen, sich als Teil der Friedensbewegung darzustellen bzw. diese partiell zu vereinnahmen, nicht nur programmatisch ohne Abstriche Bundeswehr – und NATO-minded.

Die von der Friedensbewegung bislang weitgehend vernachlässigte differenzierte Auseinandersetzung mit Charakter, Funktionen und Aktivitäten der Bundeswehr in den verschiedenen Bereichen von Gesellschaft und Politik in der Bundesrepublik ist nicht zuletzt darin begründet, daß gerade auch von ihrem Selbstverständnis her kritische Autoren und Wissenschaftler das Thema „Bundeswehr“ aus verschiedenen, hier nicht näher zu erörternden Gründen gemieden haben 2 und u. a. deshalb innerhalb der Friedensbewegung über eine hauptsächlich emotional bestimmte Ablehnung der Bundeswehr hinaus bislang kaum effektives Wissen über die weitverzweigte gesellschaftliche Präsenz und Aktivität der Bundeswehr vorhanden ist. Dieses „Vermeidungsverhalten“ der Friedensbewegung den Streitkräften gegenüber geht nicht selten einher mit völlig unzeitgemäßen und in ihren Folgen für friedenspolitisches Handeln gegenüber der Bundeswehr fatalen Barras-Vorstellungen. Einen solchermaßen „hilflosen Antimilitarismus“ 3 gegenüber der Armee der Bundesrepublik kann sich eine Friedensbewegung, deren erklärtes Ziel es ist, zum möglichst raschen und umfassenden Abbau bestehender Gewaltpotentiale beizutragen, angesichts eines professionell konzipierten und wieder verstärkt und offen zu Tage tretenden gesellschaftlichen Gestaltungsanspruchs der Streitkräfte kaum mehr leisten. Vor dem Hintergrund der von Verteidigungsminister Wörner vor Offizierschülern vertretenen Position: „Nicht nur die Gesellschaft hat Ansprüche an die Bundeswehr. Auch die Bundeswehr hat Ansprüche an die Gesellschaft“ 4, tut die Friedensbewegung gut daran, sorgfältig darauf zu achten, welcher Art diese Ansprüche sind und in welchen Bereichen sie mit welchen Mitteln durchgesetzt werden sollen. Die Frage nach Bedingungen und Möglichkeiten des Umgangs der Friedensbewegung mit der Bundeswehr und den verschiedenen in ihr wirkenden Kräften sollte Bestandteil des derzeit verstärkt geforderten bzw. bereits stattfindenden Nachdenkens über eine erweiterte „Perspektive der Entmilitarisierung“ 5 unter den Bedingungen der erfolgten Stationierung und der mit der sogenannten Konventionalisierung drohenden weiteren Aufrüstung sein.

Für die Friedensbewegung ist erhöhte Aufmerksamkeit hinsichtlich der Gefahr einer verstärkten militärischen Einflußnahme auf verschiedene Bereiche der gesellschaftlichen und politischen Kultur nicht zuletzt deshalb geboten, weil das Militär, wie die zahlreichen und gut dokumentierten Affären und Skandale der Bundeswehr gezeigt haben, seine spezifischen Gestaltungsinteressen nicht nur innerhalb seines ureigensten Terrains, den Kasernen, durchzusetzen versteht, sondern sich effektiver demokratischer Kontrolle immer wieder weitgehend mit Erfolg zu entziehen vermochte.6

Die Tatsache, daß in großen Teilen der Bundeswehr unter gewendeten Verhältnissen Begriffe wie soldatische Ehre, Stolz, Mut und Tapferkeit, zynisch und maliziös strapaziert auch in der sogenannten Wörner-Kießling-Affäre, wieder ihren Aufschwung erfahren und unter einem CDU-Verteidigungsminister wieder explizit an bewährte Traditionen deutschen Soldatentums angeknüpft werden soll, kann von der Friedensbewegung nicht in der Weise interpretiert werden, als habe sie es bei der Bundeswehr mit einer nach längst überkommenen Managementmethoden geführten und völlig unflexiblen Institution zu tun.

Während sich die Friedensbewegung mit den Streitkräften häufig nur oberflächlich oder aktionistisch auseinandersetzt, geht die Bundeswehr, armiert mit aktuellen Forschungsergebnissen ihres Sozialwissenschaftlichen Instituts, zweckrational und verwissenschaftlicht an das den Streitkräften kritisch bis ablehnend gegenüber eingestellte Protestpotential heran. Hier widmet sich eine keineswegs nur kryptisch verfahrende militärisch orientierte Sozialforschung kontinuierlich, in der Funktion vergleichbar einem Frühwarnsystem, verschiedenen, jeweils aktuellen Struktur-, Legitimations- und Akzeptanzproblemen der Bundeswehr und präsentiert bestimmte Ergebnisse auch als Teil ihrer Öffentlichkeitsarbeit unter anderm in der Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament“, die als Medium zur gezielten und aktuellen Informationsvermittlung für politische Akteure verschiedener Coleur erhebliche Wirksamkeit besitzt 7.

Das nicht nur von externen Kritikern der Bundeswehr monierte Faktum, daß die Konzeption vom „Staatsbürger in Uniform“ kaum mehr als die Wünsche und Hoffnungen einiger weniger Reformer darstellt 8 und die Realität der Bundeswehr allenfalls marginal berührt 9, die Tatsache, daß jedes Jahr etwa 200 000 Wehrpflichtige einen staatsbürgerlichen Unterricht erhalten, der kaum mehr zu vermitteln hat als eine modernisierte „geistige Rüstung“ 10, die Erfahrung, daß das Bundesministerium der Verteidigung einem Teil seiner Soldaten die Diskussion mit der Friedensbewegung unter Hinweis auf die gebotene parteipolitische Zurückhaltung des Militärs verbieten will, während hohe Offiziere sich unbehelligt und unkorrigiert in konservativen bis reaktionären und dem Militär gefälligen politischen Kreisen bewegen und den entsprechenden Medien äußern können, lassen die in dem von Jakob Moneta, Erwin Horn und Karl-Heinz Hansen 1974 aus aktuellem Anlaß veröffentlichten Buch Bundeswehr und Demokratie. Macht ohne Kontrolle? aufgeworfene Frage: „Ist die Bundeswehr zuverlässig demokratisch?“ 11 bis heute nicht befriedigend beantwortet und weiterhin aktuell erscheinen. Die von Immanuel Geiss im Vorwort zu dieser Publikation formulierte These: „Wie die Führer der Bundeswehr in einer Situation sich verschärfender ökonomischer und sozialer Krise und einer sich zuspitzenden politischen Polarisierung, wie sie immerhin auch bei uns denkbar geworden ist, handeln werden, dafür kann heute niemand garantieren“ 12, ist angesichts der Krise der Gesellschaft der BRD und der scheinbar fast vergessenen Tatsache, daß die Bundeswehr laut Notstandsgesetzgebung auch nach innen' eingesetzt werden kann, nach wie vor als ein dringender Hinweis zu demokratischer Wachsamkeit zu verstehen.

Wie dauerhaft resistent die Streitkräfte gegen ideologische Erneuerungen sind, verdeutlichen nicht nur die wieder offen und im Anschluß an Schnezsches Gedankengut beanspruchte sowie von Verteidigungsminister Wörner unterstrichene „Besonderheit des Soldatenberufs“ 13 und das Scheitern der Konzeption vom „Staatsbürger in Uniform“ bis auf den heutigen Tag; insbesondere die sukzessive und beharrliche Zurückdrängung fortschrittlicher Studieninhalte an den Hochschulen der Bundeswehr durch einflußreiche konservative Offiziere, die in einer ausgezeichneten empirischen Studie von Jopp nachgezeichnet und belegt wird 14, wirft ein weiteres Schlaglicht auf den in maßgeblichen Kreisen der Bundeswehr vorherrschenden politisch-ideologischen Geist.

Zieht man weiterhin in Betracht, daß der Einfluß der Bundeswehr über ihre eigenen Hochschulen hinaus auch andere Bereiche des zivilen Bildungswesens 15 erreicht und insbesondere der schulische Sektor 16 zum Teil in forcierter Kooperation mit der Schulverwaltung Gegenstand verstärkter ideologischer Anstrengungen und Einflüsse ist, daß die Bundeswehr sich, bedingt durch die noch weiter ansteigende Arbeitslosigkeit, um den Zulauf anpassungwilliger Freiwilliger, eventuell auch noch weiblicher Bewerberinnen, die dort einen „sicheren“ Arbeitsplatz suchen, keine wirklichen Sorgen zu machen braucht, so dürften bereits diese wenigen Hinweise deutlich werden lassen, daß die Friedensbewegung in Zusammenarbeit mit ihr verbundenen Wissenschaftlern der tendenziell wachsenden gesellschaftlichen Einflußnahme des Militärs erheblich mehr und differenzierte Aufmerksamkeit widmen und zur permanenten Veröffentlichung des „ubiquitären Militarismus“ 17 beitragen sollte, wenn sie an politischer Wirksamkeit gewinnen will.

Bei ihrer Auseinandersetzung mit der Bundeswehr hat die Friedensbewegung von der Tatsache auszugehen, daß die Streitkräfte der Bundesrepublik keinen monolithischen Block darstellen, sondern – wie verschiedene Initiativen kritischer Soldaten mit jeweils unterschiedlichen Anliegen gezeigt haben – auch innerhalb der Armee fortschrittliche und demokratische Kräfte existieren, die als genuine Ansprechpartner und Verbündete der Friedensbewegung anzusehen sind.

In den 70er Jahren sind kritische Impulse innerhalb der Bundeswehr vorwiegend von gewerkschaftlich orientierten wehrpflichtigen Mannschaftsdienstgraden ausgegangen. 18 Gleichzeitig haben aber auch fortschrittliche junge Offiziere, motiviert durch eigene Erfahrungen als Einheitsführer auf unterer Ebene und als Jugendoffiziere, durch die Publizierung ihrer Kenntnisse und Positionen einen erheblichen Beitrag zur Veröffentlichung der in der Bundeswehr herrschenden restriktiven politischen und ideologischen Verhältnisse und zur Entwicklung kritischer öffentlicher Aufmerksamkeit gegenüber den Streitkräften geleistet. 19 In der Diskussion um die zunehmende Verschärfung der US-Positionen innerhalb der NATO und die Folgen der Stationierung neuer Mittelstreckenwaffen haben sich darüber hinaus weitere Offiziere und Unteroffiziere zu Wort gemeldet und unter Bezugnahme auf die Verfassung und Souveränität der Bundesrepublik die Stationierung als der Sicherheit unseres Landes und des Friedens insgesamt abträglich kritisiert. 20

Teilweise arbeiten bereits Offiziere in lokalen Friedensinitiativen mit. 21 Mindestens ein Drittel der etwa 7000 jungen Offiziere, die in den letzten Jahren die Hochschulen der Bundeswehr absolviert haben, betrachtet nach einer Untersuchung des Verteidigungsministeriums die Friedensbewegung immerhin „mit skeptischer Sympathie“. 22

Die am weitesten entwickelte Position innerhalb dieser demokratischen Initiativen von Berufs- und Zeitsoldaten dürfte mit dem sogenannten „Darmstädter Signal“ markiert worden sein 23, und es kann vermutet werden, daß die Zahl derer, die die inhaltlichen Positionen des „Darmstädter Signals“ teilen, innerhalb der Bundeswehr erheblich größer ist, als die Zahl derjenigen, die sich bisher offen dazu zu äußern gewagt haben.

Für die Friedensbewegung der 80er Jahre. besteht zunächst einmal die Notwendigkeit, sich hinreichende Kenntnisse über die Entstehung, Geschichte und Rolle der Bundeswehr im gesellschaftlichen und politischen System der Bundesrepublik zu verschaffen. Die wenigen kritischen Publikationen zu diesem Themenkomplex verdeutlichen schnell, daß hier von praktisch orientierten und sachlich wie didaktisch kompetenten Historikern, Soziologen, Psychologen u.a.m. noch ein erhebliches Pensum an „Aufklärungsarbeit“ zu leisten ist.

Eine von ihrem Selbstverständnis her praktisch-politische Friedensbewegung findet in der Analyse der gesellschaftlichen Präsenz und Aktivität der Bundeswehr 24, in der Auseinandersetzung mit Funktionen, Techniken und individuellen und gesellschaftlichen Konsequenzen militärischer Qualifikation und Sozialisation, in der konkreten und fallstudienartig durchzuführenden Untersuchung vermuteter Militarisierungsprozesse, in der Thematisierung des Verhältnisses von Militär und Medien in der BRD, in kontinuierlichen regionalen und lokalen Militäranalysen u.v.a.m. ein weites und bislang wenig beschrittenes Feld für Forschungs-, Lehr- und Lernprozesse, die nicht im überkommenen Sinne akademisch sind und als Beitrag zur Qualifizierung der Friedensbewegung einen Teil der Verantwortung der Wissenschaftler für den Frieden realisieren können.

Nicht zuletzt könnte die Tatsache, daß gerade Sozialwissenschaftler aus dem Umfeld der Bundeswehr auf den miserablen Zustand der mit dem Militär befaßten Soziologie hinweisen, in der Friedensbewegung engagierte Wissenschaftler dazu motivieren, über eine eben nicht „für den Dienstgebrauch“ gedachte Sozialforschung nachzudenken und sich dem Themenkomplex „Bundeswehr in Politik und Gesellschaft der BRD“ in Forschung, Lehre und Publikation intensiver und von der Form her zugänglicher zu engagieren 25.

Anmerkungen

1 Vgl. Steinweg, R. (Hg) 1981. Unsere Bundeswehr? Zum 25jährigen Bestehen einer umstrittenen Institution. Frankfurt/M. Das Verdienst, sich als Teil der Friedensbewegung von Anfang an vehement gegen die Militarisierung weiterer Arbeits- und Lebensbereiche gewehrt zu haben, kommt ohne Frage der demokratischen Frauenbewegung zu. Vgl. Janken, R. 1980. Frauen ans Gewehr? Köln (erweiterte Auflage 1983).Zurück

2 Eine der wenigen Ausnahmen stellt das bereits 1973 erschienene Buch von W. von Bredow, Die unbewältigte Bundeswehr. Zur Perfektionierung eines Anachronismus. Frankfurt/M., dar. Siehe dazu weiter Münch, M. 1983. Bundeswehr – Gefahr für die Demokratie? Köln.Zurück

3 von Bredow, W. 1983. Moderner Militarismus. Analyse und Kritik. Stuttgart. S. 98.Zurück

4 Der Spiegel. 10.10.1983, S. 22.Zurück

5 Delle, V. 1984. Die Zeichen werden nicht zurückgenommen. Zur Situation der Friedensbewegung. Blätter für deutsche und internationale Politik. 3/1984. S. 262. Siehe weiterhin Beck Oberdorf, M./ Bredthauer, K./ Delle, V./ Dietzel, P./ Leinen, J. / Matthiessen, G./ Stammer, S. 1984. Bestandsaufnahme. Die Friedensbewegung und die neue Lage nach Stationierungsbeginn. Blätter für deutsche und internationale Politik. 5/1984.Zurück

6 Siehe dazu u.a. von Bredow, W. 1969. Der Primat des militärischen Denkens. Die Bundeswehr und das Problem der okkupierten Öffentlichkeit. Köln; von Bredow 1973. a.a.O. München 1983. a.a.O.Zurück

7 Vgl. u.a. Zoll, R./ Lippert, E./ Rössler, T. (Hg.) 1977. Bundeswehr und Gesellschaft. Ein Wörterbuch. Opladen; Zoll, R. (Hg.) 1979. Wie integriert ist die Bundeswehr? Zum Verhältnis von Militär und Gesellschaft in der Bundesrepublik. München; Zoll, R. (Hg.) 1982. Sicherheit und Militär. Genese, Struktur und Wandel von Meinungsbildern in Militär und Gesellschaft. Opladen. Das Heft B 16/82 der Publikation „Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament“ vom 24.4.1982 enthält ausschließlich Beiträge zur Thematik Bundeswehr. Vgl. Kutz, M. Offiziersausbildung in der Bundeswehr. Historische und strukturelle Probleme. Zimmermann, P. Die Hochschulen der Bundeswehr. Ein Reformmodell in der Bewährung; Barth, P. Jugend und Bundeswehr. a.a.O.Zurück

8 Zur Kritik der Leistungsfähigkeit verschiedener MIK-Ansätze siehe von Bredow 1983. a.a.O. S. 65 ff. Zurück

9 Vgl. Ganser, H. W. (Hg.) 1980. Technokraten in Uniform. Die innere Krise der Bundeswehr. Reinbek; Hesslein, B. C. (Hg.) 1977. Die unbewältigte Vergangenheit der Bundeswehr. Fünf Offiziere zur Krise der Inneren Führung. Reinbek; Senger, R./ Wakenhut, R. 1982. Moralische Segmentierung und der Anspruch der Inneren Führung. Zoll (Hg.) 1982. a.a.O.Zurück

10 Vgl. Bald, D./ Krämer-Badoni, T./ Wakenhut, R. 1981. Innere Führung und Sozialisation. Steinweg (Hg.) 1981, a.a.O., S. 134 ff.Zurück

11 Moneta, J./ Horn, E./ Hansen, K.H. 1974 Bundeswehr in der Demokratie – Macht ohne Kontrolle? Frankfurt/M., S. 70.Zurück

12 Geiss, I. 1974. Bundeswehr und Demokratie. Moneta/Horn/Hansen 1974. a.a.O.S. X.Zurück

13 Der Spiegel. 10.10. 1983. S. 21.Zurück

14 Jopp, M. 1983. Militär und Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland. Das Beispiel der Bildungsreform in der Bundeswehr. Frankfurt/M./New York. Die sogenannte „Schnez-Studie“, in der Albert Schnez, seinerzeit Inspekteur des Heeres, 1969 seine reaktionären Vorstellungen von der Bundeswehr als „Kampf-, Schicksals- und Notgemeinschaft“ dargelegt hat, ist unter dem Titel „Gedanken zur Verbesserung der Inneren Ordnung des Heeres“ in dem von K. Heßler herausgegebenen Band Militär – Gehorsam – Meinung. Berlin/New York, 1971 abgedruckt.Zurück

15 Siehe u.a. Rilling, R. 1983. Militärische Forschung an den Hochschulen. Informationsdienst Wissenschaft und Frieden. 1/83 und 1/84.Zurück

16 Kerbst R./ Witt, G. 1983. Militarisierung des Bildungswesens. Englisch Amerikanische Studien. 2,3/83. Kerbst, R./Witt, G. (Hg.) 1984. Bundeswehr und Schule. Militarisierung – Jugendoffiziere – Friedenserziehung. Köln.Zurück

17 von Bredow 1983. a.a.O. S.111.Zurück

18 In diesem Zusammenhang sind insbesondere die unter den Titeln „Soldat 70“ und „Soldat 74“ bekanntgewordenen Positionspapiere wehrpflichtiger Soldaten zu nennen. Beide Papiere sind als Sonderdruck der in Dortmund erscheinenden Zeitschrift „elan“ erschienen. Demgegenüber sind die unter dem Titel „Leutnant 70“ erschienenen Thesen eindeutig affirmativer Art; „Leutnant 70“ ist abgedruckt in Blätter für deutsche und internationale Politik. 3/1970.Zurück

19 Vgl. dazu Hesslein 1977. a.a.O. und Ganser 1980. a.a.O.Zurück

20 Vgl. den Bericht im Stern vom 23.2.1984 unter dem Titel „Jetzt reden wir. Soldaten der Bundeswehr über Nachrüstung. MAD und Innere Führung“.Zurück

21 Der Spiegel. 6.12. 1982. S. 74.Zurück

22 Der Spiegel. 10.10. 1983. S. 21.Zurück

23 Vgl. „Darmstädter Signal“. Aktive Soldaten und Mitarbeiter der Bundeswehr sagen NEIN zur Stationierung neuer Atomraketen in unserem Land. Blätter für deutsche und internationale Politik. 4/1984.Zurück

24 Die Präsenz der Bundeswehr beschränkt sich keineswegs nur auf militärische Ausstellungen oder Schauveranstaltungen; vgl. dazu den Bericht „Ein wehrhaftes Volk“ in Konkret 12/1983. Gewissermaßen auf „leisen Sohlen“ gewinnt die Bundeswehr an Akzeptanz und politisch-ideologischem Einfluß über Kontakte z.B. zu Managerclubs, gezielte Einladungen zu Truppenbesuchen an bestimmte Personenkreise, über Einladungen von Offizieren zu lokalen politischen „Ereignissen“, Kultur- und Sportveranstaltungen oder „Sommerfesten“ von Behörden und anderen Institutionen, über informelle Gesprächs- und Arbeitskreise u.a.m. Diese aus einer anderen Perspektive auch als Verzivilisierung des Militärs beschriebenen Prozesse, die hier als latente Einflußnahme des Militärs auf verschiedenste gesellschaftliche Bereiche angenommen werden, sind bislang nur wenig untersucht und dargestellt worden.Zurück

25 „Nur für den Dienstgebrauch“ ist eine bundeswehrspezifische Bezeichnung für die niedrigste Einstufung von Verschlußsachen. Vgl. Lippert, E./Wachtler, G. 1982. Militärsoziologie – eine Soziologie „nur für den Dienstgebrauch?“. Beck, U. (Hg.) Soziologie und Praxis. Göttingen (Sonderband I der Zeitschrift Soziale Welt) Zurück

Dr. Rolf Schellhase ist Soziologe in Münster

Zu militärpolitischen Aspekten des Bundeshaushaltes 1985

Zu militärpolitischen Aspekten des Bundeshaushaltes 1985

von Forum Naturwissenschaftler für Frieden und Abrüstung

I. Stationierungskosten von Pershing II Raketen und Cruise Missile

Für alle in Westeuropa zu stationierende Systeme wird der Posten von der Bundesregierung mit 540 Millionen DM veranschlagt. Die Gelder sind von allen NATO Staaten entsprechend ihrer Beteiligung am Infrastrukturprogramm aufzubringen. Der Anteil der Bundesrepublik beträgt 26,5 Prozent.

Den Steuerzahler wird die Stationierung von Pershing II Raketen und Marschflugkörpern also 143,1 Millionen DM kosten. Der Betrag wird im nächsten und in den kommenden Haushaltsjahren fällig sein. Der Anteil für 1985 findet sich in der Titelgruppe 01 (NATO-Infrastruktur), Kapitel 22 (Bewilligung im Rahmen der Mitgliedschaft zur NATO und zu anderen internationalen Organisationen), Einzelplan 14 (Bundesminister der Verteidigung).

Empfehlung: Rücknahme des Beschlusses zur Stationierung von Pershing II und Cruise Missile; Streichung der Gelder.

II. Entwicklung von Marschflugkörpern

Die Bundesrepublik entwickelt gemeinsam mit den USA und Großbritannien einen Marschflugkörper, der von Flugzeugen wie dem Tornado oder der F 111 abzuschießen sein wird. Der Flugkörper soll mit konventioneller Munition ausgerüstet werden und eine Reichweite zwischen 100 und 600 Kilometern haben. Die Stationierung auf Flugzeugen würde die Reichweite bis in strategische Größenordnungen erhöhen. Im augenblicklichen Entwicklungsstadium trägt der Flugkörper den Namen Long-Range-Stand-Off-Missile (LRSOM). Politisch ordnet sich das Forschungsvorhaben in das Air Land Battle Konzept (Luft-Land-Schlacht) ein. Die neuen Waffensysteme der NATO sollen danach bis tief in die Länder des Warschauer Pakts hineinreichen, um im Fall einer kriegerischen Auseinandersetzung Versorgungs- und Nachschubstaffeln zu zerstören.

Die Vereinigten Staaten und Großbritannien sind Atommächte, und es würde bei einer Stationierung der Flugkörper technisch nicht möglich sein zu entscheiden, ob sie einen konventionellen oder atomaren Sprengkopf tragen. Diese Waffe würde ohnehin schon schwierige Verhandlungen über atomare Abrüstung in Europa noch komplizierter, wenn nicht gar unmöglich machen (am Problem der Überprüfbarkeit hat sich auch eine Kontroverse zwischen Kongreß und Senat um die Stationierung konventioneller Cruise Missile für die US Marine entzündet).

Die im nächsten Jahr fälligen Kosten für Forschung und Entwicklung finden sich im Kapitel 20 (Wehrforschung…) des Einzelplan 14 (Bundesminister der Verteidigung). Eine Fachzeitschrift gibt für die Gesamtentwicklung eine Summe von 400 Millionen und für die spätere Anschaffung von 500 Flugkörpern 1,5 Milliarden DM an.

Empfehlung: Entwicklung einstellen; Streichung der Gelder.

III. Atomtaugliche Panzerhaubitzen

Gemeinsam mit italienischen und britischen Partnern hat die Bundesrepublik eine NATO-einheitliche Panzerhaubitze vom Kaliber 155 Millimeter entwickelt. Mit der Produktion der Panzerhaubitze 155-1 soll im Haushaltsjahr 1985 begonnen werden.

Die Haubitze ist ein neues Atomwaffenträgersystem. Sie eignet sich selbstverständlich auch zum Verschießen konventioneller Munition, entscheidend ist jedoch ihre atomare Kapazität. In der Bundesrepublik lagern nach Angaben US amerikanischer Kongreßkreise ca. 1000 Atomgranaten des entsprechenden Kalibers.

Die Reichweite der Panzerhaubitze 155-1 wird nur 24 bis 30 Kilometer betragen, so daß die mit ihr verschossenen Atomgranaten über die Landesgrenzen kaum hinaus kämen.

Im Lehrbuch der US Armee 100-30 „Konventionell-atomare Operationen“ ist nachzulesen, daß kurzreichweitige (taktische) Atomwaffen grundsätzlich nicht einzeln, sondern als „Pakete“ eingesetzt werden sollen. Es findet sich dort das Planspiel der Operation „Zebra“, bei der zur Zurückschlagung eines drohenden Durchbruchs von Warschauer Pakt Truppen innerhalb von 90 Minuten 141 Atombomben gezündet werden, von denen 14 über dem Territorium der DDR und 127 über dem der Bundesrepublik Deutschland explodieren. Neben anderen Systemen, wie z. B. „Lance“ Raketen, wären Haubitzen vom Kaliber 155 Millimeter an solchen Einsätzen beteiligt.

Diese Planungen haben mit Verteidigung nichts mehr gemeinsam, eher schon mit einer Strategie der verbrannten Erde. Allein durch das bei den Atombombenexplosionen freiwerdende nicht gespaltene Plutonium wird der „verteidigte“ Landstrich völlig verseucht und unbewohnbar werden, und die massenhafte Explosion der Atomwaffen wird die zu schützende Zivilbevölkerung zum größten Teil töten. Mit solchen Waffen würde alles zerstört, was verteidigt werden sollte.

Zu ergänzen ist, daß in den USA bereits 1000 produzierte Neutronenbomben des Kalibers 155 Millimeter lagern, und daß ein Großteil der chemischen Waffen der USA in Depots auf bundesdeutschem Boden Munition dieses Kalibers ist. Auch diese hätten keine höhere Reichweite als 30 Kilometer und würden vor allem unserer Zivilbevölkerung großen Schaden zufügen.

Der Einsatz atomarer und chemischer Waffen durch die NATO in der Bundesrepublik verstieße auch gegen ein völkerrechtliches Abkommen, das im Deutschen Bundestag gerade zur Ratifikation ansteht: das Zusatzprotokoll 1 von 1977 zu den Genfer Rotkreuz-Abkommen von 1949. Artikel 51 schützt die Zivilbevölkerung und verbietet „unterschiedslose Angriffe“, also den Einsatz von Waffen, die nicht zwischen angreifenden Soldaten und der Zivilbevölkerung unterscheiden. Atomare und chemische Massenvernichtungsmittel wären nur in „unterschiedslosen Angriffen“ verwendbar und verstießen gegen diesen Völkerrechtsvertrag, der 1977 von der Bundesregierung unterzeichnet wurde.

Empfehlung: „Sofortiges Einfrieren der atomaren Rüstung in Ost und West“ heißt konkret, die Produktion der Panzerhaubitze 155-1 nicht aufzunehmen Streichung der Gelder.

Einfrieren des Militärhaushaltes

Einfrieren des Militärhaushaltes

von Arbeitsgruppe alternative Wirtschaftspolitik

Der Etat des Bundesverteidigungsministeriums im Entwurf der Bundesregierung für den Haushalt 1985 ist ein Übergangshaushalt: Zum einen soll das schon in den letzten Jahren zu beobachtende – weit überdurchschnittliche Wachstum der Militärausgaben zu Lasten der Ausgaben für Soziales, Bildung und Gesundheit trotz gewisser finanzieller Entlastungen auf seiten der Beschaffungsausgaben für Waffensysteme der zweiten Generation fortgesetzt werden. Zum anderen will die Bundesregierung mit der drastischen Anhebung der Entwicklungsausgaben für die 90er Jahre schon jetzt die Weichen für eine neue Aufrüstungswelle stellen, deren Dimension alle bisherigen Rüstungsschübe weit übertreffen würden. Wenn diese neue Rüstungsrunde verhindert werden soll, ist es schon heute erforderlich, diesen politischen Weichenstellungen entgegenzutreten.

I. Der Haushaltsentwurf für 1985 steht – wie schon in den letzten fünf Jahren – im Zeichen des Vorrangs für die Militärausgaben. Bei einer konjunktur- und beschäftigungspolitisch unverantwortlich niedrigen – Steigerungsrate der Gesamtausgaben von nur 1,2 % sollen die Mittel des Bundesverteidigungsministeriums mehr als dreimal so schnell, nämlich um 3,7 %, steigen. Für die Gesamtheit aller übrigen Bundesausgaben ergibt sich damit ein nominales Wachstum von nur 0,5 %, oder – bei einer erwarteten Preissteigerungsrate von 2,5 % – ein realer Rückgang von 2 %. In absoluten Zahlen: Von den 3,1 Mrd. DM Ausgabenzuwachs entfallen 1,8 Mrd. DM auf die Ausgaben des Verteidigungsministeriums. Rechnet man die Militärausgaben nach den üblichen NATO-Kriterien, sind es sogar 1,9 Mrd. DM oder 62,6 % der gesamten Ausgabenzunahmen.

An diesen Größenordnungen und Proportionen haben auch die Beratungen des Haushaltsausschusses nichts wesentliches geändert: Er schlägt vor, die Gesamtausgaben um 2,2 Mrd. DM oder 0,9 % und die Ausgaben des Verteidigungsministeriums um 1,5 Mrd. DM oder 3,1 % anzuheben. Für alle übrigen Ausgaben zusammen bedeutet dies eine Zunahme um 0,7 Mrd. DM oder 0,3 %.

II. Die Politik beschleunigter militärischer Aufrüstung geht nach wie vor einher mit einer Einschränkung von Sozial- und Bildungsausgaben: So werden die Mittel des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung um den gleichen Betrag (nämlich 1,9 Mrd. DM) gekürzt, um den die Militärausgaben ansteigen sollen. Das Ministerium für Jugend, Familie und Gesundheit erhält 600 Mio. DM oder 3,6 % weniger. Der Etat des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft, der bereits im laufenden Jahr um 13 % gekürzt worden ist, wird erneut um 0,7 % gesenkt.

Zur Begründung für die Kürzung der Bundesausgaben für Sozialleistungen, Gesundheit und Bildung verweist die Bundesregierung immer wieder auf die prekäre Finanzlage des Bundes. Diese Behauptung ist offensichtlich unwahr. Die Enge der staatlichen Finanzen hindert die Bundesregierung nicht, den Militäretat Jahr für Jahr aufzustocken. Die Regierung spricht propagandistisch von „Sozialstaat auf Pump“ oder von „Kostenexplosion im Gesundheitswesen“. Statt dessen sollte sie lieber den „Rüstungsstaat auf Pump“ und die „Kostenexplosion im militärischen Beschaffungswesen“ kritisieren und verhindern; dies gäbe den erforderlichen fiskalischen Spielraum für die Aufrechterhaltung und den Ausbau des Systems der sozialen Sicherheit in der Bundesrepublik. Daß dies nicht geschieht ist nicht Ergebnis finanzpolitischer Sachzwänge, sondern Ausdruck politischer Prioritätensetzung durch die Bundesregierung.

III. Die unverminderte Eskalation der Militärausgaben wiegt umso schwerer, als sich gerade im kommenden Jahr eine hervorragende Möglichkeit ihrer Eindämmung bieten würde. 1985 nehmen nämlich die Ausgaben für die Beschaffung der großen Waffensysteme der zweiten Generation wegen des beginnenden Abschlusses der Ausstattung erheblich ab: Die Ansätze für die drei großen Waffensysteme Tornado, Leopard 2 und AWACS liegen 1985 insgesamt um fast 1,1 Mrd. DM unter denen des laufenden Jahres. Hierin läge eine Chance, durch ein Absenken der Beschaffungsmittel den Anstieg der Militärausgaben zu stoppen oder zumindest deutlich zu bremsen.

Die Bundesregierung zieht es jedoch vor, die finanzielle Entlastung von seiten der Großwaffensysteme durch eine drastische Steigerung der Beschaffung von Munition (+14,3 %) und Peripheriegerät wie Fahrzeugen (+30,1 %), Fernmelde- (+21,2 %) und Feldzeugmaterial (+40 %) zu nutzen. Sie will – offensichtlich auch unter dem Druck der amerikanischen Regierung – das Niveau der Beschaffungsausgaben um jeden Preis aufrechterhalten.

Das Ergebnis ist: Während in allen anderen Bereichen Sach- und Beschaffungsausgaben gekürzt werden, wird es der Bundeswehr geradezu auferlegt, in großem Umfang Munition zu horten und ihr Ausgabenniveau aufrechtzuerhalten. Ähnliches gilt für die Personalausgaben: Die Bundeswehr ist der einzige Bereich im öffentlichen Dienst, in dem für das kommende Jahr über tausend neue Stellen geplant sind und über zweitausend vorhandene Stellen neu besetzt werden.

IV. Besonders eklatant ist die militärische Priorität im Bereich von Wissenschaft, Forschung und Bildung. Die ruckartige Ausweitung der Ausgaben für militärische Forschung und Entwicklung um 29,2 % im kommenden Jahr wird von der Bundesregierung mit der Notwendigkeit begründet, jetzt die Entwicklung der Waffensysteme der dritten Generation zügig voranzutreiben, mit denen die Bundeswehr in den 90er Jahren ausgerüstet werden soll.

Dies sowie der Auslauf der Beschaffung der zweiten Waffengeneration – kennzeichnen den Haushalt 1985 im militärischen Bereich als Übergangshaushalt. In ihm sollen entscheidende Weichen für die Rüstungsentwicklung bis über das Ende dieses Jahrhunderts hinaus gestellt werden.

Die dritte Waffengeneration enthält zum größten Teil die Systeme, die zur Verwirklichung der modifizierten NATO Doktrin der Follow-on-Forces-Attack (FOFA) erforderlich sind: Waffen für den Angriff in die Tiefe des gegnerischen Hinterlandes. Im Zusammenhang mit der Air Land Battle Konzeption müssen diese Waffen als für die militärische Aggression geeignet angesehen und von der Gegenseite so empfunden werden. Ihre Beschaffung würde dazu beitragen, eine neue Runde der Destabilisierung, des Mißtrauens und der Konfrontation auch in den europäischen Beziehungen einzuleiten und anzuheizen.

V. Die Finanzierung der geplanten Ausrüstungswelle ist hingegen noch weitgehend ungeklärt. Die Bundesregierung wird aller Voraussicht nach versuchen, sie im wesentlichen auf zwei Wegen sicherzustellen: Zum einen werden erneut in zunehmendem Maße Staatsschulden aufgenommen werden, die anschließend mit dem Argument der Haushaltssanierung einen erneuten „Zwang“ zu Einsparungen an anderen Stellen schaffen. Zum anderen wird sie aber auch versuchen, umittelbar Kürzungen in den Bereichen vorzunehmen, die schon in der Vergangenheit zur Finanzierung der Rüstung herangezogen worden sind: Sozial-, Bildungs- und Gesundheitsausgaben sowie Ausgaben im Infrastrukturbereich.

Die Dimension dieser erneuten Streichungen würde das, was in den letzten fünf Jahren an Sozialabbau durchgesetzt Wurde und die Lebenslage von Millionen Menschen spürbar beeinträchtigt hat, weitgehend in den Schatten stellen.

Auch wenn das mit der Bundeswehrplanung 1985 bis 1997 verbundene Aufrüstungsprogramm sich im Haushalt 1985 noch nicht in steigenden Beschaffungsausgaben, sondern nur in vergleichsweise „harmlosen“ Ansätzen im Entwicklungsetat niederschlägt, bedeutet dieser Haushalt eine entscheidende Weichenstellung auf dem Weg zu einem erneuten Aufrüstungsschub, der auf einem historisch einmalig hohen Niveau ansetzen würde. Die jetzt vorgesehenen Entwicklungsausgaben haben den Charakter einer Einstiegsdroge; von der es später wie die Erfahrungen der letzten 25 Jahre zeigen – kaum noch ein Zurück gibt. Daher ist es außerordentlich wichtig diese anlaufende Entwicklung möglichst früh zu stoppen.

VI. Aus dieser Beurteilung der geplanten Militärausgaben im Haushaltsentwurf 1985 ergibt sich folgende Hauptforderung: Die Mittel für den Einzelplan 14 sollen auf dem Stande von 1984 (das sind 48,141 Mrd. DM) eingefroren werden. Gegenüber dem Entwurf der Bundesregierung bedeutet das Minderausgaben in Höhe von 1,785 Mrd. DM (Gegenüber dem Vorschlag des Haushaltsausschusses beläuft sich die Einsparung auf 1,499 Mrd. DM). Diese Einsparung könnte durch folgende vier Maßnahmenbündel erreicht werden:

a) Bei den militärischen Beschaffungen werden die Entlastungen bei den Ausgaben für die Großwaffensysteme voll zur Senkung der Beschaffungsausgaben insgesamt genutzt und nicht durch Erhöhungen in anderen Bereichen kompensiert.

Einsparung (allein bei AWACS, TORNADO und Kampfpanzern) 1,088 Mrd. DM. Die eingesparten Mittel sollten für beschäftigungswirksame Programme im Bereich des Umweltschutzes und der Energieeinsparung verwendet werden.

b) Bei den Ausgaben für militärische Infrastruktur werden die Mittel für das Wartime Host Nation Support Programme auf dem Stand von 1984 eingefroren.

Einsparung: 61,03 Mio. DM. Die eingesparten Mittel sollten als Zuschüsse an Länder und Gemeinden für den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs und des sozialen Wohnungsbaus gegeben werden.

c) Bei den Personalausgaben wird die Stellenbesetzungssperre aufrechterhalten (45 Mio. DM). Die vorhandenden 1022 Stellen für längerdienende Soldaten werden gestrichen (13 Mio. DM). Einsparung: 58 Mio. DM. Die eingesparten Mittel sollten zur Aufstockung des Personals bei den Arbeits- und Sozialämtern verwendet werden.

d) Die Ausgaben für militärische Forschung und Entwicklung werden auf dem Stand von 1984 eingefroren.

Einsparung: 562 Mio. DM. Die eingesparten Mittel sollten zur Verstärkung der Forschung im Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes eingesetzt werden.

Damit ergibt sich eine Gesamteinsparung von 1.769 Mrd. DM.

Gericht und Krieg

Gericht und Krieg

Das Bundesverfassungsgericht verspielt seine Glaubwürdigkeit

von Bernd Hahnfeld

Das höchste deutsche Gericht verweigert mit dem Urteil vom 3.07.2007 (2 BvE 2/07), der Entscheidung über die Tornado-Einsätze in Afghanistan, die im Antrag mit Recht geforderte verfassungsrechtliche Prüfung. Die Bundestagsfraktion der PDS/Die Linke hatte beantragt festzustellen, dass die Bundesregierung gegen das Grundgesetz verstößt, indem sie ohne Zustimmungsgesetz der Fortentwicklung des NATO-Vertrages zustimmt und sich durch die Entsendung von Tornado-Flugzeugen am erweiterten ISAF-Mandat beteiligt. In einer beispiellosen Wurstigkeit bügelt das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Anträge ab, ohne die zugrunde liegenden Rechtsfragen ernsthaft zu erörtern.

Das neue Urteil ist die fatale Fortentwicklung der Adria-Entscheidung von 1994, mit der das BVerfG den Beschluss der Bundesregierung zum Adria-Einsatz der Bundeswehr verfassungsrechtlich gebilligt hatte. Dieses Ergebnis war nur möglich, indem das BVerfG sich über die bis dahin weithin anerkannte verfassungs- und völkerrechtliche Unterscheidung von Verteidigungsbündnissen und Militärpakten einerseits und von gegenseitigen kollektiven Sicherheitssystemen andererseits hinweggesetzt und systemwidrig die NATO als ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit anerkannt hatte. Nur über die sich daraus ergebende Anwendung von Art. 24 Abs. 2 GG war die Teilnahme an der NATO-Militäraktion zu rechtfertigen.

Nach Art. 24 Abs. 2 GG kann sich der Bund zur Wahrung des Friedens einem System der gegenseitigen kollektiven Sicherheit einordnen. Ein solches System ist zweifelsfrei die UN. Die NATO hingegen galt bis zur Adria-Entscheidung des BVerfG als reines Verteidigungsbündnis. Im Gegensatz zu einem Verteidigungsbündnis sichern Systeme der gegenseitigen kollektiven Sicherheit die Mitglieder vor Aggressionen von außerhalb und innerhalb des Systems, verpflichten zur friedlichen Streitbeilegung und stellen dafür die entsprechenden Organe und Wege bereit, so etwa den Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Der NATO fehlen solche Einrichtungen. Dem BVerfG reichte jedoch die Gewissheit, dass sich die NATO dem Frieden verpflichtet fühlt.

Das neue Urteil knüpft auch an der Entscheidung des BVerfG vom 22.11. 2001 an. In dieser hat das BVerfG das »neue Strategische Konzept« der NATO vom 23./23. April 1999 nicht als Änderung des NATO-Vertrages, sondern nur als dessen Fortentwicklung und Konkretisierung bewertet, obwohl die Staats- und Regierungschefs der NATO-Staaten die Aufgaben der NATO um „nicht unter Artikel 5 fallende Krisenreaktionseinsätze“ auch außerhalb des euro-atlantischen Raumes erweitert haben. Das BVerfG hat solche Krisenreaktionseinsätze als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen, wenn das Friedensgebot des Grundgesetzes, die strikte Bindung an die UN-Charta und die Anerkennung der primären Verantwortung des UN-Sicherheitsrates beachtet werden.

Als verfassungswidrig hat das BVerfG die Fortentwicklung des NATO-Systems unter Verstoß gegen das ursprüngliche Zustimmungsgesetz oder die Fortentwicklung jenseits der von der Bundesregierung erteilten Ermächtigung bezeichnet, ohne jedoch diese Tatbestände näher zu konkretisieren.

Mit der nunmehr verkündeten Entscheidung zum Tornado-Einsatz hat das BVerfG die Bundesregierung bei Militäreinsätzen nahezu von allen verfassungsrechtlichen Beschränkungen freigestellt. Der Wortlaut und Geist des NATO-Vertrages, das Gewaltverbot der UN-Charta, das Friedensgebot des Grundgesetzes und das Primat des UN-Sicherheitsrates werden souverän übergangen, die gerichtliche Aufklärungspflicht wird missachtet. Solange die NATO behauptet, der Einsatz diene dem Frieden, gilt er als verfassungskonform. Der Verquickung von ISAF und Operation Enduring Freedom (OEF) aufgrund gemeinsamer Kommandostrukturen und Einsatzgebiete geht das BVerfG gar nicht nach. Die notwendige Beweisaufnahme zur Frage der Völkerrechtswidrigkeit der Taliban-Jagd im Rahmen der OEF und zur Beteiligung der ISAF-Einheiten an den nicht durch Notwehr gerechtfertigten Militär-Aktionen der USA hat das Gericht unterlassen. Lediglich der Generalinspekteur, General Wolfgang Schneiderhahn, ist als Zeuge vernommen worden.

Jedem Amtsrichter würde so ein Urteil vom Rechtsmittelgericht um die Ohren gehauen werden. Entweder würde er sein Handwerkszeug nicht beherrschen oder er hätte es bewusst nicht angewendet. Das BVerfG erfüllt den selbst formulierten Auftrag nicht, wenn es einerseits behauptet, nur wenn das NATO-Bündnis seine friedenssichernde Ausrichtung aufgebe, würde es sich von seinem Gründungsauftrag entfernen, andererseits aber vermeidet, die Verquickung der ISAF mit der nicht friedenssichernden OEF aufzuklären. Das BVerfG hat entschieden, der Organklage der Bundestagsfraktion der PDS/Die Linke nicht stattzugeben; es hat diese Entscheidung nicht nachvollziehbar begründet.

Bernd Hahnfeld, Richter i.R., ist stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Sektion der International Association of Lawyers Against Nuclear Arms (IALANA) und für diese im Vorstand der Zeitschrift Wissenschaft & Frieden.

In der Luft, auf See und zu Land

In der Luft, auf See und zu Land

Militär-Hilfe »auf Teufel komm raus«

von Johannes Plotzki

Im Umfeld des G-8-Gipfels, der Anfang Juni 2007 in Heiligendamm stattfand, gab es verschiedene Einsätze der Bundeswehr. Insbesondere der Tiefflug von Tornado-Aufklärungsflugzeugen über ein Camp der globalisierungskritischen Bewegung hat für Entrüstung und ein parlamentarisches Nachspiel gesorgt.

Zusammengenommen widersprechen die Berichte über die tatsächlich während des G8-Gipfels durchgeführten Einsätze der Bundeswehr zu Land, auf See und in der Luft diametral dem, was die Bundesregierung im Vorfeld hat Glauben machen wollen. Hatte die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die kleine Anfrage am 26.04.2007 verneint, die Bundeswehr an der Sicherung der Strecke zwischen dem Flughafen Rostock-Laage und dem Tagungshotel zu beteiligen, wurde das Gegenteil für jeden sichtbar, der sich während des G8-Gipfels auf der Autobahn (BAB 19) zwischen Rostock und dem Flughafen Rostock-Laage bewegte und auf den Autobahnbrücken gepanzerte Bundeswehrfahrzeuge vom Typ Fennek sah. In ihrer Antwort bekräftigte die Bundesregierung außerdem, dass »analog zur FIFA-Fußball-WM 2006 – keine Unterstützungskräfte ›in erster Reihe im Straßenbild‹ in Erscheinung treten.«1Entgegen dieser Ankündigung donnerte am 5. Juni ein Bundeswehrtornado nur 110 Meter über die Köpfe der Campbewohner von Reddelich hinweg.

Das bisherige juristische und parlamentarische Nachspiel ist bekannt: Einleitung eines Vordisziplinarverfahrens gegen den Piloten und der Bericht des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister der Verteidigung, Christian Schmidt (CDU/CSU). In seinem Bericht zählt Staatssekretär Schmidt die einzelnen Flüge der Tornados auf und erklärt, dass jeweils auf Bitten der Polizeidirektion Rostock das Aufklärungsgeschwader 51 »Immelmann« mit der Durchführung der Flüge beauftragt wurde. Die Polizeidirektion Rostock wiederum bekam von der Besonderen Aufbauorganisation (BAO) Kavala das Amtshilfegesuch des Landes Mecklenburg-Vorpommern an das Wehrbereichskommando 1 am 24. April diesen Jahres übermittelt. Trotzdem berichtete ein Ministeriumsvertreter im Innenausschuss am 23. Mai 2007, dass die Bundeswehr »überwiegend nur Transportaufgaben« übernehmen werde. Bei einer Fragestunde im Plenum war sogar von »ausschließlich Transportaufgaben« die Rede.2 Sprach Staatssekretär Schmidt noch von insgesamt vier Missionen, hat sich laut »Leipziger Volkszeitung« herausgestellt, dass es sieben Missionen mit möglicherweise bis zu zehn Flügen gegeben habe.3 Aufgenommen wurden bei den Flügen u.a. die Camps in Rostock, Wichmannsdorf und Reddelich.

Staatssekretär Schmidt informierte auch über den Einsatz von gepanzerten Bundeswehrfahrzeugen des Typs Fennek. Wurde deren Anforderung bereits am 13. März vom Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns durch den Verteidigungsminister am 26. April 2007 gebilligt, hieß es in der auf den 24. April datierten Antwort der Bundesregierung noch »Umfang und Intensität der Unterstützungsleistungen durch die Bundeswehr werden erst zeitnah zum G8-Gipfeltreffen endgültig absehbar sein4 Eingesetzt wurden nach Angaben des Staatssekretärs insgesamt zehn Fennek-Fahrzeuge. Drei davon innerhalb der Sperrzone, die restlichen zur Überwachung der An- und Abflugrouten an den An- und Abflugtagen, zur Überwachung der Fahrstrecken der Delegationen auf der A 19, und der landwirtschaftlichen Versuchsanstalt des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Genmais). Ein zehnter Fennek-Spürwagen war zur Koordinierung eingesetzt.

Ebenso wie der Recce-Tornado wird auch der Fennek von der Bundeswehr in Afghanistan verwendet. Die Herstellerfirma Krauss-Maffei Wegmann lobt seinen hervorragenden Einsatz für »Spähaufträge bis weit hinter feindlichen Linien.«5 Dies ermöglichen ihm Wärmebildgerät, CCD-Kamera mit hoher Auflösung samt Zoom-Objektiv und Laserentfernungsmesser. Eine Mini-Drohne ALADIN ist ebenfalls an Bord. Sie startet wie ein Modellflugzeug aus der Hand und hat eine Reichweite von rund 6.000 Metern.6

Hatte die Bundesregierung noch in ihrer bereits erwähnten Antwort angegeben, dass insgesamt 1.100 Soldaten während des G8-Gipfels eingesetzt werden, waren es nach einer Aussage des Sprechers im Verteidigungsministerium, Oberstleutnant Strunk, tatsächlich aber 2.100 Soldaten.7 Für die Öffentlichkeit unübersehbar wurde die zivil-militärische Zusammenarbeit auch im Krankenhaus von Bad Doberan. Dort kamen Soldaten des Sanitätsdienstes zur Unterstützung des zivilen Krankenhauspersonals bei der ambulanten und stationären Patientenversorgung zum Einsatz. Bei guter Sicht erkennbar waren auch die Boote der Marine vor der Küste: Sechs Verkehrsboote als Transportmittel, zwei Minenjagdboote für das Absuchen des seeseitigen Sperrgebietes, ein Minenjagdboot als Plattform für Minentaucher und eine Fregatte als Unterstützung für die Luftwaffe.8 Deutlich wird bereits beim jetzigen Erkenntnisstand, dass diese Einsätze von Heer, Luftwaffe und Marine im Innern weit über die Amtshilfe nach Art 35 (1) GG hinausgehen. Afghanistan ist überall, bewegt sich doch die Bundeswehr auch bei ihren Inlandseinsätzen zunehmend fern des Grundgesetzes.

Anmerkungen

1) Antwort der Bundesregierung (Drucksache 16/5148), 26. 04. 2007

2) Der Spiegel, 21. Juni 2007

3) Leipziger Volkszeitung, 21.6.2006

4) Spiegel online, 23. Juni 2007

5) Homepage von Krauss-Maffei Wegmann: http://www.kmweg.de/frame.php?page=31

6) Homepage Die Panzeraufklärer im Internet: http://www.pzaufkl.de/

7) Kl. Anfrage (Drucksache 16/5698) von Abgeordneten von DIE LINKE an die Bundesregierung, 14.06.07

8) Antwort der Bundesregierung, ebenda.

Johannes Plotzki ist Mitarbeiter der Informationsstelle Militarisierung in Tübingen

Dem Krieg einen Sinn geben

Dem Krieg einen Sinn geben

Zur Deutung der Balkan-Kriege in den Feldzeitungen der Bundeswehr

von Fabian Virchow

Während in der soziologischen, politik- und medienwissenschaftlichen Forschung in den vergangenen Jahren die Interaktion von medialer Berichterstattung und politischem Handeln bzw. militärischen Entscheidungsprozessen in Krisen- und Kriegssituationen intensiver betrachtet worden ist, haben die medialen Angebote der Militärs selbst bisher wenig Beachtung gefunden. Dabei sind sie an der diskursiven Herstellung einer spezifischen »Kultur des Krieges« ebenso beteiligt wie an der Bereitstellung von Sinnstiftungsangeboten für die Soldaten und Soldatinnen. Mit letzterem befasst sich der folgende Beitrag anhand ausgewählter Publikationen der Bundeswehr.

Mit dem Zerfall der Sowjetunion und dem Ende des Ost-West-Konflikts, mit der Auflösung der Warschauer Vertragsorganisation und der marktwirtschaftlichen Transformation der osteuropäischen Gesellschaften sowie dem Auftreten bzw. der Zuspitzung neuer Konfliktlagen haben sich die Rahmenbedingungen, Vektoren und Bezugsgrößen für die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland nachhaltig verändert. In ihr, von der zuweilen angenommen wurde, sie sei noch bis weit in die 1990er Jahre durch eine culture of antimilitarism geprägt gewesen (Berger 1998: ix/x), haben sich im Ausgang des 20. Jahrhunderts das Primat der Außenpolitik und eine Aufwertung des Militärischen als Mittel deutscher Außenpolitik durchgesetzt (vgl. Schwab-Trapp 2002, Rathbun 2006).

Politische Kultur und militärische Öffentlichkeitsarbeit

Im Unterschied zur originären Analyse politischer Kultur mit ihrer Fokussierung auf die Untersuchung subjektiver Einstellungen ist im vorliegenden Kontext politische Kultur im Anschluss über Vorstellungsmuster konzeptualisiert, die durch historische Erfahrungen einerseits und die aktuelle Deutungspraxis politischer Akteure andererseits geprägt werden. Besteht die politische Kultur einer Gesellschaft »aus einem System von Bedeutungen für politische Ereignis- und Handlungszusammenhänge, das in öffentlichen Auseinandersetzungen zwischen politischen und kulturellen Eliten hergestellt wird und Legitimation für diese Ereignisse und Handlungszusammenhänge enthält« (Schwab-Trapp 2002: 19), so konkurrieren in ihr die Deutungsangebote verschiedener diskursiver Gemeinschaften um die Interpretationshoheit politischer und sozialer Ereignisse und Handlungszusammenhänge. Mit den diskursiven Formationen als »institutionalisierte und legitimierungsfähige Formen des Sprechens über spezifische Themenfelder und Gegenstandsbereiche« (Schwab-Trapp 2002: 48) ist die Herausbildung diskursiver Gemeinschaften verbunden, die ihre »Identität als diskursive Gemeinschaften durch diskursive Prozesse der Abgrenzung und Integration« (ebd.: 52) konstruiert. Auch die Bundeswehr als Institution mit ihren Repräsentanten und Medienangeboten bemüht sich um die Konstruktion einer diskursiven Gemeinschaft, die als gesellschaftlicher Akteur Deutungsmacht beansprucht.

Eine solche Konzeptualisierung politischer Kultur, der es um Fragen der Anleitung und Legitimation politischen und sozialen Handelns geht, als Politische Soziologie ist anschlussfähig an konstruktivistische Perspektiven der Internationalen Politik bzw. der Internationalen Beziehungen, da die Bundeswehr bzw. im erweiterten Sinne die strategic community an den vielgestaltigen Diskursen über Funktion und Aufgabe deutscher Streitkräfte teilnimmt und diese mit ihren Deutungsangeboten maßgeblich bestimmt.

Die konstruktivistische Fokussierung auf die Relevanz nicht-materieller Faktoren wie Bedeutungszuschreibungen, Werte, Ideen, kulturelle Praxen und subjektive Weltdeutungen handelnder Akteure bei der Analyse und Erklärung internationaler Politik und Beziehungen soll hier nicht in dichotomischer Abgrenzung zu rationalistischen Ansätzen verstanden werden, sondern als zusätzliche Perspektive bei der Analyse akteursspezifischer sozialer Konstruktionen außenpolitischen Handelns und zugrundeliegender Interessen, die häufig medial vermittelt sind.

Das Militär ist als kollektiver Akteur unmittelbar an Kriegshandlungen und MOOTW (Military Operations Other Than War) beteiligt; zugleich stellt es mittels der von ihm vorgehaltenen oder kontrollierten Medien auch Deutungsangebote eben dieser Anwendungen des militärischen Gewaltapparates bereit. Im Unterschied zu den USA, wo es zahlreiche Untersuchungen zur Repräsentation des Militärs in den Medien sowie zur Struktur, Arbeits- und Wirkungsweise militärischer Öffentlichkeitsarbeit gibt (vgl. exemplarisch Suid 2002; Robb 2004; Elter 2005), sind entsprechende Studien zur Darstellung der Bundeswehr in Printmedien, Hörfunk und Fernsehen ebenso rar (vgl. jedoch Schaffer/Zelinka 1993; Meder 1998; Bleicher/Hickethier 2005) wie wissenschaftliche Untersuchungen über die Kooperations- und Austauschprozesse zwischen Bundeswehr und journalistischem Feld oder empirisch-qualitative Analysen zu den Medien und der Öffentlichkeitsarbeit der deutschen Streitkräfte oder – allgemeiner – über die Militärpublizistik in Deutschland (Brandt/Friedeburg 1966; Zelinka/Anker 1991; Klauser 1996; Schießer 2002).

Im folgenden sollen Ergebnisse aus einem Forschungsprojekt vorgestellt werden, das sich mit den Feldzeitungen der Bundeswehr befasst (vgl. Virchow 2007). Diese sind aus militärsoziologischer und kulturwissenschaftlicher Perspektive als Untersuchungsgegenstand in vielfältiger Weise interessant, so etwa hinsichtlich des diskursiven Umgangs mit Tod und Verwundung, der Konstruktion von Geschlechterrollen, der Thematisierung von Sexualität. An dieser Stelle soll der Frage nachgegangen werden, welche Deutungsangebote in diesen Medien hinsichtlich der Kriegsursachen, der Konfliktparteien und der Konfliktverläufe, anlässlich derer Bundeswehreinheiten disloziert wurden, gemacht werden. In den Feldzeitungen findet sich – aus Sicht der ins Einsatzgebiet entsandten Soldaten und Soldatinnen – die Wahrnehmung des Konflikts und die Formulierung von Deutungsangeboten durch zugelassene Beobachter, deren medial vermittelte Augenzeugenschaft als besonders interpretationsstark und aussagekräftig angenommen werden könnte.

Die Feldzeitungen der Bundeswehr

Das aktuelle Medienangebot der Bundeswehr fußt auf der unter dem Titel »Truppeninformation 2000« firmierenden Neustrukturierung der Medien der Bundeswehr (Damm 2002). Der gegenwärtige »Medienmix« der Bundeswehr beinhaltet

  • die Wochenzeitung »Aktuell. Zeitung für die Bundeswehr« in Verantwortung der Redaktion des Presse- und Informationsstabes der Bundeswehr mit einer Auflage von 60.000 Exemplaren;
  • seit April 2001 die auch im freien Verkauf erhältliche Monatsschrift »Y. Magazin der Bundeswehr«, in die die Truppenzeitschriften der verschiedenen Waffengattungen aufgegangen sind;
  • als Quartalspublikation die »Information für die Truppe«, kürzlich umbenannt in »IF – Innere Führung«, die mit vertiefender Hintergrundberichterstattung und historischen Themen als Instrument der politischen Bildung eingesetzt wird (vgl. Michael 2006; Reeb 2006);
  • ein für Bundeswehrangehörige zugängliches »Intr@net aktuell«, in dem seit Ende 2000 tagesaktuelle Informationen und Stellungnahmen angeboten werden, sowie
  • ein in der Anfangsphase von der Produktionsfirma »Atkon« betreutes »Bundeswehr-TV«, das bisher besonders für die im Ausland eingesetzten Soldaten und Soldatinnen und in den truppeneigenen Zentren für Familienbetreuung empfangen werden kann.

Jenseits dieser Konzeption finden sich weitere Medienangebote der Bundeswehr, die eng an die Auslandseinsätze der Bundeswehr und die Transformation zur »Armee im Einsatz« gebunden sind und zum Teil in den Verantwortungsbereich der sogenannten OpInfo –Einheiten (Operative Information) gehören, die in der Tradition der psychologischen Kampfführung stehen. Zum Aufgabenbereich dieser Truppengattung gehört das auf Nachwuchsgewinnung ausgerichtete Personalmarketing, in dessen Rahmen etwa Redakteure von Schülerzeitungen zur OpInfo-Truppe eingeladen werden (Wegner 2006), die Produktion von Radioprogrammen und Zeitschriften für die Bundeswehrsoldaten und -soldatinnen im Ausland und die Informationssammlung über aktuelle und zukünftige Einsatzländer einschließlich soziodemographischer Merkmale ihrer Bevölkerungen (Marberg 2006).

Neben Zielgruppenradios, mit denen die Bevölkerung in den Einsatzgebieten der Bundeswehr informiert wird, gehört auch das Betreuungsradio der Bundeswehr, »Radio Andernach«, zu OpInfo-Einheit. Seit 1996 ist »Radio Andernach« im ehemaligen Jugoslawien mit einem Studio vertreten, seit 2002 auch im afghanischen Kabul.

Schließlich produziert die Bundeswehr in ihren Einsatzgebieten auch Feldzeitungen. Neben der erstmals im November 2002 erschienenen ISAF-Feldzeitung »Checkpoint« wird für das in Mazedonien stationierte Bundeswehr-Kontingent seit 1999 wöchentlich die Zeitung »Maz & More« mit einer Auflage von über 6.000 Exemplaren (2002) produziert. Bereits Ende 1997 wurde unter dem Titel »Der Keiler« (Auflage 1.600) eine Feldzeitung der Bundeswehr in Bosnien-Herzegowina und anfangs auch Kroatien hergestellt. In der ersten Ausgabe von Maz & More hieß es zur Funktion der Publikation, diese diene der Verbindung der Truppe im Einsatz mit den Familienangehörigen und solle das Zusammengehörigkeitsgefühl des Kontingents fördern (Maz & More Nr. 1: 2).

Auch wenn die Feldzeitungen in Aufmachung und Umfang immer wieder Veränderungen unterworfen waren, so lassen sich auf den zwölf bis sechzehn Seiten folgende Elemente als häufig wiederkehrend identifizieren: Beiträge zu aktuellen politischen Entwicklungen (z.B. Wahlen) oder militärischen Ereignissen (z.B. Militärübungen, Test neuer Waffensysteme, Kommandoübergaben und Kontingentwechsel), Interviews mit Kommandeuren, Berichte über die Tätigkeit einzelner Einheiten sowie über Patrouillenfahrten, Porträts von Soldaten und Soldatinnen, Darstellungen ausländischer Truppen, Kommentare von Militärgeistlichen oder Truppenpsychologen, Ablauf von Feiertagen und Events der Truppenbetreuung, karitative Aktionen zugunsten der Zivilbevölkerung, ein bis zwei Seiten mit Witzen, Rätseln, Horoskopen und Kreuzworträtseln sowie – meist auf der Rückseite – Grüße von Familienangehörigen. Ein Teil der Auflage wird nach Deutschland geschickt und steht so den Familienangehörigen oder Lebenspartnern zur Verfügung.

Die Balkan-Kriege in den Feldzeitungen der Bundeswehr

In den wöchentlich erscheinenden Feldzeitungen der Bundeswehr nehmen Beiträge, die sich explizit mit Ursachen, Verlauf und Konfliktparteien im (früheren) Jugoslawien befassen, nur einen geringen Anteil der Gesamtfläche ein. Während sich die in den Feldzeitungen befragten kommandierenden Offiziere vor allem zu militärischen Fachfragen äußern und bezüglich politischer Beurteilungen und Entscheidungen auf »die Politik« verweisen (vgl. zu detaillierten Nachweisen: Virchow 2007), teilen die Militärs mit den von den Redaktionen der Feldzeitungen befragten Politikern die Bewertung, dass die Konfliktregelungsprozesse Fortschritte machen, aber noch eine nicht absehbare Zeit in Anspruch nehmen werden. Von Regierungsvertretern werden hingegen Bedingungen und Perspektiven formuliert, so etwa bzgl. der Auslieferung der Generäle Mladic und Karadzic als conditio für die Aufnahme in die EU. Von militärischen wie politischen Vertretern werden die Bundeswehr-Einsätze unisono als »Erfolgsstory« bezeichnet und den Soldaten und Soldatinnen explizit Anerkennung gezollt und politische Unterstützung ausgesprochen.

Besonderen Erklärungswert hinsichtlich der Konfliktlagen im ehemaligen Jugoslawien beanspruchen die mehrteiligen Artikelserien, die in den Feldzeitungen abgedruckt wurden. Diese Artikelserien zur Entstehung und zum Verlauf der Konflikte im ehemaligen Jugoslawien bieten keine durchgängig einheitliche Deutung an. Zum Teil fokussieren sie auf einen Zeitraum, der vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart reicht, zum Teil greifen sie weit zurück bis in die Zeit der Teilung des Römischen Reiches. In den Beiträgen werden unterschiedliche Komplexitätsgrade bezüglich der Darstellung und Relation historischer Ereignisse und Entwicklungen ebenso deutlich wie verschiedene Betrachtungsperspektiven, die im einen Fall eher an die Darstellung von Geschichte als »Tat großer Männer« und Kriegsgeschichtsschreibung erinnert, in anderen Beiträgen jedoch auch die ökonomischen Krisenmomente der gesellschaftlichen Entwicklung und die Dimension der Überföderalisierung als konfliktfördernde Faktoren anführen und damit einen wichtigen Aspekt zum Verständnis der historischen Entwicklung zumindest benennen (vgl. Okuka 1998; Pavkoviæ 2000).

Den Beiträgen ist gemeinsam, dass sie in der grundsätzlichen Perspektive und in expliziten Bezügen als Konfliktursache die »ungelöste nationale Frage« (Maz & More Nr. 59: 11) und die »konsequente Verweigerung nationaler Selbstbestimmungsrechte« (Maz & More Nr. 60: 11) markieren, und die These das ein »Kunstgebilde« (Maz & More Nr. 183: 14) wie Jugoslawien nicht funktioniere. Obwohl immer wieder auch die durch Migrationsprozesse verursachten Enthomogenisierungsprozesse Erwähnung finden, folgt die implizite Textur der Vorstellung von der Existenz von »Völkern«, die als weitgehend homogene Entitäten begriffen werden und durch die Jahrhunderte immer wieder miteinander in Konflikten und Kämpfen verwickelt waren (z.B. Maz & More Nr. 164: 14). »Ethnische Zugehörigkeit« wird dabei im Regelfall essentialisiert (vgl. z.B. die Charakterisierung Titos in Maz & More Nr. 182: 14). Tatsächlich jedoch waren – insbesondere in Bosnien-Herzegowina, wo durch wiederholte Wanderungsbewegungen sowohl »Serben« als auch »Muslime« fast flächendeckend verteilt und die »Kroaten« in den meisten Teilen der Republik anzutreffen waren (vgl. MacDonald 2002: 223) – die scheinbar klaren Kategorien wenig eindeutig und trennscharf. Werden die vielfältigen und variablen Muster kultureller Differenzierung und Zuordnung betrachtet, so lässt sich erahnen, dass es unmöglich ist, mit ihnen Eindeutigkeit bezüglich der objektiven Zugehörigkeit zu einer bestimmten Vergemeinschaftungsform (»Volk«) herzustellen (vgl. Lockwood 1975). Für viele Menschen in Bosnien war über lange Zeit ein »village patriotism« bedeutsamer als der Bezug zu einer qua Religion, Sprache oder Kultur konstruierten »Ethnie« (vgl. Calic 1998; Pratt 2003: 142 ff.).

Während der militärischen Auseinandersetzungen im ehemaligen Jugoslawien wurden die soziale Plausibilisierung der Ordnungsvorstellung Nation und die Nationalisierung der Gesellschaften vorangetrieben; dabei stellte neben der Sprache auch die Implementierung nationaler Symbole, Feste, Bilder und Mythen, die mit bestimmten Werten und Verhaltensnormen verbunden wurden und als Teil einer »invention of tradition« (Hobsbawn & Ranger 1983) zu verstehen sind, einen zentralen Bereich dar. Solche Prozesse nationalistischer Umformung in Gestalt der Aktualisierung ‚nationaler Erinnerungskulturen‘ werden in den Feldzeitungen insbesondere am Amselfeld-Mythos dargestellt.

Zu den Leerstellen in den Artikelserien zählen hinsichtlich des Prozesses der Separation von Slowenien und Kroatien die Anerkennungspolitik der Bundesrepublik Deutschland und der EU als konfliktbeeinflussende Faktoren sowie die weit reichende Ausblendung von Tendenzen und gesellschaftlichen Konstellationen, die den nationalistischen Verfeindungstendenzen nicht entsprochen haben. Entgegen dem dadurch entstehenden Eindruck eines geradlinigen, fast zwangsläufigen Prozesses der Konflikteskalation hatten die Nationalisten zahlreiche Widerstände zu überwinden. So gelang es trotz umfangreicher nationalistischer Kampagnen bis Anfang der 1990er Jahre auch in Serbien nicht, ethno-nationalistische bzw. religiös-nationalistische Vorstellungen hegemonial werden zu lassen (vgl. Obradoviæ 1998); eine umfassende Kriegsbegeisterung in den Republiken Jugoslawiens war, wie die Schwierigkeiten bei der Mobilmachung (vgl. Civic 1994) belegen, zunächst auch nicht erreicht worden.

Während in frühen Ausgaben von »Maz & More« und »Der Keiler« stärker Eindrücke der unmittelbar vorangegangenen Kriegshandlungen und Zerstörungen aufscheinen und von einer weiterhin äußerst angespannten Lage berichtet wird, wird in der Berichterstattung in den letzten Jahren mehr auf die kleinen Fortschritte im Zusammenleben der Bevölkerungsgruppen bzw. auf eine Rückkehr zu Prozeduren des Alltags abgehoben, die freilich oft nur unter dem Schutz der KFOR-Truppe möglich seien. Hinsichtlich der Rolle deutscher Soldaten wird einerseits die Deutung als »Hüter der Ordnung« und andererseits die des »Aufbauhelfers« angeboten. Durchgängig findet sich eine Darstellung der Bundeswehrtruppe in den Einsatzgebieten als »große Gemeinschaft« bzw. »Familie«; die in zahlreichen militärsoziologischen Untersuchungen als bedeutsam erkannten Kategorien class, gender und ethnicity werden nur sehr selten explizit thematisiert.

Insgesamt dienen die Feldzeitungen der Bundeswehr der Sinngebung und Legimitierung des konkreten soldatischen Tuns, der Inszenierung eines Gemeinschaftsgefühls innerhalb der Truppe, der Herstellung eines »emotionales Bandes« zur Heimat sowie der Vermittlung von Kenntnissen über die Gesellschaften, in denen sich die Soldaten und Soldatinnen im Auslandseinsatz bewegen, und die Konfliktsituationen und -historien, in die sie intervenieren. Hinsichtlich des letztgenannten Aspekts, zu dem ausgewählte Ergebnisse im Fokus dieses Beitrages standen, hat sich gezeigt, dass häufig eine Abfolge historischer Daten im Mittelpunkt steht, die Bedingungskonstellationen der Konflikte und ihrer Eskalation sowie die Mechanismen und Motoren der Verfeindungsprozesse nicht ihrer Komplexität entsprechend dargestellt werden, sondern auf eine eindimensionale Interpretation als ethnisch-nationalistischer Konflikt (vgl. Massey/Hodson/Sekuliæ 1999; Flere 2003) verkürzt werden. Auch wenn hinsichtlich der Rezeption der Beiträge in den Feldzeitungen der Bundeswehr und den dort angebotenen Deutungsmustern hier keine Aussagen getroffen werden können, so ist daran zu erinnern, dass sich Produzierende und Rezipierende in einem politisch-kulturellen System bewegen, dass hinsichtlich des Bemühens, den Ereignissen »im Balkan« diskursiv Ordnung und Sinn zu verleihen, vom »Balkanismus« (Todorova 1999; Rasza/Lindstrom 2004, Miskovic 2006) geprägt ist. Der Balkanismus mit seiner Vorstellung »des Balkans« als Brücke zwischen Ost und West, als »halborientalisch« und »halbzivilisiert«, von »Religion« und »Ethnizität« seit Jahrhunderten unausweichlich in Konflikte getrieben, ist eine diskursive Verhärtung (James Clifford), der freilich nicht nur in den Feldzeitungen der Bundeswehr zu begegnen ist.

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Dr. Fabian Virchow ist Lehrbeauftragter an den Universitäten in Lüneburg und Marburg, wo er zuletzt eine Professur für Friedens- und Konfliktforschung vertrat

Konfliktverhütung durch Krieg?

Konfliktverhütung durch Krieg?

Verfassungsfragen an das neue Bundeswehr-Weißbuch

von Martin Kutscha

Anders als der Entwurf vom April d.v.J. fand das im Oktober von der Bundesregierung vorgelegte »Weißbuch 2006 zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr«1 in der breiteren Medienöffentlichkeit nur mäßige Aufmerksamkeit. Die eine oder andere Entschärfung des Entwurfs im Zuge der Ressortabstimmung hatte jedoch vor allem kosmetischen Charakter; an der »ganzen Richtung« hat sich nichts geändert. Die bleibt nicht zuletzt mit gravierenden verfassungsrechtlichen Problemen behaftet.

Häufig wird die Kurzatmigkeit der Politik beklagt. Statt langfristige Gestaltungskonzepte zu verfolgen, sind die meisten Politiker vor allem damit beschäftigt, durch Agenda-Setting und geschickte Selbstdarstellung ihre Erfolgsaussichten bei der nächsten Wahl zu optimieren. Angesichts einer solchen von kurzfristigen Effekten lebenden Praxis ist es grundsätzlich zu begrüßen, dass in einem umfangreichen Grundsatzpapier Zukunftslinien für die deutsche Sicherheitspolitik entwickelt werden. Das neue Weißbuch hat dennoch viele Erwartungen enttäuscht: Auf brennende Gegenwartsfragen rund um die Verwendungen der Bundeswehr gibt es keine eindeutige Antwort, sondern verbleibt im Nebulösen.2 Ausgangspunkt der Darstellung sind auch nicht etwa die präzisen Vorgaben unserer Verfassung für Einsätze der deutschen Streitkräfte als Teil der vollziehenden Gewalt des Bundes, sondern vage definierte „Werte, Interessen und Ziele deutscher Sicherheitspolitik“, zu denen u. a. der „freie und ungehinderte Welthandel als Grundlage unseres Wohlstands“ gerechnet wird (S.28). Angesichts solcher Blindstellen im neuen Weißbuch, aber auch angesichts einer verbreiteten Gewöhnung an Einsätze der Bundeswehr rund um die Welt erscheint es umso notwendiger, an die Inhalte und Hintergründe der einschlägigen Aussagen des Grundgesetzes zu erinnern.

Abschied von der Friedensstaatlichkeit?

Nicht nur im ersten, feierlich-pathetisch klingenden Satz des Grundgesetzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ spiegelt sich die entschiedene Absage an die Praktiken des überwundenen Naziregimes. Darüber hinaus wird ein – eigentlich – unmissverständliches Verdikt gegen Krieg und Gewaltanwendung gegenüber anderen Völkern ausgesprochen: Art. 26 Abs. 1 verbietet jegliche Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker und erklärt schon die Vorbereitung eines Angriffskrieges für verfassungswidrig.3 Es muss erstaunen, dass eine so grundlegende Verfassungsnorm nirgendwo im neuen Weißbuch erwähnt, geschweige denn abgedruckt wird, selbst nicht im Abschnitt 3.3 „Verfassungsrechtliche Vorgaben“. Eine makabre Erklärung hierfür wäre, dass seitens der Verfasser des Weißbuchs die Auffassung vertreten wird, diese Verfassungsnorm inkriminiere nur die Vorbereitung des Angriffskrieges, nicht aber den Angriffskrieg selbst. In der Tat wird der den Art. 26 GG ausfüllende Straftatbestand des § 80 StGB vom Generalbundesanwalt ganz in diesem Sinne verstanden: In seinem Antwortschreiben vom 26. Januar 2006 auf die Strafanzeige einer Friedensorganisation gegen den früheren Bundeskanzler Schröder u. a. wegen der Tätigkeit deutscher Agenten im Irak behauptete der Generalbundesanwalt, nach diesem Tatbestand sei nur die Vorbereitung eines Angriffskriegs, nicht aber der Angriffskrieg selbst strafbar.4 Nun nennt § 80 StGB tatsächlich nicht das Führen des Angriffskrieges selbst, und Analogieschlüsse sind im Strafrecht wegen der strikten Geltung der Regel »nulla poena sine lege« untersagt5. Aber in diesem Fall ist völlig eindeutig, dass auch das Führen des Angriffskrieges selbst vom verfassungsrechtlichen Verdikt und von der Strafbarkeit umfasst sein sollte. In der Begründung des zuständigen Bundestagsausschusses für diese Strafbestimmung heißt es: „§ 80 umfasst nicht nur, wie der Wortlaut etwa annehmen lassen könnte, den Fall der Vorbereitung eines Angriffskrieges, sondern erst recht den der Auslösung eines solchen Krieges.“6

Als weitere in diesem Zusammenhang bedeutsame Verfassungsnorm ist Art. 25 GG zu nennen, der den „allgemeinen Regeln des Völkerrechts“ Vorrang vor den Gesetzen der Bundesrepublik verleiht. Zu diesen „allgemeinen Regeln“ gehört nach einhelliger Meinung auch das in Art. 2 Ziffer 4 der UNO-Satzung verankerte Gewaltverbot.7 Damit im Einklang beschränkt Art. 87 a GG den Handlungsrahmen der deutschen Streitkräfte auf die Verteidigung sowie auf Einsätze aufgrund besonderer Zulassung durch das Grundgesetz selbst.8 Was der Verfassungsbegriff der Verteidigung bedeutet, ist in der Rechtswissenschaft allerdings umstritten: Aus entstehungsgeschichtlicher Sicht spricht vieles für die Auffassung, dass sich dieser Begriff auf den in Art. 115 a GG definierten »Verteidigungsfall« bezieht, mithin einen Angriff auf das Bundesgebiet mit Waffengewalt zur Voraussetzung hat.9 Dem gegenüber gehen andere Autoren von einem völkerrechtlichen Verteidigungsbegriff aus, der auch z. B. militärische Hilfeleistungen bei einem Angriff auf Bündnispartner im Rahmen des NATO-Vertrages umfasst.10 Ein Einsatz der Bundeswehr „zur Verfolgung, Durchsetzung und Sicherung ökonomischer oder politischer Interessen“ wäre dagegen nicht vom Verteidigungsbegriff gedeckt, wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 21. Juni 2005 richtig feststellte.11

Zwar heißt es im neuen Weißbuch: „Die Verteidigung Deutschlands gegen eine militärische Bedrohung von außen ist und bleibt die verfassungsrechtliche Kernfunktion der Bundeswehr“ (S.75). Wenige Seiten später lesen wir dann aber: „Die herkömmliche Landesverteidigung gegen einen konventionellen Angriff als strukturbestimmende Aufgabe der Bundeswehr entspricht nicht länger den aktuellen sicherheitspolitischen Erfordernissen“ (S.93). Danach ist es nur konsequent, wenn bei der Aufzählung der Aufgaben der Bundeswehr an erster Stelle nicht etwa die Verteidigung, sondern „internationale Konfliktverhütung und Krisenbewältigung einschließlich des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus“ genannt wird (S.13 und 72). Unter den Begriff der Verteidigung, wie ihn Art. 87 a GG verwendet, lässt sich diese Aufgabe jedenfalls kaum subsumieren.

Sicherlich gehört es zu den Zielen einer verantwortungsbewussten Außenpolitik, zur Lösung von international sich auswirkenden Konflikten beizutragen und dabei auch deren Ursachen in den Blick zu nehmen. Zu fragen bleibt aber, warum denn gerade eine Kampftruppe das optimale Instrument sein soll, um auf die sozialen, ethnischen bzw. politischen Wurzeln solcher Konflikte in anderen Ländern einzuwirken. Zivile Instrumentarien wie z. B. sozial orientierte Hilfsprogramme dürften hierbei weitaus erfolgsversprechender sein. Entgegen dem von Regierung und manchen Medien gepflegten Image ist die Bundeswehr kein Verband von Sozialarbeitern, die auf den Krisenschauplätzen der Welt im Einklang mit den jeweiligen sozialen und kulturellen Prägungen der Bevölkerung behutsam und hingebungsvoll ihr Aufbauwerk verrichten. Der just bei der Präsentation des Weißbuchs enthüllte Fall der Leichenschändungen in Afghanistan dürfte nur die Spitze des Eisbergs darstellen; die verrohende Wirkung der Beteiligung an Kriegseinsätzen lässt sich kaum bestreiten.

Das Scheitern einer vorrangig auf militärische Intervention setzenden Politik zeigt sich vor allem im Irak: Die Besetzung dieses Landes hat hier zwar zur Entmachtung eines Diktators geführt, jedoch keineswegs ein blühendes Land und eine funktionierende demokratische Ordnung hergestellt. Stattdessen herrschen im Irak Massenelend und Bürgerkrieg, das Land ist zu einer Brutstätte von Gewalt und Terrorismus geworden. Die Lage in Afghanistan entwickelt sich offenbar in die gleiche Richtung. Der von der US-Regierung propagierte »Krieg gegen den Terror« hat mithin, wie die 16 US-Geheimdienste in einer Ende September 2006 bekannt gewordenen Stellungnahme einräumten, im Ergebnis zu einer Verstärkung der terroristischen Bedrohung geführt.12

Einordnung in internationale Friedenssysteme

Breiten Raum nimmt im Weißbuch die Darstellung der Entwicklung internationaler Organisationen ein, vom NATO-Bündnissystem bis zu den Vereinten Nationen. Die inzwischen zahlreich gewordenen Einsätze der Bundeswehr auf Schauplätzen im Ausland finden schließlich auch durchweg im Rahmen solcher Vertragssysteme statt. Betrachten wir die insoweit bestehende Verfassungslage.

Das Grundgesetz hat den Bund in Art. 24 Abs. 2 ermächtigt, sich „zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit“ einzuordnen. In seinem Grundsatzurteil vom 12. Juli 1994 erblickte das Bundesverfassungsgericht in dieser Bestimmung die Ermächtigung zu Bundeswehreinsätzen im Ausland, die „im Rahmen und nach den Regeln“ solcher Systeme stattfinden.13 Ignoriert wurde dabei, dass Art. 24 GG die von Art. 87 a Abs. 2 GG verlangte ausdrückliche Zulassung von Bundeswehreinsätzen gerade nicht enthält und deshalb als Ermächtigungsgrundlage hierfür recht fragwürdig ist. Auch stieß es bei Völkerrechtlern auf Befremden, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil nicht nur die UNO als ein solches „System gegenseitiger kollektiver Sicherheit“ betrachtete, sondern auch die NATO, ein klassisches Militärbündnis, das den potentiellen Gegner eben nicht mit einbezieht.14

Immerhin hat das höchste deutsche Gericht einige Jahre später noch einmal ausdrücklich an die Zweckbestimmung der nach Art. 24 Abs. 2 GG zulässigen Einordnung Deutschlands erinnert, nämlich die Wahrung des Friedens. Die tatbestandliche Formulierung dieser Norm schließe es aus, so heißt es in seinem Urteil vom 22. November 2001, „dass die Bundesrepublik Deutschland sich in ein gegenseitiges kollektives System militärischer Sicherheit einordnet, welches nicht der Wahrung des Friedens dient. Auch die Umwandlung eines ursprünglich den Anforderungen des Art. 24 Abs. 2 GG entsprechenden Systems in eines, das nicht mehr der Wahrung des Friedens dient oder sogar Angriffskriege vorbereitet, ist verfassungsrechtlich untersagt.“15 Dies mochte das Gericht im Hinblick auf die NATO jedenfalls im Jahre 2001 nicht annehmen.

Klare Aussagen zu den aktuellen Konzepten »präventiver« Kriege, wie sie vor allem in den USA propagiert werden, sucht man im Weißbuch von 2006 vergebens. Von einer scheinbar neutralen Warte aus wird statt dessen die völkerrechtliche Lehre von der »Responsibility to Protect« geschildert, die sich im Gefolge des Kosovo-Krieges von 1999 herausgebildet habe und nach der militärische Zwangsmaßnahmen auch zur Abwendung humanitärer Katastrophen, zur Bekämpfung terroristischer Bedrohungen und zum Schutz der Menschenrechte geboten sein könnten (S.57/58). Auch wenn dies nicht ausdrücklich formuliert wird, scheinen die Verfasser des Weißbuchs diese Auffassung wohl als begrüßenswerten Fortschritt des Völkerrechts zu betrachten.

Nun ist es zwar richtig, dass die im Völkerrecht inzwischen weitgehend anerkannte Verantwortung der Staatengemeinschaft für den weltweiten Menschenrechtsschutz (»Responsibility to Protect«) eine Beschränkung des Prinzips der Souveränität der Staaten impliziert, wenn die UNO auf massive Menschenrechtsverletzungen mit jeweils abgestuften Sanktionen reagiert.16 Die Anerkennung eines Rechts auf militärische Intervention ohne ausdrückliche Ermächtigung durch den Sicherheitsrat würde allerdings nichts anderes als eine Einladung an mächtige und kriegsbereite Staaten bedeuten, unter Berufung auf wirkliche oder vermeintliche Verletzungen von Menschenrechten nach ihrem Belieben andere Staaten anzugreifen.17 Dies wäre ein verhängnisvoller Schritt zurück zur alten, auf Augustinus und Thomas von Aquin zurückgehenden Lehre vom »bellum iustum«, zur Vorstellung vom »gerechten Krieg«, und damit die Preisgabe einer der wichtigsten Errungenschaften des modernen Völkerrechts, des universellen Grundsatzes des Gewaltverzichts zwischen den Staaten. Die in Art. 24 Abs. 2 GG vorgeschriebene Zweckbestimmung für die Einordnung Deutschlands in internationale Systeme würde damit jedenfalls eklatant missachtet.

Terrorbekämpfung durch Bundeswehreinsätze im Inneren?

Im Zuge der Notstandsgesetzgebung von 1968 sind die Voraussetzungen für Inlandseinsätze der deutschen Streitkräfte im Grundgesetz präzise geregelt worden. Danach sind solche Einsätze nur im Verteidigungs- oder im Spannungsfall oder zur Abwehr drohender Gefahren für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes (Art. 87 a Abs. 2 und 3 GG), ferner im Falle von Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen gemäß Art. 35 Abs. 2 und 3 GG zulässig. So konnten auf der Grundlage des Art. 35 Abs. 2 GG Bundeswehrsoldaten z. B. als Helfer bei Hochwasserkatastrophen an der Oder und der Elbe eingesetzt werden.

In seinem Urteil vom 15. Februar 2006 zum Luftsicherheitsgesetz hat das Bundesverfassungsgericht weitere Restriktionen für Inlandseinsätze der Streitkräfte statuiert. Danach dürfen diese bei der Bekämpfung von Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen nicht mit „spezifisch militärischen Waffen“ eingesetzt werden. Weil die Streitkräfte in diesen Fällen nur Unterstützungsleistungen für die überforderten Polizeien der Länder erbringen würden, seien sie auf die Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben und Befugnisse beschränkt.18 Der Abschuss von »terrorverdächtigen« Flugzeugen fällt nicht darunter und ist deshalb nach Auffassung des Gerichts weder mit den genannten kompetenzrechtlichen Bestimmungen des Grundgesetzes noch mit dem Recht auf Leben in Verbindung mit der Menschenwürdegarantie vereinbar. Der Staat dürfe die unschuldigen Passagiere nicht als bloße Objekte seiner Rettungsaktion zum Schutze anderer Menschen benutzen und auf diese Weise verdinglichen und entrechtlichen. Damit würde „den als Opfern selbst schutzbedürftigen Flugzeuginsassen der Wert abgesprochen, der dem Menschen um seiner selbst willen zukommt.“19

Der »Rettungsabschuss« von Zivilflugzeugen wurde nun von den Regierungspolitikern nicht etwa ad acta gelegt. Um ihn in Zukunft trotz des Urteils aus Karlsruhe zu ermöglichen, wird eine Verfassungsänderung gefordert. Wie es im Weißbuch heißt, „sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit einer Erweiterung des verfassungsrechtlichen Rahmens für den Einsatz der Streitkräfte. Infolge der neuartigen Qualität des internationalen Terrorismus sowie des gewachsenen und territorial weitgehend unbeschränkten Gewaltpotentials nichtstaatlicher Akteure sind heute auch in Deutschland Angriffe vorstellbar, die aufgrund ihrer Art, Zielsetzung sowie ihrer Auswirkungen den bestehenden tatsächlichen und rechtlichen Rahmen der klassischen Gefahrenabwehr überschreiten“ (S.76).

Uneinigkeit herrscht zwischen den Regierungsparteien bislang noch über den Inhalt der beabsichtigten Verfassungsänderung. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Wiefelspütz, hat eine Ergänzung des Art. 35 GG vorgeschlagen, nach der die Streitkräfte unter bestimmten Voraussetzungen im Inneren „auch militärische Mittel zur Gefahrenabwehr“ einsetzen dürfen.20 Dagegen plädierte Bundesinnenminister Schäuble für eine Änderung des Art. 87 a GG, die Bundeswehreinsätze außer zur Verteidigung auch zur „unmittelbaren Abwehr eines sonstigen Angriffs auf die Grundlagen des Gemeinwesens“ gestatten soll.21

In einem entscheidenden Punkt ist sich Schäuble mit dem Sozialdemokraten Wiefelspütz indessen einig: Bei einer Flugzeugentführung durch Terroristen wie am 11. September 2001 in den USA dürften die Streitkräfte die Maschine abschießen, weil es sich um einen kriegerischen Akt handele.22 In diesem Fall käme das Kriegsvölkerrecht zur Anwendung, das auch die Tötung unschuldiger Passagiere eines als Angriffswaffe missbrauchten Verkehrsflugzeugs als Kollateralschaden nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsprinzips zulasse.23

Nun mag es zwar der Logik des Krieges entsprechen, Menschenleben insbesondere von Soldaten als bloße Rechenposten zu behandeln. Entgegen den Behauptungen von Schäuble und Wiefelspütz lässt sich der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aber keineswegs entnehmen, dass das Verbot einer staatlichen Abwägung »Leben gegen Leben« sowie die in Art. 1 Abs. 1 GG verbürgte Unverletzlichkeit der Menschenwürde nur in Friedenszeiten gelten sollen. Im Übrigen handelt es sich bei einem Terroranschlag mithilfe eines entführten Verkehrsflugzeugs um einen Akt schwerster Kriminalität, aber keineswegs um einen kriegerischen Angriff auf das Bundesgebiet.24

Der Verwischung der Grenze zwischen terroristischer Kriminalität und Kriegszustand hat verheerende Konsequenzen für die rechtsstaatliche Ordnung und die Geltung der Grundrechte in Deutschland: Jenseits der detaillierten Verfassungsregeln für den Verteidigungsfall (Art. 115 a ff. GG) werden unter der Flagge des »Krieges gegen den Terror« Elemente des Ausnahmezustandes zum Leben erweckt. Carl Schmitt lässt grüßen: „Die Entscheidung macht sich frei von jeder normativen Gebundenheit und wird im eigentlichen Sinne absolut.“25 Alles, was zur Terrorabwehr als notwendig erscheint, gilt dann auch als legitim – bis hin zur Opferung unschuldiger Menschen. Die Grundrechte werden zu Gnadenakten des Staates degradiert, die dieser nach Belieben erteilen und wieder kassieren kann. Eine Regierung, so die treffende Kritik von Burkhard Hirsch, „die nach ihrem Ermessen das Kriegsrecht ausrufen kann, erhebt sich über die Verfassung und macht aus den Bürgern Untertanen.“26

Anmerkungen

1) Bundesministerium der Verteidigung (2006): Weißbuch 2006 zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr, Berlin. Die Seitenangaben im folgenden Text beziehen sich auf diese gedruckte Ausgabe. Das Weißbuch ist im Internet verfügbar unter: http://www.weissbuch2006.de.

2) Dazu auch Uesseler, R. (2006): Weißbuch 2006: Interessenpolitik weißgewaschen. Blätter für deutsche und internationale Politik, H. 12/06, S.1423 ff.

3) Dazu im Einzelnen Schiedermair, S. (2005): Der internationale Frieden und das Grundgesetz, Baden-Baden, Nomos-Verlag, S.100 ff.

4) Nach Finckh, U. (2007): Sind Angriffskriege nicht strafbar? In T. Müller-Heidelberg u.a. (Hrsg.), Grundrechte-Report 2007. Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland, Frankfurt/M., Fischer-Verlag.

5) Vgl. Art. 103 Abs. 2 GG.

6) Bundestagsdrucksache V/2860, S.2.

7) Vgl. nur Bundesverfassungsgericht (BVerfG): Urt. v. 22. 11. 2001, 2 BvE 6/99. Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen (BVerfGE) 104, S.151 (213); Bundesverwaltungsgericht (BVerwG): Urt. v. 21. 06. 2005, 2 WD 12/04. Neue Juristische Wochenschrift, H. 1-2/06, S.77 (82 u. 93).

8) Geregelt in den Art. 87 a Abs. 3 u. 4, 35 Abs. 2 u. 3 GG; dazu näher im dritten Abschnitt.

9) So z.B. Arndt, C. (1992): Bundeswehreinsatz für die UNO. Die Öffentliche Verwaltung, H. 14/92, S.618; Deiseroth, D. (1993): Die Beteiligung Deutschlands am kollektiven Sicherheitssystem der Vereinten Nationen aus verfassungsrechtlicher Sicht. Neue Justiz, 47, S.145 (149); ausführlich dazu Kutscha, M. (2004): „Verteidigung“ – vom Wandel eines Verfassungsbegriffs. Kritische Justiz, 37, S.228 (232 f.).

10) So z. B. Baldus, M. (2005): Art. 87 a, Rdnr. 43. In H. v. Mangoldt, F. Klein & C. Starck (Hrsg.), Grundgesetz (Bd. 3, 5. Aufl.). München: Vahlen; Heun, W. (2000): Art. 87 a, Rdnr. 17. In H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar (Bd. 3). Tübingen: Mohr.

11) BVerwG: wie in Anm. 7.

12) Vgl. FR vom 28. 09. 06.

13) BVerfG: Urt. v. 12. 7. 1994, 2 BvE 3/92. BVerfGE 90, S.286, u.a.

14) Vgl. im Einzelnen Kutscha, M. (2004): Militäreinsätze vor dem Bundesverfassungsgericht. In H. Kramer & W. Wette (Hrsg.): Recht ist, was den Waffen nützt. Justiz und Pazifismus im 20. Jahrhundert, Berlin, Aufbau-Verlag, S.321 (325 ff.).

15) BVerfG: wie in Anm. 7.

16) Vgl. dazu z. B. Brzoska, M. (2006): Friedensmissionen: Erfolg und Scheitern. Blätter für deutsche und internationale Politik, H. 12/06, S.1491 (1494 f.).

17) Vgl. dazu im Einzelnen Paech, N. (2007): Völkerrechtliches Souveränitätsprinzip vs. Menschenrechte, in diesem Heft; Neu, A. (2006): Verteidigung grenzenlos. Blätter für deutsche und internationale Politik, H. 7/06, S.788 ff.

18) BVerfG: Urt. v. 15. 02. 2006, 1 BvR 357/05. Neue Juristische Wochenschrift, 59, S.751 (755 f.).

19) BVerfG: wie in Anm. 18, S.758.

20) Wiefelspütz, D. (2007): Vorschlag zur Neufassung des Art. 35 GG. Zeitschrift für Rechtspolitik, 40, S.17 (19).

21) Nach FR vom 03.01.07.

22) FR vom 04. 05. 06 u. vom 03.01.07.

23) Wiefelspütz, D. (2006): Der kriegerische terroristische Luftzwischenfall und die Landesverteidigung. Recht und Politik , 42, S.71ff.

24) Vgl. auch die Kritik von Hirsch, B. (2007): Schäubles Quasi-Krieg. Blätter für deutsche und internationale Politik, H. 2/07, S.133 (135); ausführlich: Kutscha, M. (2006): Terrorbekämpfung jenseits der Grundrechte? Recht und Politik , 42, S.202 ff.

25) Schmitt, C. (1934): Politische Theologie (2. Aufl.), München, Duncker & Humblot, S.19.

26) Hirsch, B.: wie in Anm. 24, S.134.

Prof. Dr. Martin Kutscha lehrt Staats- und Verwaltungsrecht an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege Berlin

Die militärisch-ökonomische Barbarisierung

Die militärisch-ökonomische Barbarisierung

von Detlef Hartmann

Seit der Epochenwende befindet sich die Bundeswehr in »Transformation«, sozusagen im Zeitraffertempo, von einer Verteidigungsarmee, wie sie das Grundgesetz vorsieht, zu einer Interventionsarmee. Diese Umwandlung wurde schon vielfach beschrieben und analysiert. Kaum diskutiert wird bisher, dass sich nach kaum anderthalb Jahrzehnten seit dem Fall der Berliner Mauer als Zielgestalt des Transformationsprozesses erneut die Zurichtung der deutschen Streitkräfte für einen »totalen Krieg« abzeichnet und »von weit oben« propagiert wird – freilich in postmoderner Gestalt: Als umfassende Ökonomisierung des Militärischen und als Militarisierung des Ökonomischen.

Es klingt wie die Phantasie eines ewig gestrigen Militaristen: „Zunächst – wenn der Krieg von Anfang an zur Geschichte der Menschheit gehört, dann ist anzunehmen, dass der Krieg überwiegend positive Funktionen erfüllt. Wäre es nicht so, dann hätte die Evolution sicher längst dafür gesorgt, dass der Krieg als Phänomen verschwunden wäre. Vermutlich sind hier zwei miteinander verbundene und tiefer liegende Kräfte wirksam. Das eine ist der kompetitive Charakter, der die gesamte Schöpfung durchzieht… Worum wird dabei konkurriert? Im Wesentlichen um Macht, um Ressourcen und um die Vorherrschaft eigener kultureller Identitäten… Der Krieg hat seinen Ursprung jedoch nicht nur in den Kosten-Nutzen-Kalkülen der Kontrahenten. Die eigentlichen treibenden Kräfte liegen tiefer. Es ist die Lust an der Macht und an erfolgreichen Aggressionen. Das Unzivilisierte und Ursprüngliche ist es, was fasziniert – der Wegfall aller künstlichen Regeln. Auf den Spielcharakter des Krieges hat bereits Clausewitz hingewiesen. Krieg ist das Spiel mit dem höchsten Einsatz, bei dem dann – wenn es um Tod und Leben geht – auch so gut wie alles erlaubt ist. Offensichtlich ist es so, dass der Mensch – oder vorsichtiger formuliert: viele Menschen – bindungsfreie existenzielle Herausforderungen suchen, um sich selbst zu finden. Nirgends ist die Chance dafür so groß wie im Kampf, wie in der Bewährung im Kampf. Gewalt, Kampf und Sieg auf die Dauer nur im Fernsehen zu erleben, ist für viele dann nur ein schwaches und wenig zuverlässiges Substitut… Der Mensch sucht seine Individualität, aber er leidet auch oft unter ihr. Die Sehnsucht nach Ich-Entlastung und Verschmelzung mit anderen gehört deshalb auch zu seiner Natur. Die stärkste Erfüllung dieser Sehnsucht ist die Gemeinsamkeit im Kampf – abgesehen vielleicht von der Liebe. In diesem Licht ist der Krieg dann kein politisches Mittel mehr, sondern er wird zum Zweck und löst sich von allen gesellschaftlichen Bindungen… Ich bleibe bei meiner ersten These, dass der Krieg Zukunft hat und zwar wegen der Natur des Menschen.“ (Schnell, 2000, S.3-5).

Tatsächlich ist es mehr als nur die Phantasie eines Ewiggestrigen: Es ist die nüchterne Kalkulation zum Wert der Barbarei als ökonomischer Ressource – vom Lehrstuhl der Fakultät für Wirtschafts- und Organisationswissenschaften der Bundeswehruniversität in München. Prof. Schnell, vormals Stellvertreter des Generalinspekteurs, hat die zitierten Überlegungen auf einer internationalen Management-Tagung im Juni 2000 in Brüssel vorgetragen. In den brisanten Teilen handelt es sich um eine Aufbereitung der Vorstellungen Martin van Crevelds für Managementzwecke aus dessen Buch »Die Zukunft des Krieges« (1998). Van Creveld, der sich auch auf Ernst Jünger und den Hitler-Kumpan General Ludendorff beruft, ist nicht unbeliebt in der Bundeswehr. In »Fighting power« (1982) hat er der NS-Wehrmacht die höchste Kampfkraft des 20. Jahrhunderts bescheinigt, der allenfalls die israelische Armee im Sechstagekrieg gleichgekommen sei. Auch er beschwört die Lust am Krieg, die Entfesselung von allen Regeln, den Einsatz aller Fähigkeiten des Menschen, von den höchsten bis zu den niedrigsten.

Aufgeschreckt durch den Strom der »Einzelfälle« kriegerisch-barbarischen Verhaltens im Rahmen der Bundeswehrausbildung und -einsätze setzt sich die Öffentlichkeit zunehmend mit den radikalen Veränderungen in den Leitvorstellungen der Bundeswehr auseinander. Jürgen Rose erinnerte unlängst daran, dass Generalmajor von Kielmansegg schon 1991 „der Zivilisierungsmöglichkeit einer Armee, die einsatzfähig sein soll, … verhältnismäßig enge Grenzen gesetzt“ sah (zit. nach Rose, 2006, S.1). Rose weist auch hin auf das Werben des Heeresinspekteurs Generalleutnant Hans-Otto Budde für den Typ des „archaischen Kämpfers“, den man sich vorstellen müsse „als einen Kolonialkrieger, der fern der Heimat bei dieser Existenz in Gefahr steht, nach eigenen Gesetzen zu handeln.“ (ebd.). Detlef Bald zeichnet in diversen Publikationen (u.a. 1998; 1999; 2005) das Abrücken vom Leitbild des »Staatsbürgers in Uniform« zum Bild des »Kriegers« nach, dessen oberstes Ideal „Kämpfen können und kämpfen wollen“ sei. Bei Schnell erkennt er „eine Kontinuität aus dem Denken von Ludendorffs totalem Krieg“, aus der „Denkart der Wehrmacht“ (zit. nach Koufen, 2006, S.7). Nachträglich wird diese Einschätzung drastisch sekundiert durch das neue Buch der Generale Reinhard Günzel (KSK) und Ulrich Wegener (GSG9) und ihres SS-Gewährsmanns Wilhelm Walther mit einer propagandistischen Wiederbelebung nazistischer Ordensmythen (Günzel, Walther & Wegener, 2006).

Verschmelzung ökonomischer und kriegerischer Potenziale

Nur auf den ersten Blick erscheint das überzogen. Und nur auf dem Hintergrund der aktuellen Strategien der Skandalverarbeitung. Die machen sich die fein säuberliche Trennung des »Ökonomischen« vom »Militärischen« zunutze. Sie ist jedoch längst überholt. Aber bevor wir begreifen, wie eng die Rückbezüge zu den Theoretikern und Strategen des »totalen Kriegs« sind, müssen wir uns der aktuellen Engführung und Verschmelzung des Militärischen und Ökonomischen zuwenden, wie sie auch in den Vorstellungen Schnells zum Ausdruck kommen. Sie sprengen die Vorstellungswelt, die mit der Militarisierung des Ökonomischen nur Kriegsgewinn, Raub, militärkeynesianische Stimulierung verbunden hatte. Schnell, van Creveld und ihre Mitstreiter sind keine »ewig Gestrigen«, sie denken auf neue Weise »total«. Wenn wir dies begriffen haben, werden wir neu über die alte Dynamik der Totalisierung des Kriegs nachdenken lernen. »Kontinuität« aus dem Denken von Ludendorff ist zu linear gedacht. Es geht um eine Totalisierung im postmodernen Gewand, die über den historischen Bruch die Analogien zur alten Totalisierung sichtbar werden lässt und zugleich den Bezug aktiv herstellt.

Van Creveld sagt: „Stattdessen könnte man in Anlehnung an Ludendorffs Werk zum totalen Krieg zutreffender sagen, dass er mit der Politik verschmilzt, zu Politik wird, ja Politik ist… Militärische und wirtschaftliche Funktionen werden wieder zusammen geführt, wie es zumindest bis 1648 durchaus übliche Praxis war“ (1998, S.316).

Bei Schnell klingt das so: „Sicherlich wird der militärische Manager nicht – um einen Begriff von Clausewitz aufzugreifen – zu einem ‚Kriegsunternehmer’ vom Typ Wallensteins. Aber die Herausforderung besteht doch in einer mentalen und professionellen Veränderung. Die herkömmliche Welt des Soldaten war eine andere Welt als die des Kaufmanns und Unternehmers. Diese beiden Welten werden nun stärker zusammen geführt werden… Die Führungs- und Managementgrundsätze von Militärorganisationen sind auf die extreme Form eines Wettbewerbs hin entwickelt. Menschliche Werte und Tugenden zählen da meist mehr als ökonomische Anreize. Es ist das ganze Selbst des Menschen, das gefordert wird… Sicher können Militärorganisationen noch manches vom Management privatwirtschaftlicher Organisationen lernen. Das Umgekehrte gilt aber genauso, und wenn es zutrifft, dass der globale Wettbewerb schärfer wird, dann konvergieren auch manche Führungs- und Managementgrundsätze“ (2000, S.18, 21f.).

Tötenwollen als „immaterielle Ressource“

Der Griff nach dem „ganzen Selbst“ als Gegenstand der Zusammenführung, der Verschmelzung der ökonomischen und militärischen Welt, der Welt des Unternehmers und des Kriegers: Was heißt das? Schnell vollzieht die Verschmelzung im Managementbegriff der „immateriellen Ressource“. Dies ist der Schlüsselbegriff des Zugriffs auf Subjekte im globalen Transformationsprozess des Kapitalismus, den wir »Globalisierung« nennen. Der Begriff korrespondiert mit anderen handlungs- und managementleitenden Begriffen wie: »Humanressourcen«, »Ressource Mensch«, »Wissenskapital«, »intellektuelles Kapital«, »Humankapital«. Der Ansatz ist »ganzheitlich«, »total«. Es geht um den Zugriff auf alle Dimensionen des Menschlichen und ihre Erschließung als »Ressource« zum Zweck der Neugestaltung der Arbeitsunterwerfung, bis hin zur Erschließung peripherer Gesellschaften. Dazu gehören nicht nur »endliche« Ressourcen des biologischen Substrats und der physischen Verwendungs- und Leistungsfähigkeit, sondern auch Einstellungen, Mentalitäten, soziale Beziehungen, kulturelle Qualitäten und Praktiken, Routinen, Kreativität, Intuition und vor allem »Vertrauen« (commitment). Der Zugriff ist tendenziell »total« im Sinne eines ganzheitlichen Griffs nach dem Subjekt und seiner Subjektivität unter Einschluss seiner sämtlichen sozialen und kulturellen Bezüge im Sinne einer komplexen »Lebensweise« (vgl. u.a. Moldaschl & Thießen, 2003; Moldaschl, 2005). In diesem Sinne behandelt Schnell auch die militärische Erschließung des „ganzen Selbst des Menschen“ als Ressource für die Fähigkeit, Gewalt anzuwenden, zu töten und sich zu opfern.

Gut, könnte man sagen. So sind halt die Militärs, schlimm genug. Aber wenn sich barbarische Kämpfer dem Unternehmertum annähern sollen, so doch jedenfalls nicht der rational geprägte Unternehmer dem archaischen Kämpfer? Falsch: Die Konvergenz wird längst auch von dieser Seite betrieben. Die politische Ökonomie selbst hat in der aktuellen frühen Phase der Globalisierung die barbarischen Anteile des unternehmerischen Antriebs reaktiviert. Sie hat dies getan im Rückgriff auf Joseph Schumpeter (1911/12; 1942), dessen politisch-ökonomische Grundvorstellungen von innovativer Dynamik in einem regelrechten Siegeszug die Managementkonzepte durchdrungen haben. Nicht die nüchterne Kalkulation macht danach die unternehmerischen Potentiale aus; sie sei allenfalls tauglich für den stationären Betrieb eines Unternehmens ohne Entwicklung. Innovative Tätigkeit speise sich aus dem „Siegerwillen, kämpfen wollen einerseits, Erfolg haben wollen des Erfolges als solchen wegen andererseits“, aus der „Fähigkeit, Altes zu zerstören und Neues zu schaffen“, „der Fähigkeit, andere sich zu unterwerfen und seinen Zwecken dienstbar zu machen, zu befehlen und zu überwinden.“ Kriegsherr und Unternehmer haben bei Schumpeter einen gemeinsamen historischen Ursprung, der auch die Analogie ihrer barbarischen Energien begründet. Und dass es barbarische Energien sind, die den Prozess der wirtschaftlichen Entwicklung, der „schöpferischen Zerstörung“, der innovativen Gestaltung der Welt antreiben, daran lässt er selbst keinen Zweifel. „Rücksichtslosigkeit“, in der „Durchbrechung aller Bindungen“ charakterisieren sie. Schumpeters Gedankenwelt der „schöpferischen Zerstörung“ beherrscht die politisch-ökonomischen Kommandoebenen der Triade Japan-USA-Europa. Greenspan hat sie propagiert, Köhler als IWF-Direktor und Bundespräsident, Othmar Issing von der EZB etc. Viele Unternehmer und Managementführer (wie zum Beispiel der Chefökonom Walter von der Deutschen Bank) lassen sich von Schumpeters Grundvorstellungen leiten, allen voran das weltweit führende Management-Unternehmen McKinsey.1 Man darf jedoch nicht die Verhältnisse verkehren. Das Kapital und das Militär konvergieren in der Steigerung der Aggressivität ihrer Grundvorstellungen nicht, weil sie einer Theorie folgen. Sie konvergieren darin, weil der Umbruch von der Spätphase des keynesianisch orientierten »Fordismus« zu einer innovativen Welle der Globalisierung neue, sehr aggressive Momente in der Zerstörung der alten und Gestaltung der neuen Welt, ihrer sozialen, politischen und ökonomischen Verhältnisse zur Wirkung bringt.

Barbarei und Globalisierung

Als Professor für Sicherheits- und Militärökonomie/Streitkräftemanagement behandelt Schnell (2000) die Barbarisierungspotentiale des »archaischen Kriegers« nicht nur als Bestandteil der immateriellen Ressourcen der Bundeswehr, sondern er sieht sie als dynamisches Moment im aktuellen Prozess der Globalisierung. Diese Dynamik begreift er als asymmetrisch im Gefälle der hochentwickelten innovatorischen Kerne der Metropolen zu den „Zwischenzonen“ der „Regionen mit labilem Gleichgewichtssystem“ (in der nationalen Sicherheitsstrategie der USA die »failed states«): „Hier werden Kriege wahrscheinlicher, insbesondere wenn sich dort wichtige Ressourcen und strategische Rohstoffe befinden.“ Die „stark hegemonial organisierten Regionen – wie etwa die EU oder Nordamerika“ mit ihrer „Eskalationsüberlegenheit“ zeichnet er dabei als zentrale Akteure (a.a.O., S.9).

Über das Projekt dieser Militarisierung des Ökonomischen gibt das Weißbuch 2006, zu dem auch die Bundeswehruniversitäten ihren Beitrag geleistet haben, eine grundsätzlich-strategische Auskunft. Sie stellt militärische Intervention ausdrücklich in den Dienst der Globalisierung: „Mit der Globalisierung eröffnen sich für Deutschland neue Chancen… Die Bewältigung dieser Herausforderungen erfordert den Einsatz eines breiten außen-, sicherheits-, verteidigungs- und entwicklungspolitischen Instrumentariums“ (Bundesministerium der Verteidigung, 2006, S.9, 20). Deutschland „ist entschlossen, den Zugewinn an Freiheit und Gestaltungsraum in einer Welt der Globalisierung zu nutzen“ (ebd., S.21). „Nicht in erster Linie militärische, sondern gesellschaftliche, ökonomische, ökologische und kulturelle Bedingungen, die nur in multinationalem Zusammenwirken beeinflusst werden können, bestimmen die künftige sicherheitspolitische Entwicklung“ (S.29). Erforderlich sei ein umfassendes „Gesamtkonzept“. Es erfasse „neben den klassischen Feldern der Außen-, Sicherheits-, Verteidigungs- und Entwicklungspolitik unter anderem die Bereiche Wirtschaft, Umwelt, Finanz-, Bildungs- und Sozialpolitik“ (S.30).Es geht also nicht mehr um Verteidigung, es geht darum, den Prozess der Globalisierung durchzusetzen. Dies ist ein aggressiver Prozess der totalen, der »umfassenden« Transformation. Sie gibt sich nicht mit Zugriff auf Rohstoff- und Energieressourcen zufrieden. Sie will Welt »gestalten«, im komplexen, »totalen« Zugriff.

Das Weißbuch schließt ausdrücklich an das strategische Konzept der NATO aus dem Jahre 1999 an (a.a.O., S.38f.), das die umfassende und totale Zweckrichtung militärischer Intervention nicht nur bei Risiken für die Handelsstrukturen und Rohstoffsicherheit propagierte, sondern auch bei Risiken aus der in verfallenden staatlichen Strukturen beeinträchtigten Sicherheitslage. Die im September 2002 veröffentlichte US-amerikanische »nationale Sicherheitsstrategie« (NSS), deren tragende Grundsätze im Hinblick auf die gewünschte euro-atlantische Partnerschaft ganz offenbar auch in das Weißbuch 2006 eingeflossen sind, präzisiert dies. Auch hier werden militärische Interventionen in den Dienst der Öffnung von Gesellschaften und Märkten gestellt, um sie für den Zugang der kapitalistischen Kräfte aufzubrechen: Finanzen, Services, Technologien, um das Produktivpotential der Arbeit zu »entfesseln« (The White House, 2002, passim; vgl. Hartmann & Vogelskamp, 2003, S.34ff.).

Diese Verschmelzung von Ökonomie und Militär in der totalen Entfesselung und Erschließung der »immateriellen Ressourcen« bis in ihre barbarischen Triebkräfte hinein erlaubt es, auch den Rückgriff auf die Theoretiker und Strategen des »totalen Kriegs«, wie Ludendorff einer war, zu verstehen. Wir sehen, dass es zu simpel ist, Schnell und anderen Propagandisten des »archaischen Kämpfers« zu unterstellen, sie orientierten sich in linearer Traditionspflege einfach an Ludendorff. Es wird richtig, wenn wir Ludendorffs Strategien und Vorstellungen des totalen Kriegs als Facette einer analogen Engführung des militärischen und ökonomischen Managements begreifen, die damals »Geopolitik« hieß und heute als »Globalisierung« firmiert.

Das Konzert des Aufrufs barbarischer Energien in den totalen Innovationskrieg ist vielstimmig. Es verschmilzt mit den ekstatischen Orgien der Tötungsenergien aus dem geschichtlichen Hallraum des letzten Globalisierungszyklus zu einem neuen Gesang. Schnell ist nur eine Stimme, wenn auch eine maßgebliche. Wir werden ihr nur gerecht, wenn wir uns der Barbarisierung in allen ihren ökonomisch-managerialen, kulturellen, religiösen, mentalen Strängen entgegenstellen, die ihre historische Verwirklichung in einem neuen Schub der Totalisierung sucht.

Literatur

Bald, D. (1998): Neotraditionalismus in der Bundeswehr. Wissenschaft und Frieden, 16 (4), S.57-59.

Bald, D. (1999): Der Paradigmenwechsel der Militärpolitik. Mittelweg36, 8 (5), 23-32.

Bald, D. (2005): Die Bundeswehr. Eine kritische Geschichte 1955-2005. München, Beck.

Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.) (2006): Weißbuch 2006 zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr. Berlin, BMVg.

Günzel, R., Walther, W. & Wegener, U. (2006): Geheime Krieger. Drei deutsche Kommandoverbände im Bild: KSK – Brandenburger –GSG 9. Selent, Pour le Merite.

Hartmann, D. & Vogelskamp, D. (2003): Irak. Schwelle zum sozialen Weltkrieg. Berlin/Hamburg, Assoziation A.

Koufen, K. (2006): Der Mensch, eine Kriegernatur. taz vom 07.11.06, S.7.

Moldaschl, M. (Hrsg.) (2005): Immaterielle Ressourcen. München, Hampp.

Moldaschl, M. & Thießen, F. (Hrsg.) (2003): Neue Ökonomie der Arbeit., Marburg: Metropolis – darin insbesondere der Beitrag des Erstherausgebers: Von der Personalwirtschaftslehre zur Wirtschaftslehre der Person? S.95ff.

Rose, J. (2006): Archaische Kämpfer am Hindukusch. Freitag vom 03.11.06, S.1.

Schnell, J. (2000): Zur zukünftigen Rolle von Militärorganisationen – Wie verändern sich Einsatzspektrum und Management von Streitkräften? Vortrag im Rahmen der Jahreskonferenz der European Federation for Management Development vom 18.06.-20.06.2000 unter dem Leitthema »Renaissance 2000«. Verfügbar unter: http://www.unibw-muenchen.de/Campus/WOW/v1054/miloek1.html.

Schumpeter, J. A. (2006): Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung (Nachdr. d. Erstausg. 1911/12). Berlin, Duncker & Humblot.

Schumpeter, J. A. (2005): Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie (8. Aufl., engl. Erstausg. 1942). Stuttgart, Francke/UTB.

Van Creveld, M. (1982): Fighting power: German and U.S. Army Performance, 1939-1945. Westport, Greenwood Press.

Van Creveld, M. (1998): Die Zukunft des Krieges. München, Gerling Akademie Verlag.

The White House (2002): The National Security Strategy of the United States of America. Verfügbar unter: http://www.whitehouse.gov/nsc/nssall.html.

Anmerkungen

1) Joseph Schumpeter hat dem fraglichen Unternehmertypus und dem von ihm betriebenen Prozess „schöpferischer Zerstörung“ die fantasiereichen und lesenswerten Darstellungen des zweiten Kapitels der „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“ gewidmet (1. Aufl. Leipzig 1911/12, Zitate S.164) sowie des 7. Kapitels von „Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie“ (1. Aufl. 1942, zit. nach 7. Aufl. 1993, S.134, 137f.). Ein Buch des Autors, das auch die Schumpeter-Renaissance thematisiert, ist in Vorbereitung; Arbeitstitel: „Soziale und militärische Fronten der Globalisierung.“

Detlef Hartmann ist Rechtsanwalt und lebt in Köln. Eine Langfassung des vorliegenden Beitrags ist verfügbar unter http://www.materialien.org/Texte/Texte.

Sondermentalität mit Tradition

Sondermentalität mit Tradition

Die Gebirgsjäger in der Bundeswehr

von Markus Mohr

Deutsche Soldaten, die in Afghanistan mit Totenschädeln und Menschenknochen vor der Kamera possieren. Bilder, die Ende Oktober 2006 durch die deutsche Presse gingen und die Öffentlichkeit erregten. Es handelte sich um Soldaten einer Gebirgsjägereinheit, einer Einheit mit Tradition. Auf diese sehr spezielle Traditionslinie machten allerdings nur wenige Medien aufmerksam. Der Bonner General-Anzeiger war am 27.10.2006 eher die Ausnahme: „Für den Einsatz am Boden in den unwegsamen Bergregionen am Hindukusch sind sie besonders geeignet. Das sichert den Gebirgsjägern eine Sonderstellung, geht häufig aber auch mit einer Sondermentalität einher: Die Totenkopf-Fotos, aufgenommen (…) in der Umgebung von Kabul, liefern den unrühmlichen Beweis dafür.“ Markus Mohr über den politischen Hintergrund, vor dem diese »Sondermentalität« entstehen konnte.

Der Ort, von dem die Gebirgsjäger mit ihrer »Sondermentalität« nach 1945 wieder in die ganze Welt ausgesandt werden, heißt Mittenwald. Dort liegt das historisch-politische Zentrum der deutschen Gebirgstruppe. Hier manifestiert sich seit über einem halben Jahrhundert eine militärische Praxis und Traditionspflege der ganz besonderen Art. Ihre Verbindungslinien reichen bis heute in die Spitzen der politischen und militärischen Gremien dieses Landes.

Gebirgsjäger im 3. Reich

Am 1. Juli 1944 würdigte im Schloss Kleßheim mit einem Staatsakt Adolf Hitler den durch einen Flugzeugunfall ums Leben gekommen Gebirgsjägergeneral Eduard Dietl. Als Reichswehrsoldat war Dietl bereits im Januar 1919 in München in die Vorläufergruppierung der NSDAP, die DAP, eingetreten. Er stand beim Hitler-Putsch von 1923 mit dem von ihm kommandierten Regiment für die Nationalsozialisten Gewehr bei Fuß. Die NS-Propagandamaschine machte Dietl neben Rommel zum populärsten Wehrmachtssoldaten.

Es verwundert kaum, dass der »Führer« über den plötzlichen Tod – des vermutlich noch vor ihm in die Partei eingetretenen Kompagnons – sehr betroffen war. So sprach er von einem seiner „treuesten Kameraden aus langer, schwerer gemeinsamen Kampfzeit“, einem „hervorragenden Soldaten“, der ein „Vorbild unnachgiebiger Härte und nie erloschener Treue bis zum Tode“ gewesen sei. Und dann wagte der »Führer« auch gleich noch eine Prognose: Der Name Dietls werde „in seiner stolzen Gebirgsarmee weiterleben“ (Kaltenegger, 1990).

Traditionspflege durch alte Kameraden

Betrachtet man nun die Geschichte der Bundesrepublik, dann sollte der »Führer« zumindest mit dieser Aussage Recht behalten: Der zur Jahreswende 1951/52 offiziell gegründete Kameradenkreis der Gebirgsjäger erwies bereits in den ersten Ausgaben seiner Mitgliederzeitschrift Generaloberst Dietl ein ehrendes Gedenken. Diese, einem engagierten Nationalsozialisten gewidmete, Traditionspflege sollte ihre Wirkung nicht verfehlen: Im Jahre 1964 wurde unter Bundesverteidigungsminister von Hassel der Beschluss gefasst, einer Liegenschaft der Bundeswehr in Füssen den Namen »Generaloberst Dietl-Kaserne« zu geben. Mit dem Traditionserlass konnten militärische Einrichtungen „nach Persönlichkeiten benannt werden, die in Haltung und Leistung beispielhaft waren.“ (Abenheim, 1989).

Als »beispielhaft« konnte die aufopferungsvolle Haltung Dietls gegenüber Hitler offenbar auch in der neu gegründeten Bundeswehr durchgehen.

Es sollte 30 Jahre dauern, bevor der zunehmende Protest an ein derartiges Gedenken – sowie der erneut geplante Einsatz von Gebirgsjägereinheiten im ehemaligen Jugoslawien – Ende 1995 dafür sorgten, dass die »Generaloberst Dietl-Kaserne« in Füssen und die »General Ludwig Kübler-Kaserne« in Mittenwald umbenannt wurden (vgl. Knab, 1995). Übrigens gegen den Widerspruch der Gemeinde und gegen Widerstand aus der Bundeswehr. Gebirgsjägergeneral Rainer Jung: „Man könne Dietl nichts vorwerfen, außer dass er ein treuer Gefolgsmann Hitlers gewesen sei“ (Die Welt vom 8.6.1995) .

Diese Geschichte wirft ein bezeichnendes Licht auf die Traditionspflege der Bundeswehr-Gebirgsjägertruppen. Besonders hervorzuheben ist hierbei die Politik des Kameradenkreises. Dieser Verein diente Generalen, Offizieren und Unteroffizieren aus der Wehrmacht zunächst als eine Art soziales wie politisches Auffangbecken. In einer Anfang Dezember 1951 in München abgehaltenen Tagung werden in dem Protokoll als Ziel dieses Bundes „die Erhaltung des guten Rufes der Gebirgstruppe, für die Bewahrung des Geistes der Gemeinschaft und der Hingabe an Heimat, Volk und Vaterland“ genannt. Der „Schmähung des deutschen Soldatentums und der Zersetzung unseres Volkes als wehrbereite Lebensgemeinschaft“ solle begegnet werden, „auch um zersetzende Einflüsse der Sowjets abzuwehren und um zu zeigen, wie wir waren und sind.“ (Wittmann, 1957). Mit diesem militaristisch-antikommunistischen Selbstverständnis fungiert der Kameradenkreis bis auf den heutigen Tag als öffentlichkeitswirksame Pressure-Group.

Politisch-militärische Prominenz und die Tradition

Lässt man die politische Geschichte der Bundeswehrgebirgstruppe und des mit ihr personell vielfältig verbundenen Kameradenkreises aus über 50 Jahren Revue passieren, so müssen Namen von Militärs und Politikern, wie Hubert Lanz, Franz Josef Strauß, Karl Wilhelm Thilo, Hellmut Grashey, Edmund Stoiber, Klaus Naumann, und Klaus Reinhardt besonders hervorgehoben werden.

Der General der Gebirgstruppen Hubert Lanz, wurde für Kriegsverbrechen in Nürnberg zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt, jedoch weit vor Ablauf der Strafe entlassen. Schon kurz nach der Haftentlassung bekam er ein Angebot des damaligen FDP-Vorsitzenden Thomas Dehler, der Partei beizutreten, um »militärische Sicherheitsfragen« zu behandeln. Von dort aus rückte Lanz in das »Amt für Sicherheit und Heimatschutz« ein; eine Keimzelle für das im Zuge der Remilitarisierung gegründete Amt Blank, das spätere Verteidigungsministerium. Schon anlässlich der Bundestagswahl 1953 kandidierte er im Landkreis Weilheim – in dem auch Mittenwald liegt – für die FDP, u.a. gegen den jungen CSU-Aktivisten Franz Josef Strauß, der dort das Direktmandat gewann.

Auch wenn Lanz eine ihm indirekt von Strauß 1961 angetragene Position als Bundeswehrgeneral aufgrund US-amerikanischer Widerstände nicht antreten konnte, so amtierte er doch bis zum Jahre 1982 als Ehrenpräsident des Kameradenkreises. Als solcher war er stets gern gesehener Gast auf Bundeswehrempfängen mit der bayrischen Staatsregierung. Noch 1989 hing in der Kaserne von Garmisch-Partenkirchen sein Konterfei im Andachtsraum.

Als gerade ins Amt gelangter Verteidigungsminister ließ es sich F. J. Strauß nicht nehmen am 19. Mai 1957 das erste öffentliche Rekrutengelöbnis in der Geschichte der Bundeswehr in Mittenwald zu zelebrieren. In der offiziellen Chronik der 1. GD ist vermerkt: „ Die Wpfl (Wehrpflichtigen) der 1. Gebirgsdivision legen als erste Soldaten der Bundeswehr das Feierliche Gelöbnis ab… Es erklingt zum ersten Mal der Große Zapfenstreich.“ (P.E. Uhde, 1982)

Dass sich die Wiedergründung der Gebirgsjägerdivision vor dem Horizont der alten Wehrmacht vollzog, wurde in der Kameradenzeitung »Die Gebirgstruppe« vom Kommandeur der 1. Gebirgsdivision, Buchner, offen angesprochen. Gerade die „große Anzahl von Soldaten (…) die sich (…) von den Gebirgs-Divisionen des Krieges her kennen“ seien „ein besonderes Glück“. Denn „jeder dieser alten Angehörigen der Gebirgstruppe“ trage dazu bei, „daß auch diese neue 1. Gebirgs-Division wieder von jenem Geist, von jener Haltung und von jener Eigenart erfüllt [werde, die] die Gebirgs-Divisionen der Wehrmacht (…) hatten.“ Und überhaupt, so Buchner mit Blick auf die Zukunft weiter, sei es „erfreulich, feststellen zu können, daß unsere jungen Freiwilligen auf dem besten Wege sind, diese wertvolle Überlieferung zu übernehmen und weiterzutragen.“ (Buchner 1957). Das Ergebnis dieser Bemühungen um eine unkritische Traditionspflege konnte auch noch Jahrzehnte später im Buch des Gebirgsjäger-Zeitsoldaten Kaltenegger nachgelesen werden: „Was über die allgemeinen Grundsätze der Ausbildung in der Gebirgstruppe der deutschen Wehrmacht gesagt wurde, hat im wesentlichen auch Gültigkeit für die 1. Gebirgsdivision der Bundeswehr. (…) So erwuchs die 1. Gebirgsdivision der Bundeswehr – ähnlich wie die alte 1. Gebirgsdivision der deutschen Wehrmacht – aus einer Gebirgsbrigade zu einer Gebirgsdivision.“ In ihrer Größenordnung entspreche sie „etwa dem ehemaligen Gebirgs-Armee-Korps der deutschen Wehrmacht.“ (Kaltenegger, 1980).

Auch nach seiner Entlassung als Verteidigungsminister hielt Strauß seine schützende Hand über die Soldaten aus der ersten Gebirgsdivision. Er wird sicher – zusammen mit dem BND-General Gehlen – seinen aktiven Anteil daran gehabt haben, dass die in den 60er Jahren gegen rund 300 Gebirgsjäger eingeleiteten Strafermittlungsverfahren – aufgrund von Massakern in Kommeno und Kephallonia im Zweiten Weltkrieg – in keinem einzigen Fall zur Anklage kamen. (Vgl. Herbert, 1996) Strauß bezeichnete sich noch im Jahre 1986 als »Vater der 1. Gebirgsdivision«. Selbst offenkundige NS-Bezüge stellten für ihn kein Problem dar: „Für die deutsche Gebirgstruppe war (der in Jugoslawien hingerichtete Kriegsverbrecher. D. Verf.) General Ludwig Kübler als Mensch und als Soldat ein Vorbild. Ihm hat die Truppe bis auf den heutigen Tag viel zu verdanken.“ (Kaltenegger, 1998).

Die in den 70er Jahren immer mal wieder von einem Teil der Spitze des Verteidigungsministeriums angestellten Überlegungen, die 1. Gebirgsdivison in eine andere Militärstruktur zu überführen, fanden in Strauß einen energischen und dann auch erfolgreichen Widersacher. Noch in seinen posthum publizierten Erinnerungen widmete Strauß mehrere Seiten seinem – gegen Widersprüche höchster Generäle – erfolgten Engagement für den Aufbau der Gebirgstruppe. (Strauß, 1989)

In der Geschichte der Bundeswehr sollten es auch die beiden Generäle der Gebirgsjäger und Mitglieder des Kameradenkreises, Hellmut Grashey und Karl Wilhelm Thilo, zu bundesweiter Prominenz bringen. Der im Stab Dietls ausgebildete Grashey forderte im März 1969 als stellvertretender Generalsinspekteur der Bundeswehr in einem Lehrgang für Generalstäbler an der Führungsakademie in Hamburg dazu auf, dass sich die Bundeswehr dazu bereit halten sollte, die Rolle eines »Ordnungsfaktors« in Staat und Gesellschaft zu übernehmen: „Die Zeit sei reif dafür, die ‚Maske’ der Inneren Führung, hinter der sich die Bundeswehr allzu lange habe verstecken müssen, nun endlich abzulegen“ (Bald, 2005). Doch damit nicht genug: Zusammen mit dem zum stellvertretenden Herresinspekteur aufgestiegenen Thilo hatte Grashey auch an den Ende des Jahres 1969 bekannt werdenden so genannten Schnez-Studien des gleichnamigen Heeresinspekteurs mitgearbeitet. Sowohl bei den »Gedanken zur Inneren Führung« wie in dem Papier »Gedanken zur Verbesserung der inneren Ordnung des Heeres« handelt es sich um zwei reaktionäre Manifeste, die zu Beginn des Jahres 1970 weite Verbreitung fanden und in denen sich nicht zufällig markige Formulierungen von „psychisch und physisch harten Kämpfern“ finden, denen Bundeswehrsoldaten genügen sollten. (Heßler, 1971). Die Schnez-Traktate, die ganz in dem Geiste des Kameradenkreises waren, wurden gleich zu Beginn der Kohl-Regierung im Jahre 1983 „in den Offizierkasinos (…) als heimlicher Besteller“ recycelt. (Spiegel 1983)

Nach der Vereinigung der beiden Deutschländer sollte es in einem politischen wie logistischen Sinne zu einer erneuten Aufwertung der im Militärzentrum Mittenwald stationierten Gebirgsjägereinheiten kommen. Ende 1991 hatte Bundeskanzler Kohl dem Kameradenkreis in einem persönlichen Anschreiben versichert, dass auch „in der neuen Bundeswehrstruktur (…) die Gebirgsjäger einen herausragenden Platz einnehmen“ werden. Dies biete, so Kohl weiter, die „Chance (…), bewährte Traditionen fortzusetzen und den Korpsgeist der Gebirgsjäger zu erhalten.“ (Kohl, 1991)

Ein Protagonist in Sachen Neuausrichtung deutscher Militärpolitik, war der 1991 in das Amt des Generalinspekteurs der Bundeswehr berufene Klaus Naumann. Ein halbes Jahr vor der Verabschiedung jener wesentlich von ihm auf den Weg gebrachten Verteidigungspolitischen Richtlinien im November 1992 hatte er es sich nicht nehmen lassen, auf dem Pfingsttreffen des Kameradenkreises in Mittenwald aufzutreten. Dort sprach er auch den Zusammenhang zwischen der Bundeswehr und der Nazi-Wehrmacht an. Er ließ dabei keinen Zweifel daran, dass die Wehrmacht im Grunde nur »missbraucht« worden sei, gleichwohl für „Bewährung in äußerster Not, für Erinnerung an und Verehrung von vorbildlichen Vorgesetzten, für Kameraden und Opfertod“ stehe, kurz: Für „jene vorzügliche Truppe, die Unvorstellbares im Kriege zu leisten und zu erleiden hatte.“ (Prior, 1992).

Gebirgsjäger im Auslandseinsatz

Blickt man auf die letzten anderthalb Jahrzehnte Militärpolitik der neuen Bundesrepublik zurück, so dürfen sich die Gebirgsjäger-Einheiten rühmen, fast immer zu den ersten Einsatzverbänden zu zählen, die seitens der Bundesregierung bei neuen Kriegseinsätzen ins Spiel gebracht werden. Ihre Stationen führten sie zwischenzeitlich von der Wüste in Somalia (FAZ, 22.1.1994), über das Territorium der zerfallenden Republik Jugoslawien bis nach Afghanistan.

Die Vorreiterrolle der Gebirgsjäger für die gesamte Bundeswehr wurde auch durch die Einrichtung eines neuen Lehrgangstyps an der Gebirgs- und Winterkampfschule in Mittenwald/Oberbayern, sinnigerweise am 8. Mai 1995, deutlich: Unter dem vieldeutigen Motto »Ganze Männer braucht das Land« beschreibt der dortige Presseoffizier Kutschera als „logische Konsequenz aus der neu gewonnenen internationalen Verantwortung Deutschlands in der Staatengemeinschaft“ als dessen Ziel, „die Kampf- und Überlebensfähigkeit der Infanteriesoldaten bis zur Ebene Kompanie in schwierigem Gelände unter extremen Witterungsbedingungen zu entwickeln bzw. zu erhöhen.“ (Kutschera, 1996) Zu einer der ersten Übungsgruppen zählte dabei eine Kompanie des Jägerbataillons 571 aus dem sächsischen Schneeberg, das von Mittenwalder Gebirgsjägeroffizieren aufgebaut worden war. (Sander, 2004) Diese Einheit – unter der Leitung des Fallschirmjägergenerals Günzel – wurde im Dezember 1997 bundesweit bekannt durch selbstgedrehte Videos, auf denen einige ihrer Angehörigen Nazi-Gesänge probten – »Ewiges Deutschland – heiliges Reich« –, Vergewaltigungen und Geiselerschießungen übten. (Schäfer, 1998)

Parallel zu diesen Vorfällen, die zu einem Untersuchungsausschuss des Bundestages führten, rückten Mittenwalder Gebirgsjäger in Kasernen auf dem Territorium der zerfallenden Republik Jugoslawien ein. Ende Februar 1999 zitierte die ZEIT in Einstimmung auf den Kosovo-Krieg einen älteren Offizier aus dem Gebirgsjägerbataillon 233 mit der Bemerkung: „Erst enthaupten, dann schlachten“. Und weiter heißt es: „In wochenlangen schweren Luftangriffen müssten die Hauptquartiere, die Leitstellen und die Depots der Serben zerstört werden. Danach begänne die Landschlacht. Doch anders als in der Wüste, wo Panzer ohne große Verluste schnell vorankommen können, müssten im gebirgigen Kosovo die Befreier zu Fuß oder – wie in Vietnam – mit Hubschraubern anrücken.“ (Schwelien, 1999). Zu einem Landkrieg ist es so bekanntlich nicht gekommen, allerdings: Am Ende des NATO-Angriffskrieges gegen die Bundesrepublik Jugoslawien war es auch für deutsche Gebirgsjäger im Kosovo wieder soweit: „Erstmals seit dem zweiten Weltkrieg hat (in Prizren) ein deutscher Soldat den Befehl gegeben, im Gefecht das Feuer auf einen Menschen zu eröffnen“, vermeldet das Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Es handelte sich um Soldaten des Gebirgsjägerbataillons 571 aus Schneeberg/Sachsen, das nach der Wende von Offizieren aus Mittenwald aufgebaut worden war.

Den Kosovo-Krieg führte auch zu neuen Ehren für einen weiteren Gebirgsjäger: Der aus Mittenwald stammende General Klaus Reinhardt wurde NATO-Kommandeur auf dem Balkan. In dieser Funktion trat er dann gleich vor dem Kameradenkreis. Vor 6.000 Zuhörern auf dem Hohen Brendten beantwortete er die Frage danach, warum denn „bei den Auslandseinsätzen des Deutschen Heeres immer wieder Gebirgsjäger dabei“ seien, mit dem Hinweis, dass „die Gebirgstruppe der Bundeswehr (…) von Männern aufgebaut und geistig ausgerichtet worden (sei), die als Kommandeure, als Kompaniechefs und Kompaniefeldwebel (einerseits) die schreckliche Erfahrung des Krieges und der Diktatur am eigenen Leib erlebt und durchlitten, (andererseits) uns die zeitlosen militärischen Werte wie Pflicht, Treue, Tapferkeit und Kameradschaft vorgelebt“ haben. „Diese Männer“, so Reinhardt, „waren unsere Vorbilder, und sie repräsentieren eine ganze Generation von Wehrmachtssoldaten, (die) der nachfolgenden Generation das Koordinatensystem ihrer Werteordnung“ weitergegeben hätten und natürlich „Respekt“ verdienten. Es sei gerade der Kameradenkreis gewesen, so Reinhardt, der „bei der Pflege dieser Tradition und ihrer Weitergabe an die nächste Generation (…) sein ganz besonderes Verdienst“ habe. (Reinhardt, 2000).

Ein Jahr später stellte sich für Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber die Erinnerungsarbeit des Kameradenkreises der Gebirgsjäger als eine „unangreifbare Traditionspflege“ dar, die für die „insgesamt traditionsarme Bundeswehr ihresgleichen“ suche und auf deren „Leistungen in Vergangenheit und Gegenwart“ man besonders stolz sein könne. (GBT 2001/Heft 4).

Derzeit vertritt die Interessen der Gebirgsjäger und ihres Kameradenkreises im Bundestag das CSU-Mitglied Christian Schmidt. Ende Mai 2006 beantwortete er als parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium im Namen der Bundesregierung eine kleine Anfrage der PDS-Abgeordneten Jelpke hinsichtlich des Verhältnisses der Bundeswehr zum Kameradenkreis u.a. mit der schlichten Feststellung: „Der Kameradenkreis der Gebirgstruppe bekennt sich in seiner politischen Grundeinstellung zu den Werten und Zielvorstellungen unserer verfassungsgemäßen Ordnung. Die Zusammenarbeit zwischen der Bundeswehr und dem Kameradenkreis der Gebirgstruppe sowie die Teilnahme von Soldaten der Bundeswehr an der so genannten Brendtenfeier sind daher nicht zu beanstanden.“ Selbstredend, das die Bundesregierung hier „die historische Aufarbeitung von Kriegsverbrechen durch einen eingetragenen Verein“ lieber nicht „kommentieren“ wollte. (Deutscher Bundestag, 2006) Der in der ersten Gebirgsdivision gediente Bundeswehrsoldat Schmidt ist übrigens selbst Mitglied des Kameradenkreises.

Ausblick

Eine Distanz zur Politik und Praxis der nationalsozialistischen Wehrmacht gehört zwischenzeitlich zur offiziellen Politik der Bundesrepublik. Gleichzeitig wird dieses Tabu aber durch die mit Unterstützung der Bundeswehr alljährlich in Mittenwald durchgeführten Gedenkfeierlichkeiten des Kameradenkreises der Gebirgsjäger ständig in Frage gestellt. Schließlich wird hier, wie Wolfram Wette einmal feststellte, das »Traditionsproblem« beständig neu vermessen. (Wette, 1997)

Ob die offizielle Distanz zur NS-Wehrmacht im militärischen Raum für die Bundeswehr in Zukunft aufrecht erhalten bleibt, darauf hat die »Traditionspflege« sicher einen Einfluss. Der kritische Blick auf die Kameradentreffen und der Protest gegen die Verherrlichung von Kriegsverbrechen und Kriegsverbrechern ist deshalb dringend notwendig. Genauso aber die Auseinandersetzung mit den Kampfeinsätzen der Bundeswehr. Die Gebirgsjäger stehen hier in der ersten Reihe und die sich dabei herausbildenden »Sondermentalitäten« – siehe Afghanistan – können schnell die offizielle Distanz ad absurdum führen.

Literatur:

Abenheim, Donald (1989): Bundeswehr und Tradition, Auf der Suche nach dem gültigen Erbe des deutschen Soldaten, München.

Bald, Detlef (2005): Die Bundeswehr, Eine kritische Geschichte 1955-2005, München.

Buchner, Hans (1957): Die neue deutsche Gebirgstruppe, in GBT 1957 / Heft 2-4, S.277-280.

Deutscher Bundestag (2006): Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke u.a. und der Fraktion DIE LINKE vom 29.5.2006, Drucksache 16/1623, Internet: kg.r2010.de/Media/3/178/1/2103.pdf

Herbert, Ulrich (1996): Best. Biographische Studien über Radikalismus, Weltanschauung und Vernunft. 1903-1989, Bonn.

Heßler, Klaus (1971): Militär – Gehorsam – Meinung, Berlin.

Kaltenegger, Roland (1980): Die Geschichte der deutschen Gebirgstruppe, Stuttgart.

Kaltenegger, Roland (1990): Generaloberst Dietl, München.

Knab, Jakob (1995): Falsche Glorie, Das Traditionsverständnis der Bundeswehr, Berlin.

Koelbl, Susanne (2000): Der Kampf, das ist das Äußerste, in Der Spiegel vom 7.2.00.

Kohl, Helmut (1991): Brief an den 1. Vorsitzenden des Kameradenkreis der Gebirgstruppe e.V., Herrn Heinz Jaumann vom 5.12.1991, in GBT Heft 1/1992, S.7.

Kutschera, Norbert (1996): Ganze Männer braucht das Land, Ein neuer Lehrgang an der Gebirgs- und Winterkampfschule, in Truppenpraxis – Wehrausbildung 1/1996, S. S.50-52.

Prior, Helmut (1992): Hoher Brendten 1992 – ein Höhepunkt, 10.000 kamen zum 35jährigen Jubiläum des Ehrenmals, in GBT, Heft 4/1992, S.4-8.

Reinhardt, Klaus (2000): Ansprache des Oberkommandierenden der Landstreitkräfte Europa Mitte, in GBT, Heft 4/2000, S.8-17.

Sander, Ulrich (2004): Die Macht im Hintergrund, Köln.

Schäfer, Paul (1998): Bundeswehr und Rechtsextremismus, in Wissenschaft & Frieden Nr. 2/1998 Dossier Nr. 28.

Schwelien, Michael (1999): Mit Monika nach Prishtina, In DIE ZEIT vom 25.2.1999.

Stoiber, Edmund (2001): Ansprache des bayrischen Ministerpräsidenten in GBT Heft 4/2001, S.10-13.

Strauß, Franz-Josef (1989): Die Erinnerungen, Berlin.

Spiegel (1983): Zurück zur Legende vom besonderen Sterben, Der Spiegel, 10.10.1983.

Uhde, Peter. E. (1982): 25 Jahre 1. Gebirgsdivision, Lahr.

Wette, Wolfram (1997): Brisante Tradition, in Die Zeit, 19.12.1997.

Wittmann, August (1957): 4 Jahre Kameradenkreis der Gebirgstruppe. Rückschau und Vorschau, in GBT, Heft 2-4/1957, S.223-229.

Markus Mohr Jg. der Kuba-Krise, Autoschlosser und Mitglied der IG Metall, nimmt seit 2002 an den Protesten gegen das Kameradenkreistreffen der Gebirgsjäger in Mittenwald teil.